IT- und Medienrecht

Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung

Aktenzeichen  M 19L DA 19.6408

Datum:
16.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 31858
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 29
StPO § 94 , § 33 Abs. 4 Satz 1
WaffG Art. 52 Abs. 3 Nr. 1
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Durchsuchung
– des Antragsgegners und der von ihm mitgeführten Gegenstände,
– der in seinem Allein- oder Mitgewahrsam befindlichen Wohnung mit Nebenräumen,
– der von ihm genutzten Fahrzeuge,
– seiner Dienststelle, beschränkt auf die ihm zugewiesenen Arbeits- und Büroräume und die ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel (Schränke, Schreibtische) nach elektronischen Kommunikations- und Speichermedien (insbes. Mobiltelefone, SIM-Karten, Computer, Festplatten) wird angeordnet.
Die Durchsuchungsanordnung bezieht sich auch auf von den vorgenannten Durchsuchungsobjekten räumlich getrennte Speichermedien, soweit auf sie von den durchsuchten Räumen aus zugegriffen werden kann.
II. Die Durchsuchung des dienstlichen E-Mail-Postfachs des Antragsgegners „…@polizei.bayern.de“ und seines dienstlichen Home-Laufwerks einschließlich des Ordners „_Persönlich“ wird angeordnet.
III. Die Beschlagnahme der bei den vorgenannten Durchsuchungen aufgefundenen Gegenstände, E-Mails, Dateien und Daten wird angeordnet.
IV. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung unter Nr. I bis III gilt für 6 Monate ab dem Datum des vorliegenden Beschlusses.
V. Der Antragsteller wird mit der Zustellung dieses Beschlusses an den Antragsgegner beauftragt. Die Zustellung hat spätestens einen Tag nach Durchführung der unter Nr. I bis III genannten Maßnahmen zu erfolgen.
VI. Soweit die Durchsuchung der Wohnung mit Nebenräumen der Ehefrau des Antragsgegners beantragt wird, wird der Antrag abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt den Erlass einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung.
1. Der am 3. Juni 19… geborene Antragsgegner steht als Polizeioberkommissar (Besoldungsgruppe A10) im Dienst des Antragstellers. Er ist seit 17. November 1997 bei der Polizeiinspektion (PI) Wache des Polizeipräsidiums … tätig, zuletzt als Haftleiter der … In der Beurteilung 2017 erhielt er 11 Punkte.
Gegen den Antragsgegner wurde bereits 2017 ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Ihm wurde Körperverletzung im Amt in einem minder schweren Fall vorgeworfen; er hatte am 13. September 2016 als aufnehmender Polizeibeamter in der Haftanstalt einer Frau mit der Hand ins Gesicht geschlagen, weil sie sich trotz Verbots eine Zigarette angezündet hatte. Das Amtsgericht … verurteilte ihn deshalb mit Urteil vom 7. August 2017 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen. Das Disziplinarverfahren wurde daraufhin nach Art. 33 Abs. 1 Nr. 3 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) eingestellt; gegen ihn wurde mit Verfügung vom 20. Dezember 2017 eine Missbilligung ausgesprochen. Aufgrund dieses Disziplinarverfahrens war er vorübergehend nicht mehr als Haftleiter eingesetzt.
2. Mit Verfügung vom 24. September 2019 leitete das Polizeipräsidium … erneut ein Disziplinarverfahren gegen den Antragsgegner ein und setzte es bis zum Abschluss des laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens aus. Zugleich sprach es ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gegen ihn aus. Vorangegangen war eine mit Beschlüssen des Amtsgerichts … vom 10. und 20. September 2019 angeordnete und am 24. September 2019 durchgeführte Durchsuchung von Wohnung und Dienststelle des Antragsgegners wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Waffengesetz. Mit Verfügung vom 16. Dezember 2019 wurde das Disziplinarverfahren fortgesetzt und auf weitere Vorwürfe ausgedehnt; die Unterrichtung des Antragsgegners hierüber unterblieb bisher, um die Sachverhaltsaufklärung nicht zu gefährden.
