IT- und Medienrecht

Einsichtsrecht der Jagdgenossen

Aktenzeichen  W 9 K 18.1165

Datum:
13.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 5646
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BJagdG § 9 Abs. 3
AVBayJG § 5 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Akteneinsicht in das Jagdkataster der Beklagten zu gewähren, was die Möglichkeit, Kopien hiervon auf seine Kosten zu fertigen, einschließt.
III. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.
IV. Das Urteil ist in Ziffern II. und III. vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich Ziffer III. kann der jeweilige Vollstreckungsschuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die allgemeine Leistungsklage ist – soweit sie aufrechterhalten wird – zulässig und begründet. Im Übrigen haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Insoweit ist das Verfahren in rechtsähnlicher Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für das klägerische Begehren. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt, wenn die Jagdgenossenschaft die Möglichkeit zur Einsichtnahme in einer Weise konkretisiert, die als Erfüllung der berechtigten Auskunftsinteressen des Klägers bewertet werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 27.6. 2013 – 3 C 20/12 – juris Rn. 8). Dies ist vorliegend trotz des Schriftsatzes des Beklagtenbevollmächtigten vom 9. März 2020 nicht der Fall, weil das berechtigte Auskunftsinteresse des Klägers auch die Fertigung von Kopien des Jagdkatasters umfasst (siehe sogleich).
2. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Einsicht in das gesamte Jagdkataster der Beklagten nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2003 – 6 B 45/03 – juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 7.4.2003 – 7 B 02.168 – juris Rn. 20). Das Einsichtsrecht schließt die Möglichkeit, Kopien des Jagdkatasters auf seine Kosten zu fertigen, ein.
Anspruchsgrundlage ist § 3 Abs. 2 Satz 4 der Satzung der Beklagten. Danach liegt das Jagdkataster für die Jagdgenossen und deren schriftlich bevollmächtigte Vertreter für ihren Grundbesitz zur Einsicht in … bzw. … beim amtierenden Jagdvorsteher offen. Die Regelung entspricht § 3 Abs. 2 Satz 4 der Mustersatzung (Anlage 1 zu § 5 Abs. 1 AVBayJG) und ist gemäß § 5 Abs. 1 AVBayJG (zu Art. 11 Abs. 2 Sätze 2 und 4 und Abs. 6 BayJG) zwingender Bestandteil der Satzung einer Jagdgenossenschaft. Der Anspruch auf Einsicht in das gesamte Jagdkataster ist darüber hinaus auch ein Annex zu den mitgliedschaftlichen Rechten des Klägers als Jagdgenosse. Das Einsichtsrecht steht jedem Jagdgenossen nicht nur für seinen eigenen Grundbesitz, sondern hinsichtlich des Grundbesitzes aller Jagdgenossen zu.
Gemäß § 9 Abs. 3 BJagdG bedürfen Beschlüsse der Jagdgenossenschaft sowohl der Mehrheit der anwesenden und vertretenen Jagdgenossen, als auch der Mehrheit der bei der Beschlussfassung vertretenen Grundfläche. Somit ist die jeweils von den Jagdgenossen vertretene Grundfläche entscheidend für die Feststellung des Abstimmungsergebnisses. Das Jagdkataster ist zentral zur ausreichenden Vorbereitung der Beschlussfassung durch die Jagdgenossenschaftsversammlung und zur Kontrolle der Mehrheitsverhältnisse bei der Beschlussfassung wie für die Geschäfts- und Wirtschaftsführung der Jagdgenossenschaft. Die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Vorbereitung und Kontrolle der Beschlussfassung ist ein für die gesetzmäßige Aufgabenerfüllung der Jagdgenossenschaft unverzichtbares Element. Dem dient die Führung und Fortführung des Jagdkatasters, wozu die Jagdgenossenschaft verpflichtet und ggf. rechtsaufsichtlich dazu anzuhalten ist. Erst das Führen eines Jagdkatasters ermöglicht es der Jagdgenossenschaft, einen eigenen Überblick über die Gesamtsituation hinsichtlich der Grundstücksgrößen und der Eigentumsverhältnisse in ihrem Jagdrevier zu gewinnen und bei Zweifelsfragen hinsichtlich der Mehrheitsverhältnisse in der Jagdgenossenschaftsversammlung auf eine unabhängige Kontrolle zurückzugreifen (OVG LSA, U.v. 14.4.2011 – 2 L 118/09 – juris Rn. 52). Die Beschlussfassung der Jagdgenossenschaft ist im Vorfeld im Interesse aller Jagdgenossen so transparent wie möglich zu halten. Eine Abstimmung, bei welcher jeder Jagdgenosse zu Beginn der Jagdgenossenschaftsversammlung die Größe seines Grundbesitzes angibt und sodann mit Namen und Grundstücksfläche in die Anwesenheitsliste eingetragen wird, wobei aufgrund dieser Angaben die Stimmzettel gefertigt werden, bietet keine hinreichende Vorbereitung und Kontrolle der Beschlussfassung nach § 9 Abs. 3 BJagdG (vgl. Leonhardt, Jagdrecht in Bayern, Stand: August 2019, § 3 Mustersatzung Rn. 4).
