Aktenzeichen 4 BV 14.2325
AO AO § 90
Leitsatz
1. Zur Ermittlung des Mindestbeitragssatzes bei einem fremdenverkehrspflichtigen Betrieb kann auch dann auf die Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen zurückgegriffen werden, wenn der Betrieb über mehrere Geschäftsfelder verfügt. (amtlicher Leitsatz)
2 Es bestehen zur Ermittlung des Fremdenverkehrsbeitrags keine rechtlichen Bedenken gegen die Methode der Doppel- bzw. Vergleichsberechnung (st. Rspr., grundlegend BayVGH Beschl. v. 3.10.1986 – 4 N 85 A.460 – VGH n. F. 39, 75/77 f.). Der tatsächlich erzielte Gewinn im Sinn des Einkommen- bzw. Körperschaftssteuerrechts entspricht nicht in jedem Fall dem aus dem Fremdenverkehr gezogenen Vorteil. (red. LS Hans-Joachim Hasemann-Trutzel)
3 Tatsächlich erwirtschaftete Verluste erlauben für sich allein noch nicht den Schluss, dass ein Betrieb keine Vorteile aus dem Fremdenverkehr erzielt. Entsprechend dem Grundsatz, dass Vorteil im Sinn des Art. 6 KAG im Wesentlichen Verdienstmöglichkeiten meint, kann auch ein solcher Betrieb dennoch zum Fremdenverkehrsbeitrag heranzogen werden. Es ist davon auszugehen, dass ohne die Aufwendungen der Gemeinde für den Fremdenverkehr der Verlust noch größer gewesen wäre (vgl. BayVGH Beschl. v. 3.10.1986 – 4 N 85 A.460 – VGH n. F. 39, 75/77 m. w. N.). (red. LS Hans-Joachim Hasemann-Trutzel)
4 Die Verpflichtung der abgabenerhebenden Gemeinde, ein möglichst realitätsnahes Schätzergebnis herbeizuführen, entbindet den Betroffenen nicht davon, die in seine Sphäre fallenden und nur von ihm ermittelbaren Umstände offenzulegen (vgl. etwa BayVGH BeckRS 2007, 29138). Aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 3a KAG iVm § 90 AO trifft den Betroffenen eine zumutbare und verhältnismäßige Mitwirkungspflicht. Widrigenfalls verbleibt der Behörde die Möglichkeit einer Schätzung. (red. LS Hans-Joachim Hasemann-Trutzel)
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe des Fremdenverkehrsbeitrags für das Jahr 2007, den der Beklagte auf der Grundlage seiner Fremdenverkehrsbeitragssatzung vom 9. Oktober 2001 festgesetzt hat.
Die Klägerin betreibt ein Kaufhaus mit mehreren Fachabteilungen (Haushaltswaren, Glas- und Porzellanwaren, Spielwaren, Baumarkt und Gartenbedarf) sowie einen Online-Shop. Nachdem der Beklagte früher einen Vorteilssatz von 15% angesetzt hatte, berücksichtigte sein Gemeinderat mit Beschluss vom 7. Juli 2008 den zunehmenden Online-Handel der Klägerin dahingehend, dass er den Vorteilssatz auf nur noch 10% schätzte. Zur Berechnung des Fremdenverkehrsbeitrags für das Jahr 2007 teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 6. November 2008 mit, sie habe im Jahr 2007 einen Gewinn von 20.441,00 Euro und einen Umsatz von 1.653.221,00 Euro (davon 125.940,00 Euro im Internetshop) erzielt.
Mit Bescheid vom 28. Mai 2010 veranlagte der Beklagte die Klägerin zu einem Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2007 in Höhe von 516,63 Euro und setzte eine Vorausleistung für das Jahr 2010 in Höhe von 515,00 Euro fest. Der Berechnung des Beitrags legte der Beklagte gemäß seiner Fremdenverkehrsbeitragssatzung die folgende Vergleichsrechnung zugrunde: Zunächst multiplizierte er den von der Klägerin mitgeteilten steuerpflichtigen Gewinn von 20.441,00 Euro mit einem Vorteilssatz von 10% und einem Beitragssatz von 5%, so dass er einen Beitrag nach dem Gewinn von 102,21 Euro erhielt. Zum Vergleich multiplizierte er den steuerbaren Umsatz von 1.653.221,00 Euro mit einem Vorteilssatz von 10% und einem Mindestbeitragssatz von 0,3125%, was einen Beitrag von 516,63 Euro ergab. Den höheren Betrag setzte der Beklagte als Fremdenverkehrsbeitrag fest. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids waren dem Beklagten nur der Gesamtumsatz des klägerischen Betriebs, nicht die Umsätze der einzelnen im Gewerbebetrieb vertretenen Geschäftsfelder bekannt. Die Klägerin war zu der vom Beklagten erbetenen Aufschlüsselung ihres Umsatzes nach ihren verschiedenen Geschäftsfeldern nicht bereit.
