IT- und Medienrecht

Kein kartellrechtlicher Anspruch gegen Stadt auf Lizenz zur Weitergabe der Bodenrichtwerte

Aktenzeichen  37 O 8496/18

Datum:
31.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2019, 19292
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 312
UrhG § 87b Abs. 1 S. 1
GWB § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 20, § 31b Abs. 5, § 87 Abs. 1 S. 1, § 185 Abs. 1 S. 2
BauGB § 196 Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

1. Mit dem Angebot einer entgeltlichen Dauerauskunft für den Abruf von Bodenrichtwerten wird eine Stadt nicht hoheitlich tätig, sondern erbringt eine selbstständige Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr, die auf den Austausch von Waren oder gewerblichen Leistungen gerichtet ist, auch wenn sie das Entgelt als Gebühr bezeichnet. (Rn. 28 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. In der Weigerung der Stadt …, mit einem Privatunternehmen einen Lizenzvertrag abzuschließen, der eine Dauerauskunft auf Bodenrichtwerte und die Gestattung umfasst, Bodenrichtwerte als solche entgeltlich oder unentgeltlich an Dritte weiterzugeben, liegt keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung oder unbillige Behinderung iSv § 19 GWB. Entscheidend ist eine Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen, wobei auch die Grundsätze für Lizenzen über gewerbliche Schutz- und Urheberrechte und ein konkret bestehender Anspruch auf Einzelauskunft zu beachten sind. (Rn. 37 – 58) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Gebietskörperschaft, die eine Datenbank über die Bodenrichtwerte herstellt, ist als Datenbankherstellerin Inhaberin des Datenbankrechts an der Bodenrichtwertsammlung mit dem ausschließlichen Recht gem. § 87 b Abs. 1 S. 1 UrhG, über die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung zu entscheiden. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
4. Nachvollziehbare Gründe für die Stadt, einem Privatunternehmen eine Lizenz an einer Dauerauskunft an Bodenrichtwerten zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Weiterleitung an Dritte zu vergeben, können auch in der Sicherung der eigenen Einnahmen bestehen. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
Der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 18.04.2019 sowie der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 14.05.2019 gaben keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Soweit darin Rechtsausführungen enthalten sind, wurden sie gewürdigt.
B.
Der Rechtsweg zu den Zivilgerichten ist eröffnet.
Der Rechtsstreit ist als Kartellrechtsstreitigkeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Satz 1 GWB eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit gemäß § 13 GVG.
Die neuere Rechtsprechung stellt für die Zulässigkeit des Rechtswegs bei der Klage gegen wettbewerbliches Handeln der öffentlichen Hand auf die privatrechtliche Zuordnung des geltend gemachten Anspruchs ab (Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 87 Rn. 6 m.w.N.). Die Klägerin macht hier einen Beseitigungsanspruch gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB geltend. Auf den Streitfall sind auch die materiell-rechtlichen Normen des GWB anwendbar. Insbesondere ist die Beklagte im vorliegenden Zusammenhang Normadressatin des Behinderungsverbots gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB.
I. Auch im Rahmen des § 19 GWB gilt der weite funktionale Unternehmensbegriff des GWB. Danach wird Unternehmenseigenschaft durch jede selbständige Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr begründet, die auf den Austausch von Waren oder gewerblichen Leistungen gerichtet ist, und sich nicht auf die Deckung des privaten Lebensbedarfs beschränkt. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist keine notwendige Voraussetzung einer unternehmerischen Tätigkeit im Sinne des GWB (Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartellR, Bd. 1, 13. Auf. 2018, § 19 Rn. 59 m.w.N.).
Für die öffentliche Hand gelten keine Sonderregelungen. Greift ein Hoheitsträger im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Aufgaben zu den von der Privatrechtsordnung bereitgestellten Mitteln, unterliegt er in diesem Bereich den gleichen Beschränkungen wie jeder andere und hat dabei insbesondere die Verhaltensanforderungen des GWB zu beachten (Nothdurft, a.a.O. Rn. 62 m.w.N.). Entscheidend ist, ob das zu beurteilende Verhalten als Verhalten im Sinne des GWB, also als Verhalten im geschäftlichen Verkehr, zu qualifizieren ist. Die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsverbote ist regelmäßig nur dann ausgeschlossen, wenn die öffentliche Hand aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen hoheitlich tätig wird (Nothdurft, a.a.O. Rn. 63 m.w.N.).
