IT- und Medienrecht

Einziehung von Sachen Dritter bei einem Vereinsverbot

Aktenzeichen  4 B 20.124

Datum:
30.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2020, 1041
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 14 Abs. 1 S. 2
VereinsG § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, S. 2, § 8 Abs. 2 S. 1, S. 2, § 10 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, § 11 Abs. 1 S. 2, § 12 Abs. 2 Alt. 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Sachen Dritter unterliegen bei einem Vereinsverbot der Einziehung nach § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG wohl nur dann, wenn sie sich zum Zeitpunkt der Verbotsverfügung (noch) im Gewahrsam des Vereins befinden. (Rn. 33)

Verfahrensgang

B 1 K 16.23 2018-06-07 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 7. Juni 2018 wird abgeändert. Der Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 2. Juli 2014, Az. IE4-1202.52-18, wird in Ziff. 7.1 aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 7. Juni 2018 hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die gegen Ziff. 7.1 des Bescheids des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 2. Juli 2014 gerichtete Anfechtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Die in dem Bescheid getroffene Anordnung, mit der das im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück samt Wohn- und Wirtschaftsgebäude in O. beschlagnahmt und zugunsten des Freistaates Bayern eingezogen wurde, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer vereinsrechtlichen Verbotsverfügung ist die Sach- und Rechtslage bei ihrem Erlass, wobei – wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht – zurückliegende Umstände herangezogen werden können, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, U.v. 4.11.2016 – 1 A 6.15 – juris Rn. 11 m.w.N.). Gleiches gilt für eine mit dem Vereinsverbot verbundene Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter (vgl. BayVGH, U.v. 26.11.2007 – 4 B 07.104 – juris Rn. 22).
Sachen Dritter werden aufgrund eines Vereinsverbots (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG) bzw. aufgrund der behördlichen Feststellung, dass der Verein eine Ersatzorganisation eines verbotenen Vereins ist (§ 8 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 VereinsG), nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 10 Abs. 2, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG beschlagnahmt und eingezogen, wenn der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat. Ob die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen dieser Befugnisnormen in Bezug auf das Anwesen der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt vorlagen, ist zweifelhaft (1.). Einer abschließenden Entscheidung der damit verbundenen Rechts- und Tatsachenfragen bedarf es indes nicht, da sich jedenfalls nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen lässt, dass die Klägerin den erforderlichen Vorsatz hatte (2.).
1. Zu den der Beschlagnahme und Einziehung nach dem Vereinsgesetz unterliegenden „Sachen Dritter“ gehören nach allgemeinem Verständnis auch neutrale Gegenstände wie etwa Grundstücke, wenn diese für die Aktivitäten des Vereins zur Verfügung gestellt worden sind (BayVGH, U.v. 26.11.2007, a.a.O., Rn. 25; Seidl in Albrecht/Roggenkamp, VereinsG, 2014, § 12 Rn. 22; Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 12 VereinsG Rn. 28 m.w.N.). Ein „Überlassen“ einer solchen Sache im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG liegt vor, wenn dem Verein der Gewahrsam aufgrund eines bewussten rechtserheblichen Handelns des Eigentümers übertragen worden ist, z. B. im Wege eines Miet-, Pacht- oder Leihvertrags oder einer sonstigen Gebrauchsüberlassung (Roth, a.a.O., Rn. 25 m.w.N.).
a) Nach dem Gesetzeswortlaut und dem erkennbaren Normzweck kann ein „Überlassen“ grundsätzlich auch angenommen werden, wenn der Eigentümer nicht unmittelbar mit dem Verein bzw. seinem Vertreter in Kontakt tritt, sondern den Gewahrsam an der Sache zunächst einer Zwischenperson überträgt, über die der Verein dann den vollen Zugriff auf das Objekt erhält. Im Fall der Klägerin dürfte daher eine Anwendung der genannten Vorschriften nicht schon daran scheitern, dass sie ihr Anwesen nicht direkt an die Vereinigung FNS, sondern nur an ihren Sohn T. G. bzw. vorübergehend an zwei seiner Freunde vermietet hat. Wie der Senat in seinem – auch gegenüber der Klägerin ergangenen – Urteil vom 20. Oktober 2015 (Az. 4 A 14.1787, juris Rn. 27, 29, 30) festgestellt hat, war ihr Sohn über längere Zeiträume hinweg für das FNS in zentraler Funktion aktiv, z. B. als offizieller Betreiber der Homepage sowie als Redner auf auswärtigen Veranstaltungen; er stand überdies in einer engen persönlichen Verbindung zu den maßgebenden Führungspersonen M. F. und N. K. (VGH, a.a.O. Rn. 36 ff.). Diese Gesamtumstände legen den Schluss nahe, dass er auch den Gewahrsam an den Räumlichkeiten im Anwesen O. 47 nicht nach eigenem Ermessen, sondern nach den inhaltlichen Vorgaben und Vorstellungen des FNS ausgeübt hat, dessen Eigenschaft als Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG aufgrund des Urteils des Senats vom 20. Oktober 2015 rechtskräftig feststeht.
