IT- und Medienrecht

Keine Indizwirkung des Strafbefehls Beis Disziplinarkalgen

Aktenzeichen  M 13L DK 16.5723

Datum:
30.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 54350
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 9 Abs. 1 S. 1 Art. 15 Abs. 1 Nr. 2, Art. 21 Abs. 1, Art. 24 Abs. 3, Art. 25 Abs. 2
BeamtStG § 34 S. 1 u 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der monatlichen Dienstbezüge um 5% auf die Dauer von zwei Jahren erkannt.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der monatlichen Dienstbezüge um 5% auf die Dauer von zwei Jahren erkannt (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayDG).
Das Disziplinarverfahren weist keine formellen Mängel auf, insbesondere wurde die Personalvertretung ordnungsgemäß beteiligt.
Das Gericht ist nicht nach Art. 25 Abs. 1 BayDG an die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts gebunden und folgt auch nicht der im Strafbefehl vom 1. Dezember 2014 getroffenen tatsächlichen Feststellung, dass der Beklagte vorsätzlich am 14. Februar 2014 einen Diebstahl mit Waffen begangen haben soll (Art. 25 Abs. 2 BayDG).
Vielmehr ist das Gericht nach Einvernahme des Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2018 und Berücksichtigung der vorgelegten Akten, überzeugt, dass der Beklagte keinen Vorsatz im Hinblick auf einen Diebstahl mit Waffen hatte, als er die Sahne in der Tasche aus dem EDEKA-Markt trug.
Beim Vorsatz handelt es sich um einen inneren Tatbestand. Daher wird man nie wissen, was der Beklagte am 14.2.14 tatsächlich dachte.
Demnach kommt es darauf an, ob das Gericht ihm glaubt, dass er die Sahne in der Tasche vergessen hatte.
Den Äußerungen der Zeugen im Verfahren kommt lediglich Indizwirkung zu. Nachdem fast vier Jahre seit der Tat vergangen sind, ist nicht zu erwarten, dass die Zeugen genauere Angaben zum subjektiven Tatbestand machen können, daher wurde von einer entsprechenden Vernehmung in der Verhandlung abgesehen.
Das Gericht ist durch die Aussage des Beklagten und durch das Studium der Akten (vor allem auch der Bilder der Videokamera im EDEKA-Markt) davon überzeugt, dass das Verhalten des Beklagten im EDEKA-Markt dagegen spricht, dass der Beklagte vorsätzlich die Sahne mitnehmen wollte.
Ein Dieb ist darauf bedacht, möglichst nicht aufzufallen, schnell und unauffällig zu agieren, um nicht entdeckt zu werden. So hat sich der Beklagte aber nicht verhalten:
Man sieht auf den Fotos, dass der Beklagte mit seiner auffälligen roten Fahrradtasche durch den Laden geht. Er nimmt die Sahne und steckt sie in die Tasche, während andere Personen in seinem Blickfeld sind, die direkt in seiner Nähe sind und auch in seine Richtung sehen (Bl. 72 der Strafakte). Anschließend geht er zur Kasse und stellt die Tasche dort ab. Direkt daneben haben sich mehrere Personen befunden, die an der Kasse anstanden. Er läuft damit Gefahr, dass jemand die Tasche, die die Sahne, Privates und Dienstliches enthält, mitnimmt oder den Angestellten gibt, weil er glaubt, dass sie vergessen wurde oder einer der Angestellten sie nimmt, weil er glaubt, dass sie vergessen wurde. Es bestand auch die Möglichkeit, dass die Tasche kontrolliert wird. Anschließend geht der Beklagte ohne Tasche durch den Laden, holt das vergessene Wasser, bezahlt dieses, während die Tasche direkt daneben am Boden steht und nimmt diese dann mit.
Der Detektiv bestätigte im Wesentlichen das vom Beklagten geschilderte Verhalten. Sowohl die Marktleiterin, als auch der Detektiv bestätigten auch, dass der Beklagte die Marktleiterin in ein Gespräch verwickelt hat.
