IT- und Medienrecht

Erhebung des Widerspruchs durch einfache E-Mail, Keine Wiedereinsetzung

Aktenzeichen  3 ZB 21.2849

Datum:
3.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15399
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO §§ 70, 60, 58
VwVfG § 3a Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 2 K 20.1060 2021-10-07 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Aus ihrem Vorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind dann zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Das ist hier nicht der Fall.
1.1. Die Erhebung des Widerspruchs durch eine einfache E-Mail erfüllt nicht die gesetzlichen Formerfordernisse des § 70 VwGO (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2021 – 4 ZB 21.1847 – juris Rn. 14; B.v. 4.12.2019 – 7 B 18.1945 – juris Rn. 22; Dolde/Porsch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 70 Rn. 6b m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 70 Rn. 2). Denn durch die Übersendung einer einfachen E-Mail kann nicht mit der von § 70 Abs. 1 VwGO verlangten Sicherheit festgestellt werden, ob die betreffende E-Mail vollständig und richtig ist, und ob sie tatsächlich von dem in ihr angegebenen Urheber stammt (vgl. NdsOVG, B.v. 17.1.2005 – 2 PA 108/05 – juris Rn. 5; zum fehlenden Beweiswert ungesicherter E-Mails Roßnagel/Pfitzmann NJW 2003, 1209 ff.). Die Formulierung „in elektronischer Form nach § 3a Abs. 2 VwVfG“ in § 70 Abs. 1 VwGO macht hinreichend deutlich, dass der Gesetzgeber selbst nicht davon ausgegangen ist, dass eine einfache E-Mail dem Schriftformerfordernis genügt. Deshalb kann dahinstehen, ob die E-Mail der Klägerin vom 5. Mai 2020 wegen der darin angegebenen Adressdaten, des Aktenzeichens, der Bezeichnung des Bescheides und der inhaltlichen Bezugnahme eindeutig zuordenbar ist. Vielmehr ist maßgeblich, dass sie mit keiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist (vgl. § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG).
Die Klägerin geht fehl in der Annahme, es sei unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 18.12.1992 – 7 C 16.92 – juris Rn. 22; U.v. 6.12.1988 – 9 C 40.87 – juris Rn. 7 ff.) eine Ausnahme vom Grundsatz der Wahrung der Schriftform gegeben. Die weit vor Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs anerkannten Ausnahmen von einer eigenhändigen Unterschrift sind auf einfache E-Mails nicht übertragbar, weil der Gesetzgeber der einfachen E-Mail nicht den gleichen Stellenwert eingeräumt hat wie der Schriftform (vgl. HessVGH, B.v. 3.11.2005 – 1 TG 1668/05 – juris Rn. 6). Die elektronische Signatur stellt zwar das Substitut für die eigenhändige Unterschrift dar (BT-Drs. 14/4987 S. 12). Die Zulassungsbegründung übersieht aber, dass elektronische Daten auf ihrem Weg durch offene Netze für den Empfänger unerkennbar verändert werden können und es daher eines sicheren Rahmens zur elektronischen Authentifizierung des Kommunikationspartners und Überprüfung der Integrität der übermittelten Daten bedarf (BT-Drs. 14/9000 S. 26, unter II. Ziff. 3). Vor diesem Hintergrund hat sich der Gesetzgeber in § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG für die qualifizierte elektronische Signatur und damit für eine besonders hohe Sicherheitsstufe elektronischer Signaturen entschieden. Es geht nicht an, diese gesetzlichen Sicherheitsanforderungen dadurch zu unterlaufen, dass Ausnahmen von den sich aus § 3a VwVfG ergebenden Formerfordernissen zugelassen werden, die im Ergebnis niedrigeren Sicherheitsstufen entsprechen (BVerwG, B.v. 17.6.2011 – 7 B 79.10 – juris Rn. 24 und Rn. 23 zum klägerischen Argument einer vermeintlichen Ungleichbehandlung; OVG NW, U.v. 28.5.2015 – 2 A 96/15 – juris Rn. 40). Aufgrund der klaren Regelung des Art. 3a Abs. 2 BayVwVfG ist für „einen verständigen Beobachter des Rechtssystems“ eindeutig erkennbar, dass eine einfache E-Mail den Anforderungen der Schriftform nicht genügt (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2009 – 8 ZB 08.3146 – juris Rn. 17; Geis in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 70 Rn. 12).
Der Ausdruck und das Abheften der E-Mail in der Verfahrensakte ändern nichts an deren Unwirksamkeit (vgl. HessVGH, B.v. 3.11.2005 – 1 TG 1668/05 – juris Rn. 4; NdsOVG, B.v. 29.7.2004 – 11 LA 176/04 – juris Rn. 3).
1.2 Der streitgegenständliche Bescheid vom 9. April 2020 war auch mit einer ordnungsgenmäßen, keineswegs irreführenden Rechtsbehelfsbelehrungversehen. Diese lautete (auszugsweise) wie folgt:


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