3. Das Polizeipräsidium München wirft ihm nunmehr folgende Sachverhalte vor, die Grundlage für die begehrte Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung sind:
3.1. Der Antragsgegner sei im Besitz eines Elektroimpulsgeräts ohne amtliches Prüfzeichen in Form einer Taschenlampe gewesen. Hierbei habe es sich um eine verbotene Waffe gehandelt. Diese habe er zu einem nicht mehr genau feststellen Zeitpunkt zwischen 1. Mai und 30. Juni 2019 bei seiner Dienstausübung in der Haftanstalt mit sich geführt und diversen Kollegen gezeigt. Das Elektroimpulsgerät sei bei der Wohnungsdurchsuchung am 24. September 2019 im Schlafzimmerschrank unter einem Wäschestapel aufgefunden worden. Das Führen einer verbotenen Waffe sei strafbar nach Art. 52 Abs. 3 Nr. 1 Waffengesetz (WaffG) i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.6. zum Waffengesetz.
3.2. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt habe der Antragsgegner seiner Kollegin PMin F. ein identisches Elektroimpulsgerät ohne amtliches Prüfzeichen, also eine verbotene Waffe, überlassen. Diese Handlung sei strafbar als vorsätzliches Überlassen einer verbotenen Waffe nach Art. 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.6. zum Waffengesetz.
3.3. Bei der Durchsuchung am 24. September 2019 seien im Schlafzimmer des Antragsgegners in einem Sicherheitsbehälter 47 Manöverpatronen Kal. 7,62 mm x 51 (LOS DAG-85-43) und 44 Manöverpatronen Kal. 9 mm x 19 (LOS DAG-81-11) aufgefunden worden. Die Patronen stammten aus Beständen der Bundeswehr/ … … Zum Zeitpunkt ihrer Ausgabe habe PHM H., stellvertretender Dienstgruppenleiter der … der PI Wache, bei der Bundeswehr gedient. Dies stelle zumindest hinsichtlich der Manöverpatronen Kal. 7,62 mm einen Besitz von Munition ohne Erlaubnis nach § 52 Abs. 2 Nr. 2b WaffG dar. Hinsichtlich der Manöverpatronen Kal. 9 mm werde zunächst zugunsten des Antragsgegners davon ausgegangen, dass der Besitz dieser Munition durch die Erlaubnis zum Führen der Polizeidienstwaffe mit entsprechender Munition gedeckt sei.
3.4. Außerdem seien bei der Durchsuchung am 24. September 2019 in einem Stahlschließfach im Schlafzimmer des Antragsgegners sechs Patronen aus dem Bestand der Polizei, Kal. 9 mm x 19, aufgefunden worden. Dabei handle es sich um alte Dienstmunition, die in den Jahren 1996/97 zur Auslieferung gekommen sei. Da bei der PI Wache zum einen keine Altbestände an Munition gelagert würden, zum anderen bei jedem Waffenträger ein Umtausch „alt gegen neu“ erfolge, könne nicht von einem befugten Besitz ausgegangen werden. Diese Handlung sei strafbar als Unterschlagung geringwertiger Sachen nach §§ 246, 248a Strafgesetzbuch (StGB); das Polizeipräsidium … sei zur Strafantragstellung bereit.
3.5. Bei der Durchsuchung am 24. September 2019 der PI Wache/Haftanstalt sei im Rucksack des Antragsgegners eine Duldung der Zentralen Ausländerbehörde Oberbayern, ausgestellt für Herrn M.K.M. und gültig bis 31. Mai 2019, aufgefunden worden. Herr M. sei am 19. Mai 2019, 9:15 Uhr, in die Haftanstalt des Polizeipräsidiums München überstellt worden. An diesem Tag habe der Antragsgegner von 6:00 bis 18:00 Uhr Dienst verrichtet. Im Ausgangsverfahren, wegen dem Herr M. in die Haftanstalt eingeliefert worden sei, sei die Duldung samt Dokumentennummer eingetragen worden, sodass davon auszugehen sei, dass Herr M. sie bei sich geführt habe. Im Asservatenschein sei keine Eintragung ersichtlich. Dieses Verhalten sei strafbar als Verwahrungsbruch und Unterschlagung geringwertiger Sachen nach §§ 133, 246, 248a StGB.
3.6. Der Antragsgegner habe zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten mehrfach Gefangene der Haftanstalt beleidigt. Arabischstämmige Ausländer habe er als „Ziegenficker“ bezeichnet. Bulgaren und Rumänen habe er in ihrer Muttersprache beleidigt, in der er einige Wörter wie z.B. „hässliche Schwein“ kenne. Häufig gebrauchte Bezeichnungen für Insassen mit Migrationshintergrund seien „Kreaturen“, „Abschaum“ oder „Dreckspack“ gewesen.
3.7. Der Antragsgegner habe rechtsradikales und Gedankengut der Reichsbürgerbewegung geäußert. Er habe zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten zahlreiche ausländerfeindliche und rechtsradikale Aussagen gegenüber seinen Kollegen getätigt, so etwa folgende Äußerungen:
„Ich geh mit meiner Waffe immer beim Flüchtlingsheim spazieren und hoffe, dass mal einer kommt. Wem wird man wohl glauben?“
„Wenn ich meine Marke abgebe, gehe ich erst mal auf Ausländerjagd.“
„Ich gebe zur Pension erst mal meinen Perso ab, dann muss ich erst mal jede Woche mein Griffstück wechseln, weil ich so viele Ausländer abknalle.“
„Erst wenn unser Land wieder 40 Millionen Einwohner hat, kann es wieder bergauf gehen.“
Auf die Suizidankündigung eines ausländischen Insassen der Haftanstalt habe er gegenüber Kollegen mit den Worten reagiert
„Ist doch super, haben wir einen weniger bei uns.“
Nach Betätigung des Zellennotrufs wegen eines vermeintlichen Notfalls habe er unter Bezugnahme auf den KZ-Arzt Dr. Mengele gesagt
„Jetzt kommt gleich der Arzt Dr. Mengele- …“
Einen früheren Vorfall, bei dem mit Pfefferspray in eine öffentliche Toilette gesprüht worden sei, die zugleich Treffpunkt der Schwulenszene gewesen sei, habe er mit dem Wort „vergast“ kommentiert. Als ein Insasse der Haftanstalt ihn als „Nazi“ bezeichnet habe, habe er dies bestätigt. Auch seien Äußerungen gefallen, wonach er sich als KZ-Wächter sehe, sofern wieder ein Konzentrationslager eröffnet werde.
Untermauert worden seien derartige Äußerungen durch Bilder und Videos, die sich auf seinem Handy befunden hätten und die er Kollegen gezeigt habe, so etwa heroisierende Soldatenbilder mit Hakenkreuz und anderweitige kriegsverherrlichende Bilder.
Er habe zudem gegenüber Kollegen zahlreiche Äußerungen getätigt, die der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen seien. Er habe beispielsweise geäußert:
„Wir sind kein Rechtsstaat.“
„Wir sind ein besetztes Land.“
„Wir haben kein Grundgesetz und keine Verfassung.“
„Wir sind seit dem Zweiten Weltkrieg sowieso nur eine GmbH und keine Republik.“
4. Am 23. Dezember 2019 beantragte das Polizeipräsidium München beim Verwaltungsgericht München
– die Durchsuchung der Person, der Wohnung mit Nebenräumen, der Geschäftsräume mit Nebenräumen, der Fahrzeuge und der mitgeführten Gegenstände des Antragsgegners nach folgenden Gegenständen: Mobiltelefone, SIM-Karten, Computer und Speichermedien
– die Durchsuchung der Wohnung mit Nebenräumen der Ehefrau des Antragsgegners B.W., geboren am 29. August 19**, nach denselben Gegenständen
– die Beschlagnahme der genannten Gegenstände und
– die Durchsuchung und Beschlagnahme der dienstlichen E-Mail Kommunikation und seines Home-Laufwerks einschließlich des Unterordners „_Persönlich“.
Zur Begründung wurde ausgeführt, insbesondere die unter 3.7 genannten Vorwürfe sollten durch die beantragte Durchsuchung und Beschlagnahme weiter konkretisiert und bewiesen werden. Schon nach aktuellem Stand der Ermittlungen sei aufgrund der Vielzahl der voneinander unabhängig erfolgten und inhaltlich übereinstimmenden Zeugenaussagen davon auszugehen, dass der Antragsgegner nach außen Anschauungen vertrete und äußere, die dem rechten Spektrum und der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen seien.
