Aktenzeichen 11 O 9597/16
ZPO § 32
Leitsatz
1 Bei einer Internetveröffentlichung reicht nach Sinn und Zweck des § 32 ZPO die bloße Abrufbarkeit und damit Möglichkeit der Kenntnisnahme zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit nicht aus. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Veröffentlichung einen deutlichen Bezug zu dem Ort des angerufenen Gerichts in dem Sinne aufweist, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen – Persönlichkeitsrecht des Betroffenen auf der einen Seite, Recht der Freiheit der Berichterstattung andererseits – nach den Umständen des konkreten Falles tatsächlich bereits eingetreten sein kann oder noch eintreten kann. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die haftungsausfüllende Kausalität – hier zwischen einer Berichterstattung und dem Scheitern eines Geschäfts – ist, genau wie die haftungsbegründende Kausalität, in drei Schritten zu prüfen. Der Schaden muss äquivalent und adäquat kausal auf der Rechtsgutsverletzung beruhen und in den Schutzzweck der Norm fallen. Die Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität obliegt dem klagenden Geschädigten. Durch § 287 ZPO werden aber die Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts reduziert. Demnach kann je nach Lage des Falles eine mehr oder minder hohe, jedenfalls aber überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)
3 Müssten Journalisten bei einer Veröffentlichung eines Artikels immer befürchten, auch für etwaige Veränderungen und Verfälschungen in Folgeartikeln zu haften, könnte dies zu einer deutlichen Hemmung bei der Berichterstattung und damit faktisch zu einer Einschränkung der Pressefreiheit führen. Andererseits kann nicht jede noch so kleine Veränderung den Zurechnungszusammenhang unterbrechen. Insbesondere ist die reine Weiterverbreitung durch Dritte dem ursprünglich Verantwortlichen zuzurechnen. Ausschlaggebend ist, ob die Berichterstattung in dem Folgeartikel ein deutlich anderes Gepräge, gerade auch in Hinblick auf die Grundsätze der zulässigen Verdachtsberichterstattung erhält, als der Ausgangsartikel. (Rn. 97) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 78.424.500,00 € festgesetzt.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
A.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Nürnberg-Fürth sachlich und örtlich zuständig.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist gemäß § 1 ZPO, §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig.
Gemäß § 32 ZPO ist auch die örtliche Zuständigkeit gegeben. Vorliegend werden Ansprüche wegen unerlaubter Handlung in Form einer Presseberichterstattung durch Verbreitung von Druckerzeugnissen wie durch Veröffentlichung im Internet geltend gemacht.
Die … mit dem streitgegenständlichen Artikel als Druckerzeugnis ist gemäß der Bestimmung des Verbreiters auch in den Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Nürnberg-Fürth gelangt. Die örtliche Zuständigkeit ist insoweit begründet.
Bei einer Internetveröffentlichung reicht nach Sinn und Zweck des § 32 ZPO die bloße Abrufbarkeit und damit Möglichkeit der Kenntnisnahme zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit nicht aus. Hinzukommen muss vielmehr, dass die als rechtsverletzend beanstandete Internetveröffentlichung einen deutlichen Bezug zu dem Ort des angerufenen Gerichts in dem Sinne aufweist, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen – Persönlichkeitsrecht des Betroffenen auf der einen Seite, Recht der Freiheit der Berichterstattung andererseits – nach den Umständen des konkreten Falles tatsächlich bereits eingetreten sein kann oder noch eintreten kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Veröffentlichung nach den Umständen des konkreten Falles an dem betreffenden Gerichtsort erheblich näher liegt als dies aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre, und die vom Betroffenen behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung auch an diesem Ort eintreten würde, vgl. OLG Jena, BeckRS 2014, 03868.
Ein solcher Bezug zum Landgerichtsbezirk Nürnberg-Fürth ist vorliegend gegeben, da der streitgegenständliche Artikel u.a. klar erkennbar das in Erlangen angesiedelte Unternehmen … betrifft, wie sich bereits aus dem Stichwort, unter dem der Artikel auf der Internetseite aufgeführt wurde „Pleite von … ergibt.
B.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
I.
Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 823, 824 oder 826 BGB jeweils i.V.m. § 249 ff BGB zu.