b) Es ist allerdings nicht erwiesen, dass der Sohn der Klägerin die Immobilie auch noch zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung (2.7.2014) zumindest gelegentlich dem FNS und nicht ausschließlich anderen Nutzern zur Verfügung gestellt hat. Er ist laut den im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Mitgliedsausweisen ebenso wie die beiden früheren Mieter des Anwesens im Oktober 2013 der kurz zuvor gegründeten rechtsextremistischen Partei „Der D. Weg“ beigetreten, für die er auch heute noch aktiv ist. Die Zugehörigkeit zu dieser bundesweit auftretenden Partei, der seit dem Jahr 2013 zahlreiche Aktivisten aus der Führungsriege des FNS angehören (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2013, S. 109), schloss zwar eine gleichzeitige Betätigung in dem auf Bayern beschränkten Netzwerk FNS nicht aus. Auch sind für den damaligen Zeitpunkt keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine vollständige Übernahme der Organisationsstrukturen des FNS durch den „D. Weg“ oder für eine Selbstauflösung des FNS ersichtlich (dazu näher BayVGH, U.v. 20.10.2015, a.a.O., Rn. 42 ff.). Nach den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden wurden jedoch die früher unter dem Dach des FNS verfolgten Aktivitäten ab dem Jahr 2014 als Aktivitäten der Partei „Der D. Weg“ deklariert; so trat die Partei etwa bei zuvor regelmäßig vom FNS organisierten Veranstaltungen im Februar, zum 1. Mai und im November als Organisator auf (Verfassungsschutzbericht Bayern 2014, S. 124; vgl. auch https://www.nordbayern.de/region/endstationrechtsfnswarnurnochleerehulle-1.3790093).
Angesichts der damaligen Entwicklung innerhalb der rechtsextremen Szene liegt der Schluss nahe, dass das FNS jedenfalls in den letzten Monaten vor dem Vereinsverbot nicht mehr wie zuvor als Initiator und Koordinator von gemeinsamen Aktionen in Erscheinung getreten ist und somit auch nicht mehr den Zugriff auf die Versammlungsund Veranstaltungsräume in O. benötigte bzw. beanspruchte. Für diesen Rückzug aus der bisherigen außenwirksamen Tätigkeit spricht nicht zuletzt das im April 2014 erfolgte „Einfrieren“ der Internetseite, auf der bis dahin regelmäßig über Veranstaltungen in dem Anwesen berichtet worden war. Dass die streitgegenständlichen Räumlichkeiten gleichwohl noch im Jahr 2014 vom FNS in irgendeiner Form genutzt worden wären, ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich und auch von der Beklagtenseite nicht substantiiert dargelegt worden. Aus der im Rahmen einer Landtagsanfrage am 4. März 2014 übermittelten Veranstaltungsliste (LT-Drs. 17/958 S. 2) ergeben sich dazu ebenfalls keine Erkenntnisse. Die dort aufgeführte Vortragsveranstaltung vom 26. Oktober 2013 wurde, wie aus dem Bericht auf der Homepage des FNS vom 2. November 2013 hervorgeht, dazu genutzt, den Anwesenden die neue Partei „Der D. Weg“ vorzustellen (Beiakte zur Behördenakte, Bl. 66). Dass in den Folgemonaten allein diese Partei, die in der Region Hof von Beginn an aktiv war, und nicht mehr das FNS in O. als Veranstalter fungiert hat, kann nach alledem nicht mit hinreichender Gewissheit ausgeschlossen werden.
c) Zur Überzeugung des Senats steht somit nur fest, dass der Sohn der Klägerin das streitgegenständliche Anwesen (zumindest) bis zum Herbst 2013 dem FNS zur Verfügung gestellt hat. Ob es für die Beschlagnahme und Einziehung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG bereits ausreicht, dass die später verbotene Vereinigung die fremde Sache während eines zurückliegenden Zeitraums in ihrem Gewahrsam hatte, erscheint aber höchst zweifelhaft. Die vom Beklagten vertretene Auffassung, es komme für die Anwendbarkeit der Vorschriften nicht auf den aktuellen Fortbestand des Gewahrsams zum Zeitpunkt der Beschlagnahme- und Einziehungsanordnung an, sondern es genüge bereits eine in der Vergangenheit liegende vorübergehende Überlassung, dürfte mit der geltenden Gesetzeslage nicht vereinbar sein.
Zwar ließe sich der Wortlaut von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, und § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG wegen der darin verwendeten Perfektform („durch Überlassung… gefördert hat“) dahingehend verstehen, dass jedes frühere Zurverfügungstellen unabhängig von der aktuellen Besitzlage die Einziehung der insoweit als „makelbehaftet“ angesehenen Sache rechtfertigt. Dieser Auslegung stehen aber sowohl die Entstehungsgeschichte der Normen als auch deren Regelungszweck entgegen.
