Aktenzeichen M 10 K 19.4079
BayKAG Art. 2 Abs. 1 S. 2
SNGS § 1 S. 3, § 6, § 7 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3
Leitsatz
Eine Norm in einer kommunalen Sondernutzungsgebührensatzung, die lediglich regelt, dass grundsätzlich auch unerlaubte Sondernutzungen gebührenpflichtig sind, aber keine Regelung dazu enthält, wann die Gebühren fällig sind, wenn eine Sondernutzungserlaubnis nicht erteilt worden ist, verstößt gegen § 2 Abs. 1 S. 2 BayKAG und hat die Nichtigkeit der gesamten Sondernutzungsgebührensatzung zur Folge. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2019 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
1. Über die Klage wird durch Gerichtsbescheid entschieden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden vorher hierzu gehört (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Die Klage hat Erfolg, da sie zulässig und begründet ist. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Es fehlt dem Bescheid bereits an der wirksamen Rechtsgrundlage, weil die Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten vom 27. Oktober 2010 nichtig ist.
a) Die in § 7 SNGS enthaltene Fälligkeitsregelung verstößt gegen Art. 2 Abs. 1 Satz 2 Kommunalabgabengesetz (KAG). Nach dieser Vorschrift muss eine Abgabesatzung u.a. die Fälligkeit der Abgabeschuld bestimmen.
Diesem obligatorischen Regelungsauftrag für den Satzungsgeber wird die Fälligkeitsvorschrift in § 7 SNGS nicht gerecht. Zum einen ist die Verwendung des Begriffs „regelmäßig“ in § 7 Abs. 1 SNGS bereits nicht hinreichend bestimmt. Es ist nicht klar, ob und in welchen Fällen Ausnahmen von der Regel vorgesehen sind, insbesondere ob lediglich die in § 7 Abs. 2 und Abs. 3 SNGS geregelten Konstellationen Ausnahmetatbestände bilden (sollen). Zum anderen ist in § 7 SNGS nicht geregelt, wann die Gebühren fällig werden, wenn eine Sondernutzungserlaubnis nicht erteilt worden ist, obwohl der Satzungsgeber grundsätzlich auch unerlaubte Sondernutzungen nach § 1 Satz 3 SNGS als gebührenpflichtig erachtet. Denn § 7 Abs. 1 SNGS normiert die Fälligkeit lediglich in Abhängigkeit von der erteilten Erlaubnis. Auch § 7 Abs. 2 und Abs. 3 SNGS betreffen nicht die Fälle der unerlaubten Sondernutzung, sondern besondere Fallkonstellationen, bei denen überdies ebenso nur auf die Erteilung der Erlaubnis abgestellt wird.
Wann die Gebühr in den Fällen der unerlaubten Sondernutzung fällig wird, lässt sich auch nicht durch Auslegung der Satzung ermitteln. Der Wortlaut des § 7 Abs. 1 SNGS ist insoweit eindeutig nur auf die Fälligkeit bei erteilter Erlaubnis, nicht aber bei unerlaubter Sondernutzung bezogen. Angesichts dessen ist kein Spielraum für eine Auslegung oder sonstige Schließung der Regelungslücke, zumal der Satzungsgeber in § 6 SNGS im Hinblick auf das Entstehen der Gebührenschuld gerade zwischen der erlaubten und der unerlaubten Sondernutzung differenziert.
b) Rechtsfolge des Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 Satz 2 KAG ist die Gesamtnichtigkeit der Satzung; eine Satzung, die eine der in Art. 2 Abs. 1 Satz 2 KAG aufgezählten Mindestregelungen nicht enthält, ist insgesamt ungültig (vgl. hierzu: BayVGH, U.v. 2.2.2005 – 4 N 01.2495 – BeckRS 2005, 15914; U.v. 17.2.1989 – 23 B 87.01922 – BeckRS 1989, 08490 jew. m.w.N.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.