IT- und Medienrecht

Informationszugangsanspruch nach dem BayUIG (bejaht), Keine offensichtlich missbräuchliche Antragstellung, Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen nicht dargelegt, Begriff der Emission im BayUIG, Vereinbarkeit des BayUIG mit der DSGVO, Informationszugangsfreundlichkeit der DSGVO, Schäden durch Erdwärmesondenbohrung, Untätigkeitsklage

Aktenzeichen  M 32 K 20.2879

Datum:
30.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 19903
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayUIG Art. 3
BayUIG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
BayUIG Art. 8 Abs. 1 Nr. 1
DSGVO Art. 2 und 4
DSGVO Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. c und e
DSGVO Art. 6 Abs. 2 und 3
DSGVO Art. 86
VwGO § 75

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern Informationszugang nach dem Bayerischen Umweltinformationsgesetz (BayUIG) zu folgenden Umweltinformationen zu gewähren:
dem von der Beigeladenen oder dem für sie Handelnden gestellten Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung einer Erdwärmesondenbohrung auf dem Grundstück der Beigeladenen L.str. … in … R.-E., samt aller Anlagen;
der bzw. den in diesem Genehmigungsverfahren erteilten fachgutachterlichen Stellungnahme(n) des Wasserwirtschaftsamtes R.;
der in diesem Genehmigungsverfahren durch das Landratsamt Miesbach erteilten Bohrgenehmigung.
II.Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.   

Gründe

Die Klage hat Erfolg.
I. Die Klage ist zulässig.
Die Klage durfte ohne das Vorliegen eines Bescheids des Beklagten über den Informationsanspruch erhoben werden. Das erlaubt die Vorschrift des § 75 Satz 1 VwGO, wonach dann, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist, unmittelbar Klage erhoben werden kann (sog. Untätigkeitsklage, hier in der Form der sog. Vornahmeklage). Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist (§ 75 Satz 2 VwGO). Bei der Entscheidung über einen Informationszugang nach dem BayUIG handelt es sich, soweit wie hier eine informationspflichtige Stelle nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 BayUIG angesprochen ist, um einen Verwaltungsakt (vgl. Art. 6 BayUIG). Über den Informationszugangsanspruch hat die Behörde innerhalb von maximal zwei Monaten zu entscheiden (Art. 3 Abs. 3 BayUIG, Art. 6 Abs. 1 BayUIG). Es kann dahinstehen, ob wegen dieser gesetzlich bestimmten Bearbeitungshöchstfrist vorliegend die Drei-Monats-Frist nach § 75 Satz 2 VwGO auf diese Zwei-Monats-Frist zu reduzieren wäre. Denn die Drei-Monats-Frist war seit der Stellung des ordnungsgemäßen, insbesondere hinreichend bestimmten Informationszugangsantrags vom 21. Oktober 2019 zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Klage am 29. Juni 2020 längst abgelaufen.
II. Die Klage ist auch begründet.
Die Kläger haben gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Informationszugang nach dem BayUIG zu den im Tenor näher bezeichneten Umweltinformationen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für den Anspruch ist Art. 3 Abs. 1 BayUIG. Danach hat jede Person nach Maßgabe des BayUIG Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinn des Art. 2 Abs. 1 BayUIG verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Das Landratsamt ist als Behörde des Beklagten informationspflichtige Stelle im Sinne des Art. 2 Abs. 1 BayUIG und verfügt auch im Sinne des Art. 2 Abs. 3 BayUIG über die gewünschten Informationen aus dem Bohrgenehmigungsverfahren. Der Begriff der Umweltinformation wird in Art. 2 Abs. 2 BayUIG definiert. Insbesondere sind nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BayUIG Umweltinformationen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung, alle Daten über Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG oder auf Faktoren im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 BayUIG auswirken oder wahrscheinlich auswirken. Eine Bohrgenehmigung ist eine solche Maßnahme, da sie Auswirkungen auf den Zustand jedenfalls des Umweltbestandteils Bodens hat, Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 4 BayUIG. Weiter muss der Informationsanspruch mit einem hinreichend bestimmten Antrag bei der informationspflichtigen Stelle geltend gemacht werden, Art. 4 Abs. 1 und 2 BayUIG. Auch das ist hier geschehen.
Dem danach gegebenen Informationsanspruch stehen keine Ablehnungstatbestände nach Art. 7 oder 8 BayUIG entgegen (siehe unten Nr. 1 und 2). Der Informationszugang widerspricht auch nicht der DSGVO (siehe unten Nr. 3).
1. Ein Ablehnungsgrund nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG besteht nicht.
Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG ist ein Antrag abzulehnen, soweit er offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.
Zwar ist die Argumentation des Landratsamts zutreffend, dass es die Intention des BayUIG sei, das allgemeine Umweltbewusstsein zu schärfen, den freien Meinungsaustausch und eine Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungen zu ermöglichen und dadurch den Umweltschutz zu verbessern. Von daher ist die Verfolgung eines Informationsanspruchs aus anderen Gründen, wie zum Beispiel hier zur Vorbereitung oder Führung eines privatrechtlichen Prozesses, von dieser gesetzlichen Intention in der Tat nicht gedeckt. Darauf kommt es indes nicht an. Maßgeblich ist – worauf der Klägerbevollmächtigte zu Recht verweist -, ob die Motive des Gesetzgebers Niederschlag im Normtext des BayUIG gefunden haben. Das ist nicht der Fall. Nach Art. 1 Abs. 1 BayUIG ist es (lediglich) Zweck des Gesetzes, den rechtlichen Rahmen für den freien Zugang zu Umweltinformationen bei informationspflichtigen Stellen sowie für die Verbreitung dieser Umweltinformationen zu schaffen. Eine weitere normative Zweckbindung des Informationsanspruchs ist weder in Art. 1 BayUIG noch sonst im BayUIG ausgesprochen. Normativ ist der Informationsanspruch offen für die Verfolgung auch anderer Zwecke. Der Gesetzgeber geht offensichtlich davon aus, dass auch der aus zweckfremden Motiven heraus betriebene Informationszugang im Effekt das gesetzliche Anliegen zu fördern vermag. Von daher gesehen kann der auf die Vorbereitung oder Führung eines Prozesses gestützte Informationsantrag der Kläger nicht als (offensichtlich) missbräuchlich eingestuft werden.
Dieses Ergebnis wird durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) gestützt. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass ein Antrag auf Informationszugang nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen als rechtsmissbräuchlich abgelehnt werden darf (BVerwG, U.v. 15.12.2020 – 10 C 24.19 – juris Rn. 12 ff.). Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung sei nur dann begründet, wenn es dem Antragsteller nicht um die begehrte Information gehe, er vielmehr ausschließlich andere und von der Rechtsordnung missbilligte Zwecke verfolge. Diese Voraussetzungen seien etwa dann gegeben, wenn das Informationsbegehren den Zweck verfolge, die informationspflichtige Behörde lahmzulegen. Zudem müsse der Antragsteller sein Informationsinteresse nicht darlegen; es werde vom Gesetz vermutet. Es sei Sache der informationspflichtigen Behörde, gegen diese Vermutung den Beweis des Gegenteils zu führen. Die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts können auf das BayUIG, das ein spezielles Informationsgesetz für den Bereich der Umweltinformationen darstellt und dem IFG strukturell ähnlich ist, übertragen werden. Danach verbietet es sich, den Informationsantrag der Kläger als (offensichtlich) missbräuchlich zu qualifizieren. Die Vorbereitung oder Führung eines Zivilprozesses ist in einem Rechtsstaat ein legitimer Zweck, für den die Erlangung der begehrten Informationen hilfreich sein kann.
Im Übrigen haben die Kläger im Prozess – ohne dazu verpflichtet zu sein – einen weiteren Grund für ihr Informationsbegehren angegeben, nämlich die Aufklärung der Öffentlichkeit vor möglichen Gefahren durch die Geothermie. Dieser Zweck dürfte zwar nicht im primären Fokus der Kläger stehen. Sicherlich ist damit aber ein parallel zu den Intentionen des BayUIG laufendes Anliegen vorgebracht, gegen dessen Ernsthaftigkeit keine begründeten Zweifel bestehen.
2. Ein Ablehnungsgrund nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayUIG besteht nicht.
Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayUIG ist ein Antrag abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt würden, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.
a. Dieser Ablehnungsgrund ist nicht schon wegen der Emissions-Klausel des Art. 8 Abs. 1 Satz 2 BayUIG ausgeschlossen.
Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 BayUIG kann der Zugang zu Umweltinformationen über Emissionen nicht unter Berufung auf die in Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 BayUIG genannten Gründe abgelehnt werden.
Der Begriff der Emission ist im BayUIG – wie auch im Umweltinformationsgesetz des Bundes (UIG) – nicht legaldefiniert. Das Gesetz verwendet den Begriff im Rahmen der Definition der Umweltinformation in Art. 2 Abs. 2 BayUIG, und zwar in Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 BayUIG. Danach sind Umweltinformationen auch, unabhängig von der Art ihrer Speicherung, alle Daten über Faktoren, wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG auswirken oder wahrscheinlich auswirken. Aus dem Satzteil „sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt“ kann geschlossen werden, dass es sich bei dem Tatbestandsmerkmal der Emissionen um einen Sonderfall des Merkmals der Freisetzung von Stoffen in die Umwelt handelt (so für die gleichlautende Definition in § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG BVerwG, U.v. 24.9.2009 – 7 C 2.09 – juris; das Bundesverwaltungsgericht folgert sogar, dass die Stoffe von einer Anlage ausgehen müssen; ebenso VG Braunschweig, U.v. 12.12.2012 – 2 A 1033/12 – juris). Um eine solche stoffliche Emission handelt es sich bei dem hier in Rede stehenden Krater, der als Kollateralschaden der Erdwärmesondenbohrung entstanden ist und die Grundstücke der Kläger in Mitleidenschaft gezogen hat, nicht. Die Erdsenkung hat nichts mit der Freisetzung separater Stoffpartikel vom Grundstück der Beigeladenen auf die Grundstücke der Kläger zu tun. Es fand keine Übertragung von Stoffpartikeln statt. Vielmehr wurde der Zustand der Grundstücke der Kläger aus rein naturgesetzlich-physikalischen Gegebenheiten unmittelbar verändert. Zum selben Ergebnis gelangt man, wenn man zur Definition des Emissionsbegriffs im BayUIG (und auch im UIG) die Definition in § 3 Abs. 2 BImSchG heranziehen wollte (so für das UIG Karg in BeckOK InfoMedienR, 32. Ed. 1.2.2021, UIG § 2 Rn. 87-95.1). Danach sind Emissionen im Sinne des BImSchG die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Erscheinungen. Die Erdsenkung ging nicht von einer „Anlage“ aus, auch nicht von einer nicht ortsfesten Anlage (letztere Erweiterung nimmt Karg a.a.O. in einer europarechtskonformen Auslegung des UIG vor). Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist nach dem Schutzzweck des BayUIG für den Begriff der Emission neben der bereits erwähnten stofflichen Qualität der Emission und dem Merkmal der stofflichen Übertragung auch ein gewisses Moment der bestimmungsmäßigen Wiederholung und Dauer der Einwirkung der Emission in die Umwelt zu fordern, so dass plötzlich und unbeabsichtigt auftretende – singuläre – Einzelerscheinungen wie hier eine Kraterbildung als Kollateralschaden von Bohrarbeiten auf einem Grundstück von vornherein begrifflich ausscheiden.
b. Die Voraussetzungen des Ablehnungsgrunds nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayUIG liegen nicht vor.
aa. Bei den begehrten Informationen handelt es sich zwar, wie das Landratsamt zutreffend ausführt, um personenbezogene Daten der Beigeladenen.
Der Begriff der personenbezogenen Daten wird in Art. 8 Abs. Satz 1 Nr. 1 BayUIG verwendet, aber weder an dieser Stelle noch sonst im BayUIG definiert. Für die Erfassung des Begriffs ist die Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO) heranzuziehen (zum Einfluss der DSGVO auf Auslegung und Anwendung des BayUIG siehe ausführlich unten Nr. 3; vgl. auch den Anwendungsbefehl in Art. 2 des Bayerischen Datenschutzgesetzes – BayDSG). Nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Bei den in den Akten des Landratsamts zur Bohrgenehmigung vorhandenen Daten handelt es sich um personenbezogene Daten der Beigeladenen, einer natürlichen Person. Die in den Akten dokumentierten sachlichen Verhältnisse hängen wegen ihrer Spezifität unmittelbar mit der Beigeladenen zusammen und können dieser ohne Weiteres zugeordnet werden.
bb. Diese personenbezogenen Daten der Beigeladenen würden durch das Bekanntgeben der begehrten Informationen offenbart werden. Allerdings genügt dieser Umstand für sich allein nicht für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des Ablehnungsgrundes nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayUIG. Nach dessen Wortlaut ist nämlich zusätzlich („und“) erforderlich, dass durch die Offenbarung schutzwürdige Interessen der Beigeladenen beeinträchtigt würden. Soweit das Landratsamt und wohl auch der Vertreter der Beigeladenen sowie Stimmen in der Literatur zu dem praktisch identischen Ablehnungsgrund nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG die Auffassung vertreten, dass diese zusätzliche Bedingung deswegen obsolet sei, weil bereits die Bekanntgabe der personenbezogenen Daten zu einer relevanten Beeinträchtigung der Interessen der Betroffenen, losgelöst von der individuellen Betroffenensituation, führe (siehe für die Stimmen in der Literatur etwa Karg a.a.O. Rn. 11 ff.), folgt das erkennende Gericht dieser Ansicht nicht (so auch OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 12.2.2015 – OVG 12 B 13/12 – NVwZ-RR 2015, 801, 802); VG Hamburg, U.v. 25.2.2004 – 7 K 1422/03 – juris Rn. 57; Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: EL Dezember 2020, UIG § 9 Rn. 13). Sie liefe auf eine Missachtung des klaren Wortlauts des Gesetzes hinaus und verstieße gegen die Normlogik. Wenn das Gesetz bereits die Bekanntgabe der personenbezogenen Daten als ausreichend für den Ablehnungsgrund erachtet hätte, hätte es der Formulierung einer weiteren Bedingung nicht bedurft. Mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Gesetzesauslegung wäre es nicht vereinbar, dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen ohne wirklich triftige Gründe die Anerkennung zu versagen. Solche Gründe sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Auch der schon erwähnte Einfluss der DSGVO auf Auslegung und Anwendung des BayUIG führt nicht zu einer anwendungsbezogenen Modifikation der zusätzlichen Bedingung (dazu näher unten Nr. 3). Ebenso lässt sich eine die Darlegungs- und Beweislast umkehrende „Indizwirkung“ der Offenbarung der personenbezogenen Daten für die Erfüllung des weiteren Normbestandteils dem Gesetz weder nach seinem Wortlaut noch seinem Sinn und Zweck entnehmen.
Zum Vorliegen dieser Zusatzbedingung haben weder das Landratsamt im Gerichtsverfahren noch die Beigeladene im Gerichtsverfahren und in der – nachgeholten – Anhörung vor dem Landratsamt gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 3 BayUIG Substantielles vorgetragen. Obwohl das Landratsamt in seinem Anhörungsschreiben vom 2. September 2020 (Bl. 38 d.A.) die Beigeladene ausdrücklich um Mitteilung ihrer etwaigen schutzwürdigen Interessen gebeten hatte, erschöpfte sich die Reaktion in der lapidaren Äußerung, dass „schutzwürdige Interessen beeinträchtigt werden, zumal personenbezogene Daten offenbart werden“ (siehe Schreiben des Bevollmächtigten der Beigeladenen an das Landratsamt vom 8.9.2020, Bl. 42 d.A.). Der Vortrag des Landratsamts in seiner Klageerwiderung vom 18. September 2020 (Bl. 41 d.A.) besteht im abstrakten Hinweis auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht, das stets durch die Bekanntgabe von personenbezogenen Daten verletzt sei, und in der wohl auf den laufenden Zivilprozess anspielenden Bemerkung, dass der Beigeladenen eine Schadensersatzklage im fünfstelligen Bereich drohe. Diese Gesichtspunkte waren von der Beigeladenenseite indes nicht vorgebracht worden. Jedenfalls fehlt dieser Argumentation die erforderliche Substanz. Im Grunde genommen vertritt die Argumentation lediglich die oben verworfene Position. Worin die von der Beigeladenenseite nicht thematisierte Beschwer durch eine Schadensersatzklage liegen soll, bleibt unklar.
Mangels individueller und einzelfallbezogener Darlegungen ist das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen durch die Bekanntgabe der personenbezogenen Daten nicht erfüllt. Deswegen besteht der Ablehnungsgrund nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayUIG nicht.
cc. Der Vollständigkeit halber will das Gericht festhalten, dass selbst dann, wenn eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen durch die Offenbarung der personenbezogenen Daten der Beigeladenen hinreichend dargelegt worden wäre, der Ablehnungsgrund gleichwohl nach der Klausel des Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayUIG hätte ausgeschlossen sein können. Nach dieser Klausel darf der Antrag nicht abgelehnt werden, wenn die betroffene Person zugestimmt hat – was hier nicht der Fall ist – oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.
Für die vorzunehmende Abwägung des privaten Diskretionsinteresses mit dem öffentlichen Bekanntgabeinteresse ist auf die Öffnungsklauseln der DSGVO für die nationalen Gesetzgeber insbesondere zu den besonderen Verarbeitungssituationen nach Kapitel IX der Verordnung, zu denen gemäß Art. 86 DSGVO auch der Zugang der Öffentlichkeit zu amtlichen Dokumenten zählt, hinzuweisen, nämlich auf Art. 6 Abs. 2 letzter Halbsatz DSGVO, Art. 6 Abs. 3 Satz 3 letzter Halbsatz DSGVO und Art. 86 DSGVO. Aus diesen Regelungen spricht eine gewisse Informationszugangsfreundlichkeit der DSGVO. Nach dem Erwägungsgrund (EG) 154 zu Art. 86 DSGVO ermöglicht es die Verordnung, dass bei ihrer Anwendung der Grundsatz des Zugangs der Öffentlichkeit zu amtlichen Dokumenten berücksichtigt wird (Satz 1 des EG). Der Zugang der Öffentlichkeit zu amtlichen Dokumenten kann als öffentliches Interesse betrachtet werden (Satz 2 des EG). Personenbezogene Daten in Dokumenten, die sich im Besitz einer Behörde oder einer öffentlichen Stelle befinden, sollten von dieser Behörde oder Stelle öffentlich offengelegt werden können, sofern dies im Unionsrecht oder im Recht der Mitgliedstaaten, denen sie unterliegt, vorgesehen ist (Satz 3 des EG). Daraus folgt, dass sich bei der erwähnten Abwägung mit dem privaten Diskretionsinteresse das öffentliche Informationszugangsinteresse tendenziell durchsetzen dürfte.
3. Dem danach bestehenden Informationszugangsanspruch nach dem BayUIG stehen keine Bestimmungen der unionsrechtlichen DSGVO entgegen.
Die DSGVO genießt, wie alle unionsrechtlichen Verordnungen, in allen Mitgliedstaaten unmittelbare Geltung und Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht. Sie ist deshalb bei der Anwendung des BayUIG in den Blick zu nehmen.
a. Der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO ist eröffnet. Nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO gilt die Verordnung für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.
Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ ist, wie schon oben erwähnt, in Art. 4 Nr. 1 DSGVO definiert und hier ohne Weiteres einschlägig. Eine „Verarbeitung“ ist nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung. Die Bekanntgabe von Umweltinformationen auf der Grundlage des BayUIG ist eine Verarbeitung im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSGVO, und zwar in der Verarbeitungsmodalität der „Offenlegung durch Übermittlung“.
Ein „Dateisystem“ ist nach Art. 4 Nr. 6 DSGVO jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird. Die Akten des Landratsamts zur Bohrgenehmigung erfüllen den Begriff des Dateisystems, da sie die Daten nach bestimmten Kriterien, nämlich über das aus bestimmten Kennziffern bestehende Vorgangsaktenzeichen, erschließen (zur Eigenschaft von Behördenakten als Dateisystem nach der DSGVO siehe die instruktiven Darlegungen des VG Gelsenkirchen, U.v. 27.4.2020 – 20 K 6392/18 – juris Rn. 63 – 74).
b. In Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a bis f, Unterabs. 2 DSGVO werden abschließend sechs verschieden Bedingungen für eine rechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten – hier in der Verarbeitungsmodalität der Übermittlung von Daten auf der Grundlage des BayUIG – formuliert. Mindestens eine dieser Bedingungen muss erfüllt sein. Vorliegend scheidet der Erlaubnistatbestand nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a (Einwilligung der betroffenen Person in die Datenverarbeitung) aus. Einschlägig sind die Tatbestände nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. c und e DSGVO. Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. c DSGVO ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt. Nach der Definition in Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist Verantwortlicher die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Hier ist das Landratsamt Verantwortlicher, da es über die Bekanntgabe der begehrten Informationen im Rahmen des BayUIG entscheidet. Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. e DSGVO ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder die in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Die Abgrenzung dieser beiden Rechtmäßigkeitstatbestände ist für den Fall, dass wie hier Verantwortlicher eine öffentliche Stelle ist, fließend (siehe einerseits für den speziellen Informationszugang nach dem Verbraucherinformationsgesetz des Bundes – VIG – BayVGH, B.v. 15.4.2020 – 5 CS 19.2087 – juris Rn. 25, worin auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. c DSGVO rekurriert wird; andererseits für die nationalen Informationszugangsgesetze generell Schiedermair in BeckOK DatenschutzR, 35. Ed. 1.11.2020, DS-GVO Art. 86 Rn. 3, worin auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. e DSGVO rekurriert wird; zur Verflochtenheit der beiden Tatbestände siehe auch Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 3. Auflage 2020, DS-GVO Art. 6 Rn. 114,115). Jedenfalls eignet beiden Tatbeständen das alle Erlaubnistatbestände außer dem der Einwilligung übergreifende datenschutzverstärkende Prinzip der Erforderlichkeit (dazu Buchner/Petri a.a.O. Rn.15).
Welches Ergebnis sich hier bei alleiniger Berücksichtigung der Rechtmäßigkeitsregelung des Art. 6 Abs. 1 DSGVO ergäbe, kann dahinstehen. Denn zu betrachten ist weiterhin die begrenzte Öffnungsklausel zugunsten der Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO, die eine gewisse Ausgestaltungsbefugnis der Mitgliedstaaten erlaubt, besonders wenn es wie hier um sog. besondere Verarbeitungssituationen gemäß Kapitel IX der DSGVO geht, wozu gemäß Art. 6 Abs. 2 letzter Halbsatz, Abs. 3 Satz 3 letzter Halbsatz, Art. 86 DSGVO auch der Zugang der Öffentlichkeit zu amtlichen Dokumenten zählt. Damit sind neben den unionsrechtlichen Informationsfreiheitsgesetzen auch die nationalen Informationsfreiheits- und Informationszugangsgesetze wie das BayUIG angesprochen. Wie oben näher ausgeführt (siehe oben Nr. 2 b cc) spricht aus diesen Bestimmungen der DSGVO eine Informationszugangsfreundlichkeit der DSGVO, die sich auch bei der Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit und des Begriffs des öffentlichen Interesses in den Erlaubnistatbeständen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO niederschlagen und tendenziell zur Bejahung eines Informationszugangsanspruch nach Maßgabe der nationalen Regelungen führen muss (siehe dazu den Erwägungsgrund (EG) 154 zu Art. 86 DSGVO, insbesondere Satz 2 und 3 des EG).
Das erkennende Gericht hegt keine Bedenken, dass die hier in Rede stehende nationale Regelung des BayUIG, eines Informationszugangsgesetzes nach Art. 6 Abs. 2 letzter Halbsatz, Abs. 3 Satz 3 letzter Halbsatz, Art. 86 DSGVO, mit den Bestimmungen der DSGVO vereinbar ist (zur Konformität des VIG mit dem DSGVO siehe BayVGH, B.v. 15.4.2020 – 5 CS 19.2087 – juris Rn. 25; zur Konformität des IFG, UIG und VIG mit der DSGVO siehe Schnabel in Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 1. Auflage 2019, Rn. 41 ff.) und deshalb der hier gewährte Informationszugang nach dem BayUIG nicht im Widerspruch zur DSGVO steht.
4. Nach alledem war der Klage stattzugeben. Als Unterlegener hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst, da sie keinen Sachantrag gestellt und sich damit nicht in ein Kostenrisiko begeben hat, § 154 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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