IT- und Medienrecht

Erfolgloses Unterlassungsbegehren wegen Äußerungen eines Bürgermeisters

Aktenzeichen  4 CE 20.402

Datum:
7.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6757
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123, § 146 Abs. 4 S. 1, S. 6, § 173 S. 1
ZPO § 307
GKG § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Ein Anerkenntnis als Prozesshandlung liegt nur dann vor, wenn der Erklärende mit seiner Aussage zumindest konkludent zum Ausdruck bringt, dass das Rechtschutzbegehren berechtigt war und daher eine stattgebende gerichtliche Entscheidung vorbehaltlos akzeptiert wird. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus einer den Informationsstand eines Gemeindeorgans betreffenden Negativauskunft, sofern sie unrichtig gewesen sein sollte, kann sich nicht ohne Weiteres eine mittelbare Beeinträchtigung von Rechtspositionen ergeben. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 E 18.5720 2020-02-06 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Äußerungen des ersten Bürgermeisters des Antragsgegners.
Die Antragstellerin ist eine Aktiengesellschaft, an der der Antragsgegner zu 32,2% beteiligt ist. Sie betreibt im Gemeindegebiet des Antragsgegners eine Bergbahn. Mit dem Eilantrag wendet sie sich gegen zwei Äußerungen des ersten Bürgermeisters des Antragsgegners, die beide falsch seien. Zur Glaubhaftmachung der Tatsache, dass die Äußerungen in der Gemeinderatssitzung am 25. September 2018 im Wortlaut so getätigt worden seien, hat die Antragstellerin eine eidesstattliche Versicherung ihres ehemaligen Vorstands vorgelegt. Sie hat beantragt, dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß die nachfolgenden Äußerungen aufzustellen und/oder zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen:
1. „Die [Antragstellerin] hat im letzten Geschäftsjahr einen Verlust von 358.000 Euro erlitten.“
2. „Mir sind keine Zahlen der [Antragstellerin] für die vergangenen drei Jahre bekannt.“
Bei einem gerichtlichen Erörterungstermin am 13. Februar 2019 erklärte der erste Bürgermeister des Antragsgegners u. a., bei seiner Aussage sei es um geprüfte Zahlen gegangen. Eine Äußerung in der von der Antragstellerin vorgetragenen Form werde künftig nicht mehr getätigt werden, da die Zahlen im Bundesanzeiger veröffentlicht seien.
Mit Beschluss vom 6. Februar 2020 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag ab. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden. Amtliche Äußerungen hätten sich am Willkürverbot und am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu orientieren. Werturteile dürften nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen; sie müssten auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen und dürften den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten. Hinsichtlich der angeblichen Äußerung, dass die Antragstellerin im (bezogen auf den Äußerungszeitpunkt) vergangenen Geschäftsjahr einen Verlust von 358.000 Euro gemacht habe, fehle es an einer Verletzung des Sachlichkeitsgebots. Der am 11. Dezember 2018 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichte Jahresabschluss der Antragstellerin für das Geschäftsjahr vom 1. November 2016 bis zum 31. Oktober 2017 weise zum Ende des Geschäftsjahrs einen Bilanzverlust in Höhe von 353.618,95 Euro aus. Die angebliche Äußerung vom 25. September 2018 basiere folglich – bei verständiger Beurteilung – auf einem (mehr als nur im Wesentlichen) zutreffenden Tatsachenkern. Der erste Bürgermeister des Antragsgegners habe, sofern die Äußerung tatsächlich so gefallen sei, damit den Bilanzverlust von seiner Größenordnung her zutreffend und sachgerecht dargestellt. Nichts anderes ergebe sich aus der Einlassung der Bevollmächtigten der Antragstellerin, dass im Wirtschaftsverkehr ein Bilanzverlust bzw. -gewinn nicht derart maßgeblich sei wie der um einen Verlustvortrag bereinigte (vorläufige) Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag. Dass hier (möglicherweise) verkürzt von „Verlust“ und nicht präzise von „Bilanzverlust“ die Rede gewesen sei, stelle noch keine Verletzung des Sachlichkeitsgebots dar. Soweit eine Unterlassung der zweiten Äußerung begehrt werde, sei zweifelhaft, inwieweit diese die Antragstellerin überhaupt in zu schützenden Rechten verletzen könne. Ein wesentlicher Teil der Aussage sei subjektiv geprägt („Mir ist nicht bekannt“), was einen objektiven Aussagegehalt bzw. den darauf rückführbaren (dem Sachlichkeitsgebot unterliegenden) Tatsachenkern ohnehin stark einschränke. Dies könne aber offenbleiben, da das Gericht aufgrund der nun amtlich bekannt gemachten Zahlen und dem mittlerweile einige Jahre zurückliegenden Sachverhalt sowie aufgrund der Aussage des ersten Bürgermeisters im Rahmen des Erörterungstermins eine konkrete Wiederholungsgefahr insoweit nicht als gegeben erachte.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe überprüft (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände führen zu keiner anderen Beurteilung.
