IT- und Medienrecht

Bürgerbegehren, Benennung als „verantwortliche“ Person ausnahmsweise ausreichend, wenn Bürgerbegehren von nur einer Person vertreten wird, Rechtswidriges Ziel aufgrund überholter Fragestellung

Aktenzeichen  M 7 K 20.3203

Datum:
16.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42021
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GO Art. 18a Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keine Aussicht auf Erfolg, weil sie zwar zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.) ist.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin klagebefugt und kann als (alleinige) Vertreterin der Unterzeichner des Bürgerbegehrens gegen dessen Ablehnung im eigenen Namen unmittelbar Klage erheben (Art.18a Abs. 8 Satz 2 GO).
Die Klägerin wurde durch die Unterzeichner des Bürgerbegehrens als dessen (alleinige) Vertreterin entsprechend legitimiert bzw. ermächtigt. Dass die Klägerin auf den Unterschriftslisten dabei nicht als „vertretungsberechtigte Person“, sondern (nur) als „Verantwortliche“ bezeichnet wurde, ist dabei nach Rechtauffassung der Kammer und einer „wohlwollenden Auslegung“ folgend jedenfalls im vorliegenden Fall, d.h. wenn nur eine Einzelperson als Initiatorin und damit Vertreterin auftritt, ausnahmsweise unschädlich.
Der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs folgend (vgl. dazu BayVGH, B.v. 28.1.2016 – 4 ZB 16.1610 – juris Rn. 10 unter Verweis auf BayVGH, U. v. 10.3.1999 – 4 B 98.1349 – juris Rn. 14) sind die Vertreterinnen oder Vertreter eines Bürgerbegehrens berechtigt, die Belange, die das Zustandekommen und die Zulassung des Bürgerbegehrens sowie die Durchführung des Bürgerentscheids erfordern, im eigenen Namen wahrzunehmen. Die Rechtswirkungen der hierzu von ihnen vorgenommenen Handlungen und abgegebenen Erklärungen treten nicht beim Bürgerbegehren oder bei den Unterzeichnenden ein. Letztere spielen nach ihrer Unterschriftsleistung für den Fortgang des Bürgerbegehrens keine Rolle mehr; sie haben keinen gesetzlich vorgesehenen Einfluss auf das Tätigwerden der von ihnen benannten Vertreterinnen oder Vertreter und können diese auch nicht abberufen. Das Bürgerbegehren wiederum ist kein rechts- oder beteiligungsfähiges Gebilde, für das die Vertreterinnen oder Vertreter handeln könnten; es ist vor allem keine (Personen-)Vereinigung i.S. d. Art. 11 Nr. 2 BayVwVfG oder des § 61 Nr. 2 VwGO, sondern bezeichnet lediglich die von allen Unterzeichnenden unterstützte Fragestellung, die durch den Bürgerentscheid beantwortet werden soll (Art. 18 a Abs. 1 GO). Die Rechtsstellung der Vertreterinnen oder Vertreter des Bürgerbegehrens ist damit – jedenfalls im Ansatz – vergleichbar derjenigen des Vertrauensmannes eines Volksbegehrens nach § 23 des Ausführungsgesetzes zu Art. 29 Abs. 6 GG oder des Beauftragten eines Volksbegehrens nach Art. 64 LWG. Ähnlich einer Prozessstandschaft machen auch die Vertreterinnen oder Vertreter des Bürgerbegehrens die Interessen der Gesamtheit derjenigen Gemeindebürger im eigenen Namen geltend, die mit ihrer Unterschriftsleistung ihr durch Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3 BV verbürgtes Recht zur aktiven und unmittelbaren Regelung örtlicher Angelegenheiten wahrgenommen haben.
Auf Grundlage dieser rechtsdogmatischen Überlegungen wird daher weiter gefordert, dass neben dem Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids (Bürgerbegehren), der mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung und der Begründung auch die Vertreterinnen oder Vertreter auf jeder einzelnen Unterschriftsliste zu benennen sind. Denn die genannten vier Merkmale bilden in ihrer Summe den Gegenstand des Bürgerbegehrens im Sinn des Gesetzes, den die Gemeindebürger nach Art. 18a Abs. 5 Satz 1 GO unterzeichnen können. Auf alle vier Elemente muss sich der Wille der Unterzeichnenden nachweislich beziehen (vgl. BayVGH, B.v. 4.2.1997 – 4 CE 96.3435 – BayVBl 1997, 375 unter Verweis auf BayVGH, B.v. 8.7.1996 – 4 CE 96.2182 – juris Rn. 11). Die Vertreter dürfen im Hinblick auf die Bedeutung ihres Amts keine „selbsternannten“ Vertreter sein, sondern bedürfen der Ermächtigung durch die Unterzeichner. Die Legitimation der Vertreter muss von den Unterzeichnern ausgehen (vgl. BayVGH, B.v. 8.7.1996 – 4 CE 96.2182 – juris Rn. 11).
Der Inhalt eines Bürgerbegehrens ist zudem – v.a. im Hinblick auf Fragestellung und Begründung – durch Auslegung zu ermitteln. So dürfen etwa an die sprachliche Abfassung der Fragestellung keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Das Rechtsinstitut Bürgerbegehren/Bürgerentscheid ist so angelegt, dass die Fragestellung von Gemeindebürgern ohne besondere verwaltungsrechtliche Kenntnisse formuliert werden können soll. Es kann deshalb notwendig sein und ist zulässig – wie bei Willenserklärungen und Gesetzen auch -, den Inhalt einer Frage durch Auslegung zu ermitteln. Bei der Auslegung hält die Rechtsprechung eine „wohlwollende Tendenz“ für gerechtfertigt, weil das Rechtsinstitut für die Bürger handhabbar sein soll, solange nur das sachliche Ziel des Begehrens klar erkennbar ist. Für die Auslegung gilt, dass nicht die subjektive, im Lauf des Verfahrens erläuterte Vorstellung der Initiatoren vom Sinn und Zweck und Inhalt des Bürgerbegehrens, sondern nur der objektive Erklärungsinhalt, wie er in der Formulierung und Begründung der Frage zum Ausdruck gebracht und von den Unterzeichnern verstanden werden konnte und musste, maßgeblich ist (vgl. dazu BayVGH, U.v. 4.7.2016 – 4 BV 16.105 – juris Rn. 32 unter Verweis auf BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 4 B 11.221 – juris Rn. 21 m.w.N.).
Diesen Eckpunkten folgend erachtet es die Kammer vorliegend noch als ausreichend, dass die Klägerin auf den eingereichten Unterschriftslisten des Bürgerbegehrens (nur) als „Verantwortliche“ benannt wird. Denn dem Gebot der wohlwollenden Auslegung folgend – das auch insoweit (und nicht allein bzgl. Fragestellung und Begründung) Geltung beanspruchen muss – können die Unterzeichnenden diese Formulierung jedenfalls bei einer einzigen im Bürgerbegehren benannten Person (wie vorliegend) nur dahingehend verstehen, dass diese Einzelperson das Bürgerbegehren auch nach außen, insbesondere gegenüber der Gemeinde und ggf. auch vor Gericht, vertreten will. Denn aus der Perspektive eines (objektiv betrachtenden) Bürgers kann diese Bezeichnung auch im Kontext mit dem übrigen Inhalt des Begehrens letztendlich (und auch „praxisnah“) nur dahingehend verstanden werden, dass die Klägerin quasi Initiatorin und „treibende Kraft“ – eben die Verantwortliche – hinter dem Bürgerbegehren ist und dementsprechend um eine Legitimation durch Unterschriftsleistung bittet. Aus Sicht des Bürgers, der zu einer derartigen Unterschrift gebeten wird, wäre es lebensfremd anzunehmen, dass die Klägerin zwar Unterschriften gegen ein bestimmtes Projekt sammelt, diese aber dann nicht weiter nutzen bzw. sie nicht bei der zuständigen Stelle/Gemeinde einreichen würde. Dass es sich nicht um eine bloße Eingabe, sondern spezifisch um ein Bürgerbegehren bzw. den Antrag auf Durchführung eines Bürgerbescheids handelt, wird dabei bereits aus der Überschrift der Unterschriftslisten und auch aus der Formulierung „Wir sammeln Ihre Unterschrift, um einen Bürgerentscheid zu erreichen“ deutlich. Auch dass das Begehren insoweit von „Wir“, spricht, aber explizit nur eine Verantwortliche benennt, schadet insoweit nicht. Vielmehr kann dies nur so verstanden werden, dass sich zwar mehrere, dem Projekt „Baumarkt“ kritisch gegenüberstehende Bürger dagegen (u.a. durch die Sammlung der notwendigen Unterschriften) engagieren, die Klägerin aber die allein Verantwortliche speziell für das Bürgerbegehren ist.