Damit hat er ihre Aufmerksamkeit auf sich gelenkt.
So verhält sich ein Dieb normalerweise nicht.
In der mündlichen Verhandlung am 22. April 2015 im Strafverfahren wurde das Verhalten des Beklagten im EDEKA-Markt nicht thematisiert. Weder Zeugen noch er selbst äußerten sich hierzu (laut Protokoll).
Daher kann auch nicht aus der Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl geschlossen werden, dass der Beklagte damit eingestand, dass er vorsätzlich handelte.
Die Rücknahme des Strafbefehls lässt keinen Schluss darauf zu, ob der Beklagte am 14. Februar 2014 Vorsatz hatte oder nicht.
Entscheidend ist, wie er sich am 14. Februar 2014 im EDEKA-Markt verhalten hat und ob er in diesem Augenblick vorsätzlich handelte.
Die Aussagen des Beklagten in Straf- und Ermittlungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung stimmen überein. Es erscheint dem Gericht plausibel, dass er die Sahne beim Bezahlen vergessen hat.
Dass der Beklagte an diesem Tag wegen des geplanten Heiratsantrags, der Geschenke seiner Exfreundin und vor allem seiner verbotenen Privatfahrt durcheinander und unkonzentriert war, ist nachvollziehbar. Aufgrund der Zeugenaussage der Exfreundin ist das Gericht auch davon überzeugt, dass die Geschenke von ihr stammen und die Privatfahrt auch, wie vom Beklagten geschildert, stattfand. Es gibt keinen vernünftigen Zweifel, dass der Beklagte an diesem Tag seiner Freundin einen Heiratsantrag machen wollte. Er gilt als zuverlässiger Mitarbeiter. Daher hatte er wegen der Privatfahrt ein schlechtes Gewissen und überlegt, wie er die Situation klären kann bzw. wie er es seinem Chef sagen soll. Dass er in dieser Situation dann noch eines „draufsetzt“ und einen vorsätzlichen Diebstahl mit Waffen begeht, ist bei dem im Persönlichkeitsbild als äußerst zuverlässigen Mitarbeiter absolut unwahrscheinlich, auch unter dem Hintergrund, dass er seiner Freundin einen Heiratsantrag machen wollte. In dieser Situation riskiert man nicht, bei einem Diebstahl erwischt zu werden.
Weil der Beklagte die Tasche mit der Sahne an der Kasse abgestellt hatte, dann das vergessene Wasser holte, dies auf das Band legte und bezahlte, ist es auch unwahrscheinlich, dass er die Sahne nicht zahlen wollte, viel wahrscheinlicher ist, dass er schlicht vergessen hatte, dass sie sich in der Tasche befindet.
Auch kann man aus den Aussagen der Marktleiterin, dass ihr der Beklagte in den Tagen vorher im EDEKA-Markt aufgefallen ist, nicht schließen, dass der Beklagte am 14. Februar 2014 vorsätzlich handelte. Es handelt sich um eine subjektive Wahrnehmung der Marktleiterin. Zudem fällt ein Polizist in Uniform naturgemäß in einem Supermarkt auf. In der Vergangenheit wurde er nicht des Diebstahls überführt.
Jedoch hat der Beklagte selbst zugegeben, dass ihm auf dem Parkplatz eingefallen ist, dass er die Sahne dabei hat, als der Detektiv ihn angesprochen hat, dass er in die Tasche schauen wolle. Er habe dann gesagt, dass ihn das nichts angehe und dass die Tasche dienstlich sei. Indem er als Polizist mit seiner Autorität auftrat, um zu verhindern, dass der Detektiv in die Tasche schaut, hat er auch versucht, zu verbergen, dass er die Sahne mitgenommen hat. Demnach hat er sich vorsätzlich einer versuchten Unterschlagung schuldig gemacht nach § 246 StGB.
Nur weil der Detektiv ihn aufgehalten hat, ist ihm die Zueignung nicht gelungen.
