IT- und Medienrecht

Kein Rechtsmissbrauch wegen Vorenthaltens außergerichtlicher Reaktion nach Eilantragstellung

Aktenzeichen  33 O 4112/20

Datum:
6.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2020, 50562
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 138 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ein Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens wegen Vorenthaltens einer außergerichtlichen Reaktion eines Antragsgegners greift nicht, wenn diese erst sehr spät erfolgt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dies gilt, wenn im Zeitpunkt der Stellung des Eilantrags noch keine Reaktion vorlag, sondern erst 13 Tage später und damit weit über 2 Wochen nach Ablauf der im Abmahnschreiben gesetzten Frist. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch wenn die Antragstellerin die Reaktion hätte unaufgefordert vorlegen müssen, zumal sie wusste, dass noch keine Entscheidung getroffen war, kann nicht von einer rechtsmissbräuchlichen planmäßig-gezielten Gehörsvereitelung durch Erschleichen eines Titels ausgegangen werden (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 21.04.2020 wird mit der Maßgabe bestätigt, dass Ziffer 1. b. nunmehr lautet:
b. im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung der Antragstellerin Dirndl unter Verwendung des Zeichens „Risa“ zu bewerben und/oder anzubieten und/oder zu vertreiben, wie in Seite 4 des Anlagenkonvoluts zum Antrag 1b wiedergegeben.
2. Im Übrigen (soweit Ziff. 1.b. auch die Seite 1 des Anlagenkonvoluts zum Antrag 1b in Bezug nimmt) wird die einstweilige Verfügung vom 21.04.2020 aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin 3/8 und die Antragsgegnerin 5/8.
4. Das Urteil ist in Ziff. 3. vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird endgültig auf 100.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die einstweilige Verfügung war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu bestätigen. Hinsichtlich der beanstandeten Verwendungsform Anlagenkonvolut zu Antrag 1.b Seite 1 war sie aufzuheben und insoweit der Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen. Verfügungsgrund und -anspruch sind im zugesprochenen Umfang glaubhaft gemacht, insbesondere erfolgt die Zeichenverwendung insofern auch markenmäßig und stellt sich aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht als bloße Modellbezeichnung dar. Die Missbrauchseinwände greifen nicht durch.
A. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.
I. Der Antragstellervertreter hat in der gesetzten Frist das Original der Prozessvollmacht vorgelegt (Anlage ASt 55, nach Bl. 175/176).
II. Dringlichkeit ist glaubhaft gemacht. Sie wird gemäß § 140 Abs. 3 MarkenG vermutet. Die Antragstellerin hat unbestritten vorgetragen, von der Verletzung innerhalb der im OLG Bezirk München für die Dringlichkeit als maßgeblich erachtete Frist von einem Monat vor der am 02.04.2020 erfolgten Antragstellung Kenntnis erlangt zu haben, nämlich am 02.03.2020 („Isha“) bzw. am 05.03.2020 („Risa“).
III. Die Missbrauchseinwände greifen nicht durch.
1. Der Einwand der bösgläubigen Markenanmeldung bzw. der rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung von Markenrechten zur gezielten Behinderung Dritter überzeugt die Kammer schon vor dem Hintergrund des vorgetragenen und mit eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemachten Umfangs der Nutzung der Marken durch die Antragstellerin oder ihre Lizenznehmer bzw. Kooperationspartner nicht: Für die Verfügungsmarke „Isha“ ist eine Nutzung mit den Einlichtungen auf Seite 4 ff. der Klageschrift glaubhaft gemacht. Für die Verfügungsmarke „Risa“ ist umfangreiche Nutzung (knapp 4.500 Bekleidungsstücke zu Verkaufspreis von knapp 500.000 € in 2019) durch die eidesstattlichen Versicherungen von U… S… und D… D… (Anlage zum Sitzungsprotokoll) glaubhaft gemacht. Zudem sind allgemein Lizenzeinnahmen der Antragstellerin in Höhe von 550.000 € in 2019 durch die eidesstattliche Versicherung ihrer Geschäftsführerin glaubhaft gemacht (Anlage zum Sitzungsprotokoll). Dass die Anmeldung der Verfügungsmarken bösgläubig nur zur gezielten Behinderung Dritter erfolgten oder das Geschäftsmodell der Geschäftsführerin generell nur auf die missbräuchliche Generierung von Einnahmen aus der Geltendmachung ihrer formellen Markenrechte gegenüber Dritten gerichtet sei, kann daher nicht angenommen werden.
