IT- und Medienrecht

Kein Haftungsprivileg bei unentgeltlicher Einlagerung fremder Grabsteine

Aktenzeichen  7 U 4106/17

Datum:
8.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MDR – 2018, 1384
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 688, § 690
HGB § 47 Abs. 2, § 354, § 467, § 468 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 255, § 259, § 308

 

Leitsatz

1. Gestattet ein Steinmetz, der Kaufmann ist, nicht nur im Einzelfall die Einlagerung fremder Grabsteine auf seinem Betriebsgelände, so gehört dies zu seinem Handelsgewerbe. Damit liegt jeweils ein handelsrechtliches Lagergeschäft vor, dessen Entgeltlichkeit vermutet wird. Ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis ohne Rechtsbindungswillen scheidet daher aus. (Rn. 13)
2. Ist der Einlagerer Verbraucher, hat der Lagerhalter (Steinmetz) das Lagergut (Grabstein) zu kennzeichnen. Verstößt er hiergegen und kommt der Grabstein abhanden, kann sich der Lagerhalter auch bei einem unentgeltlichen Geschäft nicht auf das Haftungsprivileg des § 690 BGB berufen. (Rn. 21)
3. Ist im Falle des § 655 ZPO eine Fristsetzung „ab Rechtskraft des Urteils“ beantragt, verstößt das Gericht gegen § 308 ZPO, wenn es einen früheren Fristbeginn festsetzt, insbesondere wenn dies sogar zu einem Fristablauf vor Eintritt der Rechtskraft führt. (Rn. 16)
4. Die Herausgabeklage unter Fristsetzung nach § 255 ZPO kann mit einer bedingt für den Fall der nicht fristgerechten Herausgabe erhobenen Schadensersatzklage verbunden werden, wenn die Voraussetzungen des § 259 ZPO vorliegen. (Rn. 19)

