IT- und Medienrecht

“Dieselskandal” – Schadensersat wegen PKW Kauf

Aktenzeichen  10 O 5468/19

Datum:
24.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17357
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 32, § 287

 

Leitsatz

Beim Einsatz einer sog. Schummelsoftware besteht ein deliktischer Anspruch gegen den Hersteller des Fahrzeugs auf Schadensersatz, dem sich die Klägerin aber eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen muss. (Rn. 15 – 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.165,02 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.12.2019 Zugum-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges mit der Fahrgestellnummer zu
zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 30.12.2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1 bezeichneten Gegenstandes in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1003,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.12.2019 Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 17% und die Beklagte 83% zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
6.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich aus dem Streitwert. Die örtliche Zuständigkeit beruht auf § 32 ZPO. Die Klägerin hat ihren Wohnsitz im hiesigen Bezirk.
II.
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet, da nach Überzeugung des Gerichts aufgrund der obergerichtlichen Rechtsprechung im vorliegenden Fall eine vorsätzliche sittenwidrige Täuschung der Beklagten vorliegt. Lediglich bei der anzurechnenden Nutzungsentschädigung waren Abzüge zu machen. Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht verjährt.
Gegenüber der Beklagten besteht zunächst kein vertragliches Verhältnis, sodass allenfalls deliktische Ansprüche in Betracht kommen könnten.
Nach der Entscheidung des BGH vom 25.5.2020 Aktenzeichen VI ZR 252/19, der sich das Gericht inhaltlich vollumfänglich anschließt, liegt in den Fällen, in denen der Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit dem Motor EA 189 zumindest vor dem September 2015 liegt, eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Beklagten verbunden mit einer sekundären Darlegungslast vor. Hinsichtlich der Einzelheiten der Haftung wird so insoweit auf das genannte Urteil verwiesen.
Der Klägerin steht daher dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch in Form der Rückabwicklung des Vertrages Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises zu.
Die Klägerin muss sich vorliegend jedoch eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen.
Im Termin vom 24.06.2020 wurde der Kilometerstand des Fahrzeugs der Klägerin mit 103.722 angegeben, die Beklagte hat diesen in der Folgezeit unstreitig gestellt.
Das Gericht geht im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO unter Auswertung verschiedener Angebote im Internet und Berücksichtigung der dort genannten Laufleistung von einer Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Neuwagens von 250.000 km aus. Ausgehend von einem Kaufpreis von unstreitig Euro 22.501 bisher erzielten Laufleistung von 103.722 km war daher eine Nutzungsentschädigung in Höhe von Euro 9334,98 vom Kaufpreis abzuziehen. Auch dies entspricht im Übrigen dem Urteil des BGH vom 25 5. 2020.
Der Anspruch der Klägerin ist nach Überzeugung des Gerichts auch nicht verjährt.
Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Anhörung angegeben, dass sie erst im Jahr 2016 davon erfahren hat, dass ihr Fahrzeug betroffen ist, als diese eine Mitteilung hinsichtlich des Updates erhalten hat. Vorher habe sie zwar die Presseberichterstattung verfolgt, jedoch nicht daran gedacht, dass ihr Fahrzeug betroffen sein könnte.
Das Gericht folgt insoweit den Angaben der Klägerin. Beweisbelastet für eine positive Kenntnis der Klägerin bzw. eine grob fahrlässige Unkenntnis davon, dass ihr Fahrzeug betroffen sein könnte, ist die Beklagte.
Angesichts des persönlichen Eindrucks der Klägerin im Termin vom 24. 6. 2020 kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Klägerin frühestens im Jahr 2016 Kenntnis davon hatte, dass ihr Fahrzeug betroffen ist. Die 3-jährige Verjährungsfrist ist daher zum 31.12.2019 abgelaufen und wurde wirksam durch die am 30.12.2019 erhobene Klage gehemmt. Eine weitere Hemmung wäre im Übrigen durch die Teilnahme der Klägerin am Musterfeststellungsklage Verfahren anzunehmen, diese Frage kann jedoch vorliegend letztlich dahinstehen.
Soweit die Klägerin für die Zeit vom 16.05.2012 bis 30.12.2019 Deliktszinsen nach §§ 849,246 BGB in Höhe von 4% verlangt, steht ihr ein derartiger Anspruch nach Überzeugung des Gerichts nicht zu.
Die Klägerin hat den bezahlten Kaufpreis nicht ersatzlos weggegeben, sondern ihr wurde im Gegenzug Eigentum und Besitz an dem Fahrzeug einschließlich abstrakter Nutzungsmöglichkeit eingeräumt. Insoweit schließt sich das Gericht dem Urteil des OLG München vom 15.01.2020 Az. 20 U 3219/18 vollumfänglich an.
Die Beklagte befindet sich seit 30.12.2019 im Annahmeverzug im Sinne von §§ 293 ff BGB.
Die Klagepartei hat die Herausgabe des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises angeboten. Insofern wird auf die vorgelegte Anlage K 13 Bezug genommen. Die Klägerin hat hierbei eine Nutzungsentschädigung basierend auf einer Gesamtlaufleistung von 350.000 km zugrunde gelegt. Sie hat daher zu erkennen gegeben, dass sie einen Abzug vom Kaufpreis für die Nutzung des Fahrzeuges akzeptieren würde. Das Angebot der Klägerin war daher ausreichend. Die Tatsache, dass die Klägerin hierbei eine höhere Gesamtlaufleistung als das Gericht angenommen hat, ist insoweit unschädlich.
Hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten setzt das Gericht vorliegend für die Geschäftsgebühr die Mittelgebühr von 1,3 an.
Zwar mag die Tätigkeit für sich betrachtet überdurchschnittlich umfangreich und schwer gewesen sein, entscheidend ist aber, dass die Kanzlei der Klägervertreter gerichtsbekannt eine Vielzahl von Geschädigten des Abgasskandals vertritt, sodass sich die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die große Zahl der Mandate und die Verwendung zahlreicher Textbausteine relativiert.
Das Gericht hat daher unter Berücksichtigung des derzeit gültigen Mehrwertsteuersatzes von 16% eine Vergütung von Euro 1003,40 festgesetzt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht für die Klägerin auf § 709 ZPO, für die Beklagte auf §§ 708 Nr. 11,711 ZPO gez.

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