IT- und Medienrecht

Kein urheberrechtlicher Schutz für eine mittelalterliche Burg

Aktenzeichen  142 C 14251/20

Datum:
9.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2021, 55699
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UrhG § 97 Abs. 2 S. 1
UrhG § 11 S. 1
BGB § 823 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Urheberrechtlicher Schutz im Inland kann nicht auf Etablierung oder Registrierung von Urheberrechten im Ausland (hier: USA) gestützt werden.
2. Schadensersatzansprüche wegen der Bezeichnung eines alten Schlosses als “Lost Place” scheiden in der Regel aus, wenn das Objekt leer steht und sich in einem äußerst schlechten baulichen Zustand befindet, so dass der Verfall droht.

Verfahrensgang

42 S 6667/21 — LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 4.963,90 € festgesetzt.

Gründe

I. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klagepartei vom 23.03.2021 konnte gem. § 296a ZPO keine Berücksichtigung finden, soweit neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel enthalten waren. Rechtliche Ausführungen wurden berücksichtigt.
II. Die Klage ist zulässig.
1. Die Klägerin ist im Verfahren ordnungsgemäß durch ihre Corporate-Managerin M. LLC vertreten. Die LLC kann sowohl als member-managed LLC selbstorganschaftlich strukturiert als auch als manager-managed LLC fremdorganschaftlich verfasst sein (vgl. Osterloh-Konrad, ZGR 2019, 271, 287 m.w.N.). Aus der Anlage o.B. zum Schriftsatz der Klägerin vom 10.10.2020 (Bl. 14/15 d.A.) geht hervor, dass die Vertreterin M. LLC. als Agentin der Klägerin im Staat Wyoming registriert ist und diese wiederum durch L. D. als Managerin vertreten ist, so dass davon auszugehen ist, dass es sich um eine ordnungsgemäße gesetzliche Vertretung der Klägerin i.S.d. § 51 ZPO handelt.
2. Das AG München ist örtlich zuständig. Die Klägerin hat auf Nachfrage des Gerichts erklärt, ihre Ansprüche (ausschließlich) auf Urheberrechtsverletzungen u.a. durch Veröffentlichungen im Internet zu stützen. Damit ist der Anwendungsbereich des „fliegenden Gerichtsstands“ des § 32 ZPO eröffnet, nachdem die Abrufbarkeit der Internetseite des Beklagten bundesweit und somit auch in München gegeben war.
Die Einschränkungen des § 104a Abs. 1 UrhG sind nicht erfüllt. Zwar liegt die Darlegungs- und Beweislast für ein gewerbliches Handeln des Beklagten im Zusammenhang mit der behaupteten Rechtsverletzung bei der Klagepartei (Dreier/Schulze/Schulze, 6. Aufl. 2018, UrhG § 104a Rn. 4); diese hat jedoch dargelegt und durch Vorlage entsprechender Auszüge (Anlage K 2) untermauert, dass der Beklagte seine Bilder im Rahmen seiner Webseite und darüber hinaus vermarktet, so dass eine rein „hobbymäßige“ Ausübung nicht mehr anzunehmen und von einer (auch) gewerblichen Tätigkeit auszugehen ist.
III. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die von der Klägerin reklamierten Ansprüche bestehen von Vornherein nicht bzw. sind insgesamt nicht schlüssig dargelegt. Insbesondere bestehen keine Schadensersatzansprüche nach § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG.
1. Die Klägerin beansprucht ausdrücklich und ausschließlich urheberrechtlichen Schutz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (vgl. etwa S. 5 des Schriftsatzes vom 20.11.2020: „Die exklusiven Urheberrechte der Klägerin […] über die architektonischen Werke als Gebäude sind zum Schutz in Deutschland berechtigt“; S. 3 des Schriftsatzes vom 07.12.2020: „[…] sind die Rechte der registrierten US-Urheberrechtseigentümerin […] in Deutschland vollumfänglich zu schützen.“). Selbst wenn der Klägerin Inländerschutz gemäß § 121 Abs. 4 UrhG zusteht, unterliegt daher die urheberrechtliche Beurteilung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausschließlich dem Recht des Schutzlandes (BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 – I ZR 182/90 -, BGHZ 118, 394-400, “ALF“ Rn. 12; BGH, Urteil vom 02. Oktober 1997 – I ZR 88/95 -, BGHZ 136, 380-393, „Spielbankaffaire“ Rn. 33). Das Recht des Schutzlandes entscheidet über alle Ansprüche aus dem Urheberrecht, die der Inhaber eines ausschließlichen Rechts im Falle der Verletzung seiner Berechtigung geltend machen kann. Die Anwendung deutschen Rechts zur Beurteilung des Rechts der Klägerin zur Verfolgung inländischer urheberrechtlicher Verletzungshandlungen kann daher entgegen der Auffassung der Klägerin weder durch Absprachen der Klägerin mit ihrer Agentin noch durch Registrierung oder „Etablierung“ in den U.S.A. ausgeschlossen werden (BGH, Urteil vom 17. Juni 1992, a.a.O. Rn. 14). Maßgeblich für die Prüfung der Ansprüche ist daher allein das deutsche Urheberrechtsgesetz, und zwar hinsichtlich sämtlicher mit dem Urheberrecht und verwandten Schutzrechten selbst zusammenhängende Fragen, insbesondere der Entstehung eines solchen Rechts, der Frage der schutzfähigen Werke, der Urheberschaft einschließlich der gesetzlichen Schranken, der Aktivlegitimation, der Rechtsverletzung sowie der Schutzdauer (Katzenberger/Metzger in: Schricker/Löwenheim, 5. Aufl., vor §§ 120 UrhG Rn. 118).
