IT- und Medienrecht

Mittelbare und mittelbare Verletzung des deutschen Teils eines Europäischen Patents

Aktenzeichen  21 O 11357/16

Datum:
16.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 57835
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 91 Abs. 1, § 709 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

1. Beschreibung und Zeichnungen, die dem Fachmann die Lehre des Patentanspruchs erläutern und veranschaulichen, sind nicht nur für die Bestimmung des Schutzbereichs, sondern ebenso für die Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen (vgl. BGH, GRUR 2015, 875). (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beschreibung des Patents, deren Funktion es ist, die geschützte Erfindung zu erläutern, kann Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein patenteigenes Lexikon darstellen (vgl. BGH GRUR 2015, 875). (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die klagepatentgemäße Erfindung betrifft ein mobiles Kommunikationssystem mit einem sog. Code Division Multiple Access (CDMA), insbesondere ein diesbezügliches Zeitfenstersynchronisationsverfahren zwischen einem mobilen Anschluss („mobile terminal“) und einer Basisstation [0001].
Nach den Ausführungen in der Klagepatentschrift war im Stand der Technik eine Zellensuche im Wege der Zeitfenstersynchronisation bereits bekannt. Die Zeitsynchronisation erfolgte im Stand der Technik dergestalt, dass von einer Basisstation über Festkanäle ein Steuersignal an das mobile Gerät gesandt wurde. Dabei waren die Festkanäle so beschaffen, dass ein der Basisstation zugeordneter Langcode und ein erster Kurzcode in einem ersten Abschnitt eines Fensters des Festkanals und ein vorgegebener Kurzcode („zweiter Kurzcode“/Suchcode CSC) in einem zweiten Abschnitt des Zeitfensters enthalten waren (Fig. 1).
Bei dem zweiten Kurzcode handelte es sich um ein am Ende eines Abschnitts (Slots) angeordnetes Symbol („… only one symbol located at the end of a slot by using a special short code called long code masked symbol …”). Dieser zweite Kurzcode wird auch „long code masked symbol“ genannt, weil der Langcode in diesem Bereich maskiert ist, also keine Anwendung findet, damit der Kurzcode leichter aufgefunden werden kann. Dieser zweite Kurzcode wurde im gesamten Kommunikationsnetz verwendet und diente dem Mobilgerät als Suchcode für die Zeitsynchronisation.
Der zweite Kurzcode wurde vor der Übertragung mit einem Vektor multipliziert; diesen Vorgang nennt man „Spreizen“. Die Elemente des Ergebnisvektors werden Chips genannt, wobei „Chip“ einen Impuls eines mit einem Spreizcode codierten Signals bezeichnet. Der Kurzcode ist also – im Stand der Technik wie auch nach der Lehre des Klagepatents – gekennzeichnet durch einen sog. Ausbreitungs- oder Spreizfaktor; dieser gibt an, wieviele Chips pro Bit oder Bitfolge verwendet werden. Dabei entspricht ein Bit bzw. eine Bitfolge einem Symbol; ohne Modulation entspricht ein Symbol immer genau einem Bit, durch digitale Modulation kann die Anzahl der Bits pro Symbol erhöht werden.
Dem Stand der Technik folgend unterscheidet auch das Klagepatent zwei Abschnitte eines Zeitfensters (Slots), wobei im zweiten Abschnitt des Zeitfensters der zweite Kurzcode übermittelt wird. Damit das Mobilgerät den zweiten Abschnitt zum Zwecke der Synchronisation finden kann, benötigt es ein entsprechendes Filter („matched filter“), das auf die gesuchte Sequenz eingestellt ist und der Korrelationsberechnung (Abgleich des empfangenen Signals mit dem bekannten Signal) dient.
Die Synchronisation beim mobilen Anschluss erfolgt in drei Schritten:
(1) der mobile Anschluß isoliert die Festkanäle unter Verwendung des CSC und erfaßt den Fenstertakt auf der Grundlage der Höhe des Korrelationswerts;
(2) der mobile Anschluß isoliert entsprechend dem synchronisierten Zeitfenstertakt sämtliche GISCs und erfaßt den GISC auf der Grundlage der Höhe des Korrelationswerts;
(3) der mobile Anschluß führt unter Verwendung sämtlicher Langcodes, die zu einer dem GISC zugeordneten Gruppe gehören, eine Identifikation durch und erfaßt den Langcode auf der Grundlage der Höhe des Korrelationswerts.