Die beantragten Maßnahmen seien verhältnismäßig. Sie seien geeignet und erforderlich, Beweismittel für die Verletzung der politischen Treuepflicht und der Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung zu erlangen. Das Vorzeigen von Bildern und Videos auf dem Mobiltelefon während der Dienstzeit lege nahe, dass auf diesem derartige Daten gefunden werden könnten. Wegen des beschränkten Speicherplatzes des Mobiltelefons und der Äußerungen des Antragsgegners auch im Dienst erscheine auch die Speicherung entsprechender Dateien auf den dienstlichen und privaten Computern naheliegend. Die beantragten Maßnahmen seien auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Ein Verstoß gegen die politische Treuepflicht und die Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung wiege äußerst schwer, gerade wenn der Verstoß durch die Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland begangen werde. Erschwerend wirke, dass der Antragsgegner derartiges Gedankengut im Rahmen seiner Dienstzeit am Dienstort gegenüber Kollegen verbreitet habe, noch dazu in seiner Funktion als Haftleiter gegenüber jungen Kollegen. Hinzu kämen weitere schwere Dienstpflichtverletzungen, so eine nach außen vertretene nationalsozialistische Grundhaltung. Der Antragsgegner habe sowohl gegenüber Bürgern als auch gegenüber Kollegen menschenverachtende Äußerungen getätigt. Die Äußerungen seien Ausfluss eines nationalsozialistischen Denkens, das durch Bezüge zum Dritten Reich (KZ-Arzt Dr. Mengele, Vergasen) auf einem festen, historisch-gewachsenen Fundament stehe. Derartige Äußerungen seien mit dem Status eines Polizeivollzugsbeamten unvereinbar. Vor diesem Hintergrund würden auch die schon für sich genommen nicht tolerierbaren Beleidigungen von Insassen der Haftanstalt als „Kreatur“, „Abschaum“ oder „Dreckspack“ eine andere, noch schwerwiegendere Dimension gewinnen. Die Unterschlagung einer Duldung passe in das Bild, da deren Abhandenkommen für den Ausländer nachteilig sei. Der unbefugte Besitz von Munition verleihe den Aussagen zum „Abknallen von Ausländern in der Pension“ Gewicht, indem er diese verwirklichbar vermache. Insgesamt erscheine die Verhängung der Höchstmaßnahme wahrscheinlich.
Die Beteiligung des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren unterblieb, weil sie den Zweck der Anordnungen gefährdet hätte.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten und der Gerichtsakte verwiesen.
II.
Dem Antrag auf Erlass einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung wird entsprochen. Soweit die Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme auch der Wohnung mit Nebenräumen der Ehefrau des Antragsgegners beantragt wurde, erscheint diese Anordnung im Hinblick darauf, dass die Durchsuchung der auch im Mitgewahrsam des Antragsgegners befindlichen Wohnung mit Nebenräumen angeordnet wird, nicht erforderlich, weshalb der Antrag insoweit abgelehnt wird.
Nach Art. 29 Abs. 1 Satz 1 BayDG kann der oder die Vorsitzende der Kammer für Disziplinarsachen auf Antrag durch Beschluss Beschlagnahmen und Durchsuchungen anordnen. Die Anordnung darf nach Art. 29 Abs. 1 Satz 3 BayDG nur getroffen werden, wenn der Beamte des Dienstvergehens dringend verdächtig ist und die Maßnahme zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Die Bestimmungen der Strafprozessordnung über Beschlagnahmen und Durchsuchungen gelten nach Art. 29 Abs. 1 Satz 4 BayDG entsprechend. Nach § 102 Strafprozessordnung (StPO) kann die Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume, der Person und der ihr gehörenden Sachen angeordnet werden, wenn zu vermuten ist, dass sie zur Auffindung von Beweismitteln führen wird.
Die Regelung des Art. 29 Abs. 1 BayDG ist anwendbar (1.). Im vorliegenden Fall ist sowohl ein dringender Tatverdacht (2.) als auch die Verhältnismäßigkeit der begehrten Anordnung (3.) gegeben. Weiter ist die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung hinreichend bestimmt formuliert (4.). Von einer Zustellung des Antrags und einer Anhörung des Antragsgegners konnte abgesehen werden (5.).
1. Art. 29 Abs. 1 BayDG ist hier anwendbar. Gegen den Antragsgegner wurde mit Verfügung vom 24. September 2019 ein Disziplinarverfahren eingeleitet und mit Verfügung vom 16. Dezember 2019 ausgedehnt. Die nach Art. 22 BayDG vorgeschriebene Unterrichtung, Belehrung und Anhörung über die Ausdehnung konnte vorerst unterbleiben, weil sie nicht ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich war (vgl. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 a.E. BayDG).
