IT- und Medienrecht

Kein Anspruch eines Patienten auf Änderung eines ärztllichen Entlassberichtes

Aktenzeichen  63 O 1516/18 Hei

Datum:
8.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 45534
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Kempten
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 362, § 611, § 630a, § 630b, § 630c Abs. 2, § 630h Abs. 3

 

Leitsatz

Einem Patienten steht gegen das Krankenhaus kein Anspruch auf Änderung eines ärztlichen Entlassberichts zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus einer Hauptleistungspflicht des Behandlungsvertrages noch etwa aus einer selbständig einklagbaren Nebenleistungspflicht. Die Änderung eines fehlerhaften Arztbriefes stellt allenfalls eine Nebenleistungspflicht dar, die aber grundsätzlich keinen selbständig einklagbaren Anspruch auf Richtigstellung begründet (Bestätigung von OLG Koblenz BeckRS 2018, 8575). (Rn. 25 – 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Änderung des Entlassberichtes betreffend der beiden Textpassagen zu.
a) Zwar ist die Beklagte vorliegend als Partei des Behandlungsvertrages (§§ 630 a, 630 b, 611 BGB) die richtige Adressatin für den Anspruch gegenüber ihrer Patientin.
b) Ein solcher Anspruch ergibt sich aber vorliegend weder aus einer Hauptleistungspflicht des Behandlungsvertrages noch etwa aus einer selbständig einklagbaren Nebenleistungspflicht.
Die Änderung eines fehlerhaften Arztbriefes stellt allenfalls eine Nebenleistungspflicht dar, die aber grundsätzlich keinen selbständig einklagbaren Anspruch auf Richtigstellung begründet (OLG Koblenz, VersR 2018, 613; LG Aachen, 1999, 2746; LG Koblenz, BeckRS 2017/133327; BeckOK BGB 2019 § 823 Rn. 932; Hohloch NJW 1982, 2577).
Der Entlassbrief/Arztbrief dient nicht der Erfüllung des Vertragszwecks selbst, welcher bereits mit der Durchführung der Behandlungsmaßnahme erreicht ist, sondern dient über den Vertragszweck hinaus der Dokumentation der Behandlungsmaßnahme und gewährleistet auf diesem Wege eine sachgerechte Weiterbehandlung durch die nachfolgenden Ärzte.
Die Aufzeichnungspflicht des Arztes ist, da sie ihm gegenüber den Patienten aufgegeben ist, zwar nicht bloße Obliegenheit, deren Nichterfüllung einen Rechtsverlust des Arztes bewirkt, sie erschöpft sich auch nicht in ihrer prozessualen Funktion, ist aber keine Leistungspflicht des Arztes, die der Patient selbständig einklagen könnte (LG Koblenz, BeckRS 2017, 133327; Hohloch NJW 1982, 2577).
Im vorliegenden Fall ist dabei von Bedeutung, dass die Beklagte mit dem Bericht vom 15.01.2018 (Anlage K 1) dieser Verpflichtung nachgekommen ist, so dass ohnehin von Erfüllung (§ 362 BGB) auszugehen ist.
Die behandelnden Ärzte haben die erhobenen Befunde, die eingeleitete Therapie sowie ihre Diagnose in dem Bericht vom 15.01.2018 (Anlage K 1) ausführlich dargelegt.
Gegenstand des Rechtsstreits ist daher nicht die Erfüllung der Nebenpflicht als solche, sondern allenfalls deren mögliche Schlechterfüllung durch die Beklagte.
2. Auch ein Schadenersatzanspruch (§§ 280 I, 630 a, 630 b, 611, 249 ff. BGB) wegen Schlechterfüllung auf Erstellung eines neuen, korrigierten, einheitlichen Berichtes steht der Klägerin nicht zu.
Hierbei ist zunächst zwischen den beiden beanstandeten Textpassagen zu differenzieren.
