IT- und Medienrecht

Fristbemessung zur Mängelbeseitigung bei Schummel-Software (“Volkswagen”)

Aktenzeichen  3 O 709/16

Datum:
10.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 323 Abs. 1, § 434 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

1 Bei der Frage der Angemessenheit der Frist zur Nachbesserung bzw. Nacherfüllung ist insbesondere auf Art und Umfang des jeweiligen Sachmangels abzustellen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Liegt der (mögliche) Sachmangel eines PKWs allein darin, dass durch ein Softwareprogramm der Stickoxidausstoß bei der Durchführung eines Testprogrammes unter Laborbedingungen beeinflusst wird („VW-Skandal“) und das Auto im Übrigen faktisch keinerlei Einschränkungen oder sonstigen Unannehmlichkeiten unterworfen ist, so ist dem Käufer, der im Oktober 2015 den Mangel rügt und eine mehrwöchige Frist zu dessen Beseitigung setzt, ein weiteres Zuwarten zumindest bis Ende des Kalenderjahres 2016 zumutbar. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß §§ 433 Abs. 1 S. 2, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB, weil es jedenfalls an der Setzung einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung fehlt.
Es kann dahinstehen, ob überhaupt ein Sachmangel vorliegt, ob dieser erheblich ist und ob die Beklagte insoweit ein zurechenbares Verschulden trifft. Vom Beistand der Beklagten wurde in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2016 unbestritten vorgetragen, dass die manipulierte Software lediglich den Stickoxidausstoß unter Laborbedingungen betrifft und dazu führt, dass bei diesem Labortest die vorgeschriebenen Werte erreicht werden, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist. Für den tatsächlichen Fahrzeuggebrauch hat dies überhaupt keine Auswirkungen, insbesondere nicht auf die CO2-Emissionswerte, mit denen der VW-Konzern seine Fahrzeuge regelmäßig bewirbt. Wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ihm wäre es vor allem auf das Vorliegen der BlueMotion Technology angekommen, also einen niedrigeren Kraftstoffverbrauch, eine höhere Effizienzklasse und weniger CO2-Emissionen, muss dem entgegengehalten werden, dass sein Fahrzeug all diese Eigenschaften tatsächlich aufweist und diese Dinge nicht vom sog. „VW-Skandal“ betroffen sind. Dies alles wurde in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2016 von den Parteien unbestritten vorgetragen. Nachdem in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2016 der Abschluss eines Vergleiches sehr wahrscheinlich erschien, hat das Gericht davon abgesehen, diese Ausführungen beider Parteien zu protokollieren. Letztlich kommt es auf diese Gesichtspunkte überhaupt nicht an, und zwar aus folgendem Grund:
Es fehlt an der Setzung einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung. Der Kläger hat im vorliegenden Fall durch Schriftsatz vom 09.10.2015 eine Frist zur Mängelbeseitigung bis 23.11.2015 gesetzt. Diese Fristsetzung war eindeutig zu kurz. Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde dadurch nicht etwa gar keine Frist in Lauf gesetzt, sondern es beginnt, wie üblich, eine angemessene Frist zu laufen. Bei der Frage der Angemessenheit der Frist zur Nachbesserung bzw. Nacherfüllung ist insbesondere auf Art und Umfang des vorliegenden Sachmangels abzustellen. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass der Kläger mit seinem Auto faktisch keinerlei Einschränkungen oder sonstigen Unannehmlichkeiten unterworfen ist. Im Fahrbetrieb sind keine Einschränkungen oder Mängel feststellbar, auch von außen ist dem Gegenstand kein Sachmangel anzusehen oder anzumerken. Der (mögliche) Sachmangel liegt allein darin, dass durch das Softwareprogramm der Stickoxidausstoß bei der Durchführung eines Testprogrammes unter Laborbedingungen beeinflusst wird. Unstreitig wurden die ursprünglich vom Hersteller angegebenen CO2-Emissionen in Prüfungen durch einen technischen Dienst bestätigt. Weiter muss gesehen werden, dass eine extrem große Anzahl von VW-Fahrzeugen nachgebessert werden muss, dass in jedem Einzelfall eine vorherige Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt erfolgen muss und dass nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Beklagtenvertreter eine Nachbesserung derzeit zwar technisch möglich und durchführbar wäre, es aber für einige Fahrzeuge, zu denen auch das Auto des Klägers gehört, derzeit noch an der erforderlichen Freigabe des Softwareupdates fehlt. Auf der anderen Seite kann der Kläger fest damit rechnen und darauf vertrauen, dass in den nächsten Monaten die kostenlose Nachbesserung an seinem Fahrzeug durchgeführt und der Sachmangel damit beseitigt werden wird. Ein weiteres Zuwarten mit der Mängelbeseitigung ist dem Kläger nach Auffassung des Gerichtes zumindest bis zum Ende des Jahres 2016 zumutbar, da es für ihn mit keinerlei Nachteilen, Unannehmlichkeiten oder Gebrauchseinschränkungen verbunden ist und der Kläger insbesondere an den von ihm hervorgehobenen Vorteilen der BlueMotion Technology keine Abstriche hinnehmen muss. Selbst wenn die Beklagte wollte, könnte sie derzeit die Nachbesserung beim klägerischen Pkw nicht durchführen. Dies muss im vorliegenden Fall zugunsten der Beklagten berücksichtigt werden. Bei Abwägung aller Gesichtspunkte und unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Klägers ist diesem ein weiteres Zuwarten mit der Mängelbeseitigung zumindest bis Ende des Kalenderjahres 2016 zumutbar. Diese Frist zur Nachbesserung ist vorliegend noch nicht abgelaufen. Deshalb war die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen. Einer Auseinandersetzung mit der Frage der Höhe der Nutzungsentschädigung bedurfte es nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben