IT- und Medienrecht

Gewährung von Verbraucherinformation nach dem Verbraucherinformationsgesetz

Aktenzeichen  B 7 S 19.286

Datum:
8.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27504
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VIG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 4 S. 1
LFGB § 40 1a
VwGO § 80a Abs. 3, Abs. 5

 

Leitsatz

1. Es ist im Hauptsacheverfahren zu klären, ob ein über eine Internetplattform gestellter Antrag rechtsmissbräuchlich ist bzw. einer unzulässigen Umgehung von § 40 Abs. 1a LFGB gleichkommt. (Rn. 27)
2. Da die Informationspreisgabe nicht revidierbar ist und Antragsgegner und Beigeladene kein dringendes Interesse an der sofortigen Übermittlung geltend gemacht haben, überwiegt bei offenen Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. (Rn. 29)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der am 27.03.2019 erhobenen Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den an die Beigeladene adressierten Auskunftsbescheid des Antragsgegners vom 19.03.2019 wird angeordnet.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Eilantrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Antraggegners vom 19.03.2019, mit dem einem Antrag der Beigeladenen auf Gewährung von Verbraucherinformation nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) stattgegeben wurde.
Mit Email vom 28.01.2019 beantragte die Beigeladene als Privatperson über die von … und …betriebene Plattform … die Herausgabe von folgenden Informationen über die Antragstellerin beim Antragsgegner:
1. Wann haben die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfungen im folgenden Betrieb stattgefunden: …
2. Kam es hierbei zu Beanstandungen? Falls ja, beantrage ich hiermit die Herausgabe des entsprechenden Kontrollberichts an mich.
Die Internetplattform … fordert Verbraucher auf, mittels eines von den Initiatoren erstellten Formschreibens eine automatisierte Anfrage nach dem VIG bei der jeweils zuständigen Behörde zu stellen. Die Verbraucher werden daraufhin von den Initiatoren aufgefordert, die Antwort der Behörde und insbesondere gegebenenfalls herausgegebene amtliche Kontrollberichte auf der Internetplattform für jedermann einsehbar zu veröffentlichen.
Mit Schreiben vom 15.02.2019 wurde die Antragstellerin darüber informiert, dass dem Antragsgegner ein Antrag auf Informationsgewährung nach dem VIG betreffend ihres Betriebs vorliege und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zur geplanten Informationsgewährung gewährt. Mit Schreiben vom 22.02.2019*lehnte die Antragstellerin die Herausgabe der angeforderten Kontrollberichte an die Beigeladene ab.
Mit Bescheid vom 19.03.2019, adressiert an die Beigeladene, teilte der Antragsgegner dieser mit, dass ihrem Antrag auf Informationsgewährung in Form der Bekanntgabe der letzten beiden lebensmittelrechtlichen Kontrollen und Übersendung der dazugehörigen Kontrollberichte stattgegeben werde. Die Informationen würden innerhalb von 10 Tagen nach Zustellung des Bescheids in Schriftform übermittelt, sofern bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgt sei. Der Bescheid sei sofort vollziehbar. Begründet wurde der Bescheid damit, dass eine Abwägung der Interessen des Betriebes mit denen der Beigeladenen ergeben habe, dass ein Informationsanspruch bestehe. Ausschlussgründe nach § 3 VIG lägen nicht vor. Die von der Bevollmächtigten der Antragstellerin vorgebrachten Gründe seien nicht geeignet eine andere Entscheidung herbeizuführen. Gemäß § 5 Abs. 4 VIG habe eine Anfechtungsklage hiergegen kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. Die Informationsgewährung dürfe allerdings erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem betroffenen Betrieb bekanntgegeben und diesem ein ausreichender Zeitraum zur Einlegung von Rechtsbehelfen eingeräumt worden sei. Mit Schreiben vom selben Tag wurde auch der Antragstellerin diese Entscheidung mitgeteilt.
Mit Schriftsatz vom 27.03.2019, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 19.03.2019 und beantragt zugleich,
die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin am 27.03.2019 erhobenen Anfechtungsklage gegen den Auskunftsbescheid des Antragsgegners vom 19.03.2019, Az. 40-514/1-02/19, anzuordnen,
hilfsweise festzustellen, dass die Anfechtungsklage der Antragstellerin vom 27.03.2019 gegen den Auskunftsbescheid des Antragsgegners vom 19.03.2019, Az. 40-514/1-02/19, aufschiebende Wirkung hat,
äußerst hilfsweise, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der anfragenden Person die Kontrollberichte nicht oder nur verbunden mit der Untersagung der Veröffentlichung oder Zwangsgeldandrohung zu übersenden.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass das Interesse, den Auskunftsbescheid nicht ohne nähere rechtliche Überprüfung zu vollziehen, das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug überwiege. Hierbei sei in besonderem Maße zu berücksichtigen, dass eine einmal gewährte Information nicht mehr „zurückgeholt“ werden könne und eine weltweite und zeitlich nicht eingrenzbare Veröffentlichung der begehrten Auskünfte im Internet bevorstehe. Der Antragsgegner verliere endgültig die Hoheit über die Dokumentation amtlicher Feststellungen.
Der Verwaltungsakt sei aus folgenden Gesichtspunkten rechtswidrig:
Der materielle Auskunftsanspruch mit Blick auf „nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen“ im Sinne des VIG ergebe sich jedenfalls nicht aus den zur Veröffentlichung anstehenden Kontrollberichten selbst. Hintergrundinformationen zur Bewertung der amtlicherseits dokumentierten Feststellungen lägen nicht vor. Zumindest auf der Grundlage der bisherigen Korrespondenz habe die Antragstellerin keine Chance nachzuvollziehen, ob die amtlichen Feststellungen tatsächlich eine „unzulässige Abweichung“ im vorgenannten Sinne konstituieren. Eine solche liege nämlich nur bei „strukturellen Fehlern“ mit Einfluss auf die Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln, nicht bei situativen, kurzfristigen Phänomenen vor. Des Weiteren müssten die Abweichungen in unmittelbarem Zusammenhang zum Umgang mit Lebensmitteln stehen. Anforderungen, gegen die verstoßen worden sein solle, seien in den Kontrollberichten nicht andeutungsweise benannt. Zudem sprächen auch Verhältnismäßigkeitsüberlegungen gegen die Rechtmäßigkeit der Informationsgewährung. Die bloße Veröffentlichung von Kontrollberichten sei nicht geeignet, den VIG-Antragsteller sachgerecht zu informieren, sodass ein unzutreffendes Bild von der Arbeitsorganisation und den betrieblichen Abläufen des betreffenden Unternehmens entstehen könne. Eine solche unzutreffende Wahrnehmung sei geeignet, den Ruf und damit auch die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmers zu beeinträchtigen. Die Veröffentlichung auf den Internetplattformen … und … sei auch nicht erforderlich, da eine Pflicht zur Veröffentlichung von relevanten Hygieneverstößen bereits aufgrund der Vorschrift § 40 Abs. 1a LFGB bestehe. Daneben seien Art und Form der Geltendmachung des Auskunftsanspruches aufgrund der Möglichkeit anonymisierter Verfahrensinitialisierung und der Erstellung von „Fake Accounts“ offensichtlich rechtsmissbräuchlich. Es sei nicht erkennbar, ob hinter den massenhaften Anfragen ein echtes Informationsinteresse stehe. Die von den genannten Nichtregierungsorganisationen bereitgestellte Infrastruktur zur massenhaften Generierung von VIG-Anträgen diene allein der eigenen Kampagnenführung sowie dem Zweck, die öffentliche Verwaltung zu lähmen und die „Unfähigkeit“ öffentlichen Verwaltungshandelns herauszustellen, um so die „Schlagkraft“ der privaten Nichtregierungsorganisationen zu demonstrieren. Außerdem erfolge mit Gewährung der begehrten Informationen im Kontext der genannten Internetplattform eine unzulässige Übertragung von hoheitlichen Handlungsbefugnissen auf private Stellen. Die Herausgabe der Daten verstoße gegen das Demokratie- und Rechtstaatsprinzip. Darüber hinaus gebe es keine Notwendigkeit, die vorliegend aufgeworfenen komplexen Rechtsfragen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu klären. Die Klärung dieser Fragen solle vielmehr im Hauptsacheverfahren mit den erforderlichen Überlegungen erfolgen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, dass der Bescheid vom 19.03.2019 rechtmäßig sei. Das Informationsbegehren sei unter § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG einzuordnen. Das VIG sehe keine Erheblichkeitsschwelle vor, so dass jegliche Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittelrechts unter § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG fielen. Der Begriff des Kontrollberichts sei nicht legaldefiniert. Jedenfalls sei darunter der Bericht zu verstehen, den die Behörde über die von ihr durchgeführte amtliche Kontrolle erstelle. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz habe den Kreisverwaltungsbehörden klare Vorgaben gemacht, wie die einzelnen Fälle abzuwickeln seien, um ein einheitliches, rechtmäßiges Handeln sicherzustellen. Der Antragsgegner habe sich genauestens an diese Vorgaben gehalten und das streitgegenständliche Verfahren entsprechend abgewickelt. Der verfahrensgegenständliche Bescheid diene dem besonderen Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher an einer größtmöglichen Transparenz im Lebensmittelbereich und in der Lebensmittelüberwachung und damit dem Schutz überragender Rechtsgüter. Gegenüber diesem gewichtigen Interesse an der Verhinderung von Gesundheitsgefahren müsse das private Interesse des Antragsstellers an der Geheimhaltung der Informationen zurückstehen.
Mit Beschluss vom 28.03.2019 wurde Frau … gemäß § 65 VwGO zum Verfahren beigeladen. Die Beigeladene äußerte sich nicht und stellte keinen Antrag.
Mit Schreiben vom 28.03.2019 teilte der Antragsgegner mit, dass aufgrund des erhobenen Eilantrags einstweilen bis zum Abschluss des Verfahrens im vorläufigen Rechtsschutz keine Vollzugs- und Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte im Eil- und Klageverfahren (B 7 K 19.287) und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 VwGO hat Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
a) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO i.V.m. § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG ist statthaft, da die in der Hauptsache statthafte Drittanfechtungsklage in den Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Vorliegend geht der Antragsgegner von einem Fall der festgestellten, nicht zulässigen Abweichungen von Anforderungen des Lebens- und Futtermittelgesetzbuches, § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) VIG, bzw. unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. c) VIG aus. Es bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten zu klären, ob tatsächlich ein Fall des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG vorliegt oder ob § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG einschlägig ist, da jedenfalls der Antragsgegner davon ausgeht, dass das Informationsbegehren der Beigeladenen „insgesamt unter § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG einzuordnen“ sei und daher die Anfechtungsklage nach § 5 Abs. 4 VIG keine aufschiebende Wirkung habe.
b) Die Antragstellerin ist analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Adressat des angegriffenen Bescheids ist zwar nur die Beigeladene, jedoch kann die Antragstellerin die Verletzung einer drittschützenden Norm geltend machen. Die Antragstellerin könnte durch die Weitergabe der ermittelten Daten durch den Antragsgegner in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verletzt sein. Darüber hinaus sieht § 3 Satz 1 Nr. 2 VIG auch den Schutz privater Belange vor. Hiernach entfällt der Anspruch auf Informationsgewährung, wenn die dort abschließend aufgezählten Belange berührt werden. Die Veröffentlichung von Informationen über Mängel im Betrieb der Antragstellerin kann möglicherweise auch zu einer Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG führen (BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris; VG Würzburg, B.v. 8.1.2018 – W 8 S 17.1396 – juris).
c) Aufgrund der ebenfalls am 27.03.2019 am VG Bayreuth eingegangenen Klageerhebung gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 19.03.2019 bestehen am Rechtsschutzbedürfnis des Antrags keine Zweifel.
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den an die Beigeladene adressierten Bescheid vom 19.03.2019 ist begründet.
Gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen oder anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene, originäre Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des Bescheids gegen das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der Klage abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Sind die Erfolgsaussichten offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 93).
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, da die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin aufgrund der aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen nach summarischer Überprüfung zumindest offen sind und die reine Interessensabwägung zugunsten der Antragstellerin ausfällt.
a) Im Hauptsacheverfahren ist auf tatsächlicher Ebene zu klären, ob die streitgegenständlichen Kontrollberichte lediglich beschreibender Natur sind oder auch eine rechtliche Subsumtion der Kontroll- und Untersuchungsergebnisse, also eine juristische Bewertung durch die zuständige Vollzugsbehörde erfolgt ist. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung handelt es sich nur im letzteren Fall um „festgestellte nicht zulässige Abweichungen“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG (BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 15.2208 – juris; OVG NRW, U.v. 12.12.2016 – 13 A 845/15 – juris).
b) Darüber hinaus wirft das vorliegende Verfahren auch einige Rechtsfragen auf. Zum einen ist schon nicht klar, ob die in Rede stehende Abweichung von Anforderungen vor Informationsgewährung rechtskräftig durch eine Behörde festgestellt worden sein muss. Zwar ergibt sich aus dem Gesetz das Erfordernis eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes nicht, allerdings hat das BVerwG hinsichtlich dieser Frage Klärungsbedarf dokumentiert, indem es die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat (BVerwG, B.v. 29.9.2017 – 7 B 6.17 – juris).
Zum anderen bedarf auch die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit eines über die von … bzw. … betriebenen Plattform … gestellten Antrags, einer unzulässigen Umgehung des § 40 Abs. 1a LFGB und der Verfassungsmäßigkeit des VIG im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 21.03.2018 (1 BvF 1/13 – juris) einer tiefgehenden juristischen Befassung. Zwar handelt es sich vorliegend um kein staatliches Informationshandeln im Sinne einer unmittelbaren Veröffentlichung. Staatliches Handeln liegt jedoch auch grundsätzlich bereits in der behördlichen Herausgabe der Informationen an die antragstellenden Privatpersonen. Amtliche Informationen kommen einem Eingriff in die Berufsfreiheit aber jedenfalls dann gleich, wenn sie direkt auf die Marktbedingungen konkret individualisierter Unternehmen zielen, indem sie die Grundlagen von Konsumentscheidungen zweckgerichtet beeinflussen und die Markt- und Wettbewerbssituation zum Nachteil der betroffenen Unternehmen verändern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 -, juris). Zwar ist das Schutzbedürfnis des Unternehmens vor einer aktiven staatlichen Veröffentlichung unrichtiger Informationen ungleich größer als in den Fällen der antragsveranlassten individuellen Einsichtsgewähr, da der Staat in diesem Fall selbst am öffentlichen Kommunikationsprozess teilnimmt und unmittelbar auf ihn einwirkt. Solche Informationen wirken sich auf die Wettbewerbsposition eines am Markt tätigen Unternehmens mit einer deutlich größeren Intensität aus als die Informationsgewährung an einen einzelnen Antragsteller (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 15.6.2015 – 7 B 22.14 – juris; BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 15.2208 – juris). Es stellt sich aber gerade in vorliegender Fallgestaltung die Frage, ob die staatliche Informationsweitergabe an einen Antragsteller (hier an die Beigeladene), der seinen Antrag über die Plattform … stellt, aufgrund der zu erwartenden Veröffentlichung auf der Plattform in ihren Auswirkungen nicht einer unmittelbaren staatlichen Information sehr nahe kommt, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass der Staat – im Gegensatz zu einer eigenen Veröffentlichung der Informationen im Internet, vgl. § 6 Abs. 1 Satz 3 VIG – nach Herausgabe der Informationen an den Antragsteller auf den öffentlichen Kommunikationsprozess auf der von … betriebenen Plattform gerade nicht mehr einwirken kann und durch die Veröffentlichung der behördlichen Schreiben bzw. Bescheide beim Leser der Eindruck eines behördlichen Informationshandeln entstehen könnte. Daher müsste geprüft werden, ob in vorliegender Konstellation nicht ein wichtiger Grund i.S.d § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG vorliegt, der dazu führt, dass man den Antragstellern, die ihren Antrag erkennbar über die Plattform … stellen, die streitgegenständlichen Informationen gerade nicht durch Übersendung der Kontrollberichte, sondern im Rahmen von Akteneinsicht oder durch Auskunftserteilung, die schon dem Wortlaut nach gerade nicht auf die bloße Übersendung der Kontrollberichte beschränkt ist, zugänglich macht. (VG Regensburg, B.v. 15.3.2019 – RN 5 S 19.189 – juris).
Des Weiteren muss näher betrachtet werden, ob hinter den massenhaften Anfragen, die über die Plattform … gestellt werden, überhaupt ein echtes Informationsinteresse steht, oder der Auskunftsanspruch rechtsmissbräuchlich verwendet wird. Zwar bedarf es für Auskunftsansprüche nach dem VIG gerade keines unmittelbaren Produktbezugs (BayVGH, B.v. 6.7.15 – 20 ZB 14.978 – juris; OVG NRW, U.v. 12.12.2016 – 13 A 845/15 – juris), allerdings müssen potentielle Auswirkungen auf das Produkt durch die Abweichung von Vorschriften des Lebensmittelrechts dennoch möglich sein. Dies folgt schon aus dem Sinn und Zweck des VIG, wodurch der Markt transparenter gestaltet und hierdurch der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor gesundheitsschädlichen oder sonst unsicheren Erzeugnissen und Verbraucherprodukten, sowie vor Täuschung im diesbezüglichen Verkehr verbessert werden soll, § 1 VIG. Ferner ist zu beachten, dass aus einer unkommentierten Herausgabe eines Kontrollberichts, die nicht in Relation zur betrieblichen Gesamtbewertung gesetzt wird, möglicherweise unsachgerechte Schlüsse gezogen werden. Darüber hinaus ist durch die Weitergabe der Kontrollberichte an Privatpersonen, die diese hierauf im Internet veröffentlichen, ein nicht vollständig rechtfertigbarer Eingriff in die Berufsfreiheit der Unternehmer jedenfalls nicht fernliegend. Die weithin einsehbare und leicht zugängliche Veröffentlichung von teilweise nicht endgültig festgestellten, teilweise bereits behobenen Rechtsverstößen kann zu einem erheblichen Verlust des Ansehens des Unternehmens und zu Umsatzeinbußen führen. Das Bundesverfassungsgericht hat § 40 Abs. 1a LFGB als materiell verfassungswidrig eingestuft, da eine gesetzliche Regelung zur zeitlichen Begrenzung der Informationsverbreitung fehlt. Die mit der Regelung einhergehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen geraten mit der Dauer der Veröffentlichung außer Verhältnis zu den mit der Veröffentlichung erreichbaren Zwecken. Je weiter der Verstoß zeitlich entfernt ist, desto geringer ist der objektive Informationswert seiner Verbreitung, da sich vom Verstoß in der Vergangenheit objektiv immer weniger auf die aktuelle Situation schließen lässt (BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris). Da die Plattform … eine Veröffentlichung auch solcher Hygienemängel ermöglicht, die von Amts wegen von der zuständigen Behörde aufgrund der fehlenden Voraussetzungen von § 40 Abs. 1a LFGB nicht veröffentlicht werden dürfen, wäre zu prüfen, ob eine zeitliche Begrenzung der Informationen auch für den Auskunftsanspruch aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG gefordert werden muss. § 3 Satz 1 Nr. 1 lit. e) VIG trägt diesem Umstand zumindest nicht ausreichend Rechnung, da die Informationen für diesen Ausschlussgrund länger als fünf Jahre zurückliegen müssten und überdies damit kein Löschungsanspruch nach einer bestimmten Dauer der Preisgabe verbunden ist. Auch insofern ist die Möglichkeit des Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG in Betracht zu ziehen.
c) Ist – wie vorliegend – der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, hat das Gericht unter Abwägung aller Umstände, insbesondere der Vollzugs- und Suspensivfolgen, zu prüfen, ob das Interesse der begünstigten Beigeladenen und das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das Interesse der betroffenen Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der Klage überwiegt. Nach Auffassung der Kammer wiegt hier das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage – insbesondere aufgrund der nicht revidierbaren Endgültigkeit der Informationspreisgabe – schwerer als das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides. Es ist nicht ersichtlich, dass eine sofortige Zugänglichmachung der begehrten Informationen an die Beigeladene aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes notwendig wäre. Eine Eilbedürftigkeit der Herausgabe wurde weder von Seiten des Antragsgegners noch von Seiten der Beigeladenen geltend gemacht. Eine Ablehnung des Eilantrags hätte dagegen die Herausgabe der streitgegenständlichen Kontrollberichte zur Folge, also eine Regelung, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, auch wenn die Entscheidung in der Hauptsache anders ausfallen sollte. Solche „Vorwegnahmen der Hauptsache“ sind im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes aber nur zulässig, wenn sie zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG notwendig sind oder ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg im Hauptsacheverfahren spricht. Die Rechtmäßigkeit allein genügt grundsätzlich noch nicht, um eine Vorwegnahme der Hauptsache zu rechtfertigen (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 156).
3. Die Kostenfestsetzung richtet sich nach § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 25.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Da keine Anhaltspunkte hinsichtlich der Höhe der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen im Falle einer Herausgabe der streitgegenständlichen Informationen bestehen, war der Auffangwert anzusetzen. Im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der Entscheidung hat das Gericht diesen Wert für die Streitwertfestsetzung halbiert.


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