aa) Die ursprüngliche Fassung des § 12 Abs. 2 VereinsG (G.v. 5.8.1964, BGBl I S. 593) sah eine Einziehung von Sachen Dritter ausdrücklich nur vor, wenn diese sich „im Gewahrsam des Vereins“ befanden und daher im weiteren Sinne zum Vereinsvermögen entsprechend dem damaligen § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG gehörten (vgl. BTDrs. IV/430 S. 13). Der durch die Überlassung begründete Zustand musste somit nach dem Willen des Gesetzgebers bei Erlass der behördlichen Anordnung noch fortbestehen (vgl. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 12 Rn. 11). Dieses Gewahrsamserfordernis wurde durch die mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz (G.v. 28.10.1994, BGBl I S. 3186) erfolgte Novellierung des § 3 Abs. 1 und § 12 Abs. 2 VereinsG nicht generell, sondern nur für eine spezielle Fallgruppe aufgegeben. Mit der Gesetzesänderung sollte zwar eine Beschlagnahme auch von solchen Sachen Dritter ermöglicht werden, die sich nicht im Gewahrsam des Vereins befinden (BT-Drs. 12/6853 S. 45). Gemeint waren damit aber nicht sämtliche Sachen Dritter, sondern nur jene in der neu eingefügten zweiten Alternative des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 12 Abs. 2 VereinsG genannten Sachen, die – wie etwa Propagandamaterial des Vereins – bei objektivem Verständnis zur Förderung der verfassungswidrigen Bestrebungen „bestimmt“ sind. Mit dieser Ergänzung wollte der Gesetzgeber eine Regelungslücke schließen, die sich daraus ergab, dass dem Vereinszweck zweifelsfrei dienende, jedoch bei Dritten vorgefundene Sachen von der das Verbot vollziehenden Behörde häufig wieder herausgegeben werden mussten, weil der Nachweis der Zugehörigkeit zum Vereinsvermögen nicht gelang (vgl. BT-Drs. 12/6853 S. 45, 46). Die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 12 Abs. 2 VereinsG erfassen daher nunmehr neben den (schon seit jeher einziehbaren) Sachen Dritter, die sich im Gewahrsam des Vereins befinden (Alt. 1), auch Sachen Dritter in deren Gewahrsam, wenn sie erkennbar zur Förderung der verfassungswidrigen Bestrebungen bestimmt sind (Alt. 2). Die bei der Neufassung der Vorschriften erfolgte Streichung des Tatbestandsmerkmals „im Gewahrsam des Vereins“ diente ersichtlich nur dazu, die zweite Fallgruppe in den Gesetzestext aufnehmen zu können; für eine weitergehende Änderungsabsicht geben die Gesetzesmaterialien nichts her.
bb) Die Beschlagnahme und Einziehung des Eigentums Dritter, das einem verbotenen Verein überlassen worden ist, stellt – ebenso wie die Einziehung des dem Verein selbst gehörenden Vermögens – eine präventive Sicherungsmaßnahme dar. Mit der Vermögenseinziehung soll nach dem Willen des Gesetzgebers verhindert werden, dass den Mitgliedern des aufgelösten Vereins die materiellen Mittel für eine weitere Tätigkeit im Sinne des Vereins zur Verfügung stehen (vgl. BT-Dr IV/430, S. 13, 19, 20; BVerwG, B. v. 29.1.2013 – 6 B 40.12 – NVwZ 2013, 521 Rn. 28 m.w.N.). Der mit der Einziehung einhergehende Rechtsverlust stellt somit keine strafrechtsähnliche Sanktion für ein zurückliegendes schuldhaftes Fehlverhalten dar, sondern dient vor allem der Verhütung weiteren rechtswidrigen Handelns (BVerwG, a.a.O.). Mit dieser Regelungsintention wäre ein Normverständnis schwerlich vereinbar, das an zeitlich zurückliegende Überlassungen anknüpft und die Verbotsbehörde im Regelfall (vgl. § 13 Abs. 2 VereinsG) dazu verpflichtet, Dritten das Eigentum auch an solchen Gegenständen zu entziehen, auf die der Verein gar keinen Zugriff mehr hat und deren Weiterverwendung zu verfassungswidrigen Zwecken daher nicht konkret in Aussicht steht bzw. zu vermuten ist.
cc) Eine so weite Auslegung stieße wohl auch auf verfassungsrechtliche Bedenken. Denn sie hätte zur Folge, dass jeder, der – z. B. im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit – einer als verfassungswidrig angesehenen Vereinigung auch nur für kurze Zeit ein Fahrzeug oder eine Versammlungsstätte vermietet, stets befürchten müsste, im Falle eines späteren Verbots das Eigentum an der betreffenden Sache entschädigungslos zu verlieren. Darin dürfte nicht nur eine unverhältnismäßige Inhaltsbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) liegen, sondern angesichts der dadurch bewirkten faktischen Einschränkungen der Betätigungsmöglichkeiten des Vereins auch ein unzulässiger Eingriff in die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG). Aus Gründen der Rechtssicherheit darf ein Verein erst dann als verboten bzw. als Ersatzorganisation eines verbotenen Vereins behandelt werden, wenn die insoweit als konstitutiv anzusehende Verbotsverfügung erlassen worden ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 2 Satz 1 VereinsG; vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2002 – 6 A 4.02 – NVwZ 2003, 986/987 f.; BayVGH, B.v. 9.5.1979 – 7.CE – 800/79 – VGH n.F. 32, 41 f. = BayVBl 1979, 469 f. m.w.N.; Wolff in Hömig/Wolff, GG, 12. Aufl. 2018, Art. 9 Rn. 12). Dementsprechend können auch alle früheren (nicht strafbaren) Unterstützungshandlungen Dritter erst ab dem Wirksamwerden des Vereinsverbots verhindert bzw. sanktioniert werden.