Verfahrensgang

11 O 3713/15 2017-11-13 Endurteil LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten werden das Endurteil des Landgerichts München II vom 13.11.2017 und das Versäumnisurteil des Landgerichts München II vom 16.9.2015 (Az. jeweils 11 O 3713/15) abgeändert und neu gefasst gemäß den folgenden Ziffern.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger das im August 2010 übergebene Grabmal aus „andeer grün Gneis“, versehen mit einem Bronzekreuz sowie mit der Bronzeaufschrift „Familie Wunderlich“, mit den Maßen 115 cm breit, 110 cm hoch, 18 cm tief und fünf Einfassungssteine aus „Andeer grün Gneis“ mit Querschnitt 17 cm x 10 cm, bestehend aus einem Stein mit einer Länge 200 cm, zwei Steinen mit einer Länge von jeweils 180 cm und zwei Steinen mit einer Länge von jeweils 43 und 48 cm, herauszugeben.
3. Der Beklagten wird eine Frist zur Erfüllung der Herausgabe bis 8.9.2018 gesetzt.
4. Für den Fall der Nichterfüllung der Herausgabeverpflichtung binnen der Frist gemäß Ziffer 3 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 3.022,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 9.9.2018 zu bezahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine außergerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 389,84 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.8.2015 zu bezahlen.
6. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
7. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
8. Die Beklagte hat die Kosten ihrer Säumnis in erster Instanz zu tragen. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 44 Prozent und die Beklagte 56 Prozent zu tragen.
9. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
10. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten hat nur zum Teil Erfolg. Im übrigen war sie als unbegründet zurückzuweisen.
I. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Herausgabe des Grabmals verurteilt. Die Herausgabepflicht ergibt sich aus §§ 695 BGB, 473 HGB.
1. Zwischen den Parteien ist ein Verwahrungsverhältnis in Form eines handelsrechtlichen Lagergeschäfts zustande gekommen.
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte dem gegenüber darauf, dass es sich bei dem Abstellen des Grabmals auf dem Betriebsgelände der Beklagten um eine bloße Gefälligkeit ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen gehandelt habe. Eine bloße Gefälligkeit setzt begrifflich Unentgeltlichkeit voraus, umgekehrt schließt Unentgeltlichkeit eine rechtliche Verbindlichkeit nicht aus. Eine Gefälligkeit hat dann rechtsgeschäftlichen Charakter, wenn der Leistende Rechtsbindungswillen hat und der Empfänger die Leistung in diesem Sinne entgegen genommen hat. Hierbei ist nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen nicht der innere Wille des Leistenden maßgeblich, sondern wie der Empfänger die Leistung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen durfte; dies beurteilt sich nach der Art der Gefälligkeit, ihrem Grund und Zweck und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, insbesondere dem Wert der anvertrauten Sache (BGH, Urteil vom 22.6.1956 – I ZR 198/54, Rz. 13 ff.; OLG Brandenburg, Urteil vom 11.6.2008 – 4 U 139/07, Rz. 32 ff.).
Nach diesen Grundsätzen kann aus der maßgeblichen Sicht des Klägers (objektiver Empfängerhorizont) an einem rechtsgeschäftlichen Bindungswillen der Beklagten nicht gezweifelt werden. Wenn ein Steinmetz die Ablagerung eines Grabmals auf seinem Betriebsgelände, wo sich eine Vielzahl vergleichbarer Gegenstände befindet, gestattet, ist dies nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte so zu verstehen, dass der Steinmetz damit eine rechtsgeschäftliche Einstandspflicht für die deponierten Gegenstände übernimmt. – Ob der Geschäftsführer der Beklagten dies tatsächlich so verstanden hat, ist nach der Lehre vom objektiven Empfängerhorizont irrelevant.