Unabhängig davon, ob die jeweiligen haftungsbegründenden Voraussetzungen der einzelnen Deliktstatbestände vorliegend erfüllt sind, fehlt es jedenfalls an der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen der geltend gemachten Rechtsgutsverletzung und dem geltend gemachten Schaden.
Zum einen konnte sich die Kammer nicht die Überzeugung bilden, dass das Scheitern der Vereinbarung des Klägers mit der … AG mit der Folge eines vermeintlichen entgangenen Gewinns in der geltend gemachten Höhe kausal auf die streitgegenständliche Berichterstattung der Beklagten vom 25.06.2013 und/oder den Artikel im Tages-Anzeiger vom 26.06.2013 zurückzuführen ist.
Zum anderen fehlt der Zurechnungszusammenhang zwischen der Berichterstattung der Beklagten und dem Abbruch der Verhandlungen zwischen dem Kläger und der … AG.
Die haftungsausfüllende Kausalität ist, genau wie die haftungsbegründende Kausalität, in drei Schritten zu prüfen. Der Schaden muss äquivalent und adäquat kausal auf der Rechtsgutsverletzung beruhen und in den Schutzzweck der Norm fallen. Dabei dienen die beiden letzten Kriterien dazu, die uferlose Weite der Kausalität nach der Äquivalenztheorie zu beschränken. Eine bloße Mitverursachung ist dabei ausreichend (Palandt-Grüneberg, Vorb v § 249, Rn. 33). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 287 Abs. 1 ZPO geringere Anforderungen an die Darlegungslast und an die Überzeugungsbildung des Gerichts zu stellen sind. Die Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität obliegt dem Kläger als dem Geschädigten. Daran ändert sich durch § 287 Abs. 1 ZPO nichts (vgl. Zöller-Greger, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 287 ZPO, Rn. 1). Durch § 287 ZPO werden aber die Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts reduziert. Demnach kann je nach Lage des Falles eine mehr oder minder hohe, jedenfalls aber überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen (BeckOK ZPO/Bacher, 29. Ed. 1.7.2018, ZPO § 287 Rn. 17).
1. Die Kammer ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme bei Zugrundelegung des Maßstabes des § 287 Abs. 1 ZPO und unter Berücksichtigung dessen, dass schon eine Mitverursachung ausreicht, bereits nicht hinreichend davon überzeugt, dass die Berichterstattung der Beklagten vom 25.06.2013 äquivalent und adäquat kausal für den Abbruch der Verhandlungen des Klägers mit der … AG war.
Nach der Äquivalenztheorie ist jedes Ereignis kausal, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (Palandt-Grüneberg, Vorb v § 249, Rn. 25).
Adäquat kausal ist ein Ereignis dann, wenn die Möglichkeit des Schadenseintritts nicht außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit liegt (Palandt-Grüneberg, Vorb v § 249, Rn. 26).
Vorliegend erschien am 25.06.2013 der Artikel „Wetten auf den Absturz“ der Beklagten zu 3) und 4) in der Print- und in der Onlineausgabe der Beklagten zu 1) und 2). Am 26.06.2013 veröffentlichte die überregionale Schweizer Tageszeitung Tages-Anzeiger den Artikel „Spur in deutschem Insiderfall führt zur Bank … unter Bezugnahme auf den Artikel der … Zeitung.
Laut den Angaben des Klägers erhielt er dann bereits am Nachmittag des 26.06.2013 eine Absage hinsichtlich des geplanten Geschäfts.
a) Unschädlich ist zunächst, dass letztlich nicht bewiesen ist, dass die Zeugen … und … die für den Abbruch der Verhandlungen des Klägers mit der …g AG verantwortlich waren, die Berichterstattung in der … Zeitung selbst gekannt haben. Beide Zeugen gaben an, den Artikel in der … Zeitung nicht gekannt zu haben. Der Kläger erklärte im Rahmen seiner informatorischen Anhörung, der Zeuge … habe in dem Telefonat den Artikel im Tages-Anzeiger erwähnt. Dies lässt die Kausalität nach der Äquivalenztheorie und der Adäquanztheorie jedoch noch nicht entfallen. Ohne die Berichterstattung der Beklagten wäre es nicht zu dem Artikel in der Schweizer Tageszeitung gekommen und es liegt auch nicht außerhalb jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit, dass eine Schweizer Tageszeitung die Berichterstattung in der … Zeitung aufgreift, gerade wenn von einer Schweizer Bank die Rede ist.