d) Dürfen die Verbotsbehörden somit nach der – hier allein in Betracht kommenden – ersten Alternative des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 12 Abs. 2 VereinsG Sachen Dritter nur beschlagnahmen und einziehen, wenn sie sich zum Verbotszeitpunkt im Gewahrsam des Vereins befinden, so scheiden solche Maßnahmen in Bezug auf das Anwesen O. 47 schon deshalb aus, weil aus den oben angeführten Gründen nicht erwiesen ist, dass dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal erfüllt war. Selbst wenn jedoch feststünde, dass das FNS bis zum Erlass des Vereinsverbots mithilfe des Sohnes der Klägerin über die Räumlichkeiten verfügt hat, wäre es zweifelhaft, ob darin noch ein Überlassen seitens der Klägerin gesehen werden könnte. Wie der Senat schon im Zulassungsbeschluss vom 14. Januar 2020 (Az. 4 ZB 18.2383) ausgeführt hat, dürften sich die Besitzverhältnisse an dem Grundstück durch den am 10. Februar 2014 abgeschlossenen notariellen Kaufvertrag zwischen der Klägerin und ihrem Sohn in einer auch vereinsrechtlich relevanten Weise geändert haben. Da der Vertrag trotz der noch ausstehenden Kaufpreiszahlung den sofortigen Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten vorsah, dem Käufer also das wirtschaftliche Eigentum verschaffte, könnte eine nachfolgende Überlassung durch den Sohn an das FNS wohl nicht mehr der Klägerin als der rechtlichen Eigentümerin zugerechnet werden. Sie besaß zum maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung nicht mehr den mittelbaren Besitz an der Kaufsache (vgl. Herrler in Staudinger/Gutzeit [2018], BGB, § 868 Rn. 42 m.w.N.) und konnte gegenüber ihrem Sohn als besitzberechtigtem Käufer – anders als zuvor gegenüber den jeweiligen Mietern – auch nicht mehr festlegen, wie das Anwesen künftig genutzt werden durfte. Die mögliche Verwendung der Räumlichkeiten für verfassungswidrige Aktivitäten lag somit in dem Zeitraum nach Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr im Verantwortungsbereich der Klägerin.
2. Einer weiteren Sachaufklärung bezüglich der Frage, wer zuletzt den Gewahrsam an dem Anwesen innehatte, bedarf es aber im vorliegenden Verfahren ebenso wenig wie einer abschließenden Entscheidung darüber, wie der Begriff des „Überlassens“ in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 12 Abs. 2 VereinsG in zeitlicher Hinsicht zu verstehen ist. Die Anwendung der genannten Vorschriften scheitert jedenfalls an dem fehlenden Nachweis, dass die Klägerin die verfassungswidrigen Bestrebungen des vom Beklagten verbotenen Vereins durch die Überlassung von Räumen „vorsätzlich“ gefördert hat.
Eine vorsätzliche Förderung setzt voraus, dass der Eigentümer die verfassungswidrigen Bestrebungen des Vereins gekannt und es gewollt oder – im Sinne eines bedingten Vorsatzes – zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass diesen Bestrebungen durch die Überlassung der Sache Vorschub geleistet wird (vgl. BayVGH, U.v. 26.11.2007 – 4 B 07.104 – juris Rn. 26; Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, a.a.O., § 12 Rn. 26 m.w.N.). Nicht erforderlich ist dabei, dass der Überlassende die ihm bekannten Aktivitäten des Vereins in verfassungs- und vereinsrechtlicher Hinsicht exakt bestimmt hat. Es reicht aus, dass er aufgrund einer sog. Parallelwertung in der Laiensphäre auf der Grundlage seines Wissens über die tatsächlichen Vereinsaktivitäten den sozialen Sinngehalt der Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG und damit den Begriff der „verfassungswidrigen Bestrebungen“ zutreffend erfasst hat (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 27 m.w.N.). Ebenso muss er eine zumindest laienhafte Vorstellung davon entwickelt haben, dass die verfassungswidrigen Aktivitäten nicht von (wechselnden) Einzelpersonen ausgehen, sondern in organisierter Form erfolgen und damit einem Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG zuzurechnen sind, der den Gewahrsam an der Sache ausübt.
