IT- und Medienrecht

Gewerbliche Sammlung von Alttextilien und -schuhen

Aktenzeichen  7 C 36/15

Datum:
11.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:110717U7C36.15.0
Normen:
§ 3 Abs 1 S 1 KrWG
§ 3 Abs 2 KrWG
§ 3 Abs 3 KrWG
§ 17 Abs 2 S 1 Nr 4 KrWG
§ 17 Abs 3 KrWG
§ 18 Abs 1 KrWG
§ 18 Abs 5 KrWG
Art 106 Abs 2 AEUV
Spruchkörper:
7. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 21. September 2015, Az: 20 A 2220/14, Urteilvorgehend VG Köln, 11. September 2014, Az: 13 K 3658/13, Urteil

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen eine abfallrechtliche Verfügung, die ihr die gewerbliche Sammlung von Alttextilien und -schuhen untersagt.
2
Unter dem 3. August 2012 zeigte die Rechtsvorgängerin der Klägerin die bereits durchgeführte gewerbliche Sammlung von Textilien und Schuhen aus privaten Haushalten mit zwei Containern und einer jährlichen Sammelmenge von 7 t an. Darüber hinaus sei eine Containersammlung für einen Zeitraum von 10 Jahren mit weiteren 50 Containern und einer jährlichen Sammelmenge von ca. 175 t beabsichtigt. Mit Schreiben vom 17. Januar 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Anzeige hinsichtlich einzeln angeführter Punkte unvollständig sei, gab insoweit Gelegenheit zur Vervollständigung und wies auf die durch einen beauftragten Dritten bereits durchgeführte Sammlung hin. Hierzu teilte die Klägerin mit, dass sie die bisherige Sammlung auf zwei Stellplätzen mit drei Containern und einer jährlichen Sammelmenge von ca. 6 t betreibe.
3
Im Rahmen der vom Fachbereich Umwelt der Beklagten angeforderten Stellungnahmen zur Anzeige machte der Fachbereich Finanzen/Beteiligungen, Steuern und Abgaben als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger unter Beifügung einer Stellungnahme des beauftragten Dritten geltend, der Sammlung würden überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
4
Mit Bescheid vom 24. Mai 2013 befristete die Beklagte die angezeigte Sammlung der Klägerin bis zum 1. Januar 2014 und beschränkte sie auf nicht mehr als die bestehenden drei Altkleidercontainer. Zudem erteilte sie Auflagen. Die Sammlung würde nach ihrer konkreten Ausgestaltung die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von diesem beauftragten Dritten gefährden. Dieser führe selbst eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durch. Die angezeigte Sammlung sei nicht wesentlich leistungsfähiger. Die Bedingungen und Auflagen seien erforderlich und nicht unverhältnismäßig.
5
Das Verwaltungsgericht stellte mit Urteil vom 11. September 2014 das Verfahren ein, soweit es nach Aufhebung der Befristung und der Auflagen für erledigt erklärt worden war. Im Übrigen hob es den Bescheid auf. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 21. September 2015 das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen: Die Beklagte sei für den Erlass der Untersagungsverfügung zuständig. Hieran ändere nichts, dass sie zugleich öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger sei. Dessen Aufgabenwahrnehmung sei an einen Dritten delegiert, an dem die Beklagte und ein Abfallwirtschaftsverband jeweils zu 50 % beteiligt seien. Bei der Beklagten sei behördenintern für eine hinreichende organisatorische und personelle Trennung beider Aufgabenbereiche gesorgt. Die Voraussetzungen für eine Untersagung der gewerblichen Sammlungen nach § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG hätten zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs der vollständigen Anzeige vorgelegen. Die Untersagungsverfügung habe auch später als drei Monate nach der Anzeige ergehen dürfen. Bei den von der Klägerin gesammelten bzw. zu sammelnden Alttextilien handele es sich um Abfälle im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Der angezeigten Sammlung stünden überwiegende öffentliche Interessen im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG entgegen. § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG sei als widerlegliche Vermutung oder als Regelfall mit Ausnahmevorbehalt zu verstehen. Auch wenn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger ein hochwertiges Erfassungssystem anbiete, bleibe stets zu prüfen, ob die Umstände des konkreten Einzelfalls zu einer abweichenden Bewertung führten. Dabei seien die Auswirkungen der angezeigten Sammlung im Zusammenwirken mit anderen angezeigten gewerblichen, nicht aber gemeinnützigen Sammlungen auf die Sammelmenge des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in den Blick zu nehmen. Die erforderliche Einzelfallbetrachtung sei in der Weise zu strukturieren, dass bei einer insgesamt zu berücksichtigenden Sammelmenge von unter 10 % der Sammelmenge des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ein wesentlicher Einfluss auf das bestehende hochwertige System des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nicht zu besorgen sei. Im anschließenden Bereich einer Sammelmenge von bis zu 50 % habe der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger konkrete nachteilige Auswirkungen der Sammlung plausibel zu machen. Liege schließlich die zu berücksichtigende Sammelmenge über 50 % der vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger erfassten Sammelmenge, sei regelmäßig von einem wesentlichen Einfluss auf das Erfassungssystem auszugehen. Dies sei bei der Beklagten der Fall. Die Untersagung sei auch nicht unverhältnismäßig.
6
Zur Begründung der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend: Die Beklagte könne sich nicht auf die landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen berufen, da das Kreislaufwirtschaftsgesetz vorgehe und für die zuständige Behörde im Sinne von § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG eine vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger unabhängige Entscheidungskompetenz über gewerbliche Sammlungen fordere. Die Beklagte sei bei der Entscheidung in eigener Sache beteiligt, da sie untere Abfallbehörde und zugleich Mitinhaber des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers sei. Nach dem europäischen Wettbewerbsrecht gelte ein Neutralitätsgebot. Nach Ablauf der dreimonatigen Frist des § 18 Abs. 1 KrWG habe die Sammlung nicht mehr untersagt werden dürfen; Beschränkungen der Sammlung seien nur nach Maßgabe von § 62 KrWG möglich. Der private Sammler sei in seiner Planungssicherheit ebenso schutzwürdig wie der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger. Da die Zweckbestimmung von Gebrauchtkleidung mit dem Einwurf in einen Sammelcontainer nicht entfalle, diese vielmehr als Kleidung weiter verwendet werde, unterfalle sie nicht dem Abfallbegriff des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz würden gewerbliche Sammler gegenüber gemeinnützigen und kommunalen Sammlern in verfassungs- und europarechtswidriger Weise ungerechtfertigt diskriminiert. Schließlich habe die Beklagte bei der Untersagungsentscheidung kein Ermessen ausgeübt.
7
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. September 2015 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 11. September 2014 zurückzuweisen.
8
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
9
Sie verteidigt das angefochtene Urteil im Ergebnis, wendet sich jedoch gegen das Verständnis der Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG als widerlegliche Vermutung und eine ihrer Ansicht nach wenig praktikable “Wesentlichkeitsschwelle”.
10
Der Vertreter des Bundesinteresses hält das Urteil des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis für vertretbar. Allerdings sei die Rechtsauffassung, bei einer berücksichtigungsfähigen hinzutretenden Sammelmenge von mehr als 50 % sei eine Einzelfallprüfung entbehrlich, mit unionsrechtlichen Vorgaben, die einem absoluten Konkurrenzschutz entgegenstünden, nicht vereinbar.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 24. September 2018 – 1 BvR 27/18 – nicht zur Entscheidung angenommen.


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