Dabei nimmt der erste Schritt der Zellensuche (die Zeitfenstersynchronisation) am meisten Zeit in Anspruch. Um die Zeitfenstersynchronisation rasch ausführen zu können, wird in vielen Fällen ein angepaßtes Filter verwendet, das Korrelationsergebnisse zu mehreren Taktzeitpunkten gleichzeitig ableiten kann (Absatz [0012] des Klagepatents). Wird etwa ein Filter mit der Gattergröße ‚64 Chips‘ verwandt, erfordert die Korrelationsberechnung für einen Festkanal mit einem Ausbreitungsfaktor von 256 viel Zeit und eine hohe Rechenleistung.
Das Klagepatent stellt sich vor diesem Hintergrund die Aufgabe, ein Synchronisationsverfahren zur Verfügung zu stellen, welches bei hoher Geschwindigkeit energieeffizient arbeitet.
Das soll nach der Lehre aus Patentanspruch 1 dadurch erreicht werden, dass der Ausbreitungsfaktor des long code mask symbol (anspruchsgemäß der zweite Kurzcode) kleiner als die Spreizfaktoren der übrigen Abschnitte der Festkanäle (anspruchsgemäß der erste Kurzcode) eingestellt wird (Absatz [0014]des Klagepatents); der Verfahrensanspruch lässt sich in folgende Merkmale gliedern:
1. Zeitfenstersynchronisierungsverfahren für ein mobiles Kommunikationssystem mit Codeverteilung und Mehrfachzugriff, das die folgenden Schritte umfasst:
2. Senden eines Steuersignals von einer Basisstation über Festkanäle (106, 107), die so beschaffen sind, dass
2.1. ein der Basisstation zugeordneter Langcode und ein erster Kurzcode in einem ersten Abschnitt (102) eines Fensters des Festkanals [abgebildet sind] und
2.2. ein vorgegebener Kurzcode in einem zweiten Abschnitt (131) des einen Fensters abgebildet [ist] sind,
2.2.1. wobei der Ausbreitungsfaktor des vorgegebenen Kurzcodes auf einen geringeren Wert als der Ausbreitungsfaktor des ersten Kurzcodes des ersten Abschnitts aufweist;
3. durch einen mobilen Anschluss erfolgen die
3.1. Berechnung eines Korrelationswerts für den zweiten Abschnitt des einen Fensters unter Verwendung des vorgegebenen Kurzcodes und
3.2. der Durchführung einer Zeitfenstersynchronisation unter der Verwendung des berechneten Korrelationswerts.
Anspruch 8 des Klagepatents lässt sich mit folgenden Merkmalen aufgliedern:
1. Mobilanschluss für ein mobiles Kommunikationssystem mit Codeverteilung und Mehrfachzugriff, bei dem
2. eine Basisstation ein Steuersignal über Festkanäle (106, 107) überträgt, die so beschaffen sind, dass
2.1. ein der Basisstation zugeordneter Langcode und ein erster Kurzcode in einem ersten Abschnitt (102) eines Fensters des Festkanals [abgebildet sind] und
2.2. ein vorgegebener Kurzcode in einem zweiten Abschnitt (131) des einen Fensters abgebildet [ist] sind,
2.2.1. wobei der Ausbreitungsfaktor des vorgegebenen Kurzcodes einen niedrigeren Wert als der Ausbreitungsfaktor des ersten Kurzcodes aufweist;
3. der mobile Anschluss umfasst:
3.1 eine RF-Einheit (801) zum Umwandeln eines von einer Antenne empfange nen Signals aus der Trägerfrequenz in ein Basisbandsignal;
3.2. ein angepasstes Filter (901) zum Empfangen eines Eingangs des Basisbandsignals und zum Berechnen eines Korrelationswerts für das Basisbandsignal unter Verwendung eines zweiten Kurzcodes (CSC)
zur Durchführung einer Zeitfenstersynchronisation. Das Klagepatent wird von UMTSfähigen Mobilfunkgeräten schon deshalb nicht verletzt, weil bei der Synchronisation im UMTS-Standard kein vorgegebener Kurzcode verwandt wird, dessen Ausbreitungsfaktor einen geringeren Wert als der Ausbreitungsfaktor des ersten Kurzcodes aufweist (Merkmal 2.2.1.).