Wie sich aus der eingehenden Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ergibt, muss ihr zwar von Anfang an bekannt gewesen sein, dass ihr Sohn das Anwesen O. 47 nicht nur zum Wohnen genutzt, sondern auch für verfassungswidrige Aktivitäten verwendet bzw. zur Verfügung gestellt hat. Dass letzteres im Rahmen einer Personenvereinigung erfolgte, die über die Räumlichkeiten verfügen konnte und damit als Gewahrsamsinhaberin anzusehen war, lässt sich jedoch nach den Gesamtumständen nicht belegen.
a) Die Behauptungen der Klägerin, sie habe von den politischen Aktivitäten ihres Sohnes zu keinem Zeitpunkt irgendetwas erfahren oder mit ihm darüber gesprochen, sei sich über den Hintergrund seiner mehrjährigen Inhaftierung nicht im Klaren, wisse nichts über die Treffen von Rechtsextremisten in dem ihr gehörenden Anwesen und könne über die tatsächliche Nutzung der Räume im Erdgeschoß keinerlei Auskunft geben, hält der Senat für unglaubhaft. Auch wenn die Klägerin sich in den Jahren 2010 bis 2014 von April bis Anfang Oktober aus beruflichen Gründen in Italien aufgehalten hat, konnte ihr in den jeweils verbleibenden sechs Monaten, in denen sie mit ihrem Ehemann und dem zeitweise im selben Mehrfamilienhaus wohnenden Sohn zusammengelebt hat, nicht gänzlich verborgen bleiben, dass über die Nutzung des weniger als 30 km von ihrem damaligen Wohnort entfernt gelegenen Anwesens als Treffpunkt der rechtsextremen Szene in der Öffentlichkeit vielfach berichtet wurde. Das auch in der mündlichen Verhandlung durch mehrfache verbale Interaktionen deutlich gewordene enge Verhältnis zu ihrem Ehemann und ihrem Sohn lässt es als völlig fernliegend erscheinen, dass über deren politisches Engagement, für das die Räume in O. wiederholt genutzt wurden, niemals auch nur in allgemeiner Form gesprochen worden sein soll. Die von der Klägerin auf entsprechende Fragen des Gerichts gegebenen Antworten wirkten ausweichend und teilweise einstudiert; mehrfach wurden Angaben auf Nachfrage modifiziert oder korrigiert.
b) Die hiernach anzunehmende Kenntnis über die Nutzung des Anwesens für Zusammenkünfte von Gesinnungsgenossen ihres Sohnes reicht aber nicht aus, um der Klägerin zugleich auch einen zumindest bedingten Vorsatz hinsichtlich des Überlassens an eine verfassungswidrige Vereinigung unterstellen zu können. Dabei sind die Besonderheiten zu beachten, die das öffentliche Auftreten des FNS gekennzeichnet haben und durch die sich diese Vereinigung von anderen rechtsextremen Personenverbänden wie etwa der 2004 verbotenen „Fränkischen Aktionsfront“ (F.A.F.) unterschieden hat.
aa) Ziel des FNS war nach den von den Verfassungsschutzbehörden gewonnenen Erkenntnissen die Vernetzung der gesamten bayerischen Neonaziszene. Um dabei keine Ansatzpunkte für Verbote zu bieten, wurden feste Strukturen bewusst vermieden (Verfassungsschutzbericht Bayern 2011, S. 159). Die dem FNS zurechenbaren Personen und Kameradschaften traten nach außen nicht als FNS auf; so agierten beispielsweise bei Demonstrationen wechselnde Personen oder Gruppierungen als Veranstalter (Verfassungsschutzbericht Bayern 2012, S. 96). Das FNS versuchte, Organisationsstrukturen zu verschleiern; daher wurde explizit auf die Eigenständigkeit der einzelnen Kameradschaften verwiesen (Verfassungsschutzbericht Bayern 2013, S. 120). Die Absicht, in der Außenwahrnehmung nicht als ein fester Verband mit organisierter Willensbildung zu erscheinen, kam in der – ein loses Geflecht von persönlichen Kontakten suggerierenden – Bezeichnung als „Freies Netz Süd“ ebenso zum Ausdruck wie in der erstmals Ende 2008 auf der Homepage des FNS unter dem Titel „Wer wir sind“ veröffentlichten und in der Folgezeit mehrfach geänderten Selbstdarstellung, derzufolge es sich lediglich um eine online gestellte Informations-, Kommunikations- und Publikationsplattform für Aktivisten des „Nationalen Widerstands“ handle (vgl. Verbotsverfügung vom 2.7.2014, S. 12 f.).
Diese Beschreibung widersprach zwar den tatsächlichen Verhältnissen; in Wahrheit übte das FNS als eine Art Dachverband der ihm angeschlossenen neonazistischen Vereinigungen eine Koordinations- und Lenkungsfunktion aus und verfügte dazu auch über eine dauerhafte Organisationsstruktur (BayVGH, U.v. 20.10.2015, a.a.O., juris Rn. 28). Dass das FNS als Initiator oder Organisator hinter einer Vielzahl rechtsextremistischer Aktionen und Veranstaltungen stand und infolge des Einflusses seiner beiden maßgebenden Akteure M. F. und N. K. als überregionale Führungsinstanz akzeptiert wurde, war jedoch den auf der Homepage des FNS publizierten Berichten allenfalls andeutungsweise zu entnehmen und ergab sich mit letzter Sicherheit erst aus einer Reihe von Indizien, die von den Verfassungsschutzbehörden im Laufe mehrerer Jahre zusammengetragen wurden und schließlich zum Verbot der Vereinigung geführt haben (vgl. im Einzelnen BayVGH, a.a.O., Rn. 29 ff.). Bis zu diesem Zeitpunkt konnten Personen, die nicht selbst Teil dieses weitgehend konspirativ arbeitenden Netzwerks waren, schwerlich zu der Einschätzung gelangen, dass es sich beim FNS um eine Personenvereinigung mit festen Strukturen und einer organisierten Willensbildung handelte. Bezeichnenderweise wurde auch in der öffentlichen Berichterstattung stets hervorgehoben, dass beim FNS keine festen Vereinsstrukturen existierten, sondern es sich um eine „fluide Struktur“ handle (vgl. https://www.sueddeutsche.de/bayern/rechtsextremesnetzwerkfreiesnetzsuedunfassbarekameradschaft-1.1346779).
