IT- und Medienrecht

Keine Herabsetzung der Abfallgebühr wegen beabsichtigen Eigenkomposter auf Grundstück

Aktenzeichen  B 4 K 17.635

Datum:
27.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 39113
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 2, Art. 8 Abs. 7, Art. 12 Abs. 2
BayAbfG Art. 3, Art. 7
GS-AWS § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Bei der gerichtlichen Kontrolle von Abgabensatzungen ist es in aller Regel sachgerecht, die Kalkulation nur insoweit zu überprüfen, als substantiierte Einwände dagegen erhoben worden sind. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Seiner Pflicht zur Erhebung einer substantiierten Kalkulationsrüge genügt der Kläger nicht, wenn er sich ohne Einsicht in die maßgeblichen Unterlagen darauf beschränkt, die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der kostendeckenden Kalkulation des Beklagten für die Abfallentsorgungseinrichtung in Frage zu stellen und verschiedene Angaben und Stellungnahmen des Beklagten zu fordern. (Rn. 20 und 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klagen konnte im Einverständnis aller Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 02.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von … vom 19.07.2017 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlagen für den Bescheid über Abfallentsorgungsgebühren vom 02.02.2017 sind die Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten vom 21.12.2012 – AWS -, die auf Grund der Art. 3 Abs. 1 und 7 Abs. 1 Bayer. Abfallwirtschaftsgesetz – BayAbfG – erlassen wurde, sowie die Gebührensatzung für die öffentliche Abfallentsorgung des Beklagten vom 21.12.2012 – GS/AWS, deren Ermächtigungsgrundlage Art. 7 Abs. 2 und 5 BayAbfG darstellt.
Nach Art. 3 Abs. 1 BayAbfG sind die Landkreise die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die in ihrem Gebiet anfallenden Abfälle. Sie regeln gemäß Art. 7 Abs. 1 BayAbfG durch Satzung den Anschlusszwang (Art. 18 Landkreisordnung) und die Überlassungspflicht (§ 17 KrWG). Sie können insbesondere bestimmen, in welcher Art, in welcher Weise, an welchem Ort und zu welcher Zeit ihnen die Abfälle zu überlassen sind. Diesen Anforderungen genügt die AWS des Beklagten, indem in § 6 AWS der Anschluss- und Überlassungszwang und in §§ 10 ff. AWS die Einzelheiten des Einsammelns und Beförderns der Abfälle (Bring- und Holsystem, Kapazität der Müllgefäße, Häufigkeit und Zeitpunkt der Abfallabfuhr etc.) geregelt sind.
Nach Art. 7 Abs. 2 BayAbfG erheben die Landkreise für die Entsorgung der Abfälle Gebühren. Für die Gebührenerhebung gelten die Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 8 und 12 bis 17 des Kommunalabgabengesetzes – KAG. Gemäß Art. 2 Abs. 1 KAG hat die Abgabesatzung den Abgabeschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab, den Abgabesatz sowie die Entstehung und die Fälligkeit der Abgabeschuld zu bestimmen. Diese Kriterien sind in §§ 2 bis 6 GS/AWS des Beklagten geregelt. Gemäß Art. 8 Abs. 2 KAG soll das Gebührenaufkommen die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten decken (Kostendeckungsprinzip). Im Falle der Benutzungspflicht soll das Gebührenaufkommen die Kosten aber auch nicht übersteigen.
Soweit der Klägervertreter erstmals mit Schriftsatz vom 25.06.2018 die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der kostendeckenden Kalkulation des Beklagten für die Abfallentsorgungseinrichtung in Frage stellt und er verschiedene Angaben und Stellungnahmen des Beklagten fordert, ist darauf hinzuweisen, dass es seine Aufgabe ist, eine substantiierte Kalkulationsrüge zu erheben. Das bloße Bestreiten oder Bestreiten mit Nichtwissen ohne nähere Darlegung genügt nicht, um das Gericht zu weiteren Ermittlungen anzuhalten, wenn sich eine fehlerhafte Kalkulation nicht offensichtlich aufdrängt. Was die gerichtliche Kontrolle von Abgabensatzungen anbelangt, ist es in aller Regel sachgerecht, die Kalkulation nur insoweit zu überprüfen, als substantiierte Einwände dagegen erhoben worden sind (zur gerichtlichen Kontrolldichte, Umfang der Ermittlungspflicht und Mitwirkungspflicht des Klägers vgl. BVerwG, U.v. 17.4.2002 – 9 CN 1.01 – BVerwGE 116, 188 Rn. 44, vgl. auch BayVGH, B. v. 05.06.2018 – 4 ZB 17.1865 -, juris; B.v. 02.12.2014 – 20 ZB 14.1744 – juris Rn. 6; U.v. 23.04.1998 – 23 B 96.3585 – BayVBl 1998, 593). Hierfür muss der Kläger ggf. Akteneinsicht in die Kalkulationsunterlagen beim Satzungsgeber nehmen und konkrete Rügen herausarbeiten.
Diese Anforderungen sind hier nicht ansatzweise erfüllt. Das bloße Infragestellen der Gebührenkalkulation ins Blaue hinein, ohne dass sich die Klägerseite durch Einsicht in die Unterlagen kundig gemacht und einzelne, ihrer Ansicht nach fehlerhafte Kostenansätze substantiiert dargelegt hat, verpflichtet das Gericht nicht zu einer weiteren Sachaufklärung. Aus der Fragestellung des Klägervertreters wird deutlich, dass er anscheinend nicht über die Grundzüge der Abfallbeseitigungseinrichtung des Beklagten informiert ist, obwohl der Landkreis in seinem Internetauftritt über alle die Bürger interessierenden Aspekte der Abfallwirtschaft umfassend informiert (Abfuhrkalender, Sperrmüll, Sammelstellen, Müllgefäße, Abfall-ABC, Abfallwegweiser, Müllgebühren, etc.). Aus diesen Informationen wird auch deutlich, dass sich der über Gebühren zu deckende Aufwand für die Abfallentsorgung bei weitem nicht auf die Abholung der Restmülltonne beschränkt. Aus den Kalkulationsunterlagen wäre für die Kläger ersichtlich, welcher Aufwand für die Entsorgung des Rest-, Bio-, Sonder-, Sperrmülls sowie des von den Benutzern des selbstangelieferten Mülls, einschließlich des Transports, und für die Anschaffung der verschiedenen Müllnormbehälter angesetzt wurde. Auch wäre ersichtlich, welche Einnahmen etwa aus Recyclingmaßnahmen und dem Verkauf von Biokompost angesetzt wurden. Die Mühe, sich mit den Unterlagen eingehend zu befassen, hat sich der Klägervertreter nicht gemacht. § 16 AWS regelt die Verlegung von Abholterminen bei gesetzlichen Feiertagen. Ob es Ausfälle bei den Abfuhrterminen gegeben hat, müssten die Kläger als Benutzer der Einrichtung selbst wissen. Selbst wenn es einen derartigen Einzelfall gegeben hätte, würde dies nichts an der satzungsmäßig festgesetzten Gebührenhöhe ändern. Die Kalkulation bezieht sich auf das gesamte Entsorgungsgebiet und den gesamten Kalkulationszeitraum. Minimalereignisse wirken sich auf den Gesamtaufwand nicht entscheidend aus.
Nachdem sich die maßgeblichen Satzungen des Beklagten im Rahmen der entsprechenden Ermächtigungsnormen halten und eine substantiierte Kalkulationsrüge nicht vorliegt, ist von der Gültigkeit der AWS und GS/AWS des Beklagten auszugehen. Die gegenüber den Klägern festgesetzte Jahresgebühr für die beantragte Müllnormtonne von 120 l Füllraum von 244,80 EUR entspricht der Höhe nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 GS/AWS. Eine Eigenkompostierung betreiben die Kläger offensichtlich nicht, so dass keine ermäßigte Gebühr anzusetzen war.
Soweit es den Klägern darum geht, dass sie eine Gebührenerhebung mit Grundgebühr und Benutzungsgebühr nach Zahl der pro Jahr tatsächlich geleerten Restmülltonnen anstreben und sie beispielhaft auf entsprechende Satzungsregelungen anderer Entsorgungsträger verweisen, hat der Beklagte zutreffend ausgeführt, dass ihm auf der Grundlage seiner Satzungshoheit ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht, wie er die Gebührenerhebung in seinem Zuständigkeitsbereich regeln will. Eine Grenze ist nur dann erreicht, wenn ein völlig ungeeigneter Maßstab gewählt wird und ein einleuchtender Grund für die vorgenommene Regelung nicht mehr erkennbar ist. Davon kann aber nicht schon dann die Rede sein, wenn sich der Satzungsgeber für einen von mehreren denkbaren und zweckmäßigen Maßstäben entscheidet. Zwar gestattet Art. 8 Abs. 2 Satz 3 KAG eine Gebührenerhebung nach Grundgebühr und Gebühr für tatsächliche Benutzung. Die „Kann-Vorschrift“ beinhaltet aber nur die Wahlmöglichkeit und keine Verpflichtung. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn sich der Beklagte für die Gebührenerhebung nach Zahl und Fassungsvermögen des Restmüllbehälters sowie der Zahl der regelmäßigen Abfuhren entschieden hat (§ 3 GS/AWS).
Bei dieser Regelung der Gebührenerhebung bedarf es keiner vorläufigen Gebührenfestsetzung, weil die Zahl der regelmäßigen Abfuhren feststeht und es nicht darauf ankommt, ob der Gebührenpflichtige die Restmülltonne an allen Abfuhrtagen tatsächlich bereitstellt. Die Festsetzungen für die Folgezeitabschnitte sind durch Art. 12 Abs. 1 KAG und die vierteljährlichen Vorauszahlungen durch Art. 8 Abs. 7 KAG gedeckt. Änderungen beim Beitragssatz können sich nur im Rahmen einer neuen Gebührensatzung ergeben. Dann würde nach Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG auch ein neuer Gebührenbescheid ergehen. Gleiches gilt nach Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KAG, wenn die Kläger auf Eigenkompostierung umsteigen oder sich die Mindestbehältniskapazität nach § 15 Abs. 2 AWS für ihr Anwesen ändert. Die Anpassung an geänderte Umstände ist dadurch gewährleistet.
Somit war die Klage mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO, wonach die Kläger als Unterliegende die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen haben, abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.


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