a) Die Antragstellerin führt zur Begründung ihrer Beschwerde aus, mit seinen Äußerungen im Erörterungstermin habe der erste Bürgermeister des Antragsgegners den Unterlassungsanspruch anerkannt, wodurch sich die Angelegenheit im Grunde erledigt habe. Gleichwohl habe das Verwaltungsgericht angenommen, dass es auf eine Glaubhaftmachung des Anspruchs ankomme, ohne hierauf zuvor in der Sitzung hingewiesen zu haben, worin auch eine Gehörsverletzung liege. Zu der Annahme des Gerichts, die Äußerung über einen Verlust von 358.000 Euro basiere auf einem zutreffenden Tatsachenkern, werde hilfsweise vorgetragen, dass damit offensichtlich nicht zwischen einem Bilanzverlust und einem Jahresfehlbetrag unterschieden werde. Der Normalbürger verstehe die Äußerung des Antragsgegners dahingehend, dass das Jahresergebnis des letzten Geschäftsjahres negativ gewesen sei, war aber nicht der Fall gewesen sei. Die Aussage sei daher völlig falsch und irreführend. Mit dem Begriff Bilanzverlust bzw. Bilanzgewinn werde die Summe sämtlicher aufgelaufener Jahresergebnisse der Gesellschaft seit ihrer Gründung bezeichnet; er habe mit dem „Verlust des letzten Geschäftsjahres“ nichts zu tun. Auch dem Antrag zu 2 sei stattzugeben, da sich aus den Ausführungen des ersten Bürgermeisters ergebe, dass ihm die „Zahlen der [Antragstellerin] für die vergangenen drei Jahre“ bekannt gewesen seien; ansonsten hätte er sich zu den Geschäftsjahren der Gesellschaft in seinen mündlichen und schriftlichen Ausführungen gar nicht äußern können.
b) Diese Darlegungen sind nicht geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Das Verwaltungsgericht hat Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zutreffend verneint.
Die vom Bevollmächtigten des Antragsgegners im gerichtlichen Erörterungstermin am 13. Februar 2019 auf Befragen des Gerichts abgegebene Erklärung, eine Äußerung in der von der Antragstellerin vorgetragenen Form werde, da die Zahlen im Bundesanzeiger veröffentlicht seien, in Zukunft nicht mehr getätigt werden, stellte kein Anerkenntnis des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 307 ZPO dar. Eine solche Prozesshandlung wäre nur anzunehmen, wenn der Antragsgegner mit seiner Aussage zumindest konkludent zum Ausdruck gebracht hätte, dass das Rechtschutzbegehren der Antragstellerin berechtigt war und daher eine stattgebende gerichtliche Entscheidung vorbehaltlos akzeptiert werde. Von einem solchen Erklärungsgehalt konnte hier aber keine Rede sein. Der erste Bürgermeister des Antragsgegners hat auch in dem gerichtlichen Erörterungstermin ausdrücklich daran festgehalten, dass die genannte Summe der Größenordnung nach stimme und dass es bei der Aussage über die ihm nicht bekannten weiteren Zahlen nach dem Äußerungszusammenhang allein um geprüfte Zahlen gegangen sei. Der Antragsgegner hielt demnach die in der Vergangenheit getätigten Äußerungen aufgrund der damaligen Umstände weiterhin für zulässig und sah lediglich wegen der mittlerweile erfolgten Veröffentlichung von (geprüften) Zahlen im Bundesanzeiger keinen Grund mehr, sich künftig nochmals in der gleichen Weise zu äußern. Die entsprechende Frage des Gerichts und die dazu gegebene Antwort des Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners bezogen sich hiernach allein auf die für den Erfolg des Unterlassungsbegehrens relevante Frage einer möglichen Wiederholungsgefahr, nicht dagegen auf die Frage, ob der Anspruch als solcher zwischen den Beteiligten weiterhin streitig war. Da letzteres ersichtlich der Fall war, musste das Verwaltungsgericht weiterhin prüfen, ob ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin glaubhaft gemacht war.
