IT- und Medienrecht

Keine Markenrechtsverletzung durch fremdbezogene Papierhandtuchrolle

Aktenzeichen  4 HK O 4748/15

Datum:
13.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2016, 17532
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
MarkenG § 14 Abs. 2, Abs. 5, § 112 Abs. 1
GMV Art. 9 Abs. 1a, Art. 9 Abs. 2, Art. 12c, Art. 13 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Unabhängig davon, dass die Lieferung von Papierhandtuchrollen zum Zwecke des Einsatzes in die mit der Klagemarke gekennzeichneten Handtuchspender grundsätzlich eine Markenverletzung begründen kann, wenn denn die angesprochenen Verkehrskreise die auf dem Papierhandtuchspender aufgebrachte Marke als Herkunftshinweis für die in den Spender eingelegten Papierhandtuchrollen sehen, was nicht (mehr) der Fall ist, da die Benutzer von Papierhandtüchern in öffentlich zugänglichen Bereichen heutzutage aufgrund der Vielfalt der vorhandenen Handtuchspender und Systeme nicht davon ausgehen, die Handtuchspender seien nur die „Verpackung“ der darin befindlichen Papierhandtücher, haben sich die Markenrechte der Klägerin durch den Verkauf der Handtuchspender iSv Art. 13 Abs. 1 GMV erschöpft. (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Recht, frei über den erworbenen Papierhandtuchspender zu verfügen, einschließlich des Rechts, ihn nach Verbrauch einer etwaigen ursprünglichen vorhandenen Befüllung bei einem Unternehmer seiner Wahl wieder befüllen zu lassen, geht durch den Verkauf des Gegenstandes auf den Käufer über, wobei auch nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass der Markeninhaber nicht nur Fremdbefüllungen hinnehmen, sondern auch dulden muss, dass das fremde Befüllunternehmen die Spender im Zuge der Fremdbefüllung mit einem neuen, auf sich hinweisenden Etikett versieht, um auf diese Weise eine Markenverletzung auszuschließen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Klageantrag I. und die sich daraus ergebenden Folgeanträge auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung waren abzuweisen, weil die von der Klägerin begehrte Unterlassung, im geschäftlichen Verkehr neutrale Papierhandtuchrollen die nicht von der Klägerin stammen, als Nachfüllware zum Zwecke der Aufnahme und Abgabe durch mit der Marke der Klägerin gekennzeichnete, öffentlich zugängliche System-Papierhandtuchspender an Besitzer solcher Spender zu liefern oder liefern zu lassen, keinen Unterlassungsanspruch nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5, 112 Abs. 1 MarkenG bzw. Art. 9 Abs. 1 a Abs. 2 GMV begründet.
Klageantrag II., den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2016 aufgrund der abgegebenen Unterlassungserklärung für erledigt erklärt hat, war dahingehend auszulegen, dass festgestellt werden soll, die Klage habe sich diesbezüglich erledigt. Dies ist jedoch nicht der Fall, da die Klage diesbezüglich von Anfang an unbegründet war.
Im Einzelnen gilt folgendes:
I.
Klageantrag I. und die sich daraus ergebenden Folgeansprüche:
1. Zwar kann die Lieferung von Papierhandtuchrollen, die nicht von der Klägerin stammen, zum Zwecke des Einsatzes in die mit der Klagemarke gekennzeichneten Handtuchspender grundsätzlich eine Markenverletzung begründen. Dies setzt jedoch voraus, dass die angesprochenen Verkehrskreise die auf dem Papierhandtuchspender aufgebrachte Marke als Herkunftshinweis für die in den Spender eingelegten Papierhandtuchrollen sehen (BGH Grur 1987, 438-Handtuchspender).
Dies ist nach Auffassung der Kammer aufgrund der von den Parteien für den Verletzungszeitraum vorgetragenen Umständen entgegen den Feststellungen im Verfahren aus dem Jahr 1987 „Handtuchspender“ nicht mehr der Fall.
Die Beklagte hat – insoweit unwidersprochen von der Klägerin – vorgetragen, die von ihr vertriebenen, und mit ihrer eigenen Marke versehenen Papierrollen passten in verschiedene Papierhandtuchspendersysteme und auch die Klägerin vertreibe neutrale Rollen, die in die Systeme der Beklagten passten.
Darüber hinaus sind sich die Parteien jedenfalls darüber einig, dass es sogenannten AFH- Bereich Marken eine geringere Rolle spielten als bei anderen Produkten. Selbst wenn man unterstellt, dass die von der Klägerin vertriebenen streitgegenständlichen Papierhandtuchsysteme zu dem sogenannten „branded“-Bereich gehören, werden die Benutzer von Papierhandtüchern in öffentlich zugänglichen Bereichen heutzutage aufgrund der Vielfalt der vorhandenen Handtuchspender und Systeme nicht mehr davon ausgehen, dass die Papierhandtuchspender nur die „Verpackung“ der darin befindlichen Papierhandtücher sind und sich in den Spendern Papierhandtücher befinden, die aus dem Hause des Fabrikants der Spendersysteme stammen.
Dies deckt sich mit den eigenen Erfahrungen der Kammer, deren Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören. Angesichts der Vielfalt von Papierhandtuchspendern, die im öffentlich zugänglichen Bereichen vorgefunden werden, entnimmt der Verbraucher eine auf dem Handtuchspender aufgebrachten Marke keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der in den Spender eingelegten Papierhandtuchrollen mehr.