Der Beklagte hat daher ein schweres Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen, indem er schuldhaft gegen seine Pflicht, sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten, gegen seine Pflicht, Gesetze zu beachten und gegen seine Pflicht zur uneigennützigen und gewissenhaften Amtsausübung verstoßen hat (§ 34 Satz 1 und 3 BeamtStG, Art. 20 Abs. 3 GG).
Der Beklagte hat auch durch die Privatfahrt, die er eingeräumt hat, gegen Dienstpflichten verstoßen. Insoweit wird auf die Ausführungen des Klägers in seiner Klageschrift verwiesen.
Die geschilderten Ereignisse begründen ein einheitliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 BeamtStG, dessen disziplinarrechtliche Folgen im Ausgangspunkt von der versuchten Unterschlagung bestimmt werden, da diese das schwerwiegendere Dienstvergehen darstellt.
Da der Beklagte zwar privat seine Brotzeit einkaufen wollte, aber während des Dienstes in Uniform und mit Waffe, also als Polizist wahrnehmbar, in den EDEKA-Markt ging und nach dem Verlassen des EDEKA-Marktes auf dem Parkplatz versucht hat, die Sache zu unterschlagen, handelt es sich hier um ein innerdienstliches Vergehen.
Das Vergehen wiegt schwer.
Auf einer ersten Stufe ist daher bei der Maßnahmenzumessung auf den Strafrahmen zurückzugreifen. § 246 Abs. 1 StGB sieht einen Strafrahmen von Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe vor.
Demnach reicht der Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Dienst (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris, BayVGH, U.v. 05.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris).
Dem ausgeurteilten Strafmaß kommt bei einem innerdienstlichen Vergehen keine indizielle Bedeutung zu (BVerwG, B.v. 05.07.2016 – 2 B 24.16 – juris).
Der Kläger hat zugunsten des Beklagten die im Strafrahmen erfolgte Maßnahmenzumessung gesehen. Angesichts der Geringwertigkeit des entwendeten Gegenstands sei im Strafverfahren ein minderschwerer Fall des Diebstahls mit Waffen angenommen worden.
Das erkennende Gericht sieht aber keinen Vorsatz hinsichtlich des Diebstahls, vielmehr geht es von einer versuchten Unterschlagung einer geringwertigen Sache aus. Wegen der Anzeige der Marktleiterin des EDEKA-Marktes wäre auch die versuchte Unterschlagung verfolgt worden (§ 248a StGB). Der von der Beklagten und dem Strafgericht angenommene Diebstahl mit Waffen wird grundsätzlich mit einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zehn Jahren bestraft. Während das Strafmaß der Unterschlagung von Geldstrafe bis drei Jahren Freiheitsstrafe reicht, daher ist der Unrechtsgehalt des Delikts der Unterschlagung deutlich geringer, als der des Diebstahls mit Waffen.
Zugunsten des Beklagten spricht auch die Geringwertigkeit der Sache.
Das Persönlichkeitsbild des Beklagten spricht zu seinen Gunsten, wie der Kläger zu Recht ausgeführt hat. Insoweit wird darauf verwiesen.
Der Beklagte ist vor und nach der Tat nicht negativ in Erscheinung getreten. Er hat in der mündlichen Verhandlung und auch im Verwaltungsverfahren glaubhaft versichert, dass ihm alles sehr leid tut und dass er Fehler gemacht hat. Er denke jeden Tag daran. Auch dies wird zu seinen Gunsten gewertet.
Es liegt hier keine persönlichkeitsfremde Augenblickstat vor, da der Beklagte an dem Tag zwar wegen des Heiratsantrags und der Privatfahrt verwirrt gewesen sein mag, von einer schockartigen psychischen Ausnahmesituation ist jedoch nicht auszugehen.
Wie vom Kläger zu Recht angenommen – neutral zu bewerten – sind die sonstigen Gegenstände, die gefunden wurden und der Umstand, dass der Detektiv auf ihn angesetzt wurde. Insoweit wird auf die Ausführungen verwiesen.
