IT- und Medienrecht

Darlehensvertrag, Berufung, Verwirkung, Mitwirkung, Vermittler, Anspruch, Zusammenhang, Nichtigkeit, Inanspruchnahme, Anlage, Pflichtverletzung, Veranstalter, Klage, Girokonto, Aussicht auf Erfolg, keine Aussicht auf Erfolg

Aktenzeichen  17 U 1223/21

Datum:
26.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54950
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

22 O 5272/20 2021-02-05 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 05.02.2021, Az. 22 O 5272/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird vorläufig auf 53.829,72 € festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Darlehensrückzahlungsansprüche geltend. Die Berufung des Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts München I vom 05.02.2021 hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Forderungen gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Das Girokonto des Beklagten wies am 30.05.2019 einen Sollstand von 47.831,86 € auf. Weiter hatte der Beklagte am 24./25.05.2018 einen Darlehensvertrag geschlossen, aus dem zum 30.05.2019 noch eine Restforderung in Höhe von 5.997,86 € offen war. Die Klägerin hat die Geschäftsverbindung mit dem Beklagten mit Schreiben vom 31.05.2019 aus wichtigem Grund gekündigt und die Forderungen sofort fällig gestellt.
Die Kündigung der Geschäftsbeziehung aus wichtigem Grund war gemäß Nr. 26 (2) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, § 314 BGB wirksam. Der Beklagte hat die Kontoüberziehung trotz dreimaliger Aufforderung und Hinweis auf die ansonsten erfolgende Kündigung der Geschäftsbeziehung nicht zurückgeführt (vgl. Schreiben v. 07.01.2019, v. 21.01.2019 und vom 04.02.2019, Anlage K 7). Die Durchsetzbarkeit der Ansprüche der Klägerin war gefährdet. In Anbetracht der nicht erfolgten Rückführung der Kontoüberziehung auf dem Girokonto war die Klägerin auch berechtigt, den Darlehensvertrag vom 24./25.05.2018 zu kündigen, da in Anbetracht der auf dem Girokonto aufgelaufenen Schulden zu befürchten stand, dass der Beklagte auch diesen Kredit nicht würde zurückführen können. Für eine Verwirkung des Kündigungsrechts liegen keine Anhaltspunkte vor. Dass die Klägerin die Kontoüberziehung auch über die eingeräumte Kreditlinie hinaus zunächst geduldet hatte, führt nicht dazu, dass die Klägerin bei einer steten Ausweitung der Überziehung und Nichtrückführung trotz Aufforderung ihr Kündigungsrecht verliert. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass der Beklagte der Klägerin am 05.09.2018 mitgeteilt hat, dass er seiner Meinung nach Ansprüche auf Rückbuchung vom 21.420,00 € habe, weil in dieser Höhe Spieleinsätze im Zusammenhang mit unerlaubtem Online-Glücksspiel gebucht worden seien.
2. Die Klägerin hat das Girokonto des Beklagten auch zu Recht mit den vom Beklagten autorisierten Zahlungen an die Vertragspartner des Beklagten bzw. deren Zahlungsdienstleister belastet, selbst wenn es sich um Zahlungen für die Teilnahme an illegalen Glücksspielen gehandelt haben sollte. Der Klägerin stehen in Höhe der geleisteten Zahlungen Aufwendungsersatzansprüche gemäß § 675c, § 670 BGB zu.
A) Der Beklagte hat die Zahlungen an seine Vertragspartner durch Einsatz seiner Kreditkarten gemäß § 675j BGB, Ziffer 4. (2) der Kreditkartenbedingungen (Anlage K 3) autorisiert. Diese Autorisierung ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV gemäß § 134 BGB nichtig. Zwar ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten. Allerdings ist nach den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag die Regelung des § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV im Zusammenhang mit den Überwachungsbefugnissen der Glücksspielaufsicht in § 9 GlüStV zu sehen und erweitert die Möglichkeiten der Inanspruchnahme Dritter als verantwortliche Störer, soweit sie zuvor auf die unerlaubte Mitwirkung an verbotenem Glücksspiel hingewiesen wurden (Erläuterungen zum GlüStV, Stand: 7. Dezember 2011, S. 17). Die Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV dient – so die Motive – der Klarstellung und Konkretisierung von § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV. Danach können die am Zahlungsverkehr Beteiligten, insbesondere die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute im Wege einer dynamischen Rechtsverweisung als verantwortliche Störer herangezogen werden, sofern ihnen zuvor die Mitwirkung an unerlaubten Glücksspielangeboten von der Glücksspielaufsichtsbehörde mitgeteilt wurde. Dies setzt voraus, dass der Veranstalter oder Vermittler des unerlaubten Glücksspielangebotes zuvor vergeblich – insbesondere wegen eines Auslandsbezuges – in Anspruch genommen wurde (Erläuterungen zum GlüStV, Stand: 7. Dezember 2011, S. 32). Das Verbot in § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV ist somit nach den Erläuterungen zum GlüStV im Zusammenhang mit der Möglichkeit einer öffentlichrechtlichen Untersagungsverfügung zu sehen. Eine zivilrechtliche Nichtigkeit der Autorisierung gemäß § 134 BGB ist damit nicht verbunden.