Hinzu kommt folgendes: Die Beklagte ist Formkaufmann (§§ 13 GmbHG, 6 HGB). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts (LGU S. 5 Mitte) gehört das Einlagern von Grabsteinen durchaus zum Geschäftsinhalt der Beklagten und damit zu ihrem Handelsgewerbe. Damit besteht die – nicht widerlegte – Vermutung der Entgeltlichkeit der Einlagerung nach § 354 HGB. Entgeltlichkeit aber schließt nach den obigen Ausführungen die Annahme eines Gefälligkeitsverhältnisses aus.
2. Eine eventuelle Unmöglichkeit der Herausgabe schließt die Tenorierung des Herausgabeanspruchs unter Fristsetzung nicht aus. Das genaue Schicksal des Grabmals ist ungeklärt. Die Verweisung des Klägers auf Schadensersatzansprüche nach § 283 BGB wäre daher für den Kläger mit Unwägbarkeiten behaftet. Genau vor diesen Unwägbarkeiten will § 255 ZPO den Kläger schützen, indem er die Möglichkeit der befristeten Titulierung des Herausgabeanspruchs und den anschließenden Übergang zu Schadensersatzsprüchen nach § 281 BGB eröffnet.
II. Der Korrektur unter dem Gesichtspunkt des § 308 ZPO bedarf jedoch die landgerichtliche Fristsetzung.
Der Kläger hatte die Setzung einer Frist ab Rechtskraft des Urteils beantragt. Das Landgericht hat dem gegenüber eine Frist bis zum 2.1.2018 gesetzt. Diese Frist ist vor Rechtskraft des Urteils abgelaufen. Damit hat das Landgericht dem Kläger unter Verstoß gegen § 308 ZPO mehr zugebilligt, als der Kläger beantragt hatte. Dies hat das Berufungsgericht von Amts wegen zu korrigieren (vgl. BGH, Urteil vom 7.3.1989 – VI ZR 183/88, Rz. 9; Thomas / Putzo / Reichold, ZPO, 38. Aufl., § 308 Rz. 5).
Das gegenständliche Urteil wird mit Verkündung rechtskräftig. Dem Senat erschien eine Herausgabefrist von einem Monat ab Verkündung / Rechtskraft, mithin bis zum 8.9.2018 angemessen.
III. Für den Fall der Nichtherausgabe binnen der gesetzten Frist steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch in Höhe des zuerkannten Betrages zu; die weitergehende Schadensersatzklage war abzuweisen.
1. Insoweit ist die Klage auf zukünftige Leistung zulässig. Unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO kann die befristete Herausgabeklage nach § 255 ZPO mit einer unter die Bedingung der Nichtherausgabe gestellten Schadensersatzklage verbunden werden (BGH, Beschluss vom 28.9.2017 – V ZB 63/16, Rz. 10). Es muss also die Besorgnis der Nichterfüllung des Schadensersatzanspruchs bestehen. Hierfür genügt es, wenn der Schuldner den Anspruch ernsthaft bestreitet (BGH, Urteil vom 20.6.2005 – II ZR 366/03, Rz. 7). Letzteres ist vorliegend der Fall.
2. Der Anspruch dem Grunde nach ergibt sich aus §§ 280, 281 BGB. Mit Fristablauf hat die Beklagte ihre Pflicht zur Herausgabe trotz angemessener Fristsetzung nicht erfüllt.
Ein Verschulden der Beklagten wird vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Beklagte hat sich insoweit nicht entlastet. Die Haftungserleichterung des § 690 BGB (der über § 347 Abs. 2 HGB auch für das Lagergeschäft gilt) kommt der Beklagten aus mehreren Gründen nicht zugute. Zum einen kann schon nicht von einer unentgeltlichen Verwahrung ausgegangen werden. Zum anderen trägt die Beklagte zur Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten nur vor, dass sie die eigenen Grabsteine bei Aufgabe des Betriebsgeländes entsorgt hat; damit kann sie sich hinsichtlich des Umgangs mit fremden Grabsteinen nicht entlasten. Und schließlich wäre die Beklagte nach § 468 Abs. 2 Nr. 1 HGB verpflichtet gewesen, das Grabmal des Klägers zu kennzeichnen, da es sich bei dem Kläger um einen Verbraucher handelt. Hiergegen wurde offensichtlich verstoßen. Dies wertet der Senat als grobe Fahrlässigkeit, so dass eine Berufung auf Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten ausscheidet (§ 277 BGB).
3. Den Schaden des Klägers in der Hauptsache schätzt der Senat auf den zuerkannten Betrag.
a) Auszugehen ist vom Grundsatz der Naturalrestitution. Der Kläger ist daher so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Dies impliziert, da er die bisherige Grabanlage durch das schädigende Ereignis verloren hat, die Neuherstellung einer entsprechenden Grabanlage oder die Erstattung der Kosten hierfür. Ausgangspunkt einer Schadensbemessung müssen daher die Kosten der Neuherstellung sein.