2. Nach dieser Maßgabe hat die Klägerin bereits ihre Aktivlegitimation trotz Hinweis des Gerichts nicht schlüssig dargelegt. Unabhängig von der Frage, ob ihr überhaupt Urheber- oder verwandte Schutzrechte zustehen können, ist für das Gericht nicht ersichtlich, ob diese ihr selbst oder ihrer „Agentin“, der Fa. M. LLC., die in diesem Verfahren lediglich als gesetzliche Vertreterin auftritt, zustehen sollen. Die Klägerin bezeichnet sich selbst zwar gelegentlich als „Urheberrechtsinhaberin“ (vgl. etwa Klageschrift vom 21.09.2020, S. 3, S. 4). Daneben bezeichnet sie jedoch auch ihre Vertreterin als „Rechteinhaberin“, der „von der Klägerin als Urheberrechteeigentümerin bestimmte exklusive Rechte an den architektonischen Werken gewährt“ worden seien (Schriftsatz vom 20.11.2020, S. 5 oben). Das Gericht kann daher schon nicht erkennen, ob und inwiefern welche Rechte an die Vertreterin der Klägerin übertragen wurden und welche (behaupteten) Rechte bei der Klägerin verblieben sind.
3. Urheberrechtlicher Schutz nach § 11 S. 1 UrhG kann der Klägerin im Übrigen von Vornherein nicht zukommen, da sie entgegen ihrer auch insoweit unschlüssigen Behauptung nicht Urheberin der Kettenburg ist. Urheber können zum einen nur natürliche, nicht dagegen auch juristische Personen sein (Begr. BT-Drs. IV/270, 41; BeckOK UrhR/Ahlberg, 29. Ed. 20.4.2018, UrhG § 7 Rn. 7). Zum anderen ist nicht dargelegt, dass die Klägerin die Kettenburg errichtet hat, was angesichts des Fertigstellungsdatums jedenfalls des Wiederaufbaus im Jahr 1375 wohl auch eher fernliegen dürfte. Zu abgeleiteten Schutzrechten ist ebenso nichts vorgetragen, ein Entstehen solcher ist angesichts der lange zurückliegenden Errichtung ebenfalls völlig abwegig.
4. Soweit die Klägerin ihren Antrag zu Ziff. 2 (auch) darauf stützen will, dass der Beklagte die Immobilie der Klägerin auf seiner Internetseite als „lost place“ bezeichnet hat, scheiden Schadensersatzansprüche ebenfalls aus. Insbesondere kommt ein Anspruch auf Geldentschädigung nach §§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht in Betracht. Die Klägerin verlangt insoweit offenbar Geldentschädigung für immaterielle Schäden (“Verletzung moralischer Rechte“). Eine solche kann zum einen nur natürlichen Personen zustehen und kommt zum anderen nur in Betracht, wenn eine schwere Beeinträchtigung vorliegt, die nach Art der Verletzung nicht in anderer Weise ausgeglichen werden kann (vgl. hierzu i.E. Palandt-Sprau, 79. Aufl., § 823 BGB Rn. 130 m.w.N.). Die erstgenannte Voraussetzung ist offenkundig nicht erfüllt, auch eine schwerwiegende Beeinträchtigung durch die Äußerung des Beklagten ist nicht annähernd ausreichend dargetan oder ersichtlich.
Überdies scheidet auch insoweit eine Verletzungshandlung offensichtlich aus. Aus den von der Klägerin selbst als Anlage 2 vorgelegten Lichtbildern ergibt sich unzweifelhaft, dass das Objekt leersteht, nach der Außenansicht zu urteilen ist es zudem tatsächlich in einem äußerst schlechten baulichen Zustand, so dass zumindest der Verfall droht. Wenn der Beklagte eine derartige Immobilie als „lost place“ bezeichnet handelt es sich daher um eine offenkundig wahre Tatsachenbehauptung.
5. Die Klägerin ist entgegen ihrer Rechtsauffassung gegen etwaige Beeinträchtigungen im Hinblick auf die K.-Burg auch nicht schutzlos gestellt: Ihr verbleiben ihre Rechte aus dem Eigentum, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in bestimmter Konstellation auch im Hinblick auf die Verwertung von Fotografien des Grundstücks zu Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen führen können (vgl. hierzu i.E. etwa BGH, Urteil vom 01. März 2013 – V ZR 14/12 – „Preußische Gärten und Parkanlagen II“). Derartige Rechte wurden jedoch im vorliegenden Verfahren trotz entsprechender Hinweise des Gerichts nicht zum Streitgegenstand gemacht.
IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708, 711 ZPO.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 S. 1 GKG.


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