Aufgrund der gesetzlichen Zwangsmitgliedschaft der Jagdgenossen in der Jagdgenossenschaft (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 1 BJagdG) ist es geboten, deren Mitwirkungsrechte im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften so effektiv wie möglich auszugestalten. Dem dient die weite Auslegung des Einsichtsrechts der Jagdgenossen in das Jagdkataster. Nur wenn jeder Jagdgenosse die Möglichkeit hat, sich über die Grundflächen der übrigen Jagdgenossen vor einer Beschlussfassung zu informieren, kann er sein Abstimmungsverhalten hiervon abhängig machen. Sollten zudem die Beschlüsse wegen fehlerhafter Angaben der Grundflächen bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses rechtswidrig zustande gekommen sein, so erscheint es den Jagdgenossen nicht zumutbar, sie auf die Einholung nachträglichen Rechtsschutzes zu verweisen und ggf. mangels Einsichtsrechts einem im Vorfeld nicht kalkulierbaren Prozessrisiko auszusetzen. Demgegenüber müssen etwaige berechtigte Interessen einzelner Jagdgenossen an der Nichtoffenlegung ihrer Grundflächen zurücktreten (zum Ganzen: VG Würzburg, U.v. 12.10.1993 – W 9 K 92.872; Leonhardt, Jagdrecht in Bayern, Stand: August 2019, § 3 Mustersatzung Rn. 6).
Aus dem umfassenden Einsichtsrecht in das Jagdkataster kann der Jagdgenosse auch das Recht ableiten, dass ihm bei der Einsichtnahme das Fertigen von Kopien gestattet wird. Andernfalls ist eine effektive Einsichtnahme in das Jagdkataster nicht denkbar (vgl. zum Fertigen von Notizen: VG Würzburg, U.v. 12.10.1993 – W 9 K 92.872; Leonhardt, Jagdrecht in Bayern, Stand: August 2019, § 3 Mustersatzung Rn. 6). Anders als der Auskunftsanspruch selbst, ergibt sich die Art und Weise der Auskunft aus einer Interessenabwägung, die dem berechtigten Informationsbedürfnis ebenso Rechnung trägt wie dem Interesse der aktenführenden Stelle, nicht mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand belastet zu werden. Bei Ansprüchen gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften, zu denen auch Jagdgenossenschaften gehören (§ 9 BJagdG, Art. 11 Abs. 1 Satz 1 BayJG), richtet sich diese Abwägung nach den Grundsätzen, die zu Art. 29 Abs. 3 BayVwVfG für verwaltungsverfahrensrechtliche Sachverhalte entwickelt worden sind. Danach kann Akteneinsicht regelmäßig – sofern dies nicht zu unbilligen Ergebnissen führt – nur bei der aktenführenden Stelle verlangt werden. Der Berechtigte hat grundsätzlich einen Anspruch auf Auszüge oder Überlassung von Kopien. Letzteres besonders dann, wenn umfängliche Daten oder komplizierte Sachverhalte zu prüfen oder Berechnungen anzustellen sind. Bei der Herstellung dieser Kopien müssen aber die Möglichkeiten des Auskunftsverpflichteten berücksichtigt werden. Er hat daher nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob er von bezeichneten Schriftstücken selbst Ablichtungen fertigt oder dem Einsichtnehmenden gestattet, sich Abschriften herzustellen. Die Kosten hierfür hat der Berechtigte – als Aufwendungen für die seiner Sphäre zuzuordnende Rechtsverfolgung – auch dann zu tragen, wenn spezielle Verwaltungskostenregelungen fehlen (vgl. zu § 29 Abs. 3 VwVfG, § 25 Abs. 4 und Abs. 5 SGB X: BVerwG, B.v. 27.6.2013 – 3 C 20/12 – juris Rn. 7).
Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte verpflichtet, ermessensfehlerfrei Zeit und Ort der Einsichtnahme zu bestimmen und dem Kläger die Anfertigung gewünschter Kopien auf seine Kosten zu ermöglichen (so auch BVerwG, B.v. 27.6.2013 – 3 C 20/12 – juris Rn. 8).
Datenschutzrechtliche Bestimmungen stehen dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Bislang hat die Beklagte ihre datenschutzrechtlichen Bedenken nicht anhand einer konkreten Norm spezifiziert. Aus Art. 1 Abs. 5 BayDSG ergibt sich der Vorrang bereichsspezifischer Rechtsvorschriften. § 3 Abs. 2 Satz 4 Mustersatzung (Anlage 1 zu § 5 Abs. 1 AVBayJG) ist eine solche spezielle Regelung, die den Vorschriften des BayDSG vorgeht. Auch die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) steht einem Akteneinsichtsrecht des Jagdgenossen in das vollständige Jagdkataster nicht entgegen. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und e DS-GVO ist die Verarbeitung von Daten rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt, bzw. wenn die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Dies ist bei der Beklagten der Fall. Bei einer Jagdgenossenschaft handelt es sich nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1 BayJG um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 1 BayJG hat sie eine Satzung mit den in Anlage 1 zu § 5 Abs. 1 AVBayJG genannten Vorschriften zu beschließen. Nach § 3 Abs. 2 der Mustersatzung führt die Jagdgenossenschaft ein Jagdkataster, in dem die Eigentümer oder Nutznießer der zum Gebiet der Jagdgenossenschaft gehörenden Grundflächen und deren Größe ausgewiesen werden. Zu diesem Zweck haben die Jagdgenossen vor Ausübung ihrer Mitgliedschaftsrechte dem Jagdvorsteher alle zur Anlegung dieses Verzeichnisses erforderlichen Unterlagen (Grundbuchauszüge, Urkundenabschriften etc.) unaufgefordert zur Verfügung zu stellen. Das Jagdkataster ist fortzuführen; durch Eigentumswechsel eingetretene Veränderungen hat der Erwerber dem Jagdvorsteher nachzuweisen. Das Jagdkataster liegt für die Jagdgenossen und deren schriftlich bevollmächtigte Vertreter für ihren Grundbesitz zur Einsicht offen (vgl. VGH BW, B.v. 15.2.2019 – 1 S 188/19 – juris).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 und 161 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich des aufrechterhaltenen Streitgegenstandes trägt die unterliegende Beklagte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache im Übrigen übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten dieses Verfahrensteils (§ 161 Abs. 2 VwGO). Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, die Kosten dem Beteiligten aufzuerlegen, der bei einer Entscheidung des Rechtsstreits voraussichtlich unterlegen und deshalb nach Maßgabe der §§ 154, 155 VwGO kostenpflichtig geworden wäre. Eine Verpflichtung des Gerichts, allein im Hinblick auf die noch offene Kostenentscheidung ansonsten erforderliche Feststellungen zu treffen, Beweise zu erheben oder schwierige Rechtsfragen zu klären, besteht nicht. Bei der Billigkeitsentscheidung kann auch berücksichtigt werden, inwieweit das erledigende Ereignis auf den Willensentschluss eines Beteiligten zurückzuführen ist (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 161 Rn. 18 m.w.N.). Billigem Ermessen entsprach es hier, dem Kläger die Kosten des eingestellten Verfahrensteils aufzuerlegen, weil seine diesbezügliche Klage teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet gewesen wäre.
