IT- und Medienrecht

Missbrauch prozessualer Mittel

Aktenzeichen  AN 4 E 17.00600

Datum:
30.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LKrO Art. 12a Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Eine Bürgerinitiative, die bei einer seit einem geraumen Zeitraum öffentlich diskutierten Maßnahme erst mit einem einen Tag vor der entscheidenden Sitzung der kommunalen Vertretungskörperschaft bei dem Verwaltungsgericht angebrachten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung deren Beschlussfassung zu verhindern sucht, kann sich nicht mit Erfolg auf die behauptete Eilbedürftigkeit berufen, weil sie diese durch eigenes Verhalten selbst herbeigeführt hat und dieses Verhalten einen Missbrauch prozessualer Mittel darstellt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Antragsgegner zu 1), 2) und 3) wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerseite hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Im Landkreis … wird nach Presseberichten (vgl. z.B. … v. 13.6.2015, … v. 14.12.2016, … vom 10.2.2017, im Internet jeweils abrufbar unter …*) über eine Fusion der bisher selbständigen Stadt- und Kreissparkasse … einerseits und der Kreissparkasse … andererseits auch öffentlich diskutiert.
Mit Ladungsschreiben vom 20. März 2017 berief der Landrat (Antragsgegner zu 2) des Landkreises … (Antragsgegner zu 1) den Kreistag (Antragsgegner zu 3) für den 31. März 2017, 9.00 Uhr ein. Tagesordnungspunkt 1 der öffentlichen Sitzung um 9.30 Uhr ist laut Tagesordnung die „Vereinigung der Kreissparkasse … mit der Stadt- und Kreissparkasse … gemäß Art. 16 Sparkassengesetz (SpkG); Billigung des Vereinigungsvertrages und Bestellung der zu entsendenden Verbandsrätinnen und Verbandsräte sowie deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter.“
Mit Schreiben vom 30. März 2017 beantragte die Bürgerinitiative „Erhalt der Kreissparkasse … als eigenständiges Kreditinstitut“, vertreten u.a. durch die Antragsteller zu 1) bis 3), beim Landrat des Landkreises … die „Durchführung eines Bürgerentscheids (Bürgerbegehren)“ und übergab – so der Text des Schreibens – in Anlagen „die notwendigen Unterschriften“.
Mit am 30. März 2017, 12.18 Uhr, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem Telefax beantragten die Antragsteller zu 1) bis 3) den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Antragsgegner zu 1) bis 3) mit folgendem Inhalt:
„I.
Der Antragsgegner zu 1), der Antragsgegner zu 2) und der Antragsgegner zu 3) werden bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des Kreisbegehrens ‚Erhalt der Kreissparkasse … als eigenständiges Kreditinstitut‘ – im Hauptsacheverfahren im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, keine Kreistagsbeschlüsse zu fassen, keine sonstigen Entscheidungen zu treffen und keine sonstigen Maßnahmen vorzunehmen, die geeignet sind, die Zielsetzung des Bürgerbegehrens zu vereiteln.
II.
Der Antragsgegner zu 1), der Antragsgegner zu 2) und der Antragsgegner zu 3) haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.“
Die Eilbedürftigkeit für den gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ergebe sich aus der Gefahr, dass das von den Antragstellern geltend gemachte Recht auf Zulassung des eingereichten Kreisbegehrens durch weiteren Zeitablauf und durch die bereits am morgigen Freitag, den 31. März 2017, 9.00 Uhr anberaumte endgültige Abstimmung des Kreistages über die Fusion der Kreissparkasse … mit der Stadt- und Kreissparkasse … vereitelt werden könnte. Hierbei sei zu erwähnen, dass mit positiver Beschlussfassung des Verwaltungsrates der Kreissparkasse … am 8. März 2017 zur Fusion der Stadt- und Kreissparkasse … und der anschließenden Veröffentlichung in den lokalen Medien erstmals für den Bürger eindeutig klar gewesen sei, dass eine Fusion überhaupt anstehe. Bereits am 31. März 2017 solle die Fusion auf Basis des Empfehlungsbeschlusses des Kreisausschusses vom 27. März 2017 im Kreistag um 9.00 Uhr abschließend beschlossen und der Vereinigungsvertrag bereits am gleichen Tag um 12.30 Uhr unterzeichnet werden. Sofern die Frist gemäß Art. 12a Abs. 1 Landkreisordnung ausgeschöpft würde (Prüfung etc.) wäre eine Bürgerbeteiligung faktisch unmöglich gemacht. Es entstehe der Eindruck, dass unnötiger Zeitdruck erzeugt werde, obwohl keine Eile geboten sei, da die Fusion erst ab 1. Juli 2017 rechtswirksam werden solle und die „technische Fusion“ erst nächstes Jahr erfolgen könne. Die erforderliche besondere Betroffenheit im Sinne von Art. 12a Abs. 7 Satz 1 Landkreisordnung liege vor (wird ausgeführt).
Der Landrat des Landkreises … trat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung telefonisch entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Der gegen die Antragsgegner zu 1) bis 3) gerichtete Antrag nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg.
Gemäß § 123 VwGO kann das Gericht auf Antrag (auch schon vor Klageerhebung) eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen notwendig erscheint.
Dem Erfolg des gestellten Antrags nach § 123 VwGO steht hier schon entgegen, dass die Antragstellerseite die – behauptete – Eilbedürftigkeit des Antrages durch ihr eigenes Verhalten selbst herbeigeführt hat, so dass sie sich hierauf nicht mit Erfolg berufen kann.
Wie unter Abschnitt I der Gründe dieses Beschlusses bereits ausgeführt, wird über die Frage einer eventuellen Fusion zwischen den beiden Sparkassen auch in der Öffentlichkeit bereits seit längerer Zeit diskutiert. Es stellt einen Missbrauch prozessualer Mittel dar, wenn unter solchen Umständen erst am letzten Tag vor der angesetzten entscheidenden Kreistagssitzung beim Landrat ein Bürgerbegehren eingereicht und beim Verwaltungsgericht ein Antrag nach § 123 VwGO gestellt wird mit dem Ziel, die eingeleitete Sparkassenfusion zu verhindern. Es ist offensichtlich, dass in der bis zur Kreistagssitzung vom 31. März 2017, 9.00 Uhr, noch verbleibenden Zeit keine verantwortbare Sachentscheidung getroffen werden kann.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwert: § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG, Nr. 22.6 i.V.m. Nr. 1.5 Streitwertkatalog 2013.


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