Zur Feststellung der geltend gemachten Patentverletzung bedarf der Terminus „Wert des Ausbreitungsfaktors des vorgegebenen Kurzcodes“ (Merkmal 2.2.1.) näherer Betrachtung.
Die Bedeutung der in einem Patentanspruch verwendeten Begriffe ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln, die nach der ständigen Rechtsprechung des BGH stets geboten ist und auch dann nicht unterbleiben darf, wenn der Wortlaut des Patentanspruchs eindeutig zu sein scheint (BGH, GRUR 2015, 875 – Rotorelemente). Beschreibung und Zeichnungen, die dem Fachmann die Lehre des Patentanspruchs erläutern und veranschaulichen, sind nicht nur für die Bestimmung des Schutzbereichs, sondern ebenso für die Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen (BGH, GRUR 2015, 875 – Rotorelemente). Die Beschreibung des Patents, deren Funktion es ist, die geschützte Erfindung zu erläutern, kann Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein patenteigenes Lexikon darstellen (BGH GRUR 2015, 875 – Rotorelemente).
Ausgehend von der Wortlautfassung der Klagepatentansprüche misst der Fachmann, ein Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik mit Schwerpunkt Telekommunikations- und Nachrichten- bzw. Hochfrequenztechnik mit Hochschulausbildung, mehrjähriger Berufserfahrung und Kenntnis der einschlägigen Mobilfunkstandards und besonderen Kenntnissen auf dem Gebiet der Signalübertragung und Systemstrukturierung von Kommunikationssystemen mit drahtlosem Zugang, diesen insbesondere auf das jeweilige Merkmal 2.2.1 folgendes Verständnis bei:
Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Begriffe „Ausbreitungsfaktor“ und „Kurzcode“ weder in den Patentansprüchen noch in der Beschreibung synonym verwandt werden. Der Ausbreitungs- oder Spreizfaktor ist also nicht identisch mit dem Kurzcode, vielmehr ist der Ausbreitungsfaktor dem vorgegebenen Kurzcode in dem Sinne zugeordnet, dass der vorgegebenen Kurzcode durch einen Ausbreitungsfaktor gekennzeichnet ist oder charakterisiert werden kann. Synonym verwandt werden hingegen die Begriffe „vorgegebener Kurzcode“, „CSC“, „PSC“, „Primärer Synchronisationscode“, „Suchcode“, „Spreizcode“, „zweiter Kurzcode“ einerseits und „Ausbreitungsfaktor“, „Spreizfaktor“ andererseits; nachfolgend soll – zur Vermeidung allzu großer Begriffsverwirrung – einheitlich von „zweitem Kurzcode“ und „Spreizfaktor“ die Rede sein.
Hinzu kommt eine dritte Kategorie von in diesem Zusammenhang bedeutsamen Begriffen („Symbol“, „Symbolsequenz“, …), die zwar nicht im Anspruchswortlaut auftauchen, aber für das Verständnis des Terminus „Wert des Ausbreitungsfaktors des vorgegebenen Kurzcodes“ unmittelbar von Bedeutung sind. Der Begriff Symbol steht für das einzelne Bit bzw. die Bitfolge.