2. Den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens wegen Vorenthaltens der außergerichtlichen Reaktion der Antragsgegnerin mit E-Mail vom 15.04.2020, hat die Kammer durchaus erwogen, letztlich aber im vorliegenden Einzelfall wegen des sehr späten Zeitpunkts der Reaktion nicht als durchgreifend erachtet. Anders als im Verfahren OLG München, BeckRS 2017, 124245 lag der Antragstellerseite unstreitig im Zeitpunkt der Antragstellung keine Reaktion der Gegenseite vor, sondern erst 13 Tage später (13 Tage nach Antragstellung und weit über 2 Wochen nach Ablauf der in den Abmahnungen gesetzten Fristen). Auch zu diesem Zeitpunkt hätte die Antragstellerseite die Reaktion unaufgefordert dem Gericht vorlegen müssen, zumal sie wusste, dass die Kammer noch nicht entschieden hatte. Eine rechtsmissbräuchliche „planmäßig-gezielte Gehörsvereitelung zur Erschleichung eines Titels“ wie in OLG München, BeckRS 2017, 124245 kann der Antragstellerseite bei den vorliegenden Zeitläufen jedoch nicht vorgeworfen werden. Dort hatte der Antragsteller seine Verpflichtung aus § 138 Abs. 1 ZPO, sich vollständig und wahrheitsgemäß zu erklären, dadurch verletzt, dass er lediglich vortrug, der Antragsgegner habe auf Abmahnung keine Unterlassungserklärung abgegeben, und verschwieg, dass sich der Antragsgegner umfangreich dazu geäußert hat, weshalb die Abmahnung unberechtigt sei. Nach den Gesamtumständen im vorliegenden Verfahren kann von einem vergleichbaren die Schwelle des Rechtsmissbrauchs überschreitenden Vorgehen nicht ausgegangen werden.
B. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist im zugesprochenen Umfang auch begründet. Als unbegründet zurückzuweisen war er hinsichtlich des Antrags 1.b bezogen auf Seite 1 des in Bezug genommenen Anlagenkonvoluts zu Antrag 1.b. und auf den Widerspruch hin die einstweilige Verfügung insoweit aufzuheben.
I. Im zugesprochenen Umfang besteht ein Verfügungsanspruch. Der von der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist insoweit aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 bzw. aus § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 und 5 MarkenG begründet.
1. Dies gilt für alle beanstandeten Verwendungsformen des Zeichens „Isha“.
a) Ausweislich des als Anlage ASt 2 vorgelegten Registerauszugs ist die Antragstellerin im Markenregister als Inhaberin der deutschen Wortmarke „Isha“ Nr. 302015048636 eingetragen u.a. für Waren der Klasse 25 Bekleidungsstücke, insbesondere (…) Kopfbedeckungen. Ihre gemäß § 28 Abs. 1 MarkenG vermutete Rechtsinhaberschaft hat die Antragsgegnerin nicht widerlegt.
b) Zwischen der Verfügungsmarke „Isha“ und den von der Antragsgegnerin im geschäftlichen Verkehr und markenmäßig auf den Seiten 1 bis 5 des Anlagenkonvoluts zu Antrag 1.a. benutzten Zeichen „B… Isha Beanie“ bzw. „Isha Beanie“ besteht Verwechslungsgefahr im kennzeichenrechtlichen Sinne.
aa) Die Benutzung erfolgt im geschäftlichen Verkehr, da sie im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit erfolgt.
bb) Die Antragsgegnerin hat ausweislich der vorgenannten Anlagen die Bezeichnung „B… Isha Beanie“ und „Isha Beanie“ markenmäßig benutzt.
(1) Eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens liegt vor, wenn es durch den Dritten markenmäßig oder – was dem entspricht – als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (BGH, GRUR 2019, 1289 Rn. 21 – Damenhose MO). Bei der Beurteilung, ob der Verkehr eine Bezeichnung als Herkunftshinweis versteht und in der konkret in Rede stehenden Verwendung eines Zeichens einen Herkunftshinweis sieht, ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen. Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht (BGH, GRUR 2009, 484 Rn. 61 – METROBUS).
(2) Die Zeichenverwendung auf Seiten 1 und 2 des Anlagenkonvoluts zum Antrag 1.a. sind solche in Verkaufsangeboten im Internet.