b) Das Gericht ist jedoch nicht mit der im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO jedenfalls erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass die Berichterstattung der Beklagten und/oder der Artikel im Schweizer Tages-Anzeiger kausal, d.h. zumindest mitursächlich, für das Scheitern des Geschäfts zwischen dem Kläger und der … AG war. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger ist beweisfällig geblieben.
aa) Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Zeugen … und … – und damit gleich zwei Zeugen – ausdrücklich angaben, die geschäftlichen Beziehungen mit dem Kläger seien aufgrund des Artikels im Schweizer Tages-Anzeiger beendet worden.
Die Aussagen der beiden Zeugen stimmen insoweit auch in den Kernpunkten überein. So gaben beide an, man habe zu dem Geschäft auch honorige Persönlichkeiten, Personen mit einer gewissen Reputation eingeladen. Durch den Artikel seien die charakterlichen Fähigkeiten des Klägers in Frage gestellt worden und es habe sich demnach bei dem Kläger um einen ehrlosen Geschäftsmann gehandelt. Aus diesem Grund sei er für das Geschäft nicht mehr tragbar gewesen.
Die Aussagen bestätigen zudem den Vortrag des Klägers, wonach die Berichterstattung ausschlaggebend für den Abbruch der Verhandlungen gewesen sein soll.
Vor allem die Angaben des Zeugen … stimmen weitgehend mit den Angaben des Klägers überein. So hat der Kläger in seiner informatorischen Anhörung erklärt, der Zeuge … habe in dem Telefonat über die Absage des Geschäfts als Grund angegeben, man müsse befürchten, dass der Kläger in Haft genommen werde. Auch der Zeuge … gab in seiner Vernehmung an, dass er dies dem Kläger als Grund für die Absage genannt habe. Dass die Angaben zur zeitlichen Einordnung dieses Telefonats auseinander gehen – der Kläger berichtete von einem Telefonat noch am Nachmittag des 26.06., wohingegen der Zeuge … angab, sich wenige Tage nach Veröffentlichung des Artikels mit dem Zeugen … abgesprochen zu haben und zwei bis drei Tage nach dem Gespräch mit dem Zeugen … den Kläger angerufen zu haben – erscheint der Kammer aufgrund des zwischenzeitlichen Zeitablaufs von etwa fünf Jahren nicht ungewöhnlich.
bb) Dennoch hat die Kammer im Ergebnis Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen … und … wonach der Artikel im Tages-Anzeiger und damit auch die Berichterstattung der Beklagten mitursächlich für den Abbruch der Vertragsverhandlungen gewesen sein soll.
(1) So erscheint es zum einen wenig nachvollziehbar, dass der Zeuge … – was er zweimal betont hat – nicht die Hauptperson bei diesem Geschäft war, letztlich aber die Entscheidung für den Abbruch der geschäftlichen Beziehungen getroffen haben soll. Letzteres geht besonders deutlich aus den Angaben des Zeugen … hervor, wonach er eine Mitteilung von Herrn … bekommen habe. Dieser habe bereits eine eigene Entscheidung gefällt gehabt, dass der Vertrag mit Herrn … nicht machbar sei.
Es verwundert auch, dass bei einem Geschäft, das laut dem Zeugen … einen „Glücksfall“ dargestellt habe und auch dem Zeugen … zufolge hoch interessant in Hinblick auf die Geschäfte mit den Indonesiern gewesen sei, ein derart schneller und unreflektierter Abbruch der Geschäftsbeziehungen mit dem Kläger, der über die … GmbH die Ingenieurleistung für den Auftrag in Indonesien hätte liefern können, erfolgt sein soll. Dies gilt unabhängig davon, ob nun das Telefonat des Zeugen … mit dem Kläger bereits am Nachmittag des Erscheinens des Artikels in der Schweizer Tageszeitung erfolgte, wie vom Kläger angegeben, oder erst wenige Tage danach, wie vom Zeugen … vorgetragen.
So gibt der Zeuge … an, er habe sich nicht erkundigt, welche Vorwürfe in dem Artikel gegenüber dem Kläger gemacht wurden. Er habe sich den Artikel auch nicht schicken lassen.