bb) Aus den vorgenannten Gründen kann auch in Bezug auf die Klägerin nicht angenommen werden, dass sie von der Existenz des FNS als einem Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG eine zumindest laienhafte Vorstellung besaß. Es bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass sie an den politischen Aktivitäten ihres Sohnes im Zusammenhang mit dem FNS selbst in irgendeiner Weise aktiv beteiligt gewesen wäre und dadurch (möglicherweise) Einblick in die internen Strukturen der Organisation hätte nehmen können. Die von der Klägerin eingeräumte kurzzeitige Teilnahme an einer Silvesterfeier ihres Sohnes und seiner Freunde zum Jahreswechsel 2013/2014 reichte dazu jedenfalls nicht aus. Auch aus den übrigen Umständen lässt sich nicht belegen, dass sie positive Kenntnis davon hatte, dass ihr Anwesen zumindest zeitweise einer Personenvereinigung überlassen worden war.
(1) Soweit der Klägerin seitens des Beklagten vorgehalten wird, am 10. Mai 2014 in O. zusammen mit ca. 40 Rechtsextremisten an einer Versammlung teilgenommen zu haben, bei der es um die Nachbesprechung einer Demonstration zum 1. Mai in Plauen sowie um Informationen zur Partei „Der D. Weg“ gegangen sei, bestehen bereits erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser von einer V-Person des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz stammenden Darstellung. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Fragen des Gerichts nachvollziehbar vorgetragen und durch den im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Arbeitsvertrag sowie durch eine schriftliche Arbeitgeberbestätigung glaubhaft gemacht hat, war sie im Zeitraum vom 14. April bis 30. September 2014 wie schon in den Jahren zuvor durchgehend auf einem in Norditalien gelegenen Campingplatz beschäftigt, wo sie während der Woche mit Ausnahme des in der Nebensaison arbeitsfreien Mittwochs durchgehend Dienst hatte und auch keine Urlaubstage beanspruchen konnte. Angesichts dieser berufsbedingten Abwesenheit von ihrem regulären Wohnort in Oberfranken spricht nichts dafür, dass sie sich an dem vom Beklagten genannten Tag, einem Samstag, tatsächlich in dem damals bereits an ihren Sohn verkauften Anwesen in O. aufgehalten haben könnte, um dort (erstmals) an einem politischen Treffen von dessen Gesinnungsgenossen teilzunehmen. Davon abgesehen ist weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich, dass es an dem betreffenden Abend überhaupt um das FNS gegangen sein könnte, das sich zu diesem Zeitpunkt bereits aus allen öffentlichen Aktivitäten zurückgezogen hatte und dessen Homepage nicht mehr aktualisiert wurde.
(2) In Anbetracht der langen Abwesenheitszeiten der Klägerin und ihres fehlenden Interesses an eigener politischer Betätigung kann auch nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden, dass sie durch behördliche Maßnahmen, die das streitgegenständliche Anwesen betrafen, nähere Kenntnis von den Organisationsstrukturen des FNS erhalten hat.
Die auf das Vereinsrecht gestützte Durchsuchung der Wohnräume ihres Sohnes und der von J.-C. B. und P. F. genutzten Räume in O. am 10. Juli 2013 lag bei Rückkehr der Klägerin aus Italien Anfang Oktober 2013 bereits einige Monate zurück. Nach dem Gesamteindruck, den sie bei der Befragung in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, erscheint es nicht unglaubhaft, dass sie sich mit dem vereinsrechtlichen Hintergrund dieser Ermittlungsmaßnahmen im Nachhinein nicht mehr beschäftigt, insbesondere also die im gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss vom 3. Juli 2013 angeführten Gründe nicht erfahren und somit den Zusammenhang mit einer möglichen Nutzung der Räume durch die mutmaßliche Vereinigung FNS nicht erkannt hat. Nachdem sie die Verantwortung für das Anwesen ihrem Sohn als Mieter überlassen hatte, bestand für sie ersichtlich kein Grund mehr, sich mit der konkreten Nutzung der Räumlichkeiten näher zu befassen.