Hinsichtlich des Begehrens der Einsichtnahme in die Satzung der Beklagten und in die Protokolle der Vorstandschaft sowie der Jagdgenossenschaftsversammlung war bereits vor Eintritt des erledigenden Ereignisses das Rechtsschutzbedürfnis entfallen, weil die Beklagte die Möglichkeit zur Einsichtnahme in einer Weise konkretisiert hat, die als Erfüllung der berechtigten Auskunftsinteressen des Klägers bewertet werden kann. Die Beklagte hat das Recht auf Einsicht in diese Unterlagen einschließlich der Möglichkeit, Kopien hiervon zu fertigen, im Klageverfahren nicht in Abrede gestellt. Letztmalig mit Schriftsatz des Beklagtenbevollmächtigten vom 9. März 2020 hat die Beklagte dem Kläger ausreichende und konkrete Termine zur entsprechenden Akteneinsicht vorgeschlagen. Ergänzend hierzu hat die Beklagte diese Ansprüche des Klägers auch sofort im Sinne des § 156 VwGO anerkannt.
Im Übrigen wäre die Klage unbegründet gewesen, weil der Kläger kein materielles mitgliedschaftliches Recht substanziiert dargelegt hat, zu dem die begehrte Einsicht ein Annex darstellen kann. Ein Anspruch des Jagdgenossen auf Einsicht in die Unterlagen der Jagdgenossenschaft wird grundsätzlich anerkannt, sofern dies erforderlich ist, um die einer Person als Jagdgenosse gegenüber der Jagdgenossenschaft zustehenden Rechte bzw. Ansprüche sachgerecht geltend machen zu können. Nicht eigens in der Satzung geregelte Auskunftsansprüche folgen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen als Voraussetzung effektiver Rechtswahrung aus dem streitigen materiellen Recht, zu dem sie Annexe oder Nebensprüche darstellen. Insofern bedarf es weder einer ausdrücklichen Regelung noch einer Analogie. Das gilt auch für die Jagdgenossenschaft, wenn ein Jagdgenosse gegen sie materiell-rechtliche Ansprüche aus dem Mitgliedschaftsverhältnis geltend macht. Sind diese Ansprüche nicht offensichtlich und eindeutig auszuschließen, schuldet die Jagdgenossenschaft dem Jagdgenossen eine Offenlegung ihrer Bücher und sonstigen Unterlagen. Art und Umfang der Unterlagen, auf die sich dieser Auskunftsanspruch im Einzelnen erstreckt, hängen maßgeblich davon ab, welche Daten zur effektiven Überprüfung der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen erforderlich sind (zum Ganzen: BVerwG, B.v. 27.6.2013 – 3 C 20/12 – juris Rn. 5).
