IT- und Medienrecht

Kein werblicher Überschuss durch Störer “Veränderte Rezeptur”

Aktenzeichen  2 HK O 513/19

Datum:
14.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
PharmR – 2020, 213
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AMG § 2, § 10 Abs. 1 S. 5, § 11a
UWG § 3, § 3a Abs. 1, § 8 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1. § 10 AMG stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG dar. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Angabe “geänderte Rezeptur” auf einem apothekenpflichtigen Arzneimittel (hier: Magnesium-Brausetabletten) enthält aus der für ein Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG maßgeblichen Verkehrssicht von Apothekenkunden keinen auch werblichen Charakter. (Rn. 24 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert des Hauptsacheverfahrens …

Gründe

Die Klage ist zulässig. Das LG München II ist sachlich gem. § 13 I S.1 UWG, örtlich gem. § 14 I UWG zuständig, die funktionelle Zuständigkeit der KfH ergibt sich aus §§ 13 I S.2 UWG, 95 I Nr. 5, 95 GVG. Die Klägerin ist klagebefugt nach § 8 III UWG. Die weiteren Prozessvoraussetzungen liegen unproblematisch vor.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Unterlassung des Anbringens eines Störers mit dem Text „geänderte Rezeptur“ auf der Umverpackung nach den §§ 3 I, 3 a I UWG zu, weil ein Verstoß gegen die Marktverhaltensregelung des § 10 I S.5 AMG nach Ansicht der Kammer hier nicht vorliegt.
1. § 10 AMG stellt eine Marktverhaltensregel iSd § 3 a UWG dar, vgl. BGH I ZR 161/11- Voltaren.
2. Nach § 10 I S. 5 AMG sind weitere Angaben, die über die in § 10 I S. 1- 4 AMG hinausgehen, dann zulässig, wenn sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und den Angaben nach § 11a AMG nicht widersprechen.
a) Der Hinweis auf eine geänderte Rezeptur steht hier „in Zusammenhang mit der Anwendung“ des Arzneimittels. Denn unstreitig ist die Rezeptur der Brausetabletten geändert worden. Dies führt zu einer deutlich merkbaren Geschmacksveränderung, wovon sich die Kammer durch einen entsprechenden Versuch im Verfahren 2 HK O 3808/18 selbst überzeugt hat, dies kann hier als gerichtsbekannt zugrundegelegt werden. Die Tabletten sind auch optisch deutlich gegenüber dem „Vorgängermodell“ verändert. Auf diese Änderung weist der Verpackungsaufdruck hin.
Gerade bei einer Dauernutzung, wie dem hier streitgegenständlichen Produkt, das von den Erwerbern auch noch als eher harmloses, nebenwirkungsfreies Präparat wahrgenommen wird, wird die Packungsbeilage üblicherweise nicht mehr zur Kenntnis genommen. Ein seit Jahren an die alte Rezeptur gewohnter Nutzer wird daher von einer Änderung, die ihm mangels Wahrnehmbarkeit eines Hinweises vorab nicht bekannt war, mindestens irritiert. Es war zwischen den Parteien unstreitig, dass das Mittel nicht nur einmalig genutzt wird. Auch für Nutzer mit einer (seltenen) Phenylketonurie (daher Unverträglichkeit von Aspartam) ist ein entsprechender Hinweis erforderlich. Ein Hinweis erfüllt seinen Zweck, die Nutzer zum Lesen der Gebrauchsinformationen zu animieren, bzw über anderes Aussehen und Geschmack nicht irritiert zu sein, nur dann, wenn er tatsächlich deutlich sichtbar ist. Unter diesem Aspekt wird die rote Unterlegung des Textfeldes auch vertretbar sein.
b) Der Hinweis ist zumindest auch für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten mit Phenylketonurie wichtig. Dass Verbraucher auch in Supermärkten und Drogerieketten Magnesiumpräparate (deutlich günstiger) erwerben können, ändert in diesem Zusammenhang nichts.
