IT- und Medienrecht

Kein Rücktritt vom Kaufvertrag über einen vom sogenannten “VW-Abgasskandal” betroffenen Pkw mangels Erheblichkeit der Pflichtverletzung

Aktenzeichen  2 O 755/16

Datum:
20.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 146999
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 323 Abs. 5 S. 2, § 346 Abs. 1, § 437 Nr. 2

 

Leitsatz

Die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen vom sog. “VW-Abgasskandal” betroffenen Pkw scheitert an der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 35.257,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Dem Kläger stehen keine Ansprüche aus einem Rückabwicklungsschuldverhältnis auf Rückzahlung des Kaufpreises von 38.190,00 € abzüglich gezogener Nutzungen gemäß § 346 Abs. 1 BGB zu. Die Voraussetzungen gemäß §§ 437 Nr. 2, Alt. 1, 323 BGB sind nicht erfüllt.
Die Frage, ob das streitgegenständliche Fahrzeug mangelhaft ist, kann vorliegend offen gelassen werden. Diese Frage wird in der bisherigen Rechtsprechung zur VW-Abgasproblematik nicht einheitlich beurteilt. Im vorliegenden Fall kommt es hierauf aber nicht an, da selbst bei Bejahung eines Sachmangels im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB einem Rücktritt des Klägers hier entgegen steht, dass der Mangel nicht erheblich ist (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB).
1. Nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB kann der Gläubiger vom Vertrag im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung dann nicht zurücktreten, wenn er dem Schuldner zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
a) Ein Rücktritt des Klägers ist hier gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen, da die Pflichtverletzung der Beklagten unerheblich ist. Das Gericht schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des Landgerichts Bochum in dessen Urteil vom 16.03.2016 (Az. 2 O 425/15, DAR 2016, S. 272) an.
b) Im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Im Rahmen dieser umfassenden Interessenabwägung ist bei behebbaren Mängeln grundsätzlich auf die Kosten der Mängelbeseitigung abzustellen (BGH, Urteil vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13 -, NJW 2014, S. 3229 [S. 3230]). Hier ist nach derzeitigem Erkenntnisstand der Mangel behebbar. Das KBA hat dem von der V. AG vorgelegten Maßnahmenplan gerichtsbekannt zugestimmt, so dass nach Durchführung der festgelegten Maßnahmen nach Einschätzung des KBA eine Beseitigung des Mangels erfolgt sein wird. Von einer Geringfügigkeit eines behebbaren Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ist nach dem BGH in der Regel auszugehen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind (BGH a.a.O.).
Bei einem Mangelbeseitigungsaufwand von deutlich unter 1% des Kaufpreises liegt dieser ohne Zweifel unterhalb der Bagatellgrenze (vgl. auch BGH, Urteil vom 14. September 2005 – VIII ZR 363/04 -, NJW 2005, S. 3490 [S. 3493]). Bei dem Fahrzeug des Klägers wird die Mängelbeseitigung nach Behauptung der Beklagten einen Kostenaufwand von ca. 0,26% des Kaufpreises des Pkws verursachen und liegt damit unterhalb der regelmäßig zu beachtenden Bagatellgrenze. Für eine Abweichung vom Regelfall besteht hier keine Veranlassung. Erhebliche Umstände hierfür hat der Kläger nicht dargetan. Zwar hat er die Höhe der Mängelbeseitigungskosten bestritten. Dies erfolgte jedoch ins Blaue hinein und ist daher unbeachtlich. Der Kläger hat nichts dafür vorgetragen, warum das Einspielen eines Softwareupdates, so wie dies mit dem KBA abgestimmt ist, höhere Kosten als 100 EUR verursachen soll. Selbst wenn man zu den Kosten der Einspielung der Software noch anteilige Entwicklungskosten des Updates hinzurechnen würde, so ist plausibel und nachvollziehbar, dass auch dann die Mängelbeseitigungskosten nicht mehr als 100 EUR betragen, da die Entwicklungskosten auf mehr als zwei Millionen betroffene Fahrzeuge umzulegen sind.
c) Ferner ist im Rahmen der Pflichtverletzung, die die Beklagte gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB treffen muss, zu berücksichtigen, dass sie selbst davon abhängig ist, welche Nachbesserungsmaßnahmen seitens des Herstellers des Fahrzeugs angeboten werden. Sie kann daher erst dann nacherfüllen, sobald der Fahrzeughersteller geeignete Mittel hierzu zur Verfügung stellt. Dies ist mittlerweile der Fall. Es ist dem Kläger zuzumuten, die Durchführung der mit dem KBA abgestimmten Mängelbeseitigungsmaßnahmen abzuwarten. In der Zwischenzeit kann er sein Fahrzeug uneingeschränkt nutzen. Dass er während der Nutzung seines Fahrzeugs der Umwelt einen höheren Schaden zufügt als er es beim Kauf des Fahrzeugs erwartete, verärgert ihn zu Recht, beruht aber nicht auf einem Verschulden der Beklagten, sondern der V. AG. Die Beklagte hat die Manipulationen ebenso wenig zu vertreten wie der Kläger.
Auch aus dem Umstand, dass das KBA die Nachbesserung solcher Fahrzeuge wie dem des Klägers angeordnet hat, folgt nicht, dass der Mangel erheblich wäre. Eher kann daraus abgeleitet werden, dass er nicht so erheblich ist, dass die Typengenehmigung der betroffenen Fahrzeuge sofort zu widerrufen gewesen wäre. Gerade die Tatsache, dass das KBA der V. AG die Möglichkeit einräumt, den Mangel nachzubessern, folgt, dass die Durchführung dieser Nachbesserungsmaßnahme dem einzelnen Fahrzeugkäufer zumutbar ist.
Der Vortrag des Klägers hinsichtlich der Wertminderung seines Fahrzeugs und etwaigen Problemen nach Durchführung der Nachbesserungsmaßnahme, etwa hinsichtlich eines erhöhten Kraftstoffverbrauchs oder langfristig zu erwartenden Motorschäden, führt nicht zur Erheblichkeit des Mangels. Es ist derzeit unmöglich festzustellen, ob es nach Durchführung der geplanten Maßnahmen zu diesen Problemen bei dem klägerischen Pkw kommen wird. Dass auch bei einer erfolgreichen Nachbesserung durch die Beklagte ein Minderwert verbleibt, ist von der Klagepartei ins Blaue hinein behauptet und kann auch durch das angebotene Sachverständigengutachten nicht bewiesen werden. Durch ein Sachverständigengutachten sind keine Aussagen zu künftigen Marktverhältnissen in Bezug auf das klägerische Fahrzeug möglich, weshalb dieses Beweismittel als zu diesem Punkt ungeeignet zurückzuweisen ist.
2. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 und 709 ZPO.

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