Es gibt keinen grundsätzlichen Anspruch auf umfassenden Einblick in sämtliche Unterlagen allein aufgrund der Stellung als Jagdgenosse (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2019 – 19 CE 19.147). Der Kläger hat bislang keinen materiell-rechtlichen Anspruch aus dem Mitgliedschaftsverhältnis, zu dem der Auskunftsanspruch ein Annex darstellen könnte, hinreichend substanziiert dargelegt. Der Kläger hat weder konkret dargelegt, sich tatsächlich seinen Anteil aus dem Reinertrag auszahlen lassen zu wollen und die Unterlagen zur entsprechenden Berechnung zu benötigen, noch die Anspruchsvoraussetzungen glaubhaft gemacht. Nach § 9 Abs. 1 BJagdG bilden die Eigentümer der Grundflächen, die zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören, eine Jagdgenossenschaft. Die Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft ist eine Zwangsmitgliedschaft; sie wird kraft Gesetzes durch das Eigentum an Grundflächen begründet, die zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören (§ 8 Abs. 1 BJagdG). Die Jagdgenossenschaft nutzt die Jagd auf den Grundstücken der in ihr zusammengeschlossenen Eigentümer in der Regel durch Verpachtung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 BJagdG). Gemäß § 10 Abs. 3 BJagdG beschließt die Jagdgenossenschaft über die Verwendung des Reinertrages der Jagdnutzung. Entscheidet die Jagdgenossenschaft, den Ertrag nicht an die Jagdgenossen nach dem Verhältnis des Flächeninhalts ihrer beteiligten Grundstücke zu verteilen, so kann jeder Jagdgenosse, der dem Beschluss nicht zugestimmt hat, die Auszahlung seines Anteils verlangen; dieser Anspruch erlischt, wenn er nicht binnen eines Monats geltend gemacht wird. Der Kläger hat weder vorgetragen, begründete Zweifel an der Höhe des ihm ausgezahlten Anteils zu haben, noch, dass abweichend vom Regelfall, die Jagdgenossen nicht einen ihre Fläche entsprechenden Anteil am Reinertrag aus der Jagdnutzung erhalten. Für den Fall, dass die Jagdgenossenschaft Abweichendes entschieden hätte, hätte der Kläger darlegen müssen, dass er dem Beschluss nicht zugestimmt hat. Aus dem Protokoll über die Jahreshauptversammlung der Beklagten vom 31. März 2019, nach welchen der Kläger anwesend war, ergibt sich jedoch, dass die Anwesenden einstimmig dem Vorschlag des Jagdvorstehers gefolgt seien, den Jagdpachtschilling für die Bildung von Rücklagen zu verwenden (Bl. 49 der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des LRA …).
Hinsichtlich der Einsicht in die Kassenunterlagen hat der Kläger lediglich vorgetragen, jedes Mitglied, erst Recht ein Mitglied des Vorstands, habe einen Anspruch auf Einsicht in die Kassenunterlagen, weil die wirtschaftlichen Angelegenheiten der Beklagten maßgebliche Angelegenheiten seien. Grundsätzlich gehen organschaftliche bzw. mitgliedschaftliche Rechte soweit wie die Aufgaben oder Rechtsposition im Innenrecht. Maßgeblich für deren Bestimmung ist insbesondere die Satzung. Der Kläger hat vorliegend jedoch nicht substanziiert dargelegt, dass die Einsicht in die Kassenunterlagen der Beklagten der Wahrung seiner mitgliedschaftlichen oder organschaftlichen Rechte dient. Ein mitgliedschaftliches Recht auf ein fehlerfreies Verfahren besteht grundsätzlich nicht. Dies gilt insbesondere für bereits abgeschlossene Vorgänge. Aus seiner Stellung als Beisitzer folgt nichts Anderes. Insbesondere ist der Kläger erst seit dem 14. Februar 2017 Beisitzer im Vorstand, begehrte aber Einsicht in die Kassenunterlagen ab 2011. Die Satzung der Beklagten, welche insoweit der Mustersatzung entspricht, regelt das Innenrecht zur Kontrolle der Kassenführung und des ordnungsgemäßen Wirtschaftens der Jagdgenossenschaft. So ist nach § 12 Abs. 2 der Satzung der Beklagten der Kassenführer dem Jagdvorsteher, der sich laufend über den Zustand und die Führung der Genossenschaftskasse zu unterrichten und das Recht wie die Pflicht zu unvermuteten Kassenprüfungen hat, für die ordnungsgemäße Führung der Genossenschaftskasse verantwortlich. Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 der Satzung ist eine Jahresrechnung (Kassenbericht) zum Ende des Geschäftsjahres zu erstellen, die den Rechnungsprüfern, die gemäß § 13 Abs. 3 Satz 2 der Satzung kein Mitglied des Jagdvorstandes sein dürfen, zur Prüfung und der Versammlung der Jagdgenossen zur Entlastung des Jagdvorstandes und des Kassenführers vorzulegen. Nach § 11 Abs. 1 der Satzung führt der Jagdvorsteher die Geschäfte der Jagdgenossenschaft. Insbesondere obliegt ihm die Anfertigung der Jahresrechnung (Kassenbericht) und die Überwachung der Schrift- und Kassenführung.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 709 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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