a) Soweit betreffend des Abschnittes Krankheitskonzept auf Seite 5 des Berichtes vom 15.01.2018 (Anlage K 1) eine Streichung des Satzes „auch an späteren Arbeitsstellen fühlte sich die Patientin immer wieder abgelehnt, worauf sie vermeidend mit Rückzug oder Arbeitsplatzwechsel reagierte“ begehrt wird, ist zu berücksichtigen, dass sich ein Anspruch auf Widerruf auf die Richtigstellung falscher Tatsachenbehauptungen beschränkt (BGH NJW 1989, 774; NJW 76, 297).
Soweit die Klägerin die Streichung des Satzes begehrt, ist darin ein Widerrufsbegehren zu erblicken (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1990, 765).
Dagegen sind Werturteile und Meinungsäußerungen eines Widerrufs nicht zugängig (BGH NJW 1989, 774).
Eine ärztliche Bewertung/Diagnose stellt eine Wertung in diesem Sinne dar. Dies gilt auch für die benannte Textpassage. Diese befindet sich unter dem Abschnitt Krankheitskonzept, was als Gesamtheit der eine Krankheit betreffenden Erklärungen und Vorstellungen verstanden wird und damit schon begriffsnotwendig ärztliche Wertungen enthält.
Dies gilt auch für den streitgegenständlichen Satz, der Beobachtungen des Arztes beschreibt und daraus ärztliche Wertungen – „worauf sie vermeidend mit Rückzug oder Arbeitsplatzwechsel reagierte“ – zieht.
Insofern handelt es sich, ähnlich wie bei einem Sachverständigengutachten, um eine Schlussfolgerung aus tatsächlichen Beobachtungen.
Schlüsse, die ein Arzt mit einer solchen Diagnose aus seiner Beobachtung und Bewertung herleitet sind Werturteile und nicht das Behaupten von Tatsachen (BGH NJW 1989, 774).
Eine solche ärztliche Beurteilung ist wie andere Beurteilungen ihrem Wesen nach nicht widerrufbar. Sie mag angezweifelt werden und kann sich als irrig erweisen. Ein Arzt kann aber grundsätzlich nicht gezwungen werden sie zu widerrufen und damit der Wahrheit zuwider erklären, dass er nicht zu der geäußerten fachlichen Meinung gelangt ist.
Von einem dem Widerruf zugänglichen Tatsachenbehauptung ist nur in engen Ausnahmefällen auszugehen, etwa wenn eine die Schlussfolgerung tragende Befunderhebung nur vorgetäuscht ist, wenn die Befunderhebung in fachlich-methodischer Hinsicht ersichtlich defiziär ist oder wenn dem Gutachter jedwedige Kompetenz für die Behauptung der in Rede stehenden Frage fehlt bzw. objektiv nicht haltbare, ehrverletzende Diagnosen enthält (Düsseldorf OLGR 93, 178; OVG Münster, BeckRS 2009, 30442).
Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend offensichtlich nicht gegeben.
b) Auch betreffend des benannten Klammerinhalts „(wegen Gefühl abgelehnt zu werden)“ im Abschnitt soziobiografische Anamnese auf Seite 3 des Berichts vom 15.01.2018 (Anlage K 1) besteht kein Schadenersatzanspruch der Klägerin auf Erstellung eines neuen Arztberichtes ohne die bemängelte Passage.
In diesem Zusammenhang ist zunächst von Bedeutung, dass bereits in den ergänzenden Stellungnahmen der Beklagten vom 24.01.2018 (Anlage K 3) und 17.04.2018 (Anlage K 4) eine Korrektur entsprechend der Sicht der Klägerin vorgenommen wurde, so dass die begehrte Klarstellung ohnehin bereits erfolgte.
Ferner ist, ausgehend vom Zweck des Arztbriefes als Sicherung medizinischer Daten und Fakten und des Behandlungsverlaufs, dem benannten Klammerinhalt eine Rechtsgutverletzung im Sinne der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 GG) bzw. Art. 12 GG) nicht zu entnehmen, so dass der Klägerin auch insoweit kein Beseitigungsanspruch auf Abfassung eines korrigierten, einheitlichen Berichtes zusteht.
Die Klage war folglich abzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
III.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben