IT- und Medienrecht

Dienstleistungen, Werbung, Berichterstattung, Unterlassungsantrag, Nutzung, Medien, Gesellschaft, Verletzungsform, Anlage, Abmahnung, Angebot, Ordnungshaft, Verbot, Klage, konkrete Verletzungsform, Nutzung von, Sinn und Zweck

Aktenzeichen  33 O 11963/19

Datum:
19.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2020, 55380
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert wird festgesetzt auf 90.000 Euro (Klageantrag Ziffer. 1: 40.000 Euro, Klageantrag Ziffer 2: 20.000 Euro, Klageantrag Ziffer. 3: 20.000 Euro, Klageantrag Ziffer 4: 10.000 Euro).

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
A. Die Klage ist zulässig.
I. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folgt sachlich aus § 13 Abs. 1 UWG und örtlich aus § 14 Abs. 2 UWG, § 39 S. 1 ZPO.
II. Die Anträge wahren auch die Voraussetzungen hinreichender Bestimmtheit gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
1. Ein Verbotsantrag darf im Hinblick auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die beklagte Partei nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (stRspr; vgl. nur BGH, GRUR 2018, 417 Rn. 21 – Resistograph). Dagegen abzuwägen ist das schutzwürdige Interesse der klagenden Partei an einem wirksamen Rechtsschutz (vgl. BGH NJW 2003, 668 Rn. 46 – P-Vermerk). In der Regel ist ein Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt, wenn lediglich das Verbot der Handlung begehrt wird, so wie sie begangen worden ist (BGH GRUR 2019, 763 Rn. 13 – Crailsheimer Stadtblatt II).
2. Gemessen hieran begegnen die gestellten Anträge keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Klägerin begehrt mit dem Antrag in Ziffer 1 das konkret fassbare Verbot einer Verlinkung auf solche Inhalte, bei denen der Benutzer des Links unmittelbar zu einer Registrierung auf dem Zielportal aufgefordert wird. Mit dem Antrag in Ziff. 2 begehrt die Klägerin demgegenüber ein Verbot der Verwendung bestimmter „fremder“ Unternehmenslogos auf dem Online-Angebot der Beklagten. Beide Anträge beziehen sich, entgegen der Auffassung der Beklagten, ihrem klaren Wortlaut und unter Berücksichtigung der Begründung in der Klageschrift gerade nicht auf eine inhaltliche Prüfung oder gar ein Verbot etwaiger redaktioneller Inhalte, die auf den Plattformen „Facebook“ und „Twitter“ vom Beklagten bereitgestellt werden.
Zu einer Beschränkung des Antrags auf die konkrete Verletzungsform ist der Kläger im Übrigen grundsätzlich nicht gehalten. Ob dem Kläger mit Blick auf den Antrag Ziffer 2 ein Anspruch auf ein unbegrenztes Verbot der Verwendung der fraglichen Unternehmenslogos zusteht, ist demgegenüber eine Frage der Begründetheit.
B. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Weil das mit der Klage beanstandete Verhalten mangels Verstoßes gegen Marktverhaltensregeln nicht unlauter ist (nachfolgend I.) und somit gleichzeitig eine geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nicht vorliegt (nachfolgend II.), bestehen weder die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG noch der Anspruch auf Schadensersatz gem. § 9 UWG. Auf die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin, an der die Kammer erhebliche Zweifel hegt, kam es daher vorliegend ebenso wenig an, wie darauf, ob sich deren Verhalten als rechtsmissbräuchlich darstellt.
I. Die mit der Klage angegriffenen Handlungen stehen im Einklang mit den Vorschriften des RStV in der Fassung des 22. RÄStV (nachfolgend: RStV).