Der Klägerin ist zuzugeben, dass ein Hinweis „Enthält Aspartam“ dem o.g. Zweck auch entsprochen hätte, allerdings erfasst dieser Hinweis die Problematik des veränderten Geschmacks, des veränderten Aussehens und damit das Problem Verunsicherung von Nutzern ja gerade nicht. Insoweit ist der Hinweis auf die geänderte Rezeptur auch für diejenigen Nutzer wichtig, die tatsächlich an Magnesiummangelerkrankungen leiden.
c) Dass der Störer den Fachinformationsanforderungen aus § 11 a AMG widerspricht, wurde nicht vorgetragen, und ist auch nicht ersichtlich.
3. Das Produkt der Beklagten ist Arzneimittel iSd § 2 AMG. Als solches unterliegt es dem HWG. Die Kammer ist allerdings nach wie vor der Ansicht, dass die Angabe „geänderte Rezeptur“ keinen auch werblichen Charakter hat. Das wäre unproblematisch der Fall bei einem Wortlaut „verbessert“, „neu und noch besser“ und ähnliche, aus der Lebensmittelindustrie bekannter Aussagen. Abzustellen ist hierbei nur auf den Verkehrskreis der Apothekenkunden, und nicht auf die Käufer in Supermärkten und Drogerieketten, § 4 IV S.1 HS 2 UWG. Erstere entscheiden sich bewusst für den Kauf in der bekannt hochpreisigeren Apotheke („Apothekenpreise“ sind sprichwörtlich), wohl weil sie sich von der Beratung durch Apotheker eine unabhängige Aufklärung ohne kommerzielle Eigeninteressen erhoffen. Im Übrigen ist gerichtsbekannt, dass eine Heilwirkung immer dann deutlicher wahrgenommen wird, wenn das Präparat hochpreisiger ist und von Personen im weißen Gewand verabreicht wird – wohl erforschter Placebo-Effekt.
Dieser Verkehrskreis wird den Hinweis „geänderte Rezeptur“ zum Anlass nehmen, ggf den Fachverkäufer in der Apotheke zu befragen. Damit ist die deutliche visuelle Information über die Änderung auch sinnvoll. Es erscheint im Übrigen auch nachvollziehbar, dass die notwendige Information, dass das Produkt geändert worden sei, an die üblichen Verbraucher nur dadurch herangetragen werden kann, dass ein entsprechender Aufdruck halbwegs prominent auf der Verpackung angebracht wird. Da bei dem eher harmlosen Produkt „Magnesium“ kaum jemand irgendwelche Nebenwirkungen befürchtet, wird der typische Nutzer die Gebrauchsinformationen nicht einmal aus der Verpackung herausnehmen, so dass entsprechende farbige oder drucktechnisch abgehobenen Inhalte darin wohl nicht zur Kenntnis genommen würden. Die Kammer ist auch nicht der Ansicht, dass der übliche Verbraucher „anders“ immer sofort als „besser“ bewerten wird das wird auf die psychische Grundhaltung des Einzelnen ankommen. Optimistische, Änderungen aufgeschlossenen Personen werden eine Änderung positiv bewerten, eher pessimistische werden ihr ablehnend entgegentreten.
Gegen einen werblichen Überschuss spricht auch, dass die Beklagte keinen mit Werbung üblicherweise verbundene Umsatzsteigerung bezweckt hat zumindest hat dies die Klägerin nicht vorgetragen. Dies ergibt sich aus der unstreitigen Tatsache, dass seit diesem Sommer der streitgegenständliche Störer nicht mehr verwendet wird. Dass die Beklagte ihren Umsatz mit dem Produkt aufgrund des Aufdrucks des Störers tatsächlich steigern konnte, ist ebenfalls nicht vorgetragen. Es wäre auch schwer zu beweisen gewesen, da gleichzeitig eine Rezepturänderung und eine Modernisierung der Verpackung stattgefunden haben, so dass eine mögliche Umsatzsteigerung nicht monokausal der Verwendung des Störers zugeordnet hätte werden können.
Insgesamt konnte ein Rechtsbruch hier also nicht erkannt werden.
4. Aus der Klageabweisung ergaben sich die Nebenentscheidungen, § 91 ZPO, § 708 Nr. 11, 709 ZPO – die vollstreckbaren (Anwalts-)Kosten übersteigen bei einem Streitwert von 30.000 € in jedem Fall 1500 €.


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