II. Mit dem Angebot einer Dauerauskunft für den Abruf von Bodenrichtwerten erbringt die Klägerin eine selbständige Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr, die auf den Austausch von Waren oder gewerblichen Leistungen gerichtet ist, und die sich nicht auf die Deckung des privaten Lebensbedarfs beschränkt. Für die Möglichkeit der dauerhaften Abrufbarkeit der Bodenrichtwerte verlangt die Beklagte eine Gegenleistung in Geld.
Die Beklagte wird bei der Vergabe der von der Klägerin begehrten Dauerauskunft auch nicht hoheitlich tätig. Zwar sind die Normen des BauGB sowie das Recht der Gebührenerhebung dem öffentlichen Recht zuzuordnen. So ist auch die Auskunft aus der Kaufpreissammlung nach § 11 GutachterausschussV, über die Bodenrichtwerte nach § 196 Abs. 3 Satz 2 BauGB und über sonstige Daten für die Wertermittlung nach § 14 GutachterausschussV eine Amtshandlung und damit die Ausübung hoheitlicher Gewalt, vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KostG i.V.m. der Verordnung über den Erlass des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz (KVz). Gemäß KVz Lfd. Nr. 2.I.1, Tarif-Stelle 1.8 beträgt die Gebühr je übermittelten Bodenrichtwert zwischen 20 € bis 350 €.
Die Klägerin begeht hier jedoch den Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrages in Form einer Dauerlizenzvereinbarung. In diesem Zusammenhang handelt die Beklagte gerade nicht hoheitlich. Dies zeigt sich bereits daran, dass die Beklagte allgemeine Nutzungsbedingungen in Form von allgemeinen Geschäftsbedingungen formuliert (Anlage B3). Für Nutzer, die Verbraucher sind, sieht Ziffer 11 der allgemeinen Nutzungsbedingungen eine Widerrufsbelehrung vor, wonach der Verbraucher das Recht hat, den „Vertrag“ bzw. den Antrag auf Erteilung einer Abruflizenz innerhalb von 14 Tagen ohne Angaben von Gründen zu widerrufen. Die Beklagte greift damit im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben zu den von der Privatrechtsordnung bereitgestellten Mitteln, unterliegt folglich in diesem Bereich den gleichen Beschränkungen wie jeder andere auch und hat in diesem Rahmen insbesondere die Verhaltensanforderungen des GWB zu beachten. Dass die Beklagte beim Abschluss von Dauerlizenzverträgen – auch wenn sie gemäß Ziffer 3 Abs. 4 der allgemeinen Nutzungsbedingungen „Gebühren“ verlangt und auch wenn gemäß Ziffer 4 bei der Dauerauskunft vor der Freischaltung „ein Gebührenbescheid per E-Mail“ versendet wird – nicht hoheitlich handelt, zeigt sich auch daran, dass für diese Form des Zugangs zu den Bodenrichtwerten keine Rechtsgrundlage in der oben genannte Tarifstelle des KVz vorhanden ist. Diese enthält nämlich gerade keinen Gebührentatbestand für eine solche Dauerauskunft, sondern nur Gebühren „je übermittelten Bodenrichtwert“. In den allgemeinen Nutzungsbedingungen ist zudem neben „Gebührenbescheid“ auch von „Rechnung“ die Rede, ein Begriff, der typischerweise im zivilrechtlichen Verkehr verwandt wird. Dass die Beklagte daneben auch hoheitlich handelt, steht ihrer Unternehmenseigenschaft nicht entgegen (BGH GRUR 1989, 774, 776).
III. § 185 Abs. 1 Satz 2 GWB, wonach die §§ 19, 20 und 31 b Abs. 5 GWB nicht auf öffentlich-rechtliche Gebühren oder Beiträge anzuwenden sind, greift nicht: Zum einen handelt es sich bei der Gegenleistung in Geld für die Dauerauskunft mangels Rechtsgrundlage in der oben genannte Tarifstelle des KVz – trotz anderweitiger Bezeichnung in den allgemeinen Nutzungsbedingungen – schon nicht um eine Gebühr oder einen Beitrag. Zudem dient die Einschränkung des § 185 Abs. 1 Satz 2 GWB ihrem Sinn und Zweck nach dazu, zu verhindern, dass die Höhe von Gebühren anhand des Kartellrechts überprüft werden kann. Um diese Frage geht es hier nicht.
C.
Die zulässige Klage ist jedoch im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin §§ 33 Abs. 1 i.V.m. 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB besteht weder auf Abschluss eines Lizenzvertrages über die „Dauerauskunft zum Stichtag 31.12.2016: Basislizenz 1.000 EUR“ und darauf, der Klägerin mit der Lizenzierung zu gestatten, Bodenrichtwerte kostenfrei oder gegen Gebühr an Dritte weiterzugeben (Hauptantrag), noch auf Abschluss einer Lizenzvereinbarung über den Erwerb und die Weitergabe von Bodenrichtwerten an Dritte, bei der die Beklagte von der Klägerin für den einzelnen Bodenrichtwert einen Betrag erhält, der 1,50 EUR nicht übersteigt (Hilfsantrag).
I. Die Beklagte hat auf dem relevanten Markt zwar eine marktbeherrschende Stellung. Es fehlt jedoch an der unmittelbaren oder mittelbaren unbilligen Behinderung der Klägerin durch die Beklagte. Auch behandelt die Beklagte die Klägerin nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders als andere Unternehmen.
1. Die Beklagte ist – wie ausgeführt – Normadressatin des § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB.
2. Die Beklagte hat auf dem relevanten Markt auch eine marktbeherrschende Stellung.
Sachlich und örtlich relevanter Markt ist das (isolierte) Angebot von Bodenrichtwerten in Form einer Dauerauskunft (Basislizenz 1.000 EUR) für das Gebiet der Landeshauptstadt …. Hier ist die Beklagte alleinige Anbieterin.
Dass die marktbeherrschende Stellung der Beklagten auch auf gesetzlichen Vorschriften beruht, schließt die Anwendbarkeit des Diskriminierungs- und Behinderungsverbotes nicht aus (so BGH GRUR 1989, 774, 776 zu § 26 Abs. 2 GWB a.F.).
3. In der Weigerung der Beklagten, mit der Klägerin einen Lizenzvertrag über die „Dauerauskunft zum Stichtag 31.12.2016: Basislizenz 1.000 EUR“ zu schließen und in der Weigerung der Beklagten, der Klägerin mit der Lizenzierung zu gestatten, Bodenrichtwerte kostenfrei oder gegen Gebühr an Dritte weiterzugeben, liegt keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung gemäß § 19 Abs. 1 GWB durch die Beklagte.
Vor allem ist auch kein Fall des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB gegeben: Danach liegt ein Missbrauch insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen. Die Beweislast für die „Unbilligkeit“ trägt der Anspruchsteller (Bechtold/Bosch, in: Bechtold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 19 Rn. 32 m.w.N.), also die Klägerin.
a) Eine unbillige Behinderung oder sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung anderer Unternehmen kann grundsätzlich auch in der Verweigerung der Gewährung von Lizenzen über gewerbliche Schutz- und Urheberrechte liegen (Merkert, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 19 Rn. 165 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine unterschiedliche Behandlung von Interessenten bei der Gestattung der Benutzung eines Patents, eines anderen gewerblichen Schutzrechts oder eines Urheberrechts ein wesentliches Element der Ausschließungswirkung des Schutzrechts selbst. Denn die Wirkung des Schutzrechts bestehe gerade in der Befugnis, Dritte von der Benutzung des Schutzgegenstandes ausschließen zu können. Die Ausschließungsbefugnis schließe das Recht ein, nicht jedem Interessenten, sondern anstelle oder neben einer Eigennutzung nur einzelnen Bewerbern eine Lizenz zu erteilen. Diese Rechtsposition beanspruche auch dann Schutz, wenn der Schutzrechtsinhaber marktbeherrschend sei (so für das Patentrecht, BGH, GRUR 2004, 966, 968 – Standard-Spundfass m.w.N.).