(a) Für die Beurteilung, ob eine Bezeichnung in Verkaufsangeboten im Internet als Herkunftshinweis erkannt werden, hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung GRUR 2019, 1289 Rn. 33 ff. – Damenhose MO folgende Grundsätze aufgestellt:
Es sind die Angebote in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen. Ist eine Modellbezeichnung als solche bekannt wie etwa das Zeichen „501“ für Jeanshosen, spricht viel dafür, dass der Verkehr eine entsprechende Modellbezeichnung auch ohne zusätzliche Nennung eines Herstellerkennzeichens oder einer Dachmarke als Marke auffasst. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor: Isha ist keine bekannte Modellbezeichnung oder Marke.
Kann – wie hier – von einer Bekanntheit der Modellbezeichnung nicht ausgegangen werden, muss bei der Prüfung, ob ihre Verwendung herkunftshinweisend verstanden wird, die Gestaltung des in Rede stehenden Angebots in den Blick genommen werden. Dabei kann die Art der Verwendung der Modellbezeichnung dafür sprechen, dass der Verkehr sie als Marke auffasst. Dies kann insbesondere dann angenommen werden, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hersteller- oder Dachmarke verwendet wird. Dagegen wird der angesprochene Verkehr in der Verwendung einer nicht als Marke bekannten Modellbezeichnung an einer unauffälligen Stelle in der Angebotsbeschreibung regelmäßig keine markenmäßige Verwendung sehen (BGH, GRUR 2019, 522 Rn. 54 – SAM). Wird eine nicht bekannte Modellbezeichnung zusammen mit einer Herstellermarke oder einer Dachmarke verwendet, hängt die Beantwortung der Frage, ob der Verkehr die Modellbezeichnung als Herkunftshinweis auffasst, von den Umständen des Einzelfalls ab. Insoweit kommt es maßgeblich darauf an, welche besonderen Gegebenheiten der Zeichengestaltung vorliegen und welche Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem maßgeblichen Warensektor üblich sind. Im Modebereich wird der angesprochene Verkehr häufig in der Herstellerangabe den Herkunftshinweis sehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Herstellerangabe vorangestellt ist oder in besonderer Weise hervorgehoben ist. Wird in einem Angebot für Bekleidungsstücke neben der Herstellerangabe ein weiteres Zeichen als Modellbezeichnung verwendet, kann deshalb nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass eine solche Modellbezeichnung ebenfalls als Herkunftshinweis verstanden wird.
(b) Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise, welche hier die Durchschnittsverbraucher und damit auch die Mitglieder der erkennenden Kammer sind (vgl. BGH, GRUR 2019, 522 Rn. 33 – SAM), vorliegend das Folgende:
Das Angebot auf Amazon Seite 1 und 2 des Anlagenkonvoluts zu Antrag 1 a. gibt in der Überschriftszeile oben zunächst in blauer Farbe und relativ kleiner Schriftgröße „Barts“ wieder und in der Zeile darunter in größerer schwarzer Schrift „Barts Isha Beanie“ ohne weitere Hervorhebung.
Zumindest durch die Angabe in der obersten Zeile in blauer Schrift ist dem Verkehr klar, dass es sich bei „Barts“ um die Herstellerbezeichnung handelt.
Der Verkehr erkennt auch, dass es sich bei dem Wort „Beanie“ um eine den Mützentyp bzw. eine bestimmte Mützenform beschreibende Angabe handelt (vgl. OLG München, Urteil vom 9.5.2019, 6 U 2530/18, Anlage ASt 15, S. 33).
Das an zweiter Stelle nach „Barts“ in der Angebotszeile erscheinende Wort „Isha“ ist keine bekannte Marke oder bekannte Modellbezeichnung, die schon als solche als Herkunftshinweis anzusehen wäre. Das Wort ist dem Durchschnittsverbraucher nicht geläufig. Es erscheint wie ein seltener, wenig bekannter Vorname. Allein aus dem Wort selbst erschließt sich daher auch nicht, wie möglicherweise bei geläufigen Vornamen, dass es sich nur um eine Modellbezeichnung und nicht auch um eine (Zweit-)Marke handeln würde.
Wegen des prominenten Platzes des Zeichens „Isha“ an zweiter Stelle der Angebotszeile unmittelbar nach „Barts“, in gleicher Größe und Schriftart wird der Durchschnittsverbraucher „Isha“ nicht lediglich als bloße Modellbezeichnung erkennen, sondern eine (Zweit-)Marke und damit ebenfalls einen Herkunftshinweis annehmen. Denn dem Verkehr ist bekannt, dass es gerade in der Modebranche zahlreiche Markenkooperationen und die Praxis des Co-Brandings und der Zweitmarken gibt.