2. Ein dringender Tatverdacht ist im Hinblick auf alle dem Antragsgegner unter 3.1. bis 3.7. vorgeworfenen Sachverhalte gegeben. Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beamte das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen begangen hat (BayVGH, B.v. 28.4.2014 – 16b DC 12.2380 – juris Rn. 6).
Die dem Antragsgegner im Sachverhalt unter 3.6. und 3.7. vorgeworfenen Äußerungen wurden von elf seiner vom Bayerischen Landeskriminalamt in der Zeit zwischen 2. Juli und 30. Oktober 2019 vernommenen insgesamt 13 Kollegen bestätigt. Diese Kollegen haben die vom Antragsgegner getätigten ausländerfeindlichen und teilweise rechtsradikalen, nationalsozialistischen und reichsbürgertypischen Äußerungen nach Mitschrift teilweise wörtlich wiedergegeben, teilweise aus dem Gedächtnis zitiert. Übereinstimmend schildern sie ein beleidigendes und herabwürdigendes Verhalten gegenüber ausländischen Haftinsassen und eine offen kund getane äußerst rechte Gesinnung. Die Protokolle der Zeugenvernehmungen liegen dem Gericht vor.
Zu diesen Vorwürfen kommen das Führen und Überlassen einer verbotenen Waffe, strafbar nach Art. 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.6. zum Waffengesetz. Beides hat der Antragsgegner in seiner Beschuldigtenvernehmung beim Bayerischen Landeskriminalamt am 24. September 2019 eingeräumt. Weiter ist ihm im Hinblick auf 47 Manöverpatronen Kal. 7,62 mm der Besitz von Munition ohne Erlaubnis nach § 52 Abs. 2 Nr. 2b WaffG vorzuwerfen, außerdem im Hinblick auf sechs Patronen Kal. 9 mm aus dem Bestand der Polizei die Unterschlagung geringwertiger Sachen, strafbar nach §§ 246, 248a StGB. Die Munition wurde bei der Durchsuchung am 24. September 2019 in seinem Schlafzimmer aufgefunden.
3. Die beantragten Maßnahmen stehen nicht zu der Bedeutung der Sache und zu der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme außer Verhältnis. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist dabei in zweierlei Hinsicht zu beachten: Zum einen darf die Maßnahme, um die ersucht wird, nicht zur Bedeutung der Sache, zum anderen darf sie auch nicht zu der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme außer Verhältnis stehen (BayVGH, B.v. 28.4.2014 – 16b DC 12.2380 – juris Rn. 12).
3.1. Die beantragten Maßnahmen sind verhältnismäßig.
Die Durchsuchung des Antragsgegners und der von ihm mitgeführten Gegenstände, der in seinem Allein- oder Mitgewahrsam befindlichen Wohnung mit Nebenräumen, der von ihm genutzten Fahrzeuge und seiner Dienststelle nach elektronischen Kommunikations- und Speichermedien und die Beschlagnahme dieser Medien sind geeignet, die erforderlichen Beweismittel für die Bestätigung oder Entkräftung des gegen ihn erhobenen Vorwurfs der Nähe zu nationalsozialistischem und reichsbürgertypischem Gedankengut zu erlangen. Gleiches gilt hinsichtlich Durchsuchung und Beschlagnahme seines dienstlichen E-Mail-Postfachs und seines dienstlichen Home-Laufwerks. Recherchen oder Meinungskundgaben in diesem Bereich werden mit hoher Wahrscheinlichkeit über elektronische Medien getätigt, so dass deren Beschlagnahme und Auswertung weitere Erkenntnisse verspricht. Da die dienstliche E-Mail- und Computer-Nutzung nach § 4 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Allg. DV IuK-Technik nicht zu privaten Zwecken erfolgen darf, ist jedenfalls mit einer den dienstlichen Computer betreffenden Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung nur ein geringer Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden. Da der Antragsgegner jedoch auch aus dem privaten Bereich heraus agiert haben kann, kann die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt werden.
Zur Sicherstellung der Verhältnismäßigkeit war die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung zu befristen; die richterliche Prüfung kann die Einhaltung der rechtlichen Grundlagen nicht für unabsehbare Zeit gewährleisten.