Mit Schreiben vom 9. Juni 2010 erhob die Klägerin gegen den Fremdenverkehrsbeitragsbescheid vom 28. Mai 2010 Widerspruch und bat um nähere Erläuterung der Berechnung bzw. ihrer Grundlagen. Mit Schreiben vom 15. Juni 2010 führte der Beklagte aus, er habe zur Bestimmung des Mindestbeitragssatzes zunächst der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen (im Folgenden: Richtsatzsammlung) für das Kalenderjahr 2007 die folgenden branchendurchschnittlichen Gewinnanteile entnommen: Haushaltswaren 12%, Kunstgewerbe 15%, Bau- und Heimwerkerbedarf 6%, Elektro 9% und Spielwaren 10%. Daraus habe er einen Durchschnitt von 10,4% gebildet und dann einen Mindestbeitragssatz von 0,3125% festgesetzt. Ausweislich eines Aktenvermerks des Beklagten vom 13. September 2010 existiert in 36 befragten bayerischen Gemeinden, die einen Fremdenverkehrsbeitrag erheben, kein mit der Klägerin vergleichbarer Betrieb.
Für das Kalenderjahr 2006 lässt sich den Akten eines früheren Gerichtsverfahrens der Klägerin (Az. B 4 K 09.571 des Verwaltungsgerichts Bayreuth) folgendes Geschehen entnehmen: Mit Bescheid vom 9. Juli 2009 setzte der Beklagte den Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2006 nach dem Umsatz auf 418,90 Euro fest. Hiergegen erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, den Beitrag nach dem Gewinn festzusetzen. Nach anfänglicher Weigerung erklärte sich die Klägerin auf Anregung des Gerichts bereit, ihren Gesamtumsatz nach dem Umsatz der einzelnen im Gewerbebetrieb vertretenen Geschäftsfelder aufzuteilen (vgl. die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 19.7.2010). Mit Schreiben vom 29. August 2010 schlüsselte die Klägerin ihren Umsatz nach den Branchen Bau- und Heimwerkerbedarf /Gartenscheune, Geschenke, Haushaltswaren und Spielwaren auf, für die die Richtsatzsammlung jeweils eine branchendurchschnittliche Umsatzrendite enthielt. Daraus wurden vier Fremdenverkehrsbeiträge errechnet, die addiert einen Betrag von 326,14 Euro ergaben. In der diesen Betrag übersteigenden Höhe gab das Verwaltungsgericht der Klage mit Urteil vom 4. April 2012 statt; im Übrigen wies es die Klage ab. Den von der Klägerin gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung verwarf der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Oktober 2012 als unzulässig (Az. 4 ZB 12.2146).
Für das hier streitgegenständliche Kalenderjahr 2007 legte die Klägerin während des Widerspruchsverfahrens mit Schreiben vom 15. Januar 2013 eine als „Verprobung nach der Richtsatzsammlung“ bezeichnete Aufgliederung ihres Umsatzes nach den Branchen Bau- und Handwerkerbedarf, Gartenscheune, Geschenke, Haushaltswaren, Spielwaren und sonstige Leistungen vor. Das Landratsamt wies den Widerspruch mit Bescheid vom 7. Juni 2013 zurück. Auf die hiergegen erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 23. Juli 2014 den Bescheid des Beklagten vom 28. Mai 2010 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts vom 7. Juni 2013 auf, soweit für das Jahr 2007 ein höherer Fremdenverkehrsbeitrag und für das Jahr 2010 eine höhere Vorausleistung als jeweils 364,12 Euro festgesetzt wurden. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Verwaltungsgericht zunächst aus, dass der Beklagte zu Recht einen Vorteilssatz von 10% zugrunde gelegt und bei seiner Vergleichsberechnung den Beitrag nach dem steuerbaren Umsatz errechnet habe. Den Mindestbeitragssatz habe der Beklagte gemäß seiner Satzung in nicht zu beanstandender Weise nach dem branchendurchschnittlichen Gewinnanteil bestimmt. Zu dessen Schätzung habe der Beklagte zulässigerweise die Richtsatzsammlung 2007 herangezogen. Da ihm bei Erlass des Bescheids noch keine konkreten Angaben zu den Umsätzen der Klägerin in den einzelnen Geschäftsfeldern vorgelegen hätten, habe er der Richtsatzsammlung die Mittelwerte der fünf im klägerischen Betrieb vorhandenen Gewerbeklassen entnommen, sie zusammengezählt und anschließend durch fünf dividiert.