Das Zeichen „Isha“ wird auch als selbständiger Bestandteil der Wortfolge wahrgenommen, da es sich bei dem vorangestellten Zeichen „Barts“ erkennbar um die Herstellerangabe und bei dem nachfolgenden Zeichen „Beanie“ um die Bezeichnung des Artikels, nämlich einer Mütze in einer bestimmten Form handelt.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegenseite erkennt der Verkehr in der Angebotszeile bei Amazon auch nicht eine typische stets wiederkehrende Syntax, nach der nur das erste Zeichen die Herstellerangabe samt Herkunftshinweis sei und nachfolgende Zeichen nur Modellbezeichnungen, sofern es sich nicht um rein beschreibende Angaben handelt. Eine solche Syntax, mag sie auch möglicherweise von den Anbietern subjektiv angewandt werden, ist dem Verkehr nicht bekannt.
(3) Die Verwendung des Zeichens „Isha“ als Bestandteil der Bezeichnungen „Barts Isha Beanie“ und „Isha Beanie“ in den auf Seiten 3 und 4 des Anlagenkonvoluts abgebildeten Rechnungen wird der Durchschnittsverbraucher ebenfalls nicht nur als Modellbezeichnung, sondern als Herkunftshinweis ansehen. Aus der darunter abgebildeten, dem Durchschnittsverbraucher typischerweise bei Amazon-Bestellungen begegnenden ASIN folgt nichts anderes. Der Verkehr schließt daraus nicht, dass es sich in den Angaben darüber nur um eine Modellbezeichnung handeln würde, zumal hier – wie in der Angebotszeile – Isha unmittelbar nach der Herstellerangabe „Barts“ folgt und daher nahezu gleichwertig erscheint.
Dies folgt auf Seite 3 daraus, dass „Isha“ gleichwertig unmittelbar nach der Herstellerangabe und vor der Artikelbezeichnung sowie den Farbangaben folgt. Auch die darunter abgebildete Amazon-typische ASIN führt nicht dazu, dass man in „Isha“ eine bloße Modellbezeichnung erblickt. Auf der Rechnung Seite 4 ist dies erst recht der Fall, weil die Herstellerangabe fehlt und die Angaben in der Beschreibungszeile nur lauten „Isha Beanie“. „Isha“ wird deshalb als (Zweit-)Marke verstanden.
Anders als in BGH GRUR 2019, 1289 Rn. 33 ff. – Damenhose MO in Bezug auf Rechnungen ausgeführt, ist das Zeichen hier nicht derart in eine Abfolge von Zahlen und Buchstaben integriert, dass es nur als Modellbezeichnung wahrgenommen werden würde.
(4) Auch die Zeichenverwendung „Isha Beanie“ auf dem Hangtag, wie auf Seite 5 des Anlagenkonvoluts zum Antrag 1.a. abgebildet, enthält mit dem Zeichen „Isha“ aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht eine bloße Modellbezeichnung, sondern einen Herkunftshinweis. Die Angabe „Beanie“ wird demgegenüber als rein beschreibend erkannt (siehe bereits oben). Von der Antragsgegnerin dargestellte Kennzeichnungsgewohnheiten der Modebranche, dass der Aufkleber auf dem Hangtag – anders als der feste Aufdruck – nur Modellbezeichnungen, Farben, Größen, Artikelnummern und Barcodes und jedenfalls keinen Herkunftshinweis enthielten, sind dem Verkehr, auf dessen Sicht es maßgeblich ankommt, nicht geläufig. Auch nach der Rechtsprechung kommen Aufschriften auf Hangtags als Herkunftshinweis durchaus, wenn auch nicht zwingend in Betracht (LG Düsseldorf, GRUR-RR 2018, 446 Rn. 38 f. – Hang Tag Think Green).
cc) Verwechslungsgefahr im kennzeichenrechtlichen Sinne ist jeweils gegeben.
Diese Zeichennutzungen durch die Antragsgegnerin erfüllen den Tatbestand der Verwechslungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, weil mit der durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Verfügungsmarke ähnliche Zeichen für identische Waren verwendet worden sind.
Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den maßgeblichen in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (st. Rspr., vgl. nur EuGH GRUR 1998, 922 – Canon).
(1) Die Verfügungsmarke ist originär durchschnittlich kennzeichnungskräftig.