Auch der Umstand, dass die Klägerin eigenen Angaben zufolge von dem im Herbst 2013 kurzzeitig an dem Gebäude angebrachten Banner mit der Aufschrift „Nationales Zentrum Hochfranken“ erfahren und dessen Entfernung veranlasst hat, genügt noch nicht für die Annahme, sie habe gewusst, dass der Gewahrsam an dem Anwesen von einer Vereinigung mit organisierter Willensbildung ausgeübt werde. Die Titulierung als „Zentrum“ deutete jedenfalls aus Sicht eines Außenstehenden nicht unbedingt darauf hin, dass der Betreiber der Einrichtung eine Mehrheit von Personen war, die sich zu einem festen Verband zusammengeschlossen hatten. Auch wenn der Klägerin eine generelle Kenntnis von den dort stattfindenden Treffen rechtsextremer Akteure unterstellt werden muss, konnte sie durchaus der Meinung sein, es handle sich um unterschiedliche Veranstalter, die von ihrem Sohn nur jeweils für einzelne Vorträge, Schulungen oder sonstige Veranstaltungen Zutritt erhielten und nicht selbst über die Räumlichkeiten verfügen konnten. Dass das FNS der eigentliche Inhaber des in O. errichteten „Nationalen Zentrums“ war, kam auch in den Berichten auf der Homepage des FNS an keiner Stelle zum Ausdruck.
In dem gleichzeitig an die Klägerin und an ihren Sohn versandten Schreiben des Bauamts beim Landratsamts Hof vom 28. November 2013 wurde zwar die Baurechtswidrigkeit der aktuellen Nutzung des Anwesens damit begründet, dass sich auf der Internetseite „www.freiesnetzsued.net“ zahlreiche Berichte über eine Nutzung als Schulungs-, Veranstaltungs-, Versammlungs- und Begegnungsstätte fänden. Hieraus ließ sich aber noch nicht zwingend der Schluss ziehen, dass es sich nicht bloß um einen vom Sohn der Klägerin für rechtsextremistische Treffen regelmäßig zur Verfügung gestellten „Anlaufpunkt“ (so die Bezeichnung in der ministeriellen Stellungnahme vom 4.3.2014, LT-Drs. 17/958 S. 2), sondern um eine von einer Personenvereinigung betriebene Einrichtung handelte.
Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus dem Umstand, dass es im nachfolgenden Schreiben des Bauamts vom 20. Dezember 2013 ausdrücklich hieß, das Anwesen werde als Schulungs-, Veranstaltungs-, Versammlungs- und Begegnungsstätte „in die Richtung eines überregionalen Vereinsheims des ‚Freien Netzes Süd‘ genutzt“. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin Einzelheiten über den Inhalt dieses Schreibens überhaupt erfahren hat, da das von ihr unterzeichnete Antwortschreiben vom 2. Januar 2014, das mit dem ihres Sohnes wörtlich übereinstimmt, ersichtlich nicht von ihr selbst, sondern – wie schon das vorangegangene Schreiben vom 7. Dezember 2013 – von einer rechtskundigen Person verfasst wurde. Selbst wenn sie aber den etwas unklaren Begriff des „überregionalen Vereinsheims“ im Zusammenhang mit dem Namen „Freies Netz Süd“ zur Kenntnis genommen haben sollte, musste sie allein deswegen nicht notwendigerweise zu der Annahme gelangen, dass es sich beim FNS um mehr als ein bloßes Informationsnetzwerk, nämlich um einen (weitgehend konspirativ tätigen) Verein handelte. Die von dem – für Verfassungsschutzangelegenheiten nicht zuständigen – Bauamt als alleinige Grundlage seiner Einschätzung angeführte Internetseite des FNS gab für dessen Qualifizierung als Verein nichts her. Ob die Klägerin hierzu von ihrem Sohn eine wahrheitsgemäße Auskunft erhalten hätte, erscheint höchst zweifelhaft. Hätte sie sich dagegen aus allgemein zugänglichen Quellen wie den oben zitierten Verfassungsschutzberichten oder der damaligen Presseberichterstattung über den möglichen Vereinscharakter des FNS informiert, so hätte sie durchaus zu dem Schluss kommen können, dass es sich nicht um einen organisatorisch hinreichend verfestigten Personenverband handelte, dem die Räume als eine Art Vereinsheim überlassen worden sein könnten. Auch das Bayerische Staatsministerium des Innern hat noch am 4. März 2014 in seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage nur ganz allgemein davon gesprochen, dass „Personen aus dem Umfeld“ der Freien Nationalisten Hof bzw. des FNS in dem Anwesen der Klägerin nichtöffentliche Veranstaltungen und Treffen durchgeführt hätten (LT-Drs. 17/958 S. 2); eine eindeutige Aussage über eine Inhaberschaft des FNS findet sich in keiner der damaligen offiziellen Verlautbarungen.