Die Begriffe Symbol, Spreizfaktor und zweiter Kurzcode stehen zueinander in folgendem Verhältnis: Mit Spreizfaktor wird das Verhältnis von Chips pro Bit (oder Bitfolge) ausgedrückt. Spreizen bedeutet dabei die Multiplikation von (Nutzdaten-)bits mit einem Vektor, wobei das Ergebnis, der Kurzcode, wiederum ein Vektor mit einer in Chips bestimmten Länge ist. Über die Luftschnittstelle übertragen wird also nicht das einzelne in Bit(s) ausgederückte Symbol, sondern infolge des Spreizvorgangs eine bestimmte Anzahl von Chips, mit anderen Worten: das (mit dem Spreizfaktor x) gespreizte Symbol bzw. die gespreizte Symbolsequenz, der Kurzcode.
Der Spreizfaktor des vorgegebenen Kurzcodes ergibt sich nach fachmännischem Verständnis der Klagepatentschrift also aus dem Verhältnis von Chips pro Symbol. Wird also etwa ein Symbol mit dem Spreizfaktor 16 gespreizt, stehen für den vorgegebenen Kurzcode 16 Chips zu Buche; werden hingegen 16 Symbole mit dem Spreizfaktor 16 gespreizt, weist der vorgegebene Kurzcode 256 Chips auf – der Spreizfaktor des Kurzcodes beträgt gleichwohl nur 16 Chips.
Um also den Spreizfaktor des vorgegebenen Kurzcodes bestimmen zu können, ist es erforderlich, die Zahl der gespreizten Symbole zu kennen bzw. zu ermitteln; aus dem Chipwert des vorgegebenen Kurzcodes allein lässt sich der Spreizfaktor nämlich – wie gezeigt – nicht ermitteln. Diese Sichtweise (Zahl der Symbole x Spreizfaktor = Länge des Kurzcodes) liegt auch der Beschreibung des Klagepatents zugrunde; dort ist etwa unter [0015] der Beschreibung ausdrücklich vom Spreizfaktor des long code masked symbol („spreading factor of the long code masked symbol“) die Rede. Auch die Klägerin hat diese Sicht ihrer Klage zugrundegelegt (dort insbesondere S. 5 „Symbol“, „Ausbreitungsfaktor“, …). Angesichts dessen ist nicht verständlich, weshalb die Klägerin zuletzt erklärt hat, es sei schon im Ansatz verfehlt, nach Symbolen zu fragen, die gespreizt würden, da es nicht um die Spreizung von Symbolen gehe. Es ist auch nicht richtig, dass im Klagepatent an keiner Stelle von der Spreizung von Symbolen die Rede sei; insofern kann etwa auch auf Absatz [0024] der Beschreibung verwiesen werden. Dort heißt es:
A CDMA communication system performing a cell search method using the long code mask symbol will now be described centering around an example in which only the long code masked symbol portion of the perch channels typically transmitted at 16 ksps (spreading factor 256) is made to have a spreading factor of 64.
Aus dem UMTS-Standard ergibt sich vorliegend, dass sowohl der erste als auch der vorgegebene Kurzcode 256 Chips aufweisen. Damit kann die Frage der Verwirklichung des Merkmals 2.2.1 allerdings noch nicht beantwortet werden, da es ja gerade nicht auf die Größe bzw. Länge der Kurzcodes, sondern auf den Wert des jeweiligen Spreizfaktors ankommt, wobei – wie gezeigt der Kurzcode und sein Spreizfaktor nicht identisch sind: Der Kurzcode hat patentgemäß einen Spreizfaktor, er ist aber nicht selbst der Spreizfaktor. Der zur Klärung der Verletzungsfrage zu ermittelnde Wert der Spreizfaktoren hängt – bei Kenntnis des Werts der Kurzcodes – schlicht von der Zahl der Symbole ab, die gespreizt werden: Wird nur ein Symbol auf einen Kurzcodewert von 256 Chips gespreizt, ist der Spreizfaktor ebenfalls 256 (1 x 256 = 256); werden hingegen 8 Symbole auf einen Kurzcodewert von 256 Chips gespreizt, beträgt der Spreizfaktor 32 (8 x 32 = 256);
Entscheidend ist daher die Frage, wieviele Symbole im Falle der miteinander zu vergleichenden Kurzcodes gespreizt werden.