(2) Die für die Verfügungsmarke eingetragenen Waren sind mit den unter den angegriffenen Bezeichnungen beworbenen bzw. vertriebenen Waren identisch.
(3) Zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen „Isha“ einerseits und „Barts Isha Beanie“ (Seiten 1 bis 3 des Anlagenkonvoluts) andererseits besteht jedenfalls mittlere Zeichenähnlichkeit wegen der Identität im selbständig kennzeichnenden Bestandteil „Isha“. Denn „Barts“ wird als Herstellerangabe und Beanie als beschreibende Bezeichnung für die Mützenart verstanden, sodass „Isha“ eine selbständig kennzeichnende Stellung einnimmt (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 Rn. 30 – THOMSON LIFE). In der Zeichenfolge „Isha Beanie“ (Seiten 4 und 5 des Anlagenkonvoluts) ist „Isha“ prägender Bestandteil.
(4) Unter Berücksichtigung der Wechselbeziehung zwischen der Kennzeichnungskraft, und dem Grad der Waren- und der Zeichenähnlichkeit ist bei der umfassenden Beurteilung Verwechslungsgefahr anzunehmen.
2. Der Unterlassungsanspruch ergibt sich bezogen auf die noch zur Entscheidung stehenden Verwendungsformen des Zeichens „Risa“ auf Seiten 1 (Angebot auf Amazon.fr) und 4 (Hangtag) des Anlangenkonvoluts zu Antrag 1 b, nur für die Verwendungsform auf Seite 4.
a) Ausweislich des als Anlage ASt 3 vorgelegten Registerauszugs ist die Antragstellerin im Markenregister als Inhaberin der deutschen Wortmarke „risa“ Nr. 302015051935 eingetragen u.a. für Waren der Klasse 25 Bekleidungsstücke, insbesondere (…) Kleider (…)“. Ihre gemäß § 28 Abs. 1 MarkenG vermutete Rechtsinhaberschaft hat die Antragsgegnerin nicht widerlegt.
b) Die Benutzung des Zeichens „Risa“, wie auf Seiten 1 und 4 des Anlagenkonvoluts abgebildet, sind solche im geschäftlichen Verkehr, da sie im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit erfolgen.
c) Der für eine Markenverletzung nach § 14 MarkenG erforderliche Inlandsbezug des Angebots auf der französischen Seite der Internetplattform amazon.fr, abgebildet auf Seite 1 des Anlagenkonvoluts zum Antrag 1.b., ist gegeben. Denn der Anbieter ist ein deutsches Unternehmen und es profitiert auch von der Erreichbarkeit des Angebots amazon.fr in Deutschland und bietet die Lieferung auch nach Deutschland an (vgl. BGH, BeckRS 2017, 142274 Rn. 37 – Resistograph). Die Antragsgegenseite kann dem nicht entgegensetzen, der Inlandsbezug sei durch den Testkäufer aus Ellwangen provoziert worden. Denn das Angebot spricht nicht nur Testkäufer an.
d) Ein Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 MarkenG scheidet aber für das Angebot, abgebildet auf Seite 1 des Anlagenkonvoluts, aus, weil es an einer markenmäßigen Verwendung fehlt, welche nicht nur für die Verwechslungsgefahr nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, sondern auch im Fall der Doppelidentität nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, wollte man eine solche hier annehmen, erforderlich ist (BGH GRUR 2011, 828 Rn. 18 – Bananabay II; BGH GRUR 2011, 1135 Rn. 11 – GROSSE INSPEKTION FÜR ALLE).
Nach den oben 1. b) bb) (2) (a) dargestellten Grundsätzen für Verkaufsangebote im Internet wird das Zeichen „Risa“ auf Seite 1 des Anlagenkonvoluts zum Antrag 1.b. aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht markenmäßig, sondern als reine Modellbezeichnung ohne Herkunftshinweis verwendet. Es handelt sich nicht etwa um eine bekannte Marke oder Modellbezeichnung (wie z.B. „501“), so dass sie bereits als solche herkunftshinweisend verstanden werden würde. Es tritt gegenüber der prominent und dominant in Erscheinung tretenden Herstellerangabe „S…“ deutlich in den Hintergrund. Die Herstellerangabe prangt blickfangmäßig auffällig groß als Wort-Bildzeichen bzw. Logo mit markanter roter Schrift über der Angebotszeile. In der Angebotszeile wird zunächst „S…“ wiederholt, dann folgt in gleicher Schriftart, -farbe und -größe die beschreibende Produktangabe „Dirndl“, danach in ebendieser Schrift das Zeichen „Risa“ und schließlich zuletzt in ebendieser Schrift „Femme“, das – auch dem deutschen Durchschnittsverbraucher bekannte – französische Wort für Frau. Damit ist das beanstandete Zeichen unauffällig in die Wortfolge der Angebotszeile zwischen zwei erkennbar glatt beschreibende Angaben integriert. In der Gesamtbetrachtung nimmt der Durchschnittsverbraucher das Zeichen „Risa“ hier lediglich als reine Modellbezeichnung war (vgl. ähnlich OLG Hamburg, BeckRS 2019, 30799 – „Chiemsee Damen Kleid Rock Isha“ verletzt „Isha“ nicht).