Der Zeuge … gibt an, er habe den Kläger zwei bis drei Tage nach seinem Gespräch mit dem Zeugen … angerufen. Als er ihn mit den Vorwürfen und mit dem Artikel konfrontiert habe, habe er das relativiert. Er (der Zeuge … habe aber gar nicht mehr gewollt und sie hätten es schnell beendet.
Im Zusammenhang mit der Anklage vor der großen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf gegen den Kläger gab der Zeuge … hingegen an, der Kläger habe bei dem Treffen am 18./19.06. in der Nähe von Basel gesagt, das sei eine alte Geschichte. Sie werde von der Presse aufgebauscht. Wenn etwas daran wahr wäre, wäre er in Haft. Aufgrund der Tatsache, dass der Kläger ein Exklusivrecht von … hatte und er davon ausgegangen sei, dass jemand wie … kein Geschäft mit jemandem macht, der kein ordentlicher Geschäftsmann ist, sei er davon ausgegangen, dass es in Ordnung sei. Sie hätten nicht darüber gesprochen, was genau das Verfahren beinhaltet. Herr … und Herr … die … länger kannten, hätten nur Positives berichtet.
Es wirft jedoch erhebliche Zweifel auf, dass ein bloßer Zeitungsartikel über dubiose Optionen-Deals zur nahezu sofortigen Absage eines äußerst lukrativen Geschäfts, bei dem es sich zudem um einen Glücksfall gehandelt haben soll, geführt haben soll, wohingegen bei einem laufenden Strafverfahren den Unschuldsbeteuerungen des Klägers ohne weiteres geglaubt worden sein soll, ja sogar, ohne sich näher über das Strafverfahren zu informieren. Insoweit ist auch nicht nachzuvollziehen, dass ersteres den von beiden Zeugen erwähnten honorigen Personen nicht zuzumuten gewesen sei, letzteres insoweit jedoch offensichtlich kein Problem darstellte.
Dabei verwundert weiter, dass der Zeuge … angab, wenn er gewusst hätte, dass dem Kläger in Düsseldorf 1.000-facher Betrug zur Last gelegt wurde, hätten sie mit ihm ein intensives Gespräch geführt und sie hätten nach Beweisen gefragt und er hätte dann auch einen Anwalt beigezogen, um diese Frage zu klären. Dann erscheint es aber wenig schlüssig, bei einem bloßen Artikel über dubiose Aktiendeals, bei denen konkret im Zusammenhang mit diesen nicht von einem laufenden Ermittlungsverfahren die Rede war, die Vertragsverhandlungen ohne entsprechende Maßnahmen nahezu umgehend abzubrechen, selbst wenn in dem Artikel von vorliegenden Bankbelegen die Rede war. Nach der Einlassung des Zeugen … wurde dem Kläger hier nicht einmal die Möglichkeit eingeräumt, sich umfassend zu dem Artikel zu erklären. Der Zeuge … gab zu dem Telefonat an: „Als ich ihn mit den Vorwürfen und dem Artikel konfrontiert habe, hat er das relativiert. Ich wollte gar nicht mehr und wir haben es schnell beendet.”
Dabei wird nicht verkannt, dass der Kläger in dem Düsseldorfer Strafverfahren letztlich freigesprochen wurde. Maßgeblich muss jedoch der Verfahrensstand Ende Juni 2013 sein und die Frage, wie sich dieses Strafverfahren für unbeteiligte Außenstehende darstellte. Dementsprechend kann es auch dahinstehen, ob sich die Eröffnung des Hauptverfahrens länger hinzog und nach dem Eindruck des Klägers und seiner Strafverteidigerin wegen einer unzureichenden Beweissituation gute Aussichten auf eine Nichteröffnung bestanden haben. Dies gilt umso mehr, als sich der Zeuge … seinen Angaben zufolge über dieses Strafverfahren ja gerade nicht näher informiert hat.
Ebenso erscheint es wenig nachvollziehbar, dass der Kläger, der nach seinen eigenen Ausführungen bei dem Geschäft mit der … AG allein durch den Einsatz seines Know-how eine Beteiligung von 41,5 % an der … GmbH und dem damit verbundenen ausschüttungsfähigen Gewinn in Höhe von 160,05 Mio. Euro erhalten hätte, die Absage ohne weiteres hingenommen haben soll. Der Zeuge … gibt insoweit an, der Kläger habe nach der Absage nicht versucht, ihn zu kontaktieren.