Die Beklagte behauptet unter Berufung auf Absatz [0007] der Beschreibung, patentgemäß gespreizt werde im Falle des vorgegebenen Kurzcodes ein einziges Symbol am Ende des Zeitschlitzes, nämlich das sog. langcodemaskierte Symbol.
Die Klägerin hat zuletzt behauptet, aus dem UMTS-Standard („The chanellisation code for the Primary CCPCH is fixed to Cch, 256,1“) lasse sich ableiten, dass der Spreizfaktor für den ersten Kurzcode 256 betrage. Die Sequenz a stelle im UMTS-Standard den vorgegebenen Kurzcode (PSC) dar, welcher aus der Wertefolge ˂1,1,1,1,1,-1,-1,1,-1,1,-1,1,-1,-1,1˃ bestehe; der Ausbreitungsfaktor der Sequenz a betrage 16, da sie aus 16 Chips bestehe. Mit dem Sinngehalt des Klagepatents könne man dies auch dahin ausdrücken, dass ein Symbol mit dem Wert 1 mit dem Faktor 16 gespreizt wird. Die Sequenz a, also der vorgegebene Kurzcode, werde 16 Mal innerhalb eines Zeitfensters gesendet.
Dem kann nicht gefolgt werden:
Nach dem oben dargestellten Verhältnis der Begriffe Symbol, Spreizfaktor und Kurzcode ist es allerdings nicht möglich, dass die Sequenz a gleichzeitig Spreizfaktor und Kurzcode ist. Unterstellt man mit der Klägerin als zutreffend, dass im Falle der Sequenz a ein Symbol (mit dem Wert 1) mit dem Faktor 16 gespreizt wird, so ergibt sich zwar der Spreizfaktor 16 (Chips) und somit ein Kurzcode mit der Länge von 16 Chips. Bei diesem Kurzcode handelt es sich aber nicht um den im UMTS-Standard übertragenen Kurzcode, denn dieser hat entsprechend der Anlage KE 6 (dort Seite 35, Ziffer 5.3.3.5), auf die sich die Klägerin zur Darlegung der Verletzung beruft, eine Länge von 256 Chips.
Auch die Hilfsargumentation der Klägerin verfängt nicht:
Betrachtet man danach als vorgegebenen Kurzcode im UMTS-Standard die 16fach wiederholte Sequenz a, ist schon unklar, weshalb durch diese vielfache Übertragung des immer noch einen Symbols, welches der Sequenz a zu Grunde liegt, nunmehr 16 Symbole werden sollen, denn die Spreizung ist ja aus fachmännischer Sicht nicht der Übertragungsvorgang, sondern der dem vorgelagerte Multiplikationsvorgang. Die Hilfsargumantation verfängt aber insbesondere deshalb nicht, weil es im UMTS-Standard ausweislich der Anlage KE 6 (dort Seite 35, Ziffer 5.3.3.5), auf die sich die Klägerin zur Darlegung der Verletzung beruft, eindeutig heißt, der Kurzcode werde nur einmal pro Zeitfenster übertragen. Auf die Frage, ob das Klagepatent eine mehrfache Übertragung des PSC nahelegt – was zweifelhaft ist, da die Figuren 3 und 5 lediglich eine mehrfache Übertragung des GISC zeigen -, kommt es danach gar nicht mehr an, da im UMTS-Standard eben ausdrücklich nur eine solche Übertragung erfolgt:
„… The Primary SCH consists of a modulated code of length 256 chips, the Primary Synchronisation Code (PSC)…, transmitted once every slot.”
Angesichts dessen kann dahinstehen, ob eine solch mehrfache Übertragung des PSC nach dem Klagepatent als mögliche Ausführungsform überhaupt – wie die Klägerin meint – angedacht ist. Im UMTS-Standard erfolgt eine solch mehrfache Übertragung des PSC innerhalb eines Slots jedenfalls nicht. Im Übrigen zeigen auch die Ausführungsbeispiele des Klagepatents in keinem Fall eine mehrfache Sendung des CSC innerhalb eines Slots.
