IT- und Medienrecht

Nichtigkeit einer Satzung

Aktenzeichen  M 10 K 18.2924

Datum:
26.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 28041
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EWS § 1 Abs. 1
BSG § 5 Abs. 1
BayKommZG Art. 7 Abs. 5 S. 1, Art. 11 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Besteht keine räumliche Deckungsgleichheit zwischen dem Gebiet der in der Entwässerungssatzung gewidmeten öffentlichen Einrichtung und dem Gebiet, für welches Abgaben für die öffentliche Einrichtung nach der Beitrags-, Gebühren- und Kostensatzung zur Entwässerungssatzung erhoben werden, umfasst diese also nicht alle Ortsteile, für die die öffentliche Entwässerungseinrichtung betrieben wird, ist die Beitrags-, Gebühren- und Kostensatzung zur Entwässerungssatzung nichtig.  (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Bescheide des Beklagten vom 5. Juni 2014 in Gestalt der Änderungsbescheide des Beklagten vom 13. Oktober 2014 und der Widerspruchsbescheide des Landratsamts … vom 9. Mai 2018 werden aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckenden Betrags leisten.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist begründet. Die Bescheide des Beklagten vom 5. Juni 2014 in Gestalt der Änderungsbescheide des Beklagten vom 13. Oktober 2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide des Landratsamts … vom 9. Mai 2018 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger daher in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
a) Es fehlt den Bescheiden bereits an der wirksamen Rechtsgrundlage, weil die Beitrags-, Gebühren- und Kostensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2014 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 11. Dezember 2015 mangels Deckungsgleichheit mit dem räumlichen Geltungsbereich der Entwässerungssatzung vom 13. Dezember 2012 nichtig ist.
aa) Es besteht keine räumliche Deckungsgleichheit zwischen dem Gebiet der gewidmeten öffentlichen Einrichtung gemäß § 1 Abs. 1 EWS vom 13. Dezember 2012 und dem Gebiet, für welches Abgaben für die öffentliche Einrichtung nach der Beitrags-, Gebühren- und Kostensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2014 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 11. Dezember 2015 erhoben werden, da die Beitrags-, Gebühren- und Kostensatzung zur Entwässerungssatzung nicht alle Ortsteile umfasst, für die die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Beklagten betrieben wird.
Während der Beklagte nach § 1 Abs. 1 EWS eine öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung für die Gebiete der Stadt …, der Gemeinden … und … sowie für den Gemeindeteil … der Gemeinde … betreibt, gilt die Beitrags-, Gebühren- und Kostensatzung zur Entwässerungssatzung nach § 1 BGS in räumlicher Hinsicht nicht für den Gemeindeteil … der Gemeinde … In den Geltungsbereich der Beitrags-, Gebühren- und Kostensatzung zur Entwässerungssatzung ist somit nur ein Teil des nach der Stammsatzung von der öffentlichen Einrichtung erfassten und insoweit gewidmeten Gebiets einbezogen.
bb) Diese fehlende Deckungsgleichheit zwischen den Bereichen „Widmung der Einrichtung“ und „Erhebung öffentlicher Abgaben“ führt zur Nichtigkeit der Beitrags-, Gebühren- und Kostensatzung zur Entwässerungssatzung, da eine Reihe von Grundstücken (hier im Gemeindeteil … der Gemeinde … mit rund 400 Einwohnern), denen durch die Nutzungsmöglichkeit der Entwässerungseinrichtung ein Vorteil erwächst, nicht (rechtmäßig) zu Abgaben herangezogen werden können und darin eine Ungleichbehandlung liegt (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2005 – 23 ZB 04.3348 – BeckRS 2005, 39605 m.w.N.; VG München, U. jeweils v. 11.11.2010 – M 10 K 10.25 – BeckRS 2010, 36402, M 10 K 09.2822 – BeckRS 2010, 36404, M 10 K 09.2823 – BeckRS 2010, 36401; VG München, U.v. 6.4.2017 – M 10 K 16.2378 – BeckRS 2017, 121415 Rn. 29).
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund § 2 Nummer 9 Zweckvereinbarung zwischen dem Beklagten und der Gemeinde …, nach dem „vorbehaltlos die bestehenden Satzungen (Verbandssatzung, EWS, BGS) des [Beklagten] für das Übernahmegebiet mit der Erhebung der satzungsgemäßen Beitrags- und Gebührenansprüche“ gelten.
Zwar kann der Gebietskörperschaft, auf die durch die Zweckvereinbarung Aufgaben übergehen, ebenso wie einem Zweckverband (Art. 7 Abs. 5 Satz 1 Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit – KommZG) – hier dem Beklagten – grundsätzlich auch das Recht übertragen werden, zur Erfüllung ihrer bzw. seiner Aufgaben Satzungen und Verordnungen auch für das Gebiet der übrigen an der Zweckvereinbarung Beteiligten – hier der Gemeinde … – zu erlassen (vgl. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 KommZG). Bereits geltende Satzungen und Verordnungen der Gebietskörperschaft oder des Zweckverbands können durch eine Zweckvereinbarung auch auf dieses Gebiet erstreckt werden, Art. 11 Abs. 1 Satz 2 HS. 1 KommZG.
Dies setzt aber voraus, dass die bereits geltenden Satzungen und Verordnungen in der Zweckvereinbarung unter Angabe ihrer Fundstelle genau bezeichnet werden (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 HS. 2 KommZG). Diese Voraussetzung ist im konkreten Fall nicht erfüllt. In § 2 Nummer 9 Zweckvereinbarung werden die bestehenden Satzungen nur allgemein als „Verbandssatzung, EWS, BGS“ bezeichnet; eine konkrete Bezeichnung insbesondere unter Angabe der Fundstelle ist nicht erfolgt. Auch in der Veröffentlichung des Aufgabenübergangs auf den Beklagten im … Anzeiger vom 13. Januar 2005 werden die nunmehr geltenden Satzungen jedenfalls nicht genau bezeichnet – abgesehen davon, dass eine genaue Bezeichnung der geltenden Satzungen unter Angabe ihrer Fundstelle lediglich in einer Bekanntmachung oder Veröffentlichung über den Aufgabenübergang den Anforderungen des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 HS. 2 KommZG nach seinem eindeutigen Wortlaut wohl nicht gerecht werden dürfte.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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