IT- und Medienrecht

Beweiskraft des Tatbestands: Abweichender Parteivortrag in einer höheren Instanz

Aktenzeichen  III ZR 38/20

Datum:
10.6.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:100621UIIIZR38.20.0
Normen:
§ 314 ZPO
§ 530 ZPO
§ 531 ZPO
§ 280 Abs 1 BGB
§ 826 BGB
Spruchkörper:
3. Zivilsenat

Leitsatz

Der Tatbestand erbringt nach § 314 ZPO Beweis nur für das mündliche Parteivorbringen in der jeweiligen Instanz, schließt aber abweichenden Vortrag in einer höheren Instanz – in den Grenzen der §§ 530, 531 ZPO – nicht aus (Fortführung von BGH, Urteile vom 20. Mai 1992 – IV ZR 105/91, NJW-RR 1992, 1214; vom 13. Juli 2000 – I ZR 49/98, NJW 2001, 448, 449 und vom 17. Januar 2012 – XI ZR 457/10, NJW-RR 2012, 622 Rn. 18).

Verfahrensgang

vorgehend OLG München, 12. Februar 2020, Az: 8 U 1637/19vorgehend LG München I, 1. März 2019, Az: 29 O 18663/17

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird der Beschluss des Oberlandesgerichts München – 8. Zivilsenat – vom 12. Februar 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Vermögensverwaltung in Anspruch.
2
Der Kläger, ein Apotheker im Ruhestand, lernte den Beklagten, der die Wertpapierabteilung der S.                   AG (künftig: SAB) leitete, im Juli 2012 im Urlaub kennen. Der Kontakt setzte sich über das Ende des Urlaubs hinaus fort. Am 11. Juli 2014 trafen sich die Parteien im Büro des Beklagten und erörterten Fragen der Vermögensanlage. Am 15./25. August 2014 schloss der Kläger nach vorbereitenden Telefonaten mit dem Beklagten einen Vermögensverwaltungsvertrag mit der SAB. Nach dem beigefügten Datenanalysebogen verfügte er nicht über Erfahrungen mit kreditfinanzierten Anlagegeschäften und mit Anlagen der Risikoklassen 5 und 6 wie Futures und Optionen. In den der Vermögensverwaltung zugrundeliegenden Anlagerichtlinien kreuzte der Kläger als Anlageziele auf Anraten des Beklagten “Vermögensaufbau”, “Alters/Familienvorsorge”, “kurzfristige Gewinnerzielung/Spekulation” und “Ausnutzung langfristiger Marktbewegungen” an. Ebenfalls auf Anraten des Beklagten wählte er die höchste Risikoklasse 6 und fügte handschriftlich hinzu “Spekulativer Kauf von Optionen und Optionsscheinen sind ausgeschlossen”. Der Kläger eröffnete ein Wertpapierdepot und ein Abwicklungskonto bei der V-Bank AG (künftig: V-Bank). Zum Zwecke der Vermögensverwaltung durch die SAB, der er Vollmacht zur Verfügung über Konto und Depot erteilte, übertrug er der V-Bank Wertpapiere im Wert von rund 40.000 € und ein Bankguthaben von rund 200.000 €.
3
Die SAB, für die überwiegend der Beklagte handelte, nahm sodann Wertpapiergeschäfte für den Kläger vor, insbesondere Verkäufe indexbasierter Optionen (Stillhalterpositionen), mit denen der Kläger ein teilweise unbegrenztes Verlustrisiko einging. Am 15. Oktober 2014 teilte ihm die SAB mit, dass Verluste von mehr als 15% des Depotwerts eingetreten seien. Während der Kläger urlaubsbedingt nicht erreichbar war, forderte die V-Bank am 25. November 2014 eine Sicherheitsleistung von rund 814.000 € bis zum Folgetag und leitete, weil der Kläger diese nicht erbrachte, am 27. November 2014 die Schließung aller Depotpositionen (Zwangsclosing) ein. Der Negativsaldo aus den Optionsgeschäften belief sich auf 311.813,20 €. Der um Kosten und Kapitalertragsteuer bereinigte Schaden von 329.710,64 € ist Gegenstand der Klage.
4
Nachdem der Kläger zunächst die SAB erfolgreich auf Schadensersatz verklagt hatte (Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25. Juli 2017, Anlage K 1), diese aber nachfolgend in Insolvenz gefallen war, nimmt er nun den Beklagten persönlich in Anspruch. Er macht geltend, er habe diesem mitgeteilt, dass er sein angespartes Kapital als Altersversorgung benötige und keine Verlustrisiken eingehen wolle. Der Beklagte habe in Aussicht gestellt, durch den Verleih von Aktien risikolos eine Rendite von bis zu 12% p. a. erzielen zu können.
5
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung der geforderten Summe nebst Zinsen verurteilt. Seine Berufung hat das Oberlandesgericht durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben