IT- und Medienrecht

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Aktenzeichen  4 O 79/20

Datum:
16.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51564
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Passau
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
III.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV.Der Streitwert wird auf 22116,60 Euro festgesetzt.  

Gründe

I. Die Klage ist unbegründet.
1. Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19) kommt lediglich eine Haftung des Fahrzeugherstellers nach § 826 BGB in den Fällen in Betracht, in denen aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung über Jahre hinweg durch eine aktive, ergebnisorientierte und gewollte präzise Programmierung der Motorsteuerungssoftware die Abgasrückführung durch die Motorsteuerungssoftware beeinflusst worden ist, wobei die Entdeckung der verwendeten Software eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte bewirken können (BGH a.a.O., Rz. 19). Das an sich erlaubte Ziel der Erhöhung des Gewinns sei auch im Verhältnis zu dem Käufer eines mit einer derartigen Software betroffenen Fahrzeugs dann verwerflich, wenn es auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung durch arglistige Täuschung der zuständigen Typengenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde – des KBA (§ 2 I EG-FGV) – erreicht werden solle, und dies mit einer Gesinnung verbunden sei, die sich sowohl im Hinblick auf die für den einzelnen Käufer möglicherweise eintretenden Folgen und Schäden als auch im Hinblick auf die insoweit geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt, gleichgültig zeige. Nur ein solches Vorgehen verstoße derart gegen die Mindestanforderungen im Rechts- und Geschäftsverkehr auf dem hier betroffenen Markt für Kraftfahrzeuge, dass ein Ausgleich der bei den einzelnen Käufern verursachten Vermögensschäden geboten erscheine (BGH a.a.O., Rz. 23).
2. Im vorliegenden Fall erschöpft sich die Klage in der Schilderung eines Mangels, der dadurch begründet werde, dass die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeugs Ausnahmevorschriften gesetzeswidrig ausgelegt habe. Die Auslegung und Umsetzung von Ausnahmevorschriften (“Thermofenster“) begründet keinen Verstoß gegen die Mindestanforderungen im Rechts- und Geschäftsverkehr im Sinne der BGH-Rechtsprechung, weil eine bewertende Auslegung von Rechtsvorschriften keine systematische Täuschung zur Umgehung von Rechtsvorschriften darstellt.
Da die die Abgasreinigung (Abgasrückführung und Abgasnachbehandlung) beeinflussende Motorsteuerungssoftware nach der Schilderung des Klägers vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeitet wie auf dem Prüfstand, die Gesichtspunkte des Motorrespektive des Bauteilschutzes auch nach der Auffassung des Klägers Ausnahmetatbestände Art. 5 I a EG-VO 715/2007 darstellen, kann bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte – wie hier – als Anschein weder unterstellt werden, dass die Handelnden bzw. Verantwortlichen bei der Beklagten in Täuschungsabsicht handelten, noch, dass ihre Entscheidung zur Implementierung der Motorsteuerungsfeatures durch Gesinnungslosigkeit im Sinne der BGH-Rechtsprechung befördert wurde. Vielmehr muss in dieser Situation, selbst wenn – einmal unterstellt – hinsichtlich des hier in Rede stehenden Thermofensters von einer objektiv unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegangen werden sollte, eine möglicherweise falsche, aber dennoch vertretbare Gesetzesauslegung und -anwendung durch die Organe in Betracht gezogen werden.
3. Obwohl durch langjährige Diskussionen zur Abgasproblematik sensibilisiert hat auch die Typengenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde keinerlei Anlass für eine Reaktion durch nachträgliche Anordnungen zur Typengenehmigung gesehen. Diese Entscheidung der zuständigen Behörde hat für die Zivilgerichte im Übrigen Tatbestandswirkung.
Einen Anspruch aus § 826 BGB stellt der Kläger daher schlüssig nicht dar.
II. Kosten: § 91 ZPO.
III. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.
IV. Streitwert: § 3 ZPO. Das Gericht hat berücksichtigt, dass sich der Kläger bereits im Antrag eine Nutzungsentschädigung hat abrechnen lassen. Der Antrag zum Annahmverzug ist ohne weiteren wirtschaftlichen Wert. Anwaltskosten und Zinsen bleiben nach § 4 ZPO außer Ansatz. Das Gericht hat daher den Streitwertvorschlag des Klägers in der Klage mit 22116,60 Euro übernommen.


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