3.2. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung steht auch zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis (vgl. Art. 29 Abs. 1 Satz 3 BayDG). Regelmäßig kommen entsprechende Zwangsmaßnahmen nur in Betracht, wenn die Zurückstufung oder die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erwarten ist (BayVGH, B.v. 28.4.2014 – 16b DC 12.2380 – juris Rn. 14 m.w.N.). Dies ist hier der Fall.
Vorliegend wiegt das dem Antragsgegner zu Last gelegte Dienstvergehen schwer. Den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit bilden dabei die herabwürdigenden ausländerfeindlichen Äußerungen im Dienst, die teilweise rechtsextremes und nationalsozialistisches Gedankengut aufweisen. So sind Äußerungen wie „Arzt Dr. Mengele- …“ oder „… muss ich erst mal jede Woche mein Griffstück wechseln, weil ich so viele Ausländer abknalle“ für einen Polizeibeamten im Dienst gegenüber jungen Kollegen untragbar. Sie verletzen die beamtenrechtliche Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung aus § 33 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 34 Satz 3 BeamtStG. Die Pflichtverletzungen wurden innerdienstlich begangen, was den Vorwurf verschärft. Ein Beamter ist im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft gehalten, zu vermeiden, dass er durch sein Verhalten den Anschein setzt, sich mit dem Nationalsozialismus selbst oder Kräften zu identifizieren oder auch nur mit ihnen zu sympathisieren, die den Nationalsozialismus durch geschichtlichen Revisionismus verharmlosen und verherrlichen. Denn im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns ist er verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut und mit Bestrebungen zu vermeiden, die sich zu einem solchen Gedankengut bekennen (BayVGH, B.v. 28.4.2014 – 16b DC 12.2380 – juris Rn. 17).
Ebenso schwer wiegt der Vorwurf, der Antragsgegner sei Anhänger der sogenannten Reichsbürgerbewegung oder vertrete zumindest deren Gedankengut. Sollte sich dieser Vorwurf erhärten, käme allein deswegen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht. Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses lassen es nicht zu, Personen mit der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zu betrauen, die die freiheitlich-demokratische Verfassungsordnung ablehnen (BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 25/17 – juris Rn. 91).
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist zudem zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner, der als Polizeibeamter in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung genießt, bereits mit seinen nachgewiesenen ausländerfeindlichen Äußerungen das zur Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen in besonderem Maße beeinträchtigt hat (vgl. nur BVerwG, B.v. 2.5.2017 – 2 B 21.16 – juris Rn. 10; U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – Ls. 1 und Rn. 35 ff.), außerdem dass er straf- und beamtenrechtlich vorbelastet ist und im Hinblick auf Elektroschocker und Munition weitere Dienstpflichtverletzungen vorliegen.
4. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung ist hinreichend bestimmt ausgestaltet. Da die Ermächtigung der Exekutive, im Wege der Durchsuchung in den grundrechtlich geschützten Bereich des Betroffenen einzugreifen, regelmäßig den Gerichten vorbehalten ist, trifft diese als Kontrollorgan zugleich die Pflicht, durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, dass der Eingriff in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibt (BayVGH, B.v. 28.4.2014 – 16b DC 12.2380 – juris Rn. 22). Diesen Anforderungen genügen die tenorierten Maßnahmen.
5. Von einer Zustellung des Antrags und einer Anhörung des Antragsgegners vor Erlass des Beschlusses konnte abgesehen werden.
Zwar gebietet Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) grundsätzlich die vorherige Anhörung des Antragsgegners. Die Sicherung gefährdeter Interessen kann jedoch in besonderen Verfahrenslagen einen sofortigen Zugriff notwendig machen, der die vorherige Anhörung ausschließt (BVerfG, B.v. 16.6.1981 – 1 BvR 1094/80 – juris Rn. 52 ff.). In diesen Fällen ist der Betroffene auf eine nachträgliche Anhörung zu verweisen, was Art. 29 Abs. 1 Satz 4 BayDG i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 1 StPO zulässt.
Aus den dargestellten Gründen war die handelnde Behörde mit der Zustellung des Beschlusses an den Antragsgegner zu beauftragen (Art. 3 BayDG, § 173 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO, § 168 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO).
Die Kostenentscheidung bleibt, weil es sich um eine unselbständige Nebenentscheidung handelt, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.


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