Der Kläger bewertet zu Lasten des Beklagten das Verhalten des Beklagten gegenüber dem Detektiv, dass er nicht in die Tasche schauen dürfe.
Durch dieses Verhalten hat sich nach Auffassung des Gerichts der Beklagte erst strafbar gemacht, nämlich, dass er, nachdem ihm eingefallen war, dass er die Sahne nicht bezahlt hat, dies vertuschen wollte, indem er die Tasche nicht öffnen ließ und versucht hat, die Sahne zu behalten. Demnach kann man die Vertuschung selbst nicht noch einmal zu seinen Lasten bewerten.
Erschwerend ist aber, dass er die Vertuschung damit versucht hat, dass er als Polizeibeamter vorgab, die Tasche enthalte Dienstliches, um den Detektiv vom Hineinsehen abzuhalten.
Erschwerend ist auch, wie vom Kläger zu Recht ausgeführt, dass der Beklagte als Polizeibeamter ein Eigentumsdelikt im Dienst begangen hat. Dies schädigt das Ansehen der Polizei erheblich.
Der Dienstherr ist selbst nicht davon ausgegangen, dass das Vertrauen endgültig zerstört ist, vielmehr hat er die Zurückstufung um zwei Stufen beantragt.
Unter Abwägung der besonderen Umstände des Einzelfalls ist die Verhängung einer statusbegründenden Maßnahme unverhältnismäßig.
Anders als vom Dienstherrn angenommen, ist die schwerste Dienstverfehlung nicht als Diebstahl mit Waffen einer geringwertigen Sache, sondern als versuchte Unterschlagung einer geringwertigen Sache zu werten.
Zudem wurde der Beklagte 2011 mit 13 Punkten beurteilt, die Beurteilung 2014 und 2017 wurden wegen des Disziplinarverfahrens zurückgestellt. Er hätte ohne den Vorfall die Verkehrssachbearbeiterstelle erhalten und wäre vermutlich bei weiterhin guten Leistungen wieder befördert worden, was nun unterblieben ist.
Im Hinblick auf diese Folgen erscheint es angemessen, die Maßnahme der Kürzung der Dienstbezüge um 5% als Regelmaß bei einem Beamten im mittleren Dienst zu verhängen (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayDG).
Die Dauer der Kürzung der Dienstbezüge bestimmt den zeitlichen Umfang, in dem auf den künftigen Handlungswillen des Beamten eingewirkt wird. Nachdem der Beklagte mehrfach sein Bedauern zum Ausdruck gebracht hat und glaubhaft mitgeteilt hat, dass er seit fast vier Jahren täglich an diese Vorfälle am 14. Februar 2014 denkt und das Disziplinarverfahren auch bereits seit fast vier Jahren läuft, erscheint ein Kürzungszeitraum von zwei Jahren ausreichend.
Zwar wurde gegen den Beklagten hier unanfechtbar eine Strafe verhängt, jedoch wird hier nicht wegen desselben Sachverhalts eine Kürzung der Dienstbezüge vorgenommen (Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDG).
Das Strafgericht hat den Strafbefehl für den Sachverhalt im EDEKA-Markt erlassen, das hier erkennende Gericht sieht vielmehr den Sachverhalt auf dem Parkplatz als disziplinarwürdig.
Selbst wenn es sich um den denselben Sachverhalt handeln würde, so ist eine Kürzung der Dienstbezüge zusätzlich erforderlich, um das Ansehen des Berufsbeamtentums zu wahren. Der Beklagte hat hier von der Öffentlichkeit wahrgenommen, als Polizist erkennbar, eine Straftat begangen. Unter dem Aspekt der Ansehenswahrung der Polizei reicht die strafrechtliche Sanktion nicht aus, vielmehr wird hier vom Dienstherrn erwartet, dass er die Vorkommnisse nach außen sichtbar missbilligt und einer Wiederholung entgegenwirkt.
Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.


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