Schließlich verwundert es, dass der Zeuge … allein aus dem Artikel des Tages-Anzeigers den Schluss gezogen haben will, man habe mit einer Inhaftierung des Klägers rechnen müssen, selbst wenn er diese Argumentation gegenüber dem Kläger nur vorgeschoben haben sollte. Der Artikel im Tages-Anzeiger erwähnt eine mögliche Haftstrafe im Zusammenhang mit den aktuellen Optionendeals nicht, wohingegen die Berichterstattung in der … Zeitung eine solche für den Fall, dass es illegale Transaktion gewesen sein sollten, in den Raum stellt.
(2) Hinzu kommt noch, dass auch die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Frage steht.
Zunächst ist insoweit zu berücksichtigen, dass es sich bei den beiden Zeugen im Ergebnis nicht um völlig neutrale Zeugen handelt, sondern dass diese in das in Rede stehende, letztlich nicht zustande gekommene Geschäft ebenfalls maßgeblich involviert waren. Über die … AG wären die beiden Zeugen nach den Ausführungen des Klägers zu 51 % an dem Geschäft und damit auch an den geltend gemachten ausschüttungsfähigen Gewinnen mitbeteiligt gewesen. Der Zeuge … gab zudem an, seit 2016 auch wieder geschäftlichen Kontakt mit dem Kläger zu haben. Nicht unerwähnt bleiben kann auch, dass der Kläger der Aussage des Zeugen … zufolge die beiden Zeugen am Tag vor der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2018 abgeholt hat und alle zusammen Essen gingen, so dass ausreichend Gelegenheit bestand, die Aussagen aufeinander abzustimmen, wenngleich beide Zeugen angaben, die Aussagen seien nicht durchgesprochen worden bzw. man habe nicht über den Inhalt des Verfahrens gesprochen. Hier verwundert allerdings besonders, dass der Zeuge … das gemeinsame Essen auf die Frage nach Kontakten mit dem Kläger nicht erwähnte.
(3) Trotz der eingangs genannten Aspekte, die für die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen sprechen (s. B. I. 1. b) aa)), verbleiben im Ergebnis insbesondere aufgrund der Vielzahl von wenig nachvollziehbaren Umständen bei dem Abbruch der Verhandlungen bei der Kammer Zweifel in erheblichem Ausmaß, so dass der Beweis der haftungsausfüllenden Kausalität, selbst unter Berücksichtigung des herabgesetzten Maßstabs des § 287 Abs. 1 ZPO und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Mitverursachung ausreichend ist, nicht als geführt angesehen werden kann.
2. Geht man entsprechend den Zeugenaussagen davon aus, dass insbesondere der Zeuge … aber auch der Zeuge … die Berichterstattung der Beklagten selbst überhaupt nicht gekannt haben, scheidet eine Haftung darüber hinaus auch aus rechtlichen Gründen aus. Der geltend gemachte Schaden fällt in diesem Fall dann nämlich nicht in den Schutzzweck der Norm.
Unter dem Gesichtspunkt des Schutzzweckes der Norm ist zur Vermeidung einer zu weitgehenden Kausalität noch eine wertende Beurteilung vorzunehmen. Der Nachteil muss zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage in einem inneren Zusammenhang stehen und gerade durch die Pflichtwidrigkeit der Handlung verursacht worden sein. Eine Reihe von normativen Wertungen kann die Zurechnung von Schadensfolgen unabhängig vom konkreten Haftungsgrund einschränken (vgl. Palandt-Grüneberg, Vorb v § 249, Rn. 29 m.w.N.).
Tritt der Schaden erst durch die Handlung eines Dritten ein, wird der Zurechnungszusammenhang in der Regel nicht durchbrochen (vgl. Palandt-Grüneberg, Vorb v § 249, Rn. 47). Der Zusammenhang zwischen dem eingetretenen Schaden und dem schädigenden Ereignis darf aber nicht so entfernt sein, dass ein Einstehenmüssen des Schädigers unzumutbar erscheint. Von einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs ist dann auszugehen, wenn die Ursächlichkeit des ersten Umstands für das zweite Ereignis völlig unerheblich war. Die Zweitursache muss in Hinblick auf den eingetretenen Schaden so stark in den Vordergrund treten, dass die Erstursache vollständig verdrängt wird und der Schaden dem Erstverursacher nicht mehr zugerechnet werden kann (MüKoBGB/Oetker, 7. Aufl. 2016, BGB § 249 Rn. 142 f.).
Vorliegend weicht der Artikel im Schweizer Tages-Anzeiger derart wesentlich von dem Artikel der Beklagten ab, dass bei wertender Betrachtung ausnahmsweise eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs durch das Dazwischentreten des Artikels im Tages-Anzeiger anzunehmen ist. Der geltend gemachte Schaden ist den Beklagten demnach jedenfalls nicht zurechenbar.
a) Vergleicht man den Artikel der Beklagten mit dem Artikel im Schweizer Tages-Anzeiger, so fallen erhebliche Unterschiede auf.
In dem Artikel der Beklagten wird der Vorwurf des Insiderhandels erkennbar als bloßer Verdacht geschildert. So heißt es etwa im Untertitel: „Interne Dokumente nähren den Verdacht des Insiderhandels.“, und im Artikel selbst: „Unterlagen (…), die den Verdacht erhärten …“. Die Rede ist von „mutmaßlich krummen Geschäften mit Aktien“. Es wird im Konjunktiv dargelegt: „Wenn hier jemand mit Insiderwissen gegen den Absturz der … Aktien gewettet haben sollte – der ohnehin bizarre Fall … wäre um eine Facette reicher.“, und: „Wenn es sogar eine illegale Transaktion gewesen sein sollte, stünde diese in Deutschland unter Strafe …“.
Der Artikel im Schweizer Tages-Anzeiger enthält demgegenüber eine deutliche Verschärfung. In dem Artikel heißt es unter Bezugnahme auf den Artikel der Beklagten: „… habe mit sogenannten Put-Optionen auf einen Sinkflug der Aktien der börsenkotierten … gewettet. Gleichzeitig habe er sogenannte Calls auf den … Titel verkauft. Und dabei sein Insiderwissen missbraucht, das er als Verwaltungsrat der Solarfirma erhielt.“ Hier wird als feststehend behauptet, der Kläger habe sein Insiderwissen bei den Optionen-Geschäften missbraucht. Dies geht deutlich über einen bloßen dahingehenden Verdacht, wie ihn die Beklagten in ihrem Artikel formulierten, hinaus. Der Artikel in der … Zeitung wird insoweit falsch wiedergegeben.
An dieser Stelle zeigt sich zudem, dass in dem Artikel im Schweizer Tages-Anzeiger die Optionengeschäfte ganz klar dem Kläger persönlich zugeordnet werden. Auch insoweit ergibt sich eine deutliche Abweichung vom Artikel der Beklagten. Dort ist von einer Wette der …E die Rede. Ein Bezug zum Kläger wird nur über die … Invest SE hergestellt, die „dereinst in Erlangen unter dem Dach des Firmenimperiums von … angesiedelt gewesen sei und bei der es sich um „eine Firma aus dem direkten Dunstkreis … und von …“ handele. Dem darf nach Auffassung der Kammer auch nicht entgegen gehalten werden, dass ein konkreter Bezug zum Kläger letztlich durch den Abdruck seiner Stellungnahme hergestellt wird. Insoweit handelt es sich schließlich um eine Obliegenheit, die die Beklagten für das Vorliegen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung zu erfüllen hatten (vgl. dazu MüKoBGB/Rixecker, 7. Aufl. 2015, BGB § 12 Anh. Rn. 195).
Dabei ist es zudem irrelevant, ob der Kläger die Optionendeals tatsächlich selbst platziert hat, wie zuletzt von ihm vorgetragen. Entscheidend ist, dass dem Kläger durch den Artikel im Tages-Anzeiger anders als in der Berichterstattung der Beklagten ganz konkret Insiderhandel vorgeworfen wird. Der Artikel im Tages-Anzeiger erscheint als eine Vorverurteilung des Klägers, wohingegen der Artikel der Beklagten äußerst vorsichtig formuliert ist. Auch hierbei handelt es sich um ein Kriterium, das für die Frage einer zulässigen Verdachtsberichterstattung von entscheidender Bedeutung ist.