1. Zutreffend weist die Klägerin zwar darauf hin, dass die insoweit herangezogenen Vorschriften des RStV, namentlich § 11 d Abs. 5 Nr. 4 i.V.m. Nr. 12 Anhang Negativliste, § 11 Abs. 3 RStV und – soweit die Verwendung von Unternehmenslogos und Nennung von Unternehmensnamen in Streit steht § 11 d Abs. 5 Nr. 1 RStV – Regelungen betreffend das Marktverhalten darstellen gem. § 3 a UWG. Denn die in Rede stehenden Vorschriften enthalten spezifische Ge- bzw. Verbote für das Auftreten am Markt und stellen nicht lediglich sog. Marktzutrittsregelungen dar (vgl. insoweit BGH GRUR 2017, 422, 425 – ARD Buffet, BGH GRUR 2015, 1228 – Tagesschau-App).
2. Die angegriffenen Handlungen stehen aber im Einklang mit den Vorschriften des RStV.
a. Dabei kommt es zunächst für die Entscheidung des Falles nicht darauf an, ob die streitgegenständlichen Handlungen im Rahmen eines Telemedienkonzeptes durch die zuständigen Gremien (§ 11 f Abs. 4 bis 6 RStV) als unbedenklich eingestuft wurden und eine Freigabe des Konzepts durch die Rechtsaufsichtsbehörde erteilt wurde (§ 11 f Abs. 7 RStV). Denn Beurteilungen eines Telemedienkonzepts durch die zuständigen Gremien und die Freigabe dieses Konzepts durch die Rechtsaufsichtsbehörde entfalten keine Tatbestandswirkung im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit von konkreten Teilen des in Frage stehenden Angebots (vgl. BGH GRUR 2015, 1228 Rn. 50 – Tagesschau-App). Aus den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen (Anlagen B 8 und B 9) geht zumindest hervor, dass das Vorhalten bestimmter Angebote wie Programmhinweise und die Eröffnung einer Interaktion mit den Zielgruppen über von Drittplattformen betriebenen sozialen Medien allgemein Gegenstand des Telemedienkonzeptes des Beklagten sind (vgl. insbesondere Ziff. 3.2 des Telemedienkonzepts, Anlage B 8) und in diesem Umfang auch vom zuständigen Gremium, dem Rundfunkrat des … nach Maßgabe des § 11 f Abs. 4 bis 6 RStV genehmigt wurden (vgl. insbesondere S. 8, 20, 40 f. der Entscheidung des Rundfunkrats, Anlage B 9).
Darüber hinaus sind sich die Parteien jedenfalls dahingehend einig, dass die konkret angegriffenen Handlungen (Verlinkungen, Darstellung der Unternehmenslogos, Aufforderung zur Nutzung von WhatsApp) schon nicht Gegenstand eines Telemedienkonzepts des Beklagten waren, sodass eine etwaige Legalisierungswirkung eines durch die Rechtsaufsichtsbehörde genehmigten Konzeptes hier von vornherein ohne Bedeutung ist (vgl. insoweit BGH GRUR 2015, 1228 Rn. 31, 45 – Tagesschau-App).
b. Die angegriffenen Verlinkungen auf das Angebot des Beklagten auf den Plattformen „Facebook“ und „Twitter“ (Klageantrag Ziffer 1) sind in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Das Vorhalten redaktioneller Inhalte und Programminformationen auf bestimmten Sozialen Medien ist von den Vorschriften des RStV gedeckt (nachfolgend aa.). Dem Beklagten muss es dann aber auch möglich sein, die angesprochenen Zielgruppen in geeigneter Weise auf dieses Angebot aufmerksam zu machen (nachfolgend unter bb.). Die von der Klägerin angeführte Vorschrift des § 11 d Abs. 5 Nr. 4 RStV i.V.m. Nr. 12 Anhang Negativliste rechtfertigt keine andere Beurteilung (nachfolgend unter cc.).