Für die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Lizenzinteressenten bestehe daher grundsätzlich ein weiter Spielraum (BGH a.a.O.; vgl. auch Markert, in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 19 Rn. 165: „wesentlich größerer Handlungsspielraum als beim normalen Waren- und Dienstleistungsabsatz“). Strengere Anforderungen kämen jedoch dann in Betracht, wenn zu der durch das Schutzrecht vermittelten Marktbeherrschung zusätzliche Umstände hinzutreten, angesichts derer die Ungleichbehandlung die Freiheit des Wettbewerbs gefährde (für das Patentrecht: BGH a.a.O. m.w.N. zur Rspr. des EuGH). An die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung dürften jedenfalls dann nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden, wenn sich die marktbeherrschende Stellung eines Schutzrechtsinhabers nicht (allein) aus der dem Gegenstand des Schutzrechts zu Grunde liegenden Leistung ergibt, sondern (zumindest auch) darauf beruht, dass der Zugang zu einem nachgelagerten Produktmarkt auf Grund einer Norm oder auf Grund normähnlicher einheitlicher Vorgaben der Produktnachfrager von der Befolgung der patentgemäßen Lehre abhängig ist (BGH a.a.O. m.w.N.). Dem müsse die kartellrechtliche Kontrolle Rechnung tragen, indem sie danach frage, ob einer unterschiedlichen Behandlung bei einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Funktion des Gesetzes orientiert, die sachliche Rechtfertigung fehle (BGH a.a.O. m.w.N.).
Für die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung seien Art und Ausmaß der unterschiedlichen Behandlung entscheidend. Deren Zulässigkeit richte sich insbesondere danach, ob die relative Schlechterbehandlung der betroffenen Unternehmen als wettbewerbskonformer, durch das jeweilige Angebot im Einzelfall bestimmter Interessenausgleich erscheint oder auf Willkür oder Überlegungen und Absichten beruht, die wirtschaftlich oder unternehmerisch vernünftigem Handeln fremd sind (BGH, a.a.O., S. 969 m.w.N.).
Für die Beurteilung der Billigkeit und sachlichen Rechtfertigung in derartigen Fällen sind auch die Wertungsgesichtspunkte der Art. 101 und 102 AEUV sowie die Rechtsprechung des EuGH und des EuG heranzuziehen (Merkert, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 19 Rn. 165 m.w.N.; Bechtold/Bosch, in: Bechtold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 19 Rn. 7).
b) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gehört etwa das ausschließliche Recht der Vervielfältigung zu den Vorrechten des Inhabers eines Immaterialgüterrechts, so dass die Verweigerung einer Lizenz als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, selbst wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgehen sollte (EuGH, 29.04.2004, C-418/01 IMS Health GmbH & Co KG OHG/NDC Health GmbH & Co KG, IMS/Health, GRUR 2004, 524, 526 Rn. 34 m.w.N.). Die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber könne jedoch unter außergewöhnlichen Umständen ein missbräuchliches Verhalten darstellen (EuGH, a.a.O., Rn. 35 m.w.N.). So handele ein Unternehmen, das über ein Recht des geistigen Eigentums verfügt und den Zugang zu Erzeugnissen oder Dienstleistungen verweigere, die für eine bestimmte Tätigkeit unerlässlich seien, bereits dann missbräuchlich, wenn drei Bedingungen kumulativ erfüllt seien: Die Weigerung müsse das Auftreten eines neuen Erzeugnisses verhindern, nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher besteht, sie dürfe nicht gerechtfertigt sein, und sie müsse geeignet sein, jeglichen Wettbewerb auf einem abgeleiteten Markt auszuschließen (EuGH, a.a.O., Rn. 38 m.w.N.). So könne die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, Zugang zu einem durch ein Recht des geistigen Eigentums geschützten Erzeugnis zu gewähren, obwohl dieses Erzeugnis für die Tätigkeit auf einem abgeleiteten Markt unerlässlich ist, nur dann als missbräuchlich eingestuft werden, wenn sich das Unternehmen, das um die Lizenz ersucht hat, nicht im Wesentlichen darauf beschränken wolle, Erzeugnisse oder Dienstleistungen anzubieten, die vom Inhaber des Rechts des geistigen Eigentums bereits auf dem abgeleiteten Markt angeboten werden, sondern beabsichtige, neue Erzeugnisse oder Dienstleistungen anzubieten, die der Inhaber nicht anbiete und für die eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher bestehe (EuGH, a.a.O., Rn. 49).