Anders als bei mehreren Initiatoren bzw. vertretungsberechtigten Personen stellt sich auch nicht die Frage, ob eine Gesamt- oder Einzelvertretungsmacht vorliegen soll. Vor dem Hintergrund der „Wahlfreiheit“ des Art. 18a Abs. 4 GO bzgl. der Benennung von bis zu drei vertretungsberechtigten Personen (vgl. dazu BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 4 ZB 16.1610 – juris Rn. 10) mag es bei mehreren Vertretern eines Bürgerbegehrens nicht genügen, wenn sich diese bloß als „Verantwortliche“ bezeichnen. Vorliegend besteht eine solche Rechtsunsicherheit jedoch nicht; es kann schlicht nur eine Einzelvertretung vorliegen.
Insgesamt wurde die Klägerin daher vorliegend durch die Unterzeichner ermächtigt bzw. legitimiert, das von ihr verantwortete Bürgerbegehren zu vertreten. Dass diese Vertretungsbefugnis auch eine Klageerhebung vor Gericht mit umfasst, ergibt sich bereits aus dem Gesetz, arg. e. Art. 18a Abs. 8 Satz 2 GO, so dass die Klägerin im eigenen Namen klagebefugt ist.
2. Die Klage ist allerdings unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zulassung des Bürgerbegehrens „… … …“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Bürgerbegehren ist unzulässig, weil es (jedenfalls zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, vgl. dazu BayVGH, U.v.18.3.1998 – 4 B 97.3249 – juris Rn. 21) auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet ist und seine Fragestellung bzw. jedenfalls seine Begründung irreführend sind.
Bei der Entscheidung über die Zulassung eines Bürgerbegehrens sind nicht nur die in Art. 18a Abs. 1 bis 6 GO ausdrücklich aufgeführten Zulässigkeitsvoraussetzungen zu prüfen, vielmehr setzt die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens auch voraus, dass die mit dem Bürgerbegehren verfolgten Ziele mit der Rechtsordnung in Einklang stehen; denn eine möglichst frühzeitige Überprüfung der Vereinbarkeit des Bürgerbegehrens mit dem materiellen Recht dient dazu, unnötigen Verwaltungsaufwand und Kostenrisiken zu vermeiden (sog. materielles Prüfungsrecht, vgl. BayVGH, U.v. 8.5.2006 – 4 BV 05.756 – juris Rn. 21 unter Verweis auf BayVGH, B.v. 10.11.1997 – 4 CE 97.3392 – juris Rn. 18). Daher ist zu prüfen, ob die mit dem Bürgerbegehren verlangte Maßnahme rechtlichen Vorschriften oder vertraglich eingegangenen Verpflichtungen widerspricht. Dies ergibt sich, auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung, bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip. Gemäß Art. 56 Abs. 1 GO muss die gesamte gemeindliche Verwaltungstätigkeit mit der Verfassung und den Gesetzen in Einklang stehen. Es wäre unbefriedigend und unökonomisch, einen Bürgerentscheid zuzulassen, der im Falle seiner Annahme rechtswidrig wäre und daher beanstandet und aufgehoben werden müsste. Dies gilt auch dann, wenn sich die Rechtswidrigkeit des kommunalen Handelns aus einem Verstoß gegen zivilrechtliche Verpflichtungen ergibt (vgl. VG Ansbach, U.v. 6.7. 2006 – AN 4 K 06.00437 – juris Rn. 39 mit Verweis auf BayVGH, U.v. 10.12.1997- 4 B 97.89-93 – BayVBl 1998, 243; vgl. auch VG Göttingen, U.v. 22.11.2019 – 1 A 394/17 – juris Rn. 33 m.w.N.).