Wie das Verwaltungsgericht weiter ausführt, könne aus seiner Sicht allerdings nunmehr – nach Aufschlüsselung der Umsätze in den einzelnen Geschäftsfeldern der Klägerin im Widerspruchsverfahren – eine andere, für die Klägerin im Ergebnis günstigere Berechnung durchgeführt werden. Folgende Berechnungsmethode sei sachgerecht: Auf der Grundlage der jeweiligen Umsätze und der für die jeweilige Gewerbeklasse in der Richtsatzsammlung angegebenen branchendurchschnittlichen Umsatzrendite sei für jedes Geschäftsfeld gesondert ein Fremdenverkehrsbeitrag zu ermitteln. Da es sich aufgrund des engen organisatorischen und wirtschaftlichen Zusammenhangs um eine einheitliche Betriebsstätte im Sinn von § 12 der Abgabenordnung – AO – handele, seien die Beiträge sodann für den Gesamtbetrieb zusammenzurechnen. Im Einzelnen ergebe sich für das Geschäftsfeld 1 (Bau- und Heimwerkerbedarf, Gartenscheune) ein Beitrag von (992.986,00 Euro x 10% x 0,1875% =) 184,88 Euro, für das Geschäftsfeld 2 (Geschenke) ein Beitrag von (97.252,00 Euro x 10% x 0,3125% =) 30,30 Euro, für das Geschäftsfeld 3 (Haushaltswaren) ein Beitrag von (346.348,00 Euro x 10% x 0,3125% =) 108,23 Euro und für das Geschäftsfeld 4 (Spielwaren) ein Beitrag von (216.635,00 Euro x 10% x 0,1875% =) 40,62 Euro, mithin eine Gesamtsumme von 364,12 Euro. Diese Schätzung nähere sich dem sicheren Ermitteln oder Berechnen der Umsatzrendite noch mehr an als die dem Bescheid zugrunde liegenden Berechnungen des Beklagten und führe zu einem in sich schlüssigen Ergebnis. Die hiergegen von der Klägerin vorgebrachten Argumente überzeugten nicht. Die verlangte Mitwirkung sei verhältnismäßig und verfassungskonform.
Die Klägerin hat die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt und beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Bescheid des Beklagten vom 28. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts vom 7. Juni 2013 insoweit aufzuheben, als ein höherer Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2007 als 105,59 Euro festgesetzt wurde.
Zur Begründung trägt sie vor, das erstinstanzliche Urteil werde insoweit angegriffen, als die Berechnung des Erstgerichts ihre eigene Berechnung übersteige; die Vorauszahlung für das Jahr 2010 werde nicht angegriffen. Der Umsatz habe ohne die Provision für die Postagentur 1.653.221,00 Euro, mit Provision 1.689.364,00 Euro betragen. Ausgehend vom Umsatz mit Postagentur liege der Anteil des Gewinns am Umsatz bei 1,21%. Daher sei der geringste Multiplikator des Mindestbeitragssatzes in Höhe von 0,0625% anzusetzen, wonach sich ein Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 105,59 Euro ergebe. Demgegenüber setze die vom Verwaltungsgericht herangezogene Methode zur Ermittlung des Beitrags voraus, dass die Klägerin für jedes Kalenderjahr ihren Umsatz auf verschiedene Sortimente verteile. Dies sei jedoch angesichts der Vielzahl der angebotenen Artikel, die teilweise mehreren oder aber keiner der Kategorien zuzuordnen seien, praktisch unmöglich bzw. der Klägerin unzumutbar und unverhältnismäßig. Da die Richtsatzsammlung nicht unmittelbar anwendbar sei, könne zur Ermittlung der Gewinnspanne auf Zusammenstellungen der Berufsverbände abgestellt werden, ausnahmsweise auch auf die tatsächliche Umsatzrendite des Betriebs. Ausweislich einer Stellungnahme des Handelsverbands Bayern e.V. sei das Haus der Klägerin allenfalls mit entsprechenden Fachgeschäften vergleichbar. Lege man die Kennzahlen des Verbands zugrunde, ergebe sich für jeden der Bereiche eine Umsatzrendite, die unter der 5%-Grenze liege. Demnach wäre für jedes einzelne Sortiment der niedrigste Mindestbeitragssatz in Höhe von 0,0625% anzuwenden, ohne dass es einer Aufschlüsselung der Umsätze bedürfe. Andernfalls müsse man angesichts des einzigartigen, an einem sehr strukturschwachen Standort befindlichen Geschäftsbetriebs der Klägerin auf die tatsächliche Umsatzrendite von 1,21% abstellen. Das Bewertungssystem des Verwaltungsgerichts widerspreche dem – von nur einer Gewerbeklasse ausgehenden – System der Richtsatzsammlung sowie der vom Finanzamt praktizierten einheitlichen Veranlagung des klägerischen Betriebs, bei dem aufgrund der einheitlichen Geschäftsführung, der Mischkalkulation und der fehlenden Kostenstellenrechnung eine Aufspaltung in verschiedene Sortimente nicht möglich sei.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt trotz seines teilweisen Unterliegens die im angefochtenen Urteil angewandte Berechnungsmethode und erinnert an die Vorgeschichte, wonach die vom Beklagten angebotene differenzierte Betrachtung mangels klägerischer Mitwirkung nicht möglich gewesen sei. Anerkanntermaßen könne die Ermittlung des Mindestbeitragssatzes durch Schätzung des branchendurchschnittlichen Anteils des Gewinns am Umsatz sachgerecht durch Rückgriff auf die Richtsatzsammlung erfolgen, ohne dass es eines konkret-individuellen Rückgriffs auf die tatsächlichen Jahreswerte des Betriebs bedürfe. Die von der Klägerin genannten Zahlenwerte des Handelsverbands Bayern e.V. stellten keine systematisch andere Herangehensweise als die des Verwaltungsgerichts, sondern allenfalls ein anderes Zahlenwerk als die Richtsatzsammlung dar. Die Zuordnung von Artikeln zu einzelnen Warengruppen werfe keine unlösbaren Probleme auf, sondern könne ohne weiteres nach der Verkehrsanschauung – und zwar für jeden Artikel nur ein einziges Mal – erfolgen.
Die als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligte Landesanwaltschaft Bayern nimmt in Abstimmung mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr – ohne eigene Antragstellung – wie folgt Stellung: Die Klägerin habe die Plausibilität der Schätzung des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert erschüttert und insbesondere keine zu realitätsnäheren Ergebnissen führende Ermittlungsmethode aufzuzeigen vermocht. Die Fremdenverkehrsbeitragssatzung des Beklagten entspreche hinsichtlich der hier maßgeblichen Beitragsermittlung der Mustersatzung des Innenministeriums. Gegen die der Vergleichsberechnung zugrunde gelegten Zahlen und Werte, insbesondere den Vorteilssatz von 10%, seien Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Berechnungsmethode der Klägerin, die ohne Not ein konkret-individuelles Moment in eine branchendurchschnittsbezogene Beitragsermittlungsmethode hineintrage, sei mit den Erläuterungen der Bekanntmachung zur Mustersatzung (IMBek) zur Bestimmung des Mindestbeitragssatzes unvereinbar. Der Rückgriff auf die Richtsätze der Richtsatzsammlung sei sachgerecht. Demgegenüber seien Erhebungsweise und Repräsentativität der von der Klägerin vorgelegten niedrigeren Zahlen des Handelsverbands Bayern e.V. nicht ersichtlich. Im Übrigen sei die Annahme der Klägerin, dass jedes Geschäftsfeld ihres Betriebs dieselbe Umsatzrendite von (nur) 1,21% erwirtschafte, angesichts der unterschiedlichen branchendurchschnittlichen Zahlen der Richtsatzsammlung unwahrscheinlich. Schließlich setze die vom Gericht geforderte branchenspezifische Aufschlüsselung der Umsätze keine unzumutbare Mitwirkung der Klägerin voraus, sondern liege auch in ihrem eigenen unternehmerischen Interesse.
Mit weiteren Schriftsätzen ergänzte und vertiefte die Klägerseite ihr Vorbringen. Sie legte mit Schreiben vom 25. April 2016 die infolge einer Betriebsprüfung geänderten Bescheide für 2007 über den Gewerbesteuermessbetrag und über die Umsatzsteuer vor.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2016 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die auf einen Teilbetrag des Fremdenverkehrsbeitrags für das Jahr 2007 beschränkte, nicht auf die Vorausleistung für 2010 bezogene Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid vom 28. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juni 2013 zu Recht hinsichtlich des Teilbetrags in Höhe von 364,12 Euro abgewiesen. In dieser Höhe ist der Bescheid des Beklagten rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der Bescheid wurde zutreffend auf die in der Fremdenverkehrsbeitragssatzung des Beklagten vorgesehene Methodik der Beitragsermittlung und den darin geregelten Beitragsmaßstab gestützt (dazu a). Berechnungsweise und Höhe des festgesetzten Fremdenverkehrsbeitrags begegnen in der vom Verwaltungsgericht konkretisierten Schätzung des Beklagten keinen rechtlichen Bedenken (dazu b).
a) Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zum Fremdenverkehrsbeitrag ist Art. 6 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i. V. m. der Satzung des Beklagten für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages vom 9. Oktober 2001 (FVBS), die in den hier maßgeblichen Passagen der Mustersatzung des Staatsministeriums des Innern entspricht (vgl. Ziffer II.1.1 der Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern vom 28.6.1978, Az. IB4-3024-5/7, MABl S. 464; geändert durch Bekanntmachung vom 27.11.1979, MABl S. 770). Dies gilt auch für die gestaffelten Mindestbeitragssätze nach § 3 Abs. 5 FVBS, die auf einem Beitragssatz von 5% basieren (vgl. § 3 Abs. 4 FVBS). Wird für den Beitragssatz ein Vomhundertsatz zwischen 0,5 und 5% gewählt, so liegt keine Abweichung von der – mit einem Beitragssatz von 4% rechnenden – Mustersatzung vor (s. Fußnoten 2 und 3 zur Mustersatzung), die eine Genehmigungspflicht nach Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KAG in der bis 31. Juli 2002 geltenden Fassung ausgelöst hätte. Die Mindestbeitragssätze nach § 3 Abs. 5 FVBS ergeben sich dementsprechend durch eine Multiplikation der in der Mustersatzung vorgesehenen Sätze um den Faktor 1,25.
Die Regelung des Beitragsmaßstabs in § 2 FVBS sowie die in § 3 FVBS vorgesehene Beitragsermittlung sind nicht zu beanstanden. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 FVBS wird die Beitragsschuld gemäß § 3 Abs. 1 FVBS (nur dann) auf der Grundlage des Gewinns bestimmt, wenn sich nicht gemäß § 3 Abs. 2 FVBS auf der Grundlage des steuerbaren Umsatzes ein höherer Betrag ergibt. Während es sich bei der Beitragsberechnung nach dem steuerpflichtigen Gewinn um einen konkret-individuellen Beitragsmaßstab handelt, liegt der Beitragsermittlung nach dem steuerbaren Umsatz eine abstrakt-branchenbezogene Betrachtungsweise zugrunde, die auf einer Schätzung der branchendurchschnittlichen Umsatzrendite basiert. Der Berechnungsmaßstab „steuerbarer Umsatz“, der als Wahrscheinlichkeitsmaßstab typisierend auf Durchschnittsfälle abstellt, stellt eine Art Auffanggrenze für die Beitragshöhe dar. Nach ständiger Senatsrechtsprechung (grundlegend BayVGH, B. v. 3.10.1986 – 4 N 85 A.460 – VGH n. F. 39, 75/77 f.) bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die – auch in der Mustersatzung vorgesehene – Methode der Doppel- bzw. Vergleichsberechnung. Sie beruht auf der Überlegung, dass der tatsächlich erzielte Gewinn im Sinn des Einkommen- bzw. Körperschaftssteuerrechts nicht in jedem Fall den aus dem Fremdenverkehr gezogenen Vorteil widerspiegelt. Beispielsweise erlauben es die Steuergesetze dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen, die zu versteuernden Einkünfte aus Gründen zu mindern, die dem Beitragsrecht fremd sind. Um Ungereimtheiten zu vermeiden, die demnach bei der alleinigen Verwendung des Beitragsmaßstabs „Gewinn“ auftreten können, ist es sachgerecht, als Regulativ daneben auf den steuerbaren Umsatz abzustellen. Dies entspricht dem Gedanken, dass „Vorteil“ im Sinn des Art. 6 KAG im Kern die Verdienstmöglichkeiten meint (vgl. Engelbrecht in Schieder/Happ, BayKAG, Stand Juli 2015, Art. 6 Rn. 30).
Vor diesem Hintergrund vermag der Hinweis der Klägerseite auf ihren geringen tatsächlichen Gewinn(-anteil) im Jahr 2007 nicht durchzugreifen. Dieser Umstand rechtfertigt es nicht, von dem in der Satzung zwingend vorgegebenen Vergleichsberechnungsverfahren abzuweichen bzw. von der Anwendung des Beitragsmaßstabs nach dem steuerbaren Umsatz abzusehen. In der von der Klägerin vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2007 (Bl. 82 ff. der Gerichtsakte des VG Bayreuth) sind Abschreibungen und sonstige betriebliche Aufwendungen in zusammengerechnet sechsstelliger Höhe verzeichnet, die den steuerpflichtigen Gewinn der Klägerin in beträchtlichem Umfang gemindert haben. Im Übrigen erlauben selbst tatsächlich erwirtschaftete Verluste für sich allein noch nicht den Schluss, dass ein Betrieb keine Vorteile aus dem Fremdenverkehr hat. Entsprechend dem Grundsatz, dass Vorteil im Sinn des Art. 6 KAG im Wesentlichen Verdienstmöglichkeiten meint, kann auch ein solcher Betrieb dennoch zum Fremdenverkehrsbeitrag heranzogen werden. Denn es ist davon auszugehen, dass ohne die Aufwendungen der Gemeinde für den Fremdenverkehr der Verlust noch größer gewesen wäre (vgl. BayVGH, B. v. 3.10.1986 – 4 N 85 A.460 – VGH n. F. 39, 75/77 m. w. N.).
b) Basierend auf der in § 3 FVBS vorgesehenen Art und Weise der Beitragsermittlung hat das Verwaltungsgericht, ausgehend von der Methodik des Beklagten im Verwaltungsverfahren (dazu aa), im Wege zulässiger Konkretisierung und Verfeinerung einen Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 364,12 Euro ermittelt (dazu bb). Zur Ermittlung des Mindestbeitragssatzes konnte es sich einer Schätzung des branchendurchschnittlichen Gewinnanteils im Wege des Rückgriffs auf die Richtsatzsammlung für das Kalenderjahr 2007 bedienen, auch wenn der Betriebstyp der Klägerin als solcher nicht in der Richtsatzsammlung enthalten ist. Der Umstand, dass das von ihr betriebene Kaufhaus über mehrere Geschäftsfelder verfügt, schließt diesen Rückgriff nicht aus und rechtfertigt nicht die Heranziehung eines alternativen Zahlen- und Rechenwerks (dazu cc).
aa) Der Beklagte hat im Verwaltungsverfahren zunächst nach § 3 Abs. 1 FVBS den Beitrag nach dem Gewinn errechnet, indem er den steuerpflichtigen Gewinn in Höhe von 20.441,00 Euro mit dem Vorteilssatz (§ 3 Abs. 3 FVBS) und mit dem Beitragssatz (§ 3 Abs. 4 FVBS) multipliziert hat. Die diesbezüglichen Zahlen, die einen Beitrag von 102,21 Euro ergaben, waren im Verwaltungsverfahren unstreitig; der mit Schriftsatz vom 25. April 2016 vorgelegte Gewerbesteuermessbetragsbescheid über einen Gewinn von 21.174,00 Euro würde zu keinem substantiell anderen Ergebnis führen (rechnerischer Beitrag von 105,87 Euro). Bedenken gegen den vom Gemeinderat des Beklagten beschlossenen (herabgesetzten) Vorteilssatz von 10% sind weder von der Klägerseite vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im zweiten Schritt hat der Beklagte die Vergleichsberechnung auf der Grundlage des steuerbaren Umsatzes nach § 3 Abs. 2 FVBS durchgeführt. Hierbei hat er den Mindestbeitragssatz dadurch ermittelt, dass er die branchendurchschnittlichen Gewinnanteile der – aus seiner Sicht fünf – Geschäftsfelder der Klägerin aus der Richtsatzsammlung entnommen, die Werte addiert und die Summe anschließend durch fünf dividiert hat. Dies ergab eine branchendurchschnittliche Umsatzrendite von 10,4%, die nach § 3 Abs. 5 FVBS zu einem Mindestbeitragssatz von 0,3125% und einem Fremdenverkehrsbeitrag von 516,63 Euro führte.
Der Beklagte unterstellte also – mangels Aufschlüsselung der Umsatzanteile der Geschäftsfelder seitens der Klägerin – für jede der fünf Gewerbeklassen einen Umsatz von genau 20% am Gesamtumsatz des klägerischen Betriebs und legte eine einheitliche branchendurchschnittliche Gewinnspanne für alle Geschäftsfelder des Gesamtunternehmens zugrunde. Diese Vorgehensweise war zum Zeitpunkt des Erlasses des Fremdenverkehrsbeitragsbescheids nicht zu beanstanden, weil dem Beklagten damals nur der Gesamtumsatz des klägerischen Betriebs bekannt war. Die Klägerin hat die Umsätze der einzelnen in ihrem Gewerbebetrieb vertretenen Geschäftsfelder erst im Widerspruchsverfahren mit Schreiben vom 15. Januar 2013 aufgeschlüsselt, nachdem sie sich hierzu für ein früheres Kalenderjahr im Erörterungstermin des Verwaltungsgerichts vom 19. Juli 2010 (B 4 K 09.571) verpflichtet hatte.
bb) Auf diese neuen Erkenntnisse sowie das Urteil im Verfahren B 4 K 09.571 aufbauend hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil den Fremdenverkehrsbeitrag dergestalt ermittelt, dass es im zweiten Schritt, bei der Vergleichsberechnung nach dem steuerbaren Umsatz, für jede Gewerbeklasse einen (fiktiven) gesonderten Fremdenverkehrsbeitrag anhand des jeweiligen Mindestbeitragssatzes ermittelt und die (Teil-)Beträge anschließend addiert hat. Grundlage hierfür waren die branchendurchschnittlichen Umsatzrenditen in den – nach Zusammenfassung des Baubedarfs und der Gartenscheune zu einer Branche nunmehr – vier Geschäftsfeldern der Klägerin anhand der Richtsatzsammlung, wobei die konkreten, von der Klägerin mittlerweile aufgeschlüsselten Umsätze bzw. Umsatzanteile zugrunde gelegt wurden. Die hieraus errechnete Summe von 364,12 Euro – korrekt wären wohl 365,42 Euro gewesen – ist deutlich niedriger als der vom Beklagten ermittelte Wert, überschreitet aber die Beitragsberechnung nach dem steuerpflichtigen Gewinn immer noch erheblich. Der genannte Betrag wurde daher als Beitrag festgesetzt.