c) Nach diesen Maßstäben liegt weder eine unbillige Behinderung noch eine ungerechtfertigte Diskriminierung der Klägerin durch die Beklagte vor. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob hier aus dem Umstand, dass sich die marktbeherrschende Stellung der Beklagten nicht (allein) aus der dem Gegenstand des Schutzrechts zu Grunde liegenden Leistung ergibt, sondern auch daraus, dass die Beklagte bzw. ihr Gutachterausschuss mit der Erstellung und Veröffentlichung der Bodenrichtwertsammlung eine gesetzliche Aufgabe erfüllen, besondere Anforderungen an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu stellen sind. Auch solche besonderen Anforderungen sind vorliegend erfüllt. Die unterschiedliche Behandlung ist bei einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen sachlich gerechtfertigt. Die relative Schlechterbehandlung der Klägerin erscheint als wettbewerbskonformer Interessenausgleich und beruht nicht auf Überlegungen und Absichten, die wirtschaftlich oder unternehmerisch vernünftigem Handeln fremd sind:
aa) Die Beklagte ist als Datenbankherstellerin Inhaberin des Datenbankrechts an der Bodenrichtwertsammlung. Sie hat gemäß § 87 b Abs. 1 Satz 1 UrhG das ausschließliche Recht, die Datenbank insgesamt oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.
bb) Nach ihrem Hauptantrag begehrt die Klägerin u.a., dass die Beklagte ihr mit der Lizenzierung gestatten solle, Bodenrichtwerte kostenfrei oder gegen Gebühr an Dritte, beispielsweise Immobiliengutachter, weiterzugeben. Es geht ihr also darum, die Bodenrichtwerte als solche entgeltlich oder unentgeltlich an Dritte weiterzugeben. Die in den Schriftsätzen wiederholt vorgetragene Zusicherung der Klägerin, sie werde die einzelnen Bodenrichtwerte nur im Zusammenhang mit konkreten Objekten in (Wert-)Gutachten, Exposés und vergleichbaren Schriftstücken veröffentlichen, findet sich in den Anträgen der Klägerin nicht. Auch die Anlagen B8 und B9 zeigen, dass es der Klägerin offensichtlich um die Weitergabe der Bodenrichtwerte als solche geht. So wirbt die Klägerin damit, ihre Kunden bekämen „Bodenrichtwert, Liegenschaftskarte, Lageplan und Luftbild auf Knopfdruck.“ „Mit Webmaps bestücken Sie […] Ihre Immobilien-Exposés oder Gutachten […] mit Liegenschaftskarten, Bodenrichtwerten, Orthophotos u.v.m.“ (Anlage B8). Die Klägerin erstellt damit nicht selbst die Exposés, sondern stellt die Daten für Dritte zur Verwendung in Exposés zur Verfügung. Dass in Anlage B9 neben dem – besonders hervorgehobenen – Bodenrichtwert noch 3 weitere Informationen sowie eine Karte als „bundle“ zur Verfügung gestellt werden, macht aus diesen Informationen noch kein „Exposé“.
cc) Zugunsten der Klägerin spricht zwar, dass sie für ihr Geschäftsmodell – jedenfalls was die Weitergabe der Bodenrichtwerte an Dritte anbelangt – wesentlich auf die richtigen Bodenrichtwerte angewiesen ist. Zudem würde durch einen isolierten Vertrieb der Bodenrichtwerte durch die Klägerin erstmals eine Wettbewerbssituation in diesem Bereich geschaffen. Es sind jedoch bereits die besonderen Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs an den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch die Ausübung eines ausschließlichen Rechts nicht gegeben. Mit der Weigerung der Beklagten wird bereits nicht das Auftreten eines neuen Erzeugnisses verhindert, nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher besteht. Wie bereits ausgeführt, will sich die Klägerin nach ihrem Antrag sowie nach den vorgelegten Anlagen B8 und B9 vielmehr im Wesentlichen darauf beschränken, die Bodenrichtwerte als solche an Dritte entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die Bodenrichtwerte werden jedoch bereits von der Beklagten als Inhaberin des Datenbankrechts zur Verfügung gestellt.
dd) Gegen die Unbilligkeit spricht auch, dass die Beklagte für ihre Weigerung nachvollziehbare Gründe benennt. Die Beklagte hat ein berechtigtes Interesse daran, dass die Einnahmen für die isolierte Weitergabe von Bodenrichtwerten in Form von Gebühren bzw. gegen Rechnungen auch ihr zugute kommen. Da die Klägerin offensiv den „Bodenrichtwert auf Knopfdruck“ bewirbt (Anlage B8), birgt die Lizenzierung an die Klägerin die nicht fernliegende Gefahr, dass die Bodenrichtwerte der Beklagten nur noch oder zumindest zu einem wesentlichen Teil über die Klägerin bezogen würden, nicht mehr über die Beklagte. Damit wäre zum einen wohl den o.g. Gebührenansätzen für die Übermittlung von einzelnen Bodenrichtwerten, die dem Äquivalenz- und dem Kostendeckungsprinzip entsprechen müssen, der Boden entzogen. Zum anderen ginge ein solcher mit sinkender Nachfrage verbundener Gebührenausfall letztlich zulasten des Steuerzahlers. Aus diesen Gründen rechtfertigt sich auch der Passus in den allgemeinen Nutzungsbedingungen der Beklagten, wonach die Weiterverbreitung und Veröffentlichung der Bodenrichtwerte, der Kartengrundlage und der zugrundeliegenden Daten – insbesondere die unmittelbare und mittelbare Vermarktung – untersagt ist und eine Ausnahme nur für die Darstellung einzelner Richtwerte im Zusammenhang mit konkreten Objekten in (Wert)Gutachten, Exposés und vergleichbaren Schriftstücken“ existiert. Im Rahmen dieser Ausnahme besteht nämlich die von der Beklagten eingewandte Gefahr für den Gebührenerhalt nicht.
ee) Zuletzt spricht gegen die Unbilligkeit, dass der Klägerin – anders als die Beklagte meint – als „Jedermann“ gemäß § 196 Abs. 3 Satz 2 BauGB ein Anspruch gegenüber der Geschäftsstelle auf Auskunft über die Bodenrichtwerte zusteht. Die Weigerung der Beklagten mit der Klägerin den von ihr begehrten Lizenzvertrag zu schließen, führt also nicht dazu, dass die Klägerin überhaupt keinen Zugang zu den Bodenrichtwerten hätte. Auch wenn dies wirtschaftlich weniger attraktiv sein mag, steht ihr offen, Einzelauskünfte über bestimmte Bodenrichtwerte zu erholen.
ff) Zudem fehlt es an einer Ungleichbehandlung gegenüber gleichartigen Unternehmen. Entscheidend ist hier, ob die in den Vergleich einbezogenen Unternehmen im Verhältnis zur Marktgegenseite gleichartige Funktionen ausüben (Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartellR, Bd. 1, 13. Auf. 2018, § 19 Rn. 300 m.w.N. – Hervorhebungen im Original). Darauf, dass die Klägerin nach ihrem Vortrag für ihren täglichen Geschäftsbetrieb auf die Bodenrichtwerte genauso angewiesen ist wie die Stadtsparkasse, kommt es für die Gleichartigkeit – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht an.
Die Stadtsparkasse …, mit der die Beklagte einen Vertrag über die „Dauerauskunft zum Stichtag 31.12.2016: Basislizenz 1.000,00 EUR“ geschlossen hat, ist im Vergleich zur Klägerin kein gleichartiges Unternehmen. Im Verhältnis zur Marktgegenseite erfüllen die Klägerin und die Stadtsparkasse keine gleichartigen Funktionen. Anders als die Stadtsparkasse ist die Klägerin weder in der Finanzbranche tätig, noch vermittelt sie Immobilien. Die Klägerin ist vielmehr Anbieterin von Daten über Grundstücke. Dies wiederum gehört nicht zum Geschäftsmodell der Stadtsparkasse. Wie die Beklagte zurecht darauf hinweist, ist die Stadtsparkasse … in ihrer Funktion als Kreditinstitut und als Immobilienvermittlerin selbst Nutzerin von Bodenrichtwerten. Demgegenüber ist die Klägerin eine Art „Zwischenhändlerin“, die die Bodenrichtwerte nicht selbst nutzt, sondern diese – wie sich auch aus ihrem Klageantrag ergibt – kostenfrei oder gegen Gebühr an Dritte weitergeben möchte. Die Tatsache, dass ein Mitarbeiter der Stadtsparkasse … gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin einen Bodenrichtwert – vertragswidrig – isoliert übermittelt hat, führt nicht dazu, dass die Stadtsparkasse im Verhältnis zur Klägerin zu einem gleichartigen Unternehmen würde.
