IT- und Medienrecht

Kein Anspruch auf Beseitigung der Protokollierung falscher Beschuldigungen in einem Versammlungsprotokoll nach erheblichem Zeitablauf

Aktenzeichen  213 C 10547/16 (2)

Datum:
20.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 129355
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 42 Nr. 1
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1
ZPO § 62

 

Leitsatz

1 Bei einem Anspruch auf Unterlassung ehrverletzender Verbreitung unrichtiger Beschuldigungen (hier in einem Versammlungsprotokoll) können die verletzenden Wirkungen durch Zeitablauf bzw. langes Zuwarten bis zu einem Vorgehen gegen die Beeinträchtigung beseitigt sein (Anschluss OLG Karlsruhe BeckRS 2003, 09525). Bei einem Zuwarten von mehr als dreieinhalb Jahren ist dies anzunehmen. (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Antrag auf Entfernung von Textpassagen aus dem Protokoll einer Eigentümerversammlung, welches durch den Verwalter und drei Verwaltungsbeiräte unterzeichnet ist, ist nur zulässig, wenn er sich gegen alle Unterzeichner und damit Ersteller des Protokolls als notwendige Streitgenossenschaft iSd § 62 ZPO richtet. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist insgesamt bereits unzulässig, da den Anträgen das Rechtsschutzbedürfnis fehlt und hinsichtlich des Antrags zu 2. die Beklagte zudem nach den Grundsätzen des § 62 ZPO nicht allein in Anspruch genommen werden kann.
1. Der Kläger beruft sich auf einen Unterlassungs- bzw. Berichtigungsanspruch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 analog BGB unter dem Gesichtspunkt einer ehrverletzenden Verbreitung unrichtiger Tatsachen durch die Beklagte. Faktisch verlangt er somit den Widerruf und die Beseitigung der Folgen der Aufnahme des Inhalts des zitierten Schreibens in das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 03.04.2012.
a. Bei derartigen Ansprüchen ist anerkannt, dass die verletzenden Wirkungen durch Zeitablauf bzw. langes Zuwarten bis zu einem Vorgehen gegen die Beeinträchtigung beseitigt sein können (BGH, Urteil vom 15. November 1994 – VI ZR 56/94 –, BGHZ 128, 1–16, Rn. 61 juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 03. April 2003 – 19 U 168/02 –, Rn. 5, juris, m.w.N.). So hat das OLG Karlsruhe a.a.O. im Fall einer mündlichen, im kleinen Kreis abgegeben unwahren und ehrverletzenden Tatsachenbehauptung das Rechtsschutzbedürfnis verneint, da der Kläger erst über ein Jahr nach dem Vorfall Klage eingereicht hatte.
b. Ähnlich liegt der Fall hier: Der Kläger hat sogar mehr als dreieinhalb Jahre zugewartet, bis er die Beklagte im Wege der Einleitung eines Schlichtungsverfahrens in Anspruch genommen hat, dies lediglich wenige Tage vor Verjährungseintritt. Bis zur Klageerhebung sind somit sogar mehr als vier Jahre vergangen, ohne dass der Kläger einen vernünftigen Grund für dieses lange Zuwarten vorbringen konnte. Dass der Kläger über diesen langen Zeitraum hinweg keine „uferlose Zeit“ gehabt haben will, sich um die Angelegenheit zu kümmern, wie er in der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2016 angegeben hat, ist nicht nachvollziehbar. Nachdem er ohnehin anwaltlich vertreten ist, hätte es allenfalls den zeitlichen Aufwand einiger Stunden benötigt, um eine Inanspruchnahme der Beklagten auch früher in die Wege zu leiten. Indem der Kläger jedoch über Jahre hinweg die Behauptung widerspruchslos hingenommen hat, hat er nicht nur bei der Beklagten den Anschein erweckt, dass die Angelegenheit erledigt ist sondern auch in objektiver Hinsicht zum Ausdruck gebracht, dass ihm die Verbreitung der Äußerungen offensichtlich nicht so wichtig war. Gerade bei einer Rechtsverletzung im begrenzten Kreis (hier: 20 Miteigentümerparteien) und auch einer schriftlichen Fixierung im Protokoll wäre es nahe gelegen, sich sofort um eine Unterlassung bzw. Entfernung zu kümmern, um eine Verbreitung der Äußerungen z.B. durch Weitergabe oder Einsichtnahme in das Protokoll, wie der Kläger es befürchtet, sofort zu unterbinden. Für ein Fortbestehen der beeinträchtigenden Wirkung trotz Zeitablaufs, etwa durch weitere Verbreitung der Äußerung, oder gestiegenes Interesse (vgl. hierzu OLG Karlsruhe a.a.O.) liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.
2. Der Antrag auf Entfernung von Textpassagen aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 03.04.2012 ist im Übrigen auch deshalb unzulässig, weil die Beklagte diesen Anspruch allein nicht erfüllen kann. Zusätzlich zu der Beklagten bzw. deren Geschäftsführer haben das Protokoll noch drei Verwaltungsbeiräte, nämlich die Eigentümer … und … unterzeichnet. Diese Personen sind allesamt als Ersteller des Protokolls anzusehen, so dass eine inhaltliche Änderung wie die Entfernung protokollierter Teile einer Mitwirkung aller Unterzeichner bedarf, wodurch ein Fall der notwendigen Streitgenossenschaft des § 62 ZPO besteht. Nachdem der Kläger lediglich die Beklagte auf Leistung in Anspruch genommen hat, ist die Klage auch unter diesem Gesichtspunkt unzulässig.
Selbst wenn man der Ansicht folgen würde, dass gegen die Unterzeichner nicht notwendig gemeinsam auf Leistung geklagt werden muss, sondern auch eine separate Inanspruchnahme möglich ist (vgl. zum Streitstand Zöller-Vollkommer, 31. Aufl., ZPO Rn. 17 f.), würde einer solchen Vorgehensweise jedenfalls aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls ebenfalls das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Der Anspruch auf Berichtigung unterliegt nämlich der regelmäßigen Verjährungsfrist (§§ 195, 199 BGB), so dass in Bezug auf die weiteren Mitunterzeichner bereits Verjährung eingetreten wäre und somit erhebliche Bedenken gegen die Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche bestehen. Im Hinblick auf diese Unklarheit wäre es daher zumutbar, zweckmäßig und geboten, alle Anspruchsgegner gemeinsam zu verklagen.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708, 711 ZPO.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 3 ZPO, 48 Abs. 2, 63 Abs. 2 S. 1 GKG. Wertbestimmend ist die Beeinträchtigung, die von dem beanstandeten Verhalten verständigerweise zu besorgen ist und die mit der jeweils begehrten Maßnahme beseitigt werden soll; dabei ist unter Zugrundelegung des § 48 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach billigem Ermessen eine Schätzung vorzunehmen. Das Gericht hat hierbei insbesondere berücksichtigt, dass das beanstandete Verhalten lange zurückliegt, vom Kläger jahrelang geduldet wurde, die Beklagte die Behauptungen nicht selbst aufgestellt sondern lediglich verbreitet und einem beschränktem Personenkreis zugänglich gemacht hat und auch die Äußerungen selbst vage bleiben. Unter diesen Gesichtspunkten scheint ein Wert von je 1.000,00 € für den Unterlassungs- und den Beseitigungsantrag angemessen, aber auch ausreichend.


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