Vorliegend zielt aber die Fragestellung auf ein solches rechtswidriges Handeln des Beklagten ab, welches seinen eingegangenen (und auch bereits vollzogenen) zivilrechtlichen Verpflichtungen zuwiderlaufen würde. Denn falls sich die zur Abstimmung berufenen Bürger im Falle eines Bürgerbescheids mehrheitlich dafür entscheiden würden, dass – so die Fragestellung – der „Gewerbegrund am …weg neu ausgeschrieben“ und danach nur in Form von kleineren Grundstücken an mehrere Interessenten verkauft wird, wäre der Beklagte verpflichtet, Grundstücke „auszuschreiben“ und zu verkaufen, welche mittlerweile bereits auf den Erwerber übergegangen sind. Dies würde – unabhängig von der zivilrechtlichen Frage, ob es sich bei einer Verpflichtung zur Veräußerung fremden Eigentums um einen Fall der (subjektiven) Unmöglichkeit handelt – jedenfalls den im notariellen Grundstückskaufvertrag vom 20. April 2020 eingegangenen Verpflichtungen widersprechen. Der Beklagte hat infolge des vollzogenen Grundstückkaufvertrags keine Verfügungsgewalt mehr über die Grundstücke, zumal der Erwerber ihm gegenüber geäußert hat, einer Rückübertragung nicht zuzustimmen (s.o.). Dem Beklagten steht insoweit auch weder ein vertragliches Rücktritts- noch eine Art gesetzliches „Sonderkündigungsrecht“ aufgrund eines Bürgerentscheids zu (vgl. Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand: September 2020, Nr. 13.08, 1 f) aa) (1); VG Ansbach, U.v. 6.7.2006 – AN 4 K 06.00437 – juris Rn. 41; VG Bayreuth, U.v. 27.9.2016 – B 5 K 15.982 – juris Rn. 39). Dass dem Beklagten möglicherweise noch Optionen in Form des Bauplanungsrechts verbleiben, die Realisierung des Baumarkts zu verhindern oder jedenfalls zu erschweren und auch die Möglichkeit besteht, in „ernsthafte Verhandlungen mit dem bisherigen Erwerber mit dem Ziel einer Rückabwicklung der Kaufverträge“ einzutreten, spielt dabei keine Rolle. Denn die formulierte Fragestellung und damit zugleich Zielsetzung ist insoweit eindeutig und auch keiner – auch wohlwollenden – Auslegung zugänglich. Das allgemeine Risiko, dass ein mit (möglicherweise) zulässigem Inhalt gestartetes Bürgerbegehren infolge veränderter Umstände noch vor der Durchführung des Bürgerentscheids rechtswidrig wird oder sich das angestrebte Ziel nicht mehr erreichen lässt, kann den Initiatoren aber niemand abnehmen (vgl. Zöllner, BayVBl 2013, 129/135)
Aus diesem Grund sind die Fragestellung und Begründung des Bürgerbegehrens zugleich auch irreführend.
Nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO muss ein Bürgerbegehren eine (auf allen Unterschriftenlisten gleichlautende) Begründung enthalten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Gemeindebürger, wenn sie zur Unterschriftsleistung aufgefordert werden, schon in dieser ersten Phase des direktdemokratischen Verfahrens die Bedeutung und Tragweite der mit Ja oder Nein zu entscheidenden Fragestellung erkennen können (vgl. zum Volksgesetzgebungsverfahren BayVerfGH, E.v. 13.4.2000 – Vf.4-IX-00 – VGH n.F. 53, 81/105). Da bereits mit der Unterzeichnung eines Bürgerbegehrens das Recht auf Teilhabe an der Staatsgewalt in Gestalt der Abstimmungsfreiheit (Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3 BV) ausgeübt wird, ergeben sich aus der Bayerischen Verfassung auch Mindestanforderungen an die Richtigkeit der Begründung. Die Stimmberechtigten können sowohl bei der Frage, ob sie ein Bürgerbegehren unterstützen und diesem zur erforderlichen Mindestunterschriftenzahl verhelfen (Art. 18a Abs. 6 GO), als auch bei der nachfolgenden Abstimmung über den Bürgerentscheid nur dann sachgerecht entscheiden, wenn sie den Inhalt des Begehrens verstehen, seine Auswirkungen überblicken und die wesentlichen Vor- und Nachteile abschätzen können. Mit diesen Grundsätzen ist es nicht vereinbar, wenn in der Fragestellung oder in der Begründung eines Bürgerbegehrens in einer für die Abstimmung relevanten Weise unzutreffende Tatsachen behauptet werden oder die geltende Rechtslage