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht aus dem erst 2020 und somit nach den hier streitgegenständlichen Zahlungen versandten Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport als nationaler Glücksspielaufsichtsbehörde an die Branchenverbände der deutschen Kreditwirtschaft (Anlage B 5). Zwar vertritt das Ministerium in dem Schreiben die Auffassung, dass das Mitwirkungsverbot auch ohne vorherige Untersagungsverfügung gilt. Dem Schreiben ist aber nicht zu entnehmen, dass es sich nach Auffassung des Ministeriums bei § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV um ein Verbotsgesetz iSd § 134 BGB handelt mit der Folge, dass bei Zahlungen an illegale Glücksspielanbieter die Zahlungsautorisierung des Karteninhabers gemäß § 134 BGB als nichtig anzusehen wäre und dem Kreditkartenunternehmen gegenüber dem Karteninhaber kein Aufwendungsersatzanspruch zusteht mit der Konsequenz, dass der Karteninhaber bei einem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV auf Kosten seiner Bank, ohne einen Rückgriff fürchten zu müssen, an illegalen Glücksspielen teilnehmen kann.
B) Die Zahlungen der Klägerin an die Vertragsunternehmen würden nur ausnahmsweise dann keine Aufwendungen darstellen, die die Klägerin gemäß § 670 BGB für erforderlich halten durfte, wenn die Vertragsunternehmen die Klägerin rechtsmissbräuchlich in Anspruch genommen hätten. Dann wäre die Klägerin zur Zahlungsverweigerung nicht nur berechtigt, sondern aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem Beklagten verpflichtet. Eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme läge nur vor, wenn die Vertragsunternehmen ihre formale Rechtsposition ersichtlich treuwidrig ausnutzten. Das ist nur dann der Fall, wenn offensichtlich oder liquide beweisbar ist, dass dem Vertragsunternehmen eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Karteninhaber nicht zusteht (vgl. BGH Urteil v. 24.09.2002, Az. XI ZR 420/01, BKR 2002, 1103 m.w.N.).
Vorliegend war für die Klägerin nicht offensichtlich, dass es sich, wie der Beklagte behauptet, um Zahlungen für die Teilnahme an illegalen Glücksspielen handelte. Zwar war für die Klägerin anhand des M. C. C. (MCC) erkennbar, dass es sich um Glücksspiel- und Wettumsätze handelte und dementsprechend hat sie bei den über die VisaCard getätigten Umsätzen auch entsprechende Gebühren von 3% erhoben. Aus dem MCC ist aber nicht erkennbar, ob es sich um legale oder illegale Glücksspiele handelt. Es war nicht offensichtlich, ob für die Glücksspiele eine Erlaubnis nach § 4 Abs. 5 GlüStV vorlag. Zu diesbezüglichen Ermittlungen war die Klägerin nicht verpflichtet. Weiter war für die Klägerin insbesondere nicht ersichtlich, von wo aus der Beklagte an den Spielen teilnahm. In Deutschland verbotene Glücksspiele können im Ausland legal sein. Ob dem Vertragsunternehmen ein Anspruch gegen den Beklagten zustand, war für die Klägerin weder offensichtlich noch liquide beweisbar.
3. Dem Beklagten stehen keine Gegenansprüche gegen die Klägerin wegen der Zahlungen an die Vertragsunternehmen gemäß §§ 280, 241 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV zu. Wie bereits oben darlegt, regelt § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV nicht, ob bei einer erfolgten Zahlung an den Glücksspielveranstalter das Kreditkartenunternehmen oder der Kunde letztlich die Kosten zu tragen hat. Es ist in erster Linie Sache des Kunden, seine Kreditkarte nicht für illegale Geschäfte einzusetzen. Eine Pflichtverletzung des Kreditkartenunternehmens im Verhältnis zu seinem Kunden liegt bei einer Zahlung für illegale Glücksspiele nur dann vor, wenn für das Kreditkartenunternehmen offensichtlich oder liquide beweisbar war, dass es sich um illegales Glücksspiel gehandelt hat. Dies war, wie dargelegt, vorliegend nicht der Fall und ergibt sich auch nicht aus den Pflichten der Klägerin gemäß §§ 4 ff. GWG.
4. Auch Ansprüche gemäß § 823 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV bestehen nicht, denn bei § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV handelt es sich nicht um ein Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB. Zwar hat § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV eine die Spieler schützende Funktion, daraus folgt aber nicht, dass es sich um ein Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB handelt (vgl. BGH NZG 2008, 477 Rn. 17). Die Schutzvoraussetzungen müssten bei hypothetischer Annahme eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB mit denen des § 823 Abs. 1 BGB bzw. des § 826 BGB vergleichbar sein (vgl. BGH NZG 2008, 477 Rn. 20), dies ist aber bei einer bloßen Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel nicht der Fall.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).


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