Auch das vorgelegte Siemens-Dokument, welches nach dem Vortrag der Klägerin Eingang in den UMTS-Standard gefunden haben soll, kann eine Verletzung nicht belegen, da die Klägerin mit diesem lediglich die Richtigkeit ihrer vorstehend genannten Annahmen zu belegen versucht.
Tatsächlich ist danach davon auszugehen, dass dem vorgegebenen Kurzcode im UMTSStandard nicht 16 Symbole zugrundeliegen, sondern dass dem vorgegebenen Kurzcode (search code, Fig. 1) ein einziges Symbol zugrundeliegt, welches mit Faktor 256 gespreizt wird, das long code mask symbol (Fig. 1). Dem steht nicht entgegen, dass in der long code mask section mehrere Codes, nämlich der CSC und der Gruppenerkennungscode GISC übertragen werden, denn diesen Codes liegt kein einheitliches Symbol zugrunde. Dass beide Codes aufgrund der ihnen zugrundeliegenden Symbole identisch sind, behauptet auch die Klägerin nicht. Aus Absatz [0003] der Patentbeschreibung ergibt sich im Hinblick auf das long code mask symbol vielmehr Folgendes:
As for an example of a conventional cell search method, a method of spreading only one symbol located at the end of a slot by using a special short code called long code masked symbol… Und in Absatz [0015] heißt es:
In particular, a symbol rate according to typical number of taps of the MF used in the mobile terminal is determined. For example, in the case where the spreading factor of the mask symbol is 64, timing synchronization is conducted by using a MF with 64 taps.
Das Klagepatent geht also erkennbar davon aus, dass es sich bei dem long code masked symbol um das Symbol bzw. die Symbolsequenz handelt, die dem Kurzcode zugrundeliegt. Ein Verständnis, nach dem mit dem long code masked symbol ein Gesamtsignal (bestehend aus CSC und GISC) bezeichnet wird, welches immer mehr als ein Symbol enthält, ist mit den vorstehend zitierten Beschreibungsstellen (… only one symbol …) nicht vereinbar. Es entspricht im Übrigen auch nicht dem Verständnis, welches die Klägerin – zutreffend – noch in der Klage geäußert hat; dort (Seite 10 oben) hat sie die Auffassung vertreten, der vorgegebene Kurzcode werde auch long code masked symbol genannt.
Ungeachtet dessen ergibt sich aus dem UMTS-Standard auch unmittelbar, dass dem vorgegebenen Kurzcode nur ein Symbol zugrundeliegt, welches auch nur ein Mal pro Zeitfenster (Slot) übertragen wird:
„… The Primary SCH consists of a modulated code of length 256 chips, the Primary Synchronisation Code (PSC)…, transmitted once every slot.
The primary … synchronization code… [is] modulated by the symbol a shown in figure … ”
Eine Verletzung kann zuletzt auch nicht mit der nachfolgend eingeblendeten Figur belegt werden:
Dabei sollen nach dem Klägervortrag im oberen Diagramm die Symbole des vorgegebenen Kurzcodes (PSC) ungespreizt, im unteren Diagramm sie mit der Sequenz a gespreizt dargestellt sein. Ist die Länge der ungespreizten Symbolsequenz aber gleich der Länge der gespreizten Symbole, wie dies bei der vorstehend eingeblendeten Figur offensichtlich der Fall ist, kann daraus mit Blick auf den Spreizfaktor nur ein Schluss gezogen werden: er beträgt genau 1, aber nicht 16, denn jedes Symbol ist vor und nach der Spreizung gleich groß. Dass der Spreizfaktor des vorgegebenen Kurzcodes 1 beträgt, behauptet die Klägerin nicht; dass der Spreizfaktor 16 beträgt, kann der Figur nicht entnommen werden. Die Klägerin trägt selbst vor, charakteristisch für eine Spreizung sei, dass aus einer (ungespreizten) Symbolsequenz (mittels Spreizung) eine Chipsequenz erzeugt wird, deren Länge der Multiplikation der Länge der Symbolsequenz mit dem Spreizfaktor entspricht. Ist die Länge der Chipsequenz allerdings vor und nach der Spreizung identisch, kann der Multiplikator (Spreizfaktor) nicht 16 sein.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.


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