Sachverständigengutachten hat keine Partei angeboten. Dies bedeutet aber nicht, dass der Kläger beweisfällig geblieben ist. Vielmehr ist ein Mindestschaden nach § 287 ZPO zu schätzen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BGH, Urteil vom 6.12.2012 – VII ZR 84/10, Rz. 24).
b) Hiernach kommt der Senat zunächst auf Herstellungskosten von 3.556,- €.
Den Grabstein als solchen bewertet der Kläger aufgrund des von ihm vorgelegten Kostenvorschlages des Steinmetzbetriebs B. GmbH (Anlage K 11) mit 2.480,- €. Der Geschäftsführer der Beklagten, selbst fachkundiger Steinmetz, bewertet den Stein als solchen mit 2.000,- €. Dem Senat stehen also zwei fachkundige Stellungnahmen, die jeweils Parteivortrag sind, zur Verfügung. Der Senat setzt daher insoweit den Mittelwert von 2.240,- € an.
Grabkreuz und Grabinschrift bewertet der Kläger nach dem genannten Kostenvoranschlag (Anlage K 11) mit 476,- € bzw. 340,- €. Eine Stellungnahme der Beklagten hierzu fehlt. Der Senat setzt daher die genannten Beträge an.
Für die fünf Einfassungssteine fehlt jegliche konkrete Schätzgrundlage. Soweit sich der Kläger insoweit auf eine Rechnung über die ursprünglichen Herstellungskosten bezieht, wurde eine solche nicht vorgelegt. Da nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Mindestschaden zu schätzen ist und jedenfalls soviel gesagt werden kann, dass die Einfassungssteine nicht wertlos sind, setzt der Senat mangels greifbarer Anhaltspunkte einen symbolischen Mindestbetrag von 100,- € je Stein, mithin zusammen 500,- € an.
c) Unter Berücksichtigung eines Abzugs alt für neu von 15% ergibt sich der zuerkannte Betrag.
Ein Abzug alt für neu kann nicht mit der Erwägung verneint werden, dass Grabsteine eine praktisch unbegrenzte Lebensdauer hätten. Denn dies wird zwar nach menschlichen Maßstäben zutreffen, schließt es aber nicht aus, dass ein Grabstein verwittert und verschmutzt und dass aufgebrachte Bronzegegenstände der Korrosion unterliegen. Dies rechtfertigt einen Abzug alt für neu dem Grunde nach. Bei der Bemessung des Abzugs war zu berücksichtigen, dass ein Grabstein anders als etwa Gebrauchsgegenstände eine potentiell unbegrenzte Lebensdauer aufweist, so dass eine Wertminderung nur aus der Verwitterung und Verschmutzung folgt und sich daher eine Bemessung der Wertminderung nach schematisch-mathematischen Grundsätzen nach der Lebensdauer verbietet. Laut Vortrag des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung durch das Landgericht ist das Grabmal im Jahr 1975 erstmals errichtet worden, ist also rund 40 Jahre alt. Wenn man von einer Wertminderung durch Verwitterung bzw. Verschmutzung von 0,3 – 0,5 Prozent pro Jahr (da wären rund 11,- – 18,- €, die bei einer jährlichen Reinigung durch einen Fachbetrieb sicher anfallen würden) ausgeht, erscheint ein geschätzter Abzug alt für neu von 15 Prozent plausibel.
d) Die Umsatzsteuer auf diesen Betrag kann der Kläger nicht verlangen, solange diese nicht (aufgrund tatsächlicher Neuerrichtung des Grabmals) angefallen ist (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB).
4. Die diesbezügliche Zinsentscheidung folgt aus §§ 288, 291 BGB. Mit Zustellung der Klage wurde auch der bedingte Schadensersatzantrag rechtshängig (BGH, Urteil vom 24.1.1990 – VIII ZR 296/88, Rz. 25). Mit Ablauf der gesetzten Frist entsteht der Schadensersatzanspruch und wird fällig, so dass er aufgrund seiner bereits gegebenen Rechtshängigkeit ab dem Folgetag zu verzinsen ist.
IV. Dem Kläger stehen die geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten zu, allerdings nur aus einem Gegenstandswert in Höhe von 3.022,60 €.
Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten ergibt sich zwar nicht unter Verzugsgesichtspunkten. Die Beklagte befand sich vor Beauftragung des Klägervertreters mit der Herausgabe des Grabsteins mangels Mahnung nicht im Verzug. Denn die Herausgabe wurde soweit ersichtlich erstmals mit Schreiben des Klägervertreters vom 9.3.2015 (Anlage K 6) verlangt. Auch ergibt sich der Anspruch nicht als unselbständiger Schadensposten im Rahmen des Schadensersatzanspruchs nach §§ 280, 281 BGB. Denn dieser entsteht erst mit Ablauf der vom Senat gesetzten Frist und bestand daher bei Beauftragung der nunmehrigen Klägervertreter noch nicht.
Der Anspruch ergibt sich jedoch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Die Beklagte war wie dargestellt verpflichtet, das Grabmal des Klägers zu kennzeichnen. Dies impliziert die selbstverständliche Nebenpflicht des Verwahrers / Lagerhalters, dem Kunden jederzeit Auskunft über den Verbleib des verwahrten Gutes zu geben. Diese Pflicht hat die Beklagte jedenfalls vor Beauftragung der Klägervertreter verletzt; wie sich daraus ergibt, dass der Kläger diese Auskunft bereits mehrfach angefordert hatte (vgl. Anl. K 1, K 4). Vor diesem Hintergrund war der Kläger berechtigt, eine Rechtsanwaltskanzlei einzuschalten, was kausal auf die genannte Pflichtverletzung der Beklagten zurückgeht.
Die diesbezüglichen Gebühren des Klägervertreters sind jedoch im Rahmen des dargestellten Schadensersatzanspruchs nur nach dem tatsächlichen Wert des Grabmals, wie ihn der Senat geschätzt hat, ersatzfähig.
V. Die Hilfsaufrechnung der Beklagten gegen den streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch ist aus prozessualen Gründen zurückzuweisen. Sie hätte aber auch materiell derzeit keinen Erfolg.
1. Zu Recht hat das Landgericht die Hilfsaufrechnung nicht berücksichtigt. Denn sie wurde erst mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 26.10.2017 und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erklärt (§ 296 a ZPO). Damit ist die Beklagte mit der Hilfsaufrechnung in der Berufungsinstanz aber nicht automatisch präkludiert (BGH, Beschluss vom 21.3.2013 – VII ZR 58/12, Rz. 10). Vielmehr kann dieses Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz neu angebracht werden (BGH, Urteil vom 3.6.1998- VIII ZR 162/97); die Beklagte konnte daher – wie geschehen – in der Berufungsinstanz ihre Hilfsaufrechnung wiederholen.
Diese ist aber in der Berufungsinstanz neu, da erstinstanzlich nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erklärt, und daher nach § 533 ZPO zu würdigen. Hiernach ist die Hilfsaufrechnung zurückzuweisen. Sie mag zwar sachdienlich sein (§ 533 Nr. 1 ZPO), weil sie einen neuen Prozess über die Vergütung vermeidet. Sie kann aber nicht auf der Basis des bisherigen Prozessstoffs beurteilt werden (§ 533 Nr. 2 ZPO). Der Kläger schuldet Vergütung für die Verwahrung nur für die Zeiträume, in denen die Beklagte den Stein tatsächlich verwahrt hat, naturgemäß aber nicht mehr, sobald der Stein verschollen war. Die in Frage kommenden Zeiträume können auf der Basis des bisherigen Parteivortrags nicht beurteilt werden. Auch die Höhe der monatlichen Vergütung bedürfte der weiteren Aufklärung. Insbesondere ist das Landgericht von einer vereinbarten Jahresvergütung von 100,- € ausgegangen; wenn sich die Beklagte dem gegenüber mangels Vereinbarung auf eine behauptete übliche Monatsvergütung von 50,- € beruft (im Zusammenhang mit Gegenansprüchen erstmals im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26.10.2017), kann sie damit nach § 531 Abs. 2 ZPO im Berufungsverfahren nicht mehr gehört werden. Über die Hilfsaufrechnung kann daher nicht auf der Basis des erstinstanzlichen oder zulässigen zweitinstanzlichen Vorbringens entschieden werden.
2. Im übrigen würde die Aufrechnung derzeit noch an einer fehlenden Aufrechnungslage (§ 387 BGB) scheitern. Der klägerische Schadensersatzanspruch entsteht erst mit Ablauf der vom Senat gesetzten Frist, ist daher derzeit noch nicht entstanden und somit derzeit noch nicht erfüllbar.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97, 344 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren vielmehr die Umstände des Einzelfalles.

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