unzutreffend oder unvollständig erläutert wird (vgl. BayVGH, U.v. 17.5.2017 – 4 B 16.1856 – juris Rn. 33 m.w.N., B.v. 20.1.2012 – 4 CE 11.2771 – juris Rn. 31 m.w.N.). Anders als die – meist von Verwaltungsmitarbeitern erarbeiteten – Beschlussvorlagen für Gemeinderatssitzungen, die der dortigen Diskussion und Abstimmung als Grundlage dienen und die bestehende Sach- und Rechtslage zunächst in neutraler Form darstellen sollten, muss aber die einem Bürgerbegehren beigefügte Begründung noch keinen (vorläufigen) Überblick über die Ausgangssituation und den kommunalpolitischen Streitstand vermitteln. Die Betreiber des Bürgerbegehrens nehmen am öffentlichen Meinungskampf teil und sind nicht zu einer objektiv ausgewogenen Erläuterung ihres Anliegens verpflichtet. Die um ihre Unterschrift gebetenen Gemeindebürger müssen sich vielmehr selbständig ein Urteil darüber bilden, ob sie die – in der Regel einseitig zugunsten des Bürgerbegehrens – vorgebrachten Gründe für stichhaltig halten oder ob sie sich zusätzlich aus weiteren Quellen informieren wollen. Zu beanstanden ist die Begründung eines Bürgerbegehrens daher nur, wenn sie über eine bloß tendenziöse Wiedergabe hinaus einen entscheidungsrelevanten Umstand nachweislich falsch oder in objektiv irreführender Weise darstellt (vgl. BayVGH, U.v. 17.5.2017 – 4 B 16.1856 – juris Rn. 35). Diese inhaltliche Kontrolle der Begründung dient dem Ziel, einer Verfälschung des Bürgerwillens vorzubeugen.
Schon die Fragestellung, jedenfalls aber die Begründung des vorliegenden Bürgerbegehrens genügt diesen Vorgaben nicht und verstößt gegen das Täuschungs- und Irreführungsverbot. Entscheidungs- bzw. abstimmungsrelevante wesentliche Umstände werden objektiv irreführend bzw. unzutreffend und unvollständig dargestellt.
Durch die Fragestellung wird – wie oben bereits dargelegt – der Eindruck erweckt, dass der Beklagte ohne weiteres noch über die betreffenden Grundstücke verfügen könne. Weder Fragestellung noch Begründung weisen auf die (objektiv feststehende) Tatsache hin, dass der Beklagte nicht Eigentümer und damit auch nicht mehr Verfügungsberechtigter über die Grundstücke ist. Dass dem Beklagten eine Veräußerung jedenfalls faktisch (derzeit) unmöglich sein dürfte, ist zudem für den Bürger eine wesentliche Tatsache und folglich auch eine abstimmungsrelevante Unvollständigkeit der Fragestellung und Begründung (vgl. dazu BayVGH, B.v. 14.10.2014 – 4 ZB 14.707 – juris Rn. 9). Ebenso wie bei der Zielsetzung ist auch hier eine wohlwollende Auslegung – etwa dahingehend, zunächst alle rechtlichen Möglichkeiten zu ergreifen, um den Grundstückskauf rückabzuwickeln und die Grundstücke dann „neu auszuschreiben“ – nicht möglich (s.o.). Ebenso kommt es nicht darauf an, ob der objektiv wahrheitswidrigen Aussage bzw. Unterlassung auch eine entsprechende Täuschungsabsicht zugrunde lag. Selbst wenn eine ursprünglich zutreffende Darstellung erst durch spätere Entwicklungen unrichtig geworden ist, muss die Begründung (bzw. Fragestellung) als (nunmehr) irreführend beanstandet werden. Wie bereits ausgeführt kann den Initiatoren auch dieses Risiko niemand abnehmen.
Soweit der Bevollmächtigte zu 2) anführt, dass ihm bzw. der Klägerin vor der Beschlussfassung des Marktgemeinderats betreffend die Zurückweisung des Bürgerbegehrens (Gemeinderatssitzung am 16. Juni 2020) nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden sei, führt dies ebenfalls zu keiner anderen Bewertung. Bei der Zulassung eines Bürgerbegehrens (Durchführung eines Bürgerentscheids) handelt es sich um eine gebundene Entscheidung ohne dem Beklagten eingeräumtes Ermessen, sodass (etwaige) formelle Fehler während des Verwaltungsverfahrens im Rahmen einer auf Zulassung gerichteten Verpflichtungsklage ohnehin keine Rolle spielen (vgl. auch den Rechtsgedanken des Art. 46 BayVwVfG bezogen auf den Ablehnungsbescheid).
3. Daher war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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