e) Demgegenüber wird das Zeichen „Risa“ auf dem Hangtag, abgebildet auf Seite 4 des Anlagenkonvoluts zu Antrag 1.b markenmäßig verwendet. Es erscheint hier in Alleinstellung über den weiteren Angaben „rose“ und „Grösse: 42“ und dem darunter angebrachten Barcode. Diese weiteren Angaben erkennt der Verkehr ohne Weiteres als schlichte (beschreibende) Sachangaben. Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, dass er die erste Bezeichnung „Risa“ als reine Modellbezeichnung ohne Herkunftshinweis einordnet. Wie oben bereits dargelegt, ist dem Durchschnittsverbraucher nicht geläufig, dass auf dem Aufkleber des Hangtags, wie die Antragsgegenseite vorträgt, stets nur beschreibende Angaben und reine Modellbezeichnungen aufgebracht sind, während die eigentliche Herstellerangabe sich nur auf dem fest aufgedruckten Hangtag befinde (hier: www.s….de, welches in Teilen durch den Aufkleber überklebt ist). Vielmehr hängt es auch beim Hangtag von den Gesamtumständen im Einzelfall ab, ob ein Zeichen als Herkunftshinweis angesehen wird oder nicht. Der Durchschnittsverbraucher sieht hier an prominenter erster Stelle das Wort „Risa“ und wird es daher als Herkunftshinweis im Sinne einer Marke oder Zweitmarke einordnen. Die Kammer geht nicht davon aus, dass ein abweichendes Verständnis des Durchschnittsverbrauchers deshalb anzunehmen wäre, weil in dem eingenähten Etikett des Dirndls (Abbildung Seite 3 des Anlagenkonvoluts zu Antrag 1.b.) angebracht ist: „Style: Risa“ und deshalb der Schluss naheliegen könnte, dass es sich nur um eine Modellbezeichnung handelt. Denn eine solche Schlussfolgerung auch für die Wahrnehmung der Aufschrift auf dem Hangtag würde voraussetzen, dass der Durchschnittsverbraucher regelmäßig eingenähte Etiketten und Hangtags auch im Zusammenhang wahrnimmt und abgleicht. Der Verkehr hat aber regelmäßig keinen Anlass, Produkte zeichenbezogen einer genauen Untersuchung zu unterziehen, insbesondere soweit es sich um Zweitmarken handelt, und die verschiedenen Zeichenverwendungen miteinander zu vergleichen. Eine markenmäßige Verwendung wird man deshalb regelmäßig annehmen müssen, wenn sie nur auf dem Hangtag und nicht auch auf dem eingenähten Etikett als solche erscheint. Denn abzustellen ist auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher. Bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit, die beim Kauf von Kleidungsstücken jedenfalls im vorliegenden Preissegment aufgewandt wird, ist ein Abgleich der verschiedenen Zeichenverwendungen nicht zu erwarten.
f) Diese Zeichennutzung auf dem Hangtag erfüllt den Tatbestand der Doppelidentität im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, der mit demjenigen nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG einen einheitlichen Streitgegenstand bildet. Die Unterschiede der Groß- und Kleinschreibung zwischen der Verfügungsmarke „risa“ und dem angegriffenen Zeichen „Risa“ stehen nicht entgegen, weil es sich um so geringfügige Unterschiede handelt, dass sie einem Durchschnittsverbraucher entgehen können (vgl. BGH GRUR 2019 522 Rn. 19 f. m.w.N. – SAM).
C. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 6, § 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 51 Abs. 1 GKG, wobei sich die Kammer an der Streitwertangabe der Antragstellerin zu Beginn des Verfahrens orientiert hat, die von der Antragsgegnerin nicht in Frage gestellt wurde.


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