Eine Unbilligkeit bzw. Ungleichbehandlung der Klägerin ergibt sich auch nicht aus dem Vertrag der Beklagten vom 23.02.2007 mit der … AG „über die Bereitstellung und den Vertrieb von Daten über das Internet“ (Anlage K3). Es spricht zwar viel dafür, dass die Beklagte bzw. deren Gutachterausschuss – jedenfalls formell und dem Wortlaut der Vereinbarung nach – der … AG ein zeitlich auf die Vertragsdauer beschränktes weltweites und nicht ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat, amtliche Bodenrichtwerte abzurufen und (isoliert) an deren Kunden zu vermitteln. Dieser Vertrag ist allerdings unstreitig am 31.12.2014 ausgelaufen. Eine Unbilligkeit bzw. Ungleichbehandlung kann die Klägerin folglich hierauf nicht mehr stützten.
Eine Unbilligkeit bzw. Ungleichbehandlung der Klägerin folgt schließlich auch nicht aus einem Vergleich zu der Fa …. Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 02.04.2019, Seite 6, vorgetragen, dass die Firma … die Bodenrichtwerte aktuell auf Anforderung ihrer Kunden für Kurzbewertungen jeweils einzelnen (pro entsprechendem Kurzgutachten für jeweils 30 EUR) erwirbt und den Betrag dann genau in dieser Höhe an den jeweiligen Endkunden verrechnet. Diesen Vortrag hat die Klägerin nicht ausdrücklich bestritten, sondern als „bizarr“ bzw. als unsubstantierte Behauptung in Blaue hinein bezeichnet (Schriftsatz vom 05.04.2019, Seite 5). Ihr pauschales Bestreiten ist angesichts des substantiierten Vortrags der Beklagten unbeachtlich.
Eine Handhabe, wie sie die Fa. … nach dem Vortrag der Beklagten praktiziert, will die Klägerin nach ihrem Klageantrag aber gerade nicht. Sie möchte die Bodenrichtwerte nicht einzeln erwerben, sondern begehrt eine „Dauerauskunft zum Stichtag 31.12.2016: Basislizenz 1.000 €“. Zudem gefährdet das Vorgehen der Fa. … – anders als das Geschäftsmodell der Klägerin – nicht den Gebührenerhalt für die Beklagte.
4. Auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abschluss einer Lizenzvereinbarung über den Erwerb und die Weitergabe von Bodenrichtwerten an Dritte, bei der die Beklagte von der Klägerin für den einzelnen Bodenrichtwert einen Betrag erhält, der 1,50 EUR nicht übersteigt.
Auch mit dem Hilfsantrag will die Klägerin eine Lizenzvereinbarung mit der Beklagten über den Erwerb und die Weitergabe von Bodenrichtwerten an Dritte erreichen. Es geht ihr auch mit dem Hilfantrag darum, die Bodenrichtwerte als solche entgeltlich oder unentgeltlich an Dritte weiterzugeben.
Die Weigerung der Beklagten, einen Vertrag mit der Beklagten zu diesen Konditionen zu schließen, ist ebenfalls kein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB.
Hier trägt die beweisbelastete Klägerin bereits nicht vor, mit welchem bzw. welchen Unternehmen, die mit der Klägerin gleichartig sind, die Beklagte eine derartige Vertragsgestaltung vereinbart hätte. Zudem ist auch hier ist eine unbillige Behinderung der Klägerin aus den im Rahmen der Prüfung des Hauptantrags genannten Gründen nicht erkennbar.
D.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 2 ZPO.


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