aa. Die Ausweitung des Telemedienangebots des Beklagten auf die sozialen Medien Facebook und Twitter steht im Einklang mit § 11 d Abs. 3 S. 1 RStV. Danach sollen durch die zeitgemäße Gestaltung der Telemedienangebote allen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe an der Informationsgesellschaft ermöglicht, Orientierungshilfe geboten, Möglichkeiten der interaktiven Kommunikation angeboten sowie die technische und inhaltliche Medienkompetenz aller Generationen und von Minderheiten gefördert werden. Dies umfasst nach der Gesetzesbegründung grundsätzlich auch die Nutzung gängiger sozialer Medien (vgl. Begr, SächsLT-DRs. 15332, S. 8; BeckOK InfoMedienR/Gersdorf RStV § 11 d Rn. 21; ähnlich auch schon BVerfG MMR 2007, 770, 772 f.). In systematischer Hinsicht findet dieses Ergebnis in den Vorschriften der § 11 d Abs. 4 S. 2 RStV und § 11 d Abs. 6 RStV eine Stütze. Denn § 11 d Abs. 4 S. 2 RStV sieht ausdrücklich vor, dass die betreffenden Rundfunkanstalten Telemedien auch außerhalb des eigenen hierfür eingerichteten Portals anbieten können, soweit dies zur Erreichung ihrer Zielgruppe erforderlich ist. Von der Möglichkeit eines entsprechenden Angebotes über Drittplattformen geht auch § 11 d Abs. 6 RStV implizit aus, der in solchen Fällen eine Verpflichtung der Rundfunkanstalten aufstellt, in besonderem Maße für die Einhaltung des in § 11 d Abs. 5 Nr. 1 RStV geregelten Verbots von Werbung und Sponsoring Sorge zu tragen (näher BeckOK InfoMedienR/Gersdorf RStV § 11 d Rn. 40). Die Ausweitung des Angebots der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf die sog. sozialen Medien – selbst auf solche, welche über Drittplattformen angeboten werden – kann schließlich auch auf eine überzeugende materielle Begründung zurückgeführt werden. Denn die Verbreitung – gleich welcher Informationen – über Drittplattformen wie Facebook und Twitter hat in jüngerer Zeit ohne Zweifel erheblich zugenommen. Die hier in Streit stehenden Online-Plattformen stellen für große Teile der Bevölkerung eine zentrale Informationsquelle und Plattform für den Meinungsaustausch dar. Somit ist es zur Erfüllung der rundfunkstaatsvertraglich festgelegten Aufgaben des Beklagten nicht nur wünschenswert, dass das Angebot – das bekanntermaßen aufgrund der Finanzierung durch Rundfunkbeiträge – einer anderen Entscheidungsrationalität folgt als das der privaten Sendeanstalten (vgl. BVerfG NJW 2018, 3223 Rn. 77) – über die sozialen Medien einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Es ist vor dem Hintergrund der zunehmenden, auf marktlichen Gegebenheiten beruhenden einseitigen Meinungsbeeinflussung bis hin zur gezielten Desinformation der Öffentlichkeit durch Falschmeldungen gerade in den sozialen Netzwerken vielmehr notwendig, dass den dort verbreiteten Informationen ein Gegenpol entgegengesetzt wird (vgl. BVerfG NJW 2018, 3223, 3228 f.). Ein derartiges Korrektiv stellt aber der öffentliche Rundfunk aufgrund seines klassischen Funktionsauftrags, einen Beitrag zur Meinungs- und Willensbildung in der Gesellschaft zu leisten, dar (vgl. auch BVerfG NJW 2018, 3223, 3228 f.). Dabei folgen sämtliche von den öffentlichen Rundfunkanstalten verbreiteten Inhalte unabhängig von ihrer genauen Zielrichtung (Information, Unterhaltung, kulturelle Verantwortung, vgl. BVerfGE 73, 108, 158; BVerfG, MMR 2007, 770, 772) einem besonderen Objektivitäts- und Rationalitätsanspruch (ausführlich hierzu auch BVerfG NJW 2018, 3223, 3228 f.), was nicht zuletzt auf die Finanzierung durch Rundfunkbeiträge zurückzuführen ist. Die von den öffentlichen Rundfunkanstalten verbreiteten Inhalte bieten daher in einer pluralen Gesellschaft bereits im Grundsatz eine hohe Gewähr für Qualität und Seriosität.
Dass der Beklagte im Rahmen der Verbreitung von Teilen seines Programms auf die Plattformen Facebook und Twitter als die sozialen Medien mit dem höchsten Nutzeraufkommen zurückgreift, ist aufgrund des hiermit gleichzeitig verbundenen Verbreitungsgrades der zur Verfügung gestellten Inhalte vor dem Hintergrund des grundsätzlichen rundfunkstaatlichen Auftrags des Beklagten (§ 11 Abs. 1 RStV) legitim und somit in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
bb. Aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 11 d Abs. 3 RStV ergibt sich, dass es dem Beklagten auch möglich sein muss, in geeigneter Weise auf sein in rechtlicher Hinsicht zulässiges Angebot auf den sozialen Medien zu verweisen. Denn die Vorschrift des § 11 d Abs. 3 RStV wäre sinnentleert, wenn sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einerseits gestatten würde, ihre Programminhalte auch unter Nutzung sozialer Medien zu verbreiten, gleichzeitig diese aber nicht in üblicher und gewöhnlicher Weise auf dieses Angebot hinweisen könnten. In einem solchen Fall stünde nämlich zu besorgen, dass die vom gesetzlichen Auftrag umfasste Verbreitung der entsprechenden Angebote nicht in einem befriedigenden Umfang stattfindet, weil weniger Nutzer auf das Social-Media-Angebot aufmerksam gemacht werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Internetnutzer nach Betätigung des Links zum Angebot auf den Plattformen Facebook und Twitter geleitet und dabei gleichzeitig zu einer Registrierung bei den Portalen aufgefordert wird. Denn einerseits ist eine Registrierung – und dies stellt auch der Kläger grundsätzlich nicht in Abrede (vgl. Replik, S. 21 oben, Bl. 69 d.A.) – zur Betrachtung der auf den Plattformen zur Verfügung gestellten Inhalte schon nicht zwingend erforderlich. Andererseits ist davon auszugehen, dass auch der Gesetzgeber sich bei Schaffung des § 11 d Abs. 3 RStV grundsätzlich darüber bewusst gewesen ist, dass eine umfassende Nutzung der Angebote der sozialen Netzwerke, insbesondere der dort zur Verfügung gestellten Interaktionsmöglichkeiten zwischen den Nutzern, regelmäßig eine vorherige Registrierung/die Inhaberschaft eines entsprechenden Accounts voraussetzt und er diesen Umstand demnach in Kauf genommen bzw. als nicht rechtlich erheblich erachtet hat. Eine vorherige Registrierung ist zudem auch bei anderen Formen elektronischer Kommunikation, wie etwa in Zusammenhang mit E-Mail-Programmen, erforderlich. Im Übrigen wird der Nutzer, welcher die angegriffene Verlinkung betätigt, auch unter keinen Umständen zu einer Registrierung bei Facebook oder Twitter gezwungen. Eine solche obliegt vielmehr seiner eigenen freiwilligen Entscheidung. In systematischer Hinsicht folgt zudem aus § 11 d Abs. 4 S. 3 und 4 RStV sowie Nr. 12 Anh. Negativliste die grundsätzliche Zulässigkeit von Verlinkungen in von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten betriebenen Telemedienangeboten.
cc. Aus der von der Klägerin in Bezug genommenen Vorschrift des §§ 11 d Abs. 5 Nr. 4 RStV i.V.m. Nr. 12 Anh. Negativliste ergibt sich kein anderes Ergebnis. Danach sind in Telemedienangeboten Verlinkungen ohne redaktionelle Prüfung ebenso unzulässig wie Verlinkungen, die unmittelbar zu Kaufaufforderungen führen mit der Ausnahme von Verlinkungen auf eigene audiovisuelle Inhalte kommerzieller Tochtergesellschaften. Zwar ist die Vorschrift vor dem Hintergrund ihres Sinns und Zwecks nicht auf Kaufverträge im Rechtssinne beschränkt. Der Vorschrift liegt nämlich die Überlegung zugrunde, das auftragsgemäße Angebot der Rundfunkanstalten und kommerzielle Tätigkeiten (auch Dritter) klar zu trennen (vgl. Begr. BayLT-Drs. 16/260, S. 17; Beck RundfunkR/Held, 4. Aufl. 2018, RStV § 11 d Rn. 134 zur wortgleichen Vorgängervorschrift). Alleinige Voraussetzung ist demnach, dass Gegenstand der Verlinkung ein entgeltliches Rechtsgeschäft ist (Beck RundfunkR/Held, a.a.O.). Zwar dürfte in Verträgen über Plattformnutzungen sozialer Medien wie dem Facebook-Vertrag dem dienstähnlichen Zurverfügungstellen der Infrastruktur des Netzwerks durch den Anbieter synallagmatisch als Gegenleistung die Einwilligung in die Datenverarbeitung durch den Nutzer gegenüberstehen (vgl. LG Leipzig GRUR-RS 2019, 38785 m.w.N.). Doch selbst wenn man den insoweit zur Verarbeitung gewährten Daten Entgeltcharakter beimessen sollte, sind derartige Verträge nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift aus ihrem Anwendungsbereich herauszunehmen. Denn zum einen wäre die mit den Vorschriften des § 11 d Abs. 3, Abs. 4 S. 2 RStV intendierte Zulassung der Möglichkeit der Verbreitung bestimmter Inhalte über von Drittplattformen betriebene soziale Medien sinnentleert, wenn die betroffene Rundfunkanstalt nicht durch Verlinkung auf solche Auftritte hinweisen könnte. Zum anderen ist bei der Auslegung der Verbotsvorschriften der Bedeutung durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 garantierten Rundfunkfreiheit weitestgehend Rechnung zu tragen, da die Verbote insoweit Eingriffscharakter haben (BVerfGE 90, 60, 92). Daraus folgt gleichzeitig, dass solche Verhaltensweisen keinen Verstoß gegen Nr. 12 der Negativliste begründen können, mit denen das öffentliche Rundfunkunternehmen einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leistet (ähnlich Beck RundfunkR/Held, a.a.O. Rn. 119). Vorliegend verfolgt der Beklagte mit seinem Angebot auf den Plattformen aber keine erwerbswirtschaftlichen Zwecke. Vielmehr dienen die Angebote sämtlich der Erfüllung des im Rundfunkstaatsvertrag festgelegten Funktionsauftrags.
c. In rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden ist ferner, dass sich der Beklagte zur Ausgestaltung der Verlinkungen auf seine Angebote auf den Plattformen Facebook und Twitter den entsprechenden Unternehmenslogos dieser Plattformen bedient (Ziffer 2 des Klageantrags).
aa. Die rechtliche Zulässigkeit folgt nach Auffassung der erkennenden Kammer ebenfalls aus den Vorschriften der § 11 d Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 2 RStV. Nach den vorstehenden Ausführungen sind entsprechende Verlinkungen auf die Angebote des Beklagten in den sozialen Netzwerken von den Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags gedeckt. In der Konsequenz muss es dem Beklagten dann aber auch möglich sein, die Verlinkungen in der im Internet gängigen Art und Weise – auch unter Verwendung der bekannten Firmenlogos der Netzwerke Facebook und Twitter – auszugestalten.
bb. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt in der Ausgestaltung keine nach Maßgabe der §§ 11 d Abs. 5 Nr. 1 Alt. 1, 58 Abs. 1 RStV verbotene Schleichwerbung. Unabhängig davon, ob man vorliegend auf die Definition des Werbebegriffs in § 2 Nr. 7 RStV oder § 2 Nr. 5 TMG zurückgreift (zum Meinungsstand vgl. Beck RundfunkR/Held, 4. Aufl. 2018, RStV § 11 d Rn. 95 ff.), fehlt es jedenfalls am Merkmal der Absicht der zumindest mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren, Dienstleistungen durch den Beklagten, das beiden Begriffsdefinitionen zugrunde liegt. Es ist nach dem bisherigen Vortrag weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Verlinkungen auf die Social-Media-Auftritte des Beklagten in der angegriffenen Ausgestaltung unter Verwendung der Firmenlogos von Facebook und Twitter einen anderen Zweck erfüllen, als auf die entsprechenden Auftritte des Beklagten hinzuweisen. Die Annahme einer auch nur mittelbaren Absicht des Beklagten, aufgrund der Verwendung der Firmenlogos die Förderung des Absatzes von Dienstleistungen der in Rede stehenden sozialen Netzwerke zu fördern, ist fernliegend.
d. Auch die Ermöglichung zur Kontaktaufnahme mittels des Kurznachrichtendienstes WhatsApp auf der Homepage des Beklagten und die Aufforderung von Radiohörern zur Kontaktaufnahme mittels dieses Service (Klageantrag Ziffer 3) verstößt nicht gegen Vorschriften des RStV.
aa. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung liegt aus den gleichen wie unter B., I., 2., c., bb. dargelegten Erwägungen keine unzulässige Schleichwerbung vor, da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass durch die Eröffnung der Möglichkeit der Kontaktaufnahme zum Beklagten mittels WhatsApp die Absicht einer auch nur mittelbaren Absatzförderung verbunden ist. Vielmehr dient die Eröffnung einer Kommunikation mittels des Mitteilungsdienstes WhatsApp ausschließlich kommunikativen Zwecken. Der Rückgriff auf den Dienst WhatsApp ist in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund seines unbestritten hohen Verbreitungsgrades gerade unter jungen Menschen nachvollziehbar. Eine unerlaubte Werbung i.S.d. §§ 7 Abs. 3, 11 d Abs. 5 Nr. 1, 58 RStV liegt demnach nicht vor.
bb. Das Verhalten steht vielmehr im Einklang mit den Vorschriften des RStV. Dies ergibt sich aus der Wertung des § 11 g Abs. 2 S. 2 RStV. Das in § 11 g vorgesehene Jugendangebot soll danach inhaltlich und technisch dynamisch und entwicklungsoffen gestaltet werden und zu einer zielgruppengerechten interaktiven Kommunikation mit den Nutzern sowie durch verstetigte Möglichkeiten ihrer Partizipation beitragen. Daraus folgt aber gleichsam, dass es nicht zu beanstanden ist, wenn die Rundfunkanstalten bei den zur Auswahl stehenden Kommunikationsmitteln auf eines der meistgenutzten zurückgreifen.
II. Die angegriffenen Verhaltensweisen erfüllen zudem nicht den Tatbestand der geschäftlichen Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.
2. Für die Frage, ob die öffentliche Hand, zu der auch der Beklagte als Anstalt des Öffentlichen Rechts gehört, eine geschäftliche Handlung vornimmt, muss zwischen rein erwerbswirtschaftlichen und hoheitlichen Tätigkeiten unterschieden werden. Die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ist auch dann als geschäftliche Handlung anzusehen, wenn öffentliche Zwecke mitverfolgt werden (vgl. BGH, GRUR 2018, 196 = WRP 2018, 186 Rn. 23 – Eigenbetrieb Friedhöfe, BGH GRUR 2019, 189 Rn 54 f. – Crailsheimer Stadtblatt II). Dagegen ist bei einer Tätigkeit zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben – wie hier – weiter danach zu unterscheiden, ob die öffentliche Hand aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig wird. Ist dies der Fall, ist ihre Betätigung einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts entzogen, solange sich das Handeln innerhalb der Ermächtigungsgrundlage bewegt, die insoweit den Handlungsspielraum vorgibt (vgl. BGH, GRUR 2018, 196 Rn. 23 – Eigenbetrieb Friedhöfe; BGH GRUR 2019, 189 Rn 54 f. – Crailsheimer Stadtblatt II; Köhler/Bomkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 38. Aufl. 2020, § 3 a Rn. 2.21).
3. Gemessen hieran stellen die angegriffenen Verhaltensweisen keine geschäftlichen Handlungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Denn sämtliche in der Klage monierten Handlungen stehen in Einklang mit den insoweit maßgeblichen Vorschriften des RStV.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2 ZPO.
D. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 51 Abs. 2 GKG.


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