Die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts steht mit den Vorgaben der Beitragssatzung des Beklagten in Einklang. Sie beruht auf einer zutreffenden Ermittlung des Mindestbeitragssatzes anhand einer sachgerechten und wirklichkeitsnahen Schätzung entsprechend den Anforderungen des § 3 Abs. 5 FVBS. Die hierfür maßgebliche branchendurchschnittliche Umsatzrendite hat das Verwaltungsgericht durch eine realitätsnahe Schätzung anhand von Erfahrungswerten ermittelt, indem es – ebenso wie im Grundsatz auch der Beklagte – die Werte der Richtsatzsammlung herangezogen hat. Dabei ist die Methode des Verwaltungsgerichts deutlich differenzierter als die des Beklagten und zudem für die Klägerin im Ergebnis günstiger. Ihr kommt größere Realitätsnähe zu, weil die unterschiedlichen Umsätze und Umsatzrenditen der Geschäftsfelder – insbesondere die vergleichsweise geringe Umsatzrendite von 6% beim größten Geschäftsfeld, dem Baubedarf samt Gartenscheune – entsprechend ihrem Anteil berücksichtigt werden konnten.
cc) Die gegen diese Vorgehensweise erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.
(1) Zur Schätzung der branchendurchschnittlichen Gewinnanteile der einzelnen Geschäftsfelder können die Werte der Richtsatzsammlung zugrunde gelegt werden, auch wenn diese im Streitfall nicht unmittelbar anwendbar ist. Das in der Richtsatzsammlung enthaltene Zahlenwerk ist nach ständiger Rechtsprechung tauglicher Ausgangspunkt für die Ermittlung des Beitragsmaßstabs einer Fremdenverkehrsbeitragssatzung (vgl. etwa BayVGH, B. v. 3.10.1986 – 4 N 85 A.460 – VGH n. F. 39, 75/78 f.). Es ist weder eine konkret-individuelle Schätzung des jeweiligen Betriebs noch die Errechnung eines Branchendurchschnitts auf der Basis des jeweiligen Gemeindegebiets erforderlich (BayVGH, U. v. 25.10.1990 – 4 B 88.1749 – UA S. 6). Dass der klägerische Betrieb mehrere Geschäftsfelder umfasst, ändert an der Zulässigkeit dieser Anknüpfung nichts. Die Richtsatzsammlung enthält zwar keine eigenen Werte für die Branche „Kaufhaus“, wohl aber für die einzelnen Geschäftsfelder Bau- und Heimwerkerbedarf, Haushaltswaren, Geschenkartikel und Spielwaren, an denen sich das Verwaltungsgericht zu Recht orientiert hat. Nach der in der Mustersatzung zum Ausdruck kommenden Vorstellung (vgl. Nr. II.2.4.1 IMBek) soll die branchenbezogene, auf Durchschnittssätze abstellende Betrachtungsweise auch dann so weit wie möglich aufrechterhalten werden, wenn die ausgeübte Tätigkeit oder eine von mehreren ausgeübten Tätigkeiten in der Richtsatzsammlung nicht aufgeführt ist. Ein derartiger Rückgriff ist bei einem Betrieb mit mehreren Geschäftsfeldern ebenso denkbar wie bei einem Betrieb mit einem einzigen Geschäftsfeld, das sich nicht in der Richtsatzsammlung findet (vgl. zu letzterem BayVGH, U. v. 31.1.1997 – 4 B 95.2560 – BayVBl 1998, 599/600: Orientierung am Richtsatz für Hotel garni und Frühstückspensionen bei privater Zimmervermietung). Auch im hiesigen Fall eines Kaufhauses mit mehreren Fachbereichen, die nach den Angaben der Klägerseite am ehesten mit Fachgeschäften der entsprechenden Branche verglichen werden können, liefert die Richtsammlung durchaus sachgerechte Anhaltspunkte für die Schätzung des branchendurchschnittlichen Gewinnanteils (vgl. VGH BW, U. v. 6.11.2008 – 2 S 669/07 – juris Rn. 53).
(2) Gründe, warum die Anwendbarkeit der Richtsatzsammlung aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls ausgeschlossen sein sollte, sind nicht erkennbar. Insbesondere steht der Umstand, dass die Richtsätze nicht für Großbetriebe gelten (vgl. Vorbemerkungen Nr. A.2. zur Richtsatzsammlung), ihrer Heranziehung nicht entgegen, weil es sich bei dem Betrieb der Klägerin nach ihren eigenen Angaben nicht um einen Groß-, sondern einen Mittelbetrieb handelt. Daher ist auch bezüglich des umsatzstärksten Geschäftsfelds der Klägerin, des Bau- und Heimwerkerbedarfs, ein Rückgriff auf den entsprechenden Richtsatz möglich (vgl. zu den diesbezüglichen Grenzen auch BayVGH, U. v. 1.12.1989 – 4 B 88.1720 – VGH n. F. 43, 7/10). Der von der Klägerseite unter Hinweis auf die Vorbemerkungen Nr. B.8.3.4 geforderte Abschlag für mehrere fiktive Geschäftsführer der einzelnen Geschäftsfelder ist schon deswegen nicht veranlasst, weil die in der Richtsatzsammlung enthaltenen Werte nicht absolut gelten, sondern lediglich als Schätzungsgrundlagen zur Ermittlung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs herangezogen werden. Im Übrigen wird bei der Bestimmung des Mindestbeitragssatzes im Sinn einer typisierenden Pauschalierung stets nur der Mittelwert der branchendurchschnittlichen Gewinnspanne zugrunde gelegt (vgl. Nr. II.2.3 IMBek). Dieser wird zudem – durch Multiplikation mit der Messzahl 0,5 als „Sicherheitsabschlag“ – nur zur Hälfte bei der Bemessung des Mindestbeitrags herangezogen, um etwa weniger profitable Betriebe in strukturschwachen Regionen nicht übermäßig zu belasten. Die von der Klägerseite ins Feld geführten regionalen Besonderheiten des Betriebs sind daher bei der Heranziehung der Richtsatzsammlung bereits vorab berücksichtigt.
(3) Vor diesem Hintergrund ist der von der Klägerin befürwortete Rückgriff auf die Zahlen des Handelsverbands Bayern e.V. ebenso wenig gerechtfertigt wie ein ausnahmsweises Abstellen auf den betriebsindividuellen Gewinn(-anteil). Beim Handelsverband Bayern e.V. handelt es sich nach seiner eigenen Darstellung auf der Homepage um die unternehmenspolitische Interessenvertretung des bayerischen Einzelhandels gegenüber Politik, Öffentlichkeit und Medien. Der Verband versteht sich nicht als neutrale Institution, sondern als Sprachrohr des Handels, das auf die Meinungsbildung und Beschlüsse der politischen Entscheider einwirkt. Auch ist nicht ersichtlich, nach welchem Verfahren die Zahlen des Verbands erhoben worden sind und ob sie ein repräsentatives Bild widerspiegeln. Sie sind daher nicht geeignet, die Aussagekraft der – auf der Grundlage von Betriebsergebnissen zahlreicher geprüfter Unternehmen ermittelter (vgl. Vorbemerkungen Nr. A.2.) – Richtsätze des Bundesministeriums der Finanzen in Frage zu stellen. Erst recht kann nicht auf den tatsächlichen steuerpflichtigen Gewinn bzw. den konkreten betriebsindividuellen Gewinnanteil zurückgegriffen werden, den die Klägerin – insoweit für alle Geschäftsfelder identisch – mit gut 1,2% ansetzt. Der hier einschlägigen Beitragsberechnung nach dem steuerbaren Umsatz liegt gerade keine konkret-individuelle, sondern eine abstrakt-branchenbezogene Betrachtungsweise zugrunde, der durch die Heranziehung der Zahlen der Richtsatzsammlung am ehesten Rechnung getragen wird. Ein realitätsnäherer Weg zur Schätzung des branchendurchschnittlichen Gewinnanteils ist unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der umsatzbezogenen Beitragsermittlung nicht ersichtlich.
(4) Der Klägerin ist es sowohl möglich als auch zumutbar, die für eine sachgerechte Anwendung der Richtsatzsammlung erforderliche Aufschlüsselung der Umsätze nach den einzelnen Geschäftsfeldern vorzunehmen. Dass eine solche Aufschlüsselung möglich ist, belegt die von der Klägerin bereits einmal – auf Anregung des Verwaltungsgerichts – vorgenommene Zuordnung der Waren und Umsätze, an die für die Folgejahre angeknüpft werden kann. Die von der Klägerin betonten, zweifellos bestehenden Abgrenzungs- und Zuordnungschwierigkeiten bei einzelnen Posten vermögen an der grundsätzlichen Durchführbarkeit und Sachgerechtigkeit einer Aufschlüsselung nichts zu ändern, zumal der Beklagte zu keinem Zeitpunkt Einwände gegen die Zuordnung des Warenbestands zu den einzelnen Geschäftsfeldern erhoben hat. Hinsichtlich der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit der Aufschlüsselung ist auf die Mitwirkungspflicht der Klägerin nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3a KAG i. V. m. § 90 AO hinzuweisen. Die Verpflichtung der abgabenerhebenden Gemeinde, ein möglichst realitätsnahes Schätzergebnis herbeizuführen, entbindet den Betroffenen nicht davon, die in seine Sphäre fallenden und nur von ihm ermittelbaren Umstände offenzulegen (vgl. etwa BayVGH, B. v. 1.2.2007 – 4 ZB 06.167 – juris Rn. 7). Käme die Klägerin dieser Mitwirkung nicht nach, bliebe dem Beklagten nur die – von der Klägerin erst recht abgelehnte – Möglichkeit einer Schätzung, die ähnlich pauschal ausfallen würde wie unter aa) dargestellt. Die von der Klägerin geltend gemachte Verletzung von Art. 12 und Art. 14 GG ist nach alledem nicht zu erkennen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 258,53 Euro festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).