2. Was die von der Klägerin beanstandeten Fließtexthinweis „passend auch für To.spender“ am Ende der Produktbeschreibung der Beklagten angeht, so greift die Schutzschranke des Art. 12 c GMV. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH und des EuGH, dass Verbrauchsmaterialien wie z. B. Rasierklingen oder auch Staubsaugerfiltertüten unter Art. 12 c GMV fallen mit der Folge, dass der Markeninhaber dem Hersteller der Verbrauchsmaterialien nicht verbieten kann, auf diesen entsprechende Bestimmungshinweise anzubringen (vgl. EuGH Grur 2005, 509 Rdn. 32 – Gillette und BGH Grur 2005, 423, 425 – Staubsaugerfiltertüten).
3. Hinzu kommt, dass sich die Markenrechte der Klägerin durch den Verkauf der Handtuchspender i. S. v. Art. 13 Abs. 1 GMV erschöpft haben.
Das Recht, frei über den erworbenen Papierhandtuchspender zu verfügen, einschließlich des Rechts, ihn nach Verbrauch einer etwaigen ursprünglichen vorhandenen Befüllung bei einem Unternehmer seiner Wahl, d. h. nicht durch bei dem Markeninhaber sondern auch bei einem seiner Wettbewerber wieder befüllen zu lassen, geht durch den Verkauf des Gegenstandes auf den Käufer über (EuGH Grur 2011, 827, 829 -). Eine gegenteilige Handhabung würde nach der Rechtsprechung des EuGH dazu führen, dass der Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt der Wiederbefüllung mit Verbrauchsmaterialien ungerechtfertigt beschränkt würde und sogar das Risiko einer Abschottung dieses Marktes bestünde, wenn der Markeninhaber mit Hilfe seiner Marke den Kauf der von ihm angebotenen Verbrauchsmaterialien erzwingen könnte.
4. Letztendlich kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach der neueren Rechtsprechung des BGH der Markeninhaber nicht nur Fremdbefüllungen hinnehmen sondern auch dulden muss, dass das fremde Befüllunternehmen die Spender im Zuge der Fremdbefüllung mit einem neuen, auf sich hinweisenden Etikett versieht, um auf diese Weise eine Markenverletzung auszuschließen (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 996 – Sodast-ream II). Dies würde im vorliegenden Fall die Markenrechte der Klägerin für den Papierhandtuchspender noch mehr beeinträchtigen als das reine Befüllen des Spenders mit Fremdware.
II.
Klageantrag II., der von der Klägerin einseitig für erledigt erklärt wurde
Da die Beklagten der Erledigterklärung der Klägerin nicht zugestimmt haben, war die einseitige Erledigterklärung der Klägerin dahingehend auszulegen, dass beantragt wird, festzustellen, dass die Klage anfangs zulässig und begründet war und sich durch die abgegebene Unterlassungserklärung erledigt hat.
Eine solche Feststellung konnte jedoch nicht erfolgen, da der zunächst angekündigte Klageantrag II. nicht begründet war. Nach der Rechtsprechung des EuGH hängt die Frage, ob die Herkunftsfunktion einer Marke beeinträchtigt wird, wenn Internetnutzern bei Eingabe eines mit der Marke identischen Schlüsselworts die Anzeige eines Dritten gezeigt wird, insbesondere davon ab, wie diese Anzeige gestaltet ist. Die herkunftshinweisende Funktion der Marke ist nur dann beeinträchtigt, wenn aus der Anzeige für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die dort beworbenen Waren oder Dienstleistungen vom Inhaber der Marke oder von einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder aber von einem Dritten stammen. Dabei reicht es für die Feststellung der Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion der Marke wegen des Maßstabs des normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetznutzers nicht aus, dass lediglich einige Internetnutzer nur schwer erkennen können, dass die beworbenen Dienstleistungen nichts mit derjenigen des Markeninhabers zu tun hat (vgl. BGH, GRUR 2013,1044 Rdn. 13 – Beate Uhse).
Wie sich aus der Anlage K 21 ergibt, wird auf der Website der Beklagten aber unmittelbar in der Suchergebnisliste eine Abbildung der Papierhandtuchrolle der Beklagten gezeigt, die den Aufkleber mit dem Herkunftshinweis auf die Beklagte deutlich erkennen lässt. Aufgrund dieses Markenaufdrucks erscheint es ausgeschlossen, dass der Nutzer der Internetseite der Beklagten auf die Idee kommt, dass das in der Suchergebnisleiste angezeigte Produkt trotz des entgegenstehenden Herkunftshinweises möglicherweise doch von der Klägerin stammen könnte.
Die Klage war daher in vollem Umfang mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen

Gültigkeit von Gutscheinen

Sie erweisen sich immer wieder als beliebtes Geschenk oder werden oft bei Rückgabe von Waren statt Geld ausgezahlt: Gutscheine. Doch wie lange sind Gutscheine eigentlich gültig, ist eine Einlösbarkeit von einem Monat überhaupt rechtmäßig und was passiert, wenn der Gutschein doch einmal verfällt?
Mehr lesen