(3) Auch die Tatsache, dass der Sohn der Klägerin im November 2013 zusammen mit seinem – als zentrale Führungsperson innerhalb des FNS agierenden – Freund M. F. in Form einer BGB-Gesellschaft einen seit 2010 von einem Gesinnungsgenossen betriebenen Internet-Versandhandel erworben und die Lager- und Verkaufsstätte nach O. verlegt hatte, bot keinen zwingenden Grund zu der Annahme, die betreffenden Räume seien damit einem Verein zur Nutzung überlassen worden. Zwar dürfte die Klägerin entgegen ihren ausweichenden Antworten in der mündlichen Verhandlung gewusst haben, dass es sich bei den von ihrem Anwesen aus vertriebenen Gegenständen um rechtsextremistische Propagandamittel und szenetypische Textilien handelte. Der zunächst von Wackersdorf aus betriebene und dann in O. fortgeführte Versandhandel ist aber ersichtlich zu keinem Zeitpunkt nach außen hin als Ableger oder Sprachrohr des FNS in Erscheinung getreten, sondern hat für sein rechtsextremistisch eingestelltes Zielpublikum eine breite Angebotspalette bereitgehalten (vgl. LT-Drs. 17/958 S. 3). Dementsprechend wurde das vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtete Unternehmen auch in den staatlichen Auskünften nicht als ein unselbständiger Teil des FNS dargestellt (LT-Drs. 17/958 S. 3 f.). Bis zum Zeitpunkt der Verbotsverfügung, mit der die zu dem Versandhandel gehörenden Sachen ebenfalls eingezogen wurden (Ziff. 7.2 des Bescheids vom 2.7.2014), musste sich daher auch für die Klägerin nicht der Schluss aufdrängen, dass hinter dem von einer BGB-Gesellschaft betriebenen Gewerbe in Wahrheit das FNS als Verein stand.
c) Der nach alledem nicht sicher nachweisbare Vorsatz der Klägerin hinsichtlich des Überlassens der Räume an einen Verein führt zwingend zum Erfolg der Klage, da die materielle Beweislast insoweit nach allgemeinen Grundsätzen beim Beklagten liegt (vgl. BVerwG, B.v. 1.11.1993 – 7 B 190.93 – NJW 1994, 468 m.w.N.). Auf die Prüfung, ob der Klägerin als Grundstückseigentümerin die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse bekannt waren, kann hier auch nicht deswegen verzichtet werden, weil sie als bloße „Strohfrau“ angesehen werden müsste, so dass es letztlich nicht auf ihre eigene Kenntnis, sondern auf die ihres Sohnes oder eines anderen FNS-Vertreters ankommen könnte.
Von einem „Strohmann“ bzw. einer „Strohfrau“ wird insbesondere im Gewerberecht dann gesprochen, wenn die betreffende Person zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse vorgeschoben wird, die in Frage stehende Tätigkeit aber in Wirklichkeit von einem anderen ausgeübt wird. Die betreffende Person gibt nur ihren Namen als Aushängeschild und wird von einem Hintermann gesteuert, der sich ihrer zur Täuschung im Rechtsverkehr bedient (vgl. zusammenfassend BVerwG, U.v. 14.7.2003 – 6 C 10.03 – NVwZ 2004, 103/104 m.w.N.). Ein solches Strohmannverhältnis ist anzunehmen, wenn eine genaue Analyse der Innenbeziehungen ergibt, dass die nach außen hin rechtsgeschäftlich handelnde Person nur als jederzeit steuerbare Marionette eines anderen benutzt wird, um die tatsächlich bestehenden Machtverhältnisse nicht erkennbar werden zu lassen (vgl. BVerwG, a.a.O.).
Inwieweit diese richterrechtlich entwickelten Grundsätze auf das Vereinsrecht übertragbar sind mit der Folge, dass es bei dem in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 12 Abs. 2 Alt. 1 VereinsG normierten Vorsatzerfordernis allein auf die „Bösgläubigkeit“ des Hintermannes und nicht auf die des nominellen Eigentümers ankäme, bedarf hier keiner weiteren Klärung. Denn es lässt sich allenfalls vermuten, nicht aber anhand objektiver Indizien mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass die Klägerin von vornherein keine eigene Nutzungsabsicht gehabt hat und nur in der Rolle als unverdächtige Käuferin beauftragt wurde, das Grundstück zu erwerben, um ihren Sohn in den Besitz des Anwesens zu bringen und ihm zu ermöglichen, dort seine politischen Aktivitäten zu entfalten. Ihr Sachvortrag, wonach sie ursprünglich geplant habe, die mithilfe eines Darlehens ihrer Schwiegermutter günstig erworbene ehemalige Gaststätte nach der nötigen Renovierung zusammen mit ihrem Ehemann als Wohnsitz zu nutzen, erscheint angesichts der damaligen Lebenssituation des Ehepaars nicht völlig unglaubhaft. Auch der Beklagte ist im angegriffenen Bescheid ebenso wie im nachfolgenden Gerichtsverfahren davon ausgegangen, dass sich insoweit die Darstellung der Klägerin trotz bestehender Zweifel nicht widerlegen lässt. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass eine weitere Sachaufklärung bezüglich dieser Frage zu neuen Erkenntnissen führen könnte.
Aus den vorgenannten Gründen kann die von der Behörde auf § 10 Abs. 2 Satz 1, § 12 Abs. 2 VereinsG gestützte Beschlagnahme und Einziehung des zu den „Sachen Dritter“ gerechneten streitgegenständlichen Anwesens auch nicht als eine Beschlagnahme und Einziehung eines von der Klägerin als Treuhänderin erworbenen und damit nach § 10 Abs. 1 Satz 3, § 11 Abs. 1 Satz 2 VereinsG zum Vereinsvermögen gehörenden Gegenstands verstanden bzw. in eine solche umgedeutet werden.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 Satz 1 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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