Im Rahmen dieser Prüfung ist das Gericht zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass die strittige Äußerung bezüglich eines im letzten Geschäftsjahr erlittenen „Verlusts“ der Antragstellerin von 358.000 Euro rechtlich nicht zu beanstanden war. Unstreitig betrug der im Geschäftsbericht der Antragstellerin für das Geschäftsjahr 2016/2017 ausgewiesene Bilanzverlust 353.618,95 Euro, so dass die vom ersten Bürgermeister genannte geringfügig höhere Zahl („358.000 Euro“), die ersichtlich kein genaues Rechnungsergebnis, sondern einen gerundeten Betrag bezeichnen sollte, nicht aufgrund ihrer Höhe als eine dem geschäftlichen Ruf der Antragstellerin abträgliche Übertreibung angesehen werden konnte.
In der pauschalen Bezugnahme auf die von der Antragstellerin selbst veröffentlichte Zahl lag auch nicht deshalb eine unrichtige Tatsachenbehauptung, weil damit nicht das (im damaligen Geschäftsjahr positive) Jahresergebnis im Sinne des aktuellen betriebswirtschaftlichen Erfolgs bezeichnet wurde, sondern das auf dieser Grundlage ermittelte bilanzielle Ergebnis, bei dem sich der aus den Vorjahren resultierende erhebliche Verlustvortrag maßgeblich auswirkte und zu einem negativen Saldo führte. Dieser Bilanzverlust, der einer Gewinnausschüttung an die Aktionäre für das genannte Geschäftsjahr entgegenstand und der als neuer Verlustvortrag im darauffolgenden Jahr wiederum zu berücksichtigen war, konnte entgegen dem Einwand der Antragstellerin auch für einen an der Entwicklung der Aktiengesellschaft interessierten Normalbürger von erheblichem Interesse sein, weil sich daraus die längerfristige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens ergab. Die beanstandete Äußerung des ersten Bürgermeisters, wonach die bilanzierungspflichtige Antragstellerin im letzten Geschäftsjahr einen Verlust in sechsstelliger Höhe „erlitten“ habe, ließ sich aus Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers durchaus dahingehend verstehen, dass sich das Unternehmen aus bilanzieller Sicht (weiterhin) in entsprechend „roten Zahlen“ befinde. Da dies unstreitig der Fall war, konnte ein Unterlassen der diesbezüglichen Äußerung vom Antragsgegner nicht verlangt werden.
Soweit das Eilrechtsschutzbegehren der Antragstellerin auch die weitere Äußerung des ersten Bürgermeisters umfasst, wonach ihm keine Zahlen für die vergangenen drei Jahre bekannt seien, ist bereits fraglich, ob sich aus dieser den Informationsstand eines Gemeindeorgans betreffenden Negativauskunft, sofern sie unrichtig gewesen sein sollte, überhaupt eine mittelbare Beeinträchtigung von Rechtspositionen der Antragstellerin als juristischer Person des Privatrechts ergeben könnte. Konkrete Anhaltspunkte hierfür sind weder von der Antragstellerin vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Unabhängig davon hat aber das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass ein diesbezüglicher Unterlassungsanspruch jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung mangels konkreter Wiederholungsgefahr nicht (mehr) bestand, weil der Antragsgegner in dem genannten Erörterungstermin eine entsprechende unmissverständliche Verzichtserklärung abgegeben hatte und auch das nunmehrige Vorliegen von amtlich bekanntgemachten Zahlen eine erneute Äußerung der beanstandeten Art als ausgeschlossen erscheinen ließ. Dass solche objektiv geänderten Umstände den Wegfall einer anfangs (möglicherweise) bestehenden Wiederholungsgefahr zur Folge haben können, hat der Senat wiederholt entschieden (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2020 – 4 CE 19.2440 – juris Rn. 53; B.v. 18.12.2019 – 4 CE 19.1977 – juris Rn. 22 ff.).
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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