b) Bei der Frage, ob Folgeartikel den Verantwortlichen der ursprünglichen Berichterstattung zuzurechnen sind, muss außerdem die Bedeutung der Pressefreiheit ausreichend Berücksichtigung finden. Müssten Journalisten bei einer Veröffentlichung eines Artikels immer befürchten, auch für etwaige Veränderungen und Verfälschungen in Folgeartikeln zu haften, könnte dies zu einer deutlichen Hemmung bei der Berichterstattung und damit faktisch zu einer Einschränkung der Pressefreiheit führen. Andererseits kann natürlich nicht jede noch so kleine Veränderung den Zurechnungszusammenhang unterbrechen. Insbesondere ist die reine Weiterverbreitung durch Dritte dem ursprünglich Verantwortlichen durchaus zuzurechnen (so für die Weiterverbreitung eines Beitrags im Internet BGH Urt. V. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, LMK 2014, 356424). Ausschlaggebend muss sein, ob die Berichterstattung in dem Folgeartikel ein deutlich anderes Gepräge, gerade auch in Hinblick auf die Grundsätze der zulässigen Verdachtsberichterstattung erhält, als der Ausgangsartikel. Dann nämlich ist der Zusammenhang zwischen den beiden Artikeln unter Wertungsgesichtspunkten als so entfernt anzusehen, dass eine Zurechnung nicht mehr erfolgen kann. Dies ist vorliegend der Fall, da in dem Artikel des Tages-Anzeigers der Insiderhandel des Klägers als feststehender Sachverhalt geschildert wird und somit eine Vorverurteilung erfolgt. Ein Abdruck der Stellungnahme des Klägers erfolgt zudem nicht. Bei einer falschen Wiedergabe des Ausgangsartikels, wie vorliegend, ist nach Auffassung der Kammer zudem von einem gravierenden Verstoß gegen die journalistischen Sorgfaltspflichten auszugehen, so dass entsprechend der Rechtsprechung des BGH zur Zurechnung von Folgeschäden aus einer Behandlung durch einen nachbehandelnden Arzt nach einem Behandlungsfehler durch den erstbehandelnden Arzt eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs anzunehmen ist (vgl. BGH 2012, 2024, 2025 m.w.N.).
c) Nach Überzeugung der Kammer war vorliegend zudem gerade die Verschärfung der Berichterstattung ausschlaggebend, sofern man denn überhaupt von einer Kausalität der Berichterstattung ausgehen möchte. So gibt der Zeuge … an: „Die Formulierungen waren aber so eindeutig und krass.“ Nach der Auffassung der Kammer kann man gerade dies aber von dem Artikel der Beklagten, den der Zeuge … seinen Angaben zufolge ja auch gar nicht gelesen hat, nicht behaupten. Die Bankbelege als Beweise, auf die der Zeuge … überdies Bezug nimmt, werden vom Tages-Anzeiger ebenfalls ganz klar dem Kläger zugewiesen. So heißt es dort: „… (…) habe am 8. März 2010 bei einem Kundenberater von … einen heiklen Börsenauftrag platziert, berichtet die «… Ihr lägen die entsprechenden Orders bei … in Kopie vor, schreibt die Zeitung.“ In dem Artikel der Beklagten ist demgegenüber zwar die Rede davon, dass der … Kopien der entsprechenden Orders vorlägen. Diese werden jedoch nicht der Person des Klägers zugewiesen, zumal auf diesen auch nicht der Kläger, sondern die … ausgewiesen ist (vgl. Anlagen B 22 und 23).
d) Bei wertender Betrachtung, bei der auch die besondere Bedeutung der Pressefreiheit nicht unberücksichtigt bleiben darf, muss nach Auffassung der Kammer demnach vorliegend von einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs durch das Dazwischentreten des Artikels „Spur in deutschem Insiderfall führt zur Bank … im Schweizer Tages-Anzeiger ausgegangen werden.
3. Auf die Frage, wie weit die Vertragsverhandlungen mit der … AG und die beiden Projekte „… und „… bereits fortgeschritten waren und auf die Schadenshöhe kommt es daher nicht mehr an.
Entscheidungserhebliches Vorbringen, welches Anlass zu weiterer tatsächlichen Aufklärung gibt, findet sich in den seit der letzten mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätzen nicht, so dass eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten war.
II.
Mangels Anspruchs in der Hauptsache besteht auch kein Anspruch auf Zinsen ab Rechtshängigkeit.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.