IT- und Medienrecht

Nichtigkeit eines aus mehreren Elementen bestehenden Designs

Aktenzeichen  29 U 6308/19

Datum:
17.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2020, 57163
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
DesignG § 1 Nr. 1, § 33 Abs. 1 Nr. 1, § 52a

 

Leitsatz

Ein im Wege der Einzelanmeldung angemeldetes Design lässt nicht die Erscheinungsform „eines“ Erzeugnisses iSv § 1 Nr. 1 DesignG erkennen und ist deshalb nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 DesignG nichtig, wenn seiner Anmeldung mehrere Darstellungen der Ausführungsform eines Erzeugnisses beigefügt sind (hier. Schneidbrett und Auffangbehälter), die unterschiedliche Merkmale der Erscheinungsform dieses Erzeugnisses zeigen (Rn. 21 – 30) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

21 O 10580/18 2019-10-23 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

A. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 23.10.2019 teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Auf die Widerklage der Beklagten wird das deutsche Design Nr. DE 40…-0001 für nichtig erklärt.
III. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger.
B. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
C. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
D. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts in obiger Fassung sind hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die Beklagte designrechtliche Unterlassungs-, Auskunfts-, Schadensersatzfeststellungs- und Vernichtungsansprüche sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend. Widerklagend begehrt die Beklagte, das Klagedesign für nichtig zu erklären und verlangt ihrerseits die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung.
Der Kläger entwickelt und vertreibt Küchenutensilien und ist Inhaber des am 05.07.2007 angemeldeten und am 09.11.2007 eingetragenen deutschen Designs DE …405-0001 (Anlage K 3), für das die drei nachfolgenden Abbildungen hinterlegt sind:
Im Registerauszug ist in der Rubrik „Erzeugnisse“ angegeben „Schneidebretter“.
Die Beklagte stellt Möbel und Schneidebretter aus Holz her und vertreibt diese. Die im Klageantrag abgebildeten Schneidebretter mit Auffangschale hat diese über die Domain www.a. de vertrieben (vgl. Anlage K 4).
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 11.02.2016 ab (Anlage K 5). Mit Schreiben vom 01.03.2016 kündigte der Kläger an, seine Ansprüche ggf. gerichtlich geltend zu machen. Mit Schreiben vom 16.03.2016 teilte die Beklagte ihrerseits mit, dass sie negative Feststellungsklage erheben werde, wenn nicht der Kläger Abstand davon nehme, sich der behaupteten Ansprüche zu berühmen. Mit Schreiben vom 26.06.2018 (Anlage K 7) sprach der Kläger eine zweite Abmahnung aus. Die Beklagte wies die geltend gemachten Ansprüche zurück (Schreiben vom 10.07.2018, Anlage K 8). Die Klage datiert vom 27.07.2018.
Nach Auffassung des Klägers wird das Klagedesign durch folgende Merkmale geprägt:
(1) eine rechteckige Schneideplatte in Vollholzoptik auf zwei kurzen, durchgehenden Füßen auf den jeweils gegenüberliegenden Schmalseiten der Schneideplatte;
(2) die Füße weisen eine etwas größere Stärke auf als die Schneideplatte;
(3) die Schneideplatte steht auf beiden Schmalseiten etwas über die Füße hinaus, so dass der Eindruck eines kleinen Tischchens entsteht:
(4) die Füße schließen auf der Längsseite der Schneideplatte mit dieser ab;
(5) unterhalb der Schneideplatte ist eine wannenförmige Auffangschale angeordnet, welche in Schienen verläuft, die in der Innenseite der Füße direkt unterhalb der Schneideplatte eingefräst sind;
(6) Die wannenförmige Auffangschale ist etwas kleiner als die Schneideplatte und besitzt einen umkragenden Rand, mit welchem sie auf der jeweils rechten und linken Seite in die eingefrästen Schienen eingeschoben und gänzlich unterhalb der Schneideplatte platziert werden kann.
Der Kläger ist der Auffassung, dass es sich beim Klagedesign um ein Kombinationserzeugnis handele und ein identischer Gesamteindruck dieses Klagedesigns im Vergleich mit den angegriffenen Produkten der Beklagten bestehe. Die geringfügigen Abweichungen oder die Verwendung eines anderen Materials führten nicht aus dem Schutzbereich des Klagedesigns heraus und beeinflussten den Gesamteindruck nicht.
Die unterschiedlichen Abbildungen des Klagedesigns könnten im Wege der Auslegung in Einklang gebracht werden. Danach ergebe sich, dass sowohl das Schneidebrett als auch die dazugehörige Auffangschale geschützt seien.
Der vorbekannte Formenschatz, den die Beklagte ins Feld führe, weise erhebliche Unterschiede zum Klagedesign auf und sei deshalb nicht neuheitsschädlich. Vor diesem Hintergrund scheide auch eine Nichtigkeit des Klagedesigns aus.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten und/oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Vertretern zu vollziehen ist,
zu unterlassen,
Schneidebretter mit Auffangschale im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, einzuführen, auszuführen, zu gebrauchen oder zu den vorgenannten Zwecken zu besitzen, wenn diese wie nachfolgend abgebildet gestaltet sind:
2. dem Kläger Auskunft über den Vertriebsweg der unter vorstehend zu Ziff. I. 1. abgebildeten Erzeugnisse zu erteilen, nämlich unter Angabe der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, sowie der Angabe der Mengen der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die Erzeugnisse gezahlt wurden;
3. dem Kläger über den Umfang der vorstehend zu Ziff. I. 1. bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses mit Angaben über
a) Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreise sowie Namen und Anschrift der Abnehmer, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen und Artikel-Nummern,
b) der Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreise sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen und Artikel-Nummern,
c) der einzelnen Werbeträger, der Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren sowie des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;
4. die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum der Beklagten befindlichen Schneidebretter gemäß Ziff. I. 1. zu vernichten und dem Kläger die Vernichtung nachzuweisen oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben;
5. die in Ziff. I.1. bezeichneten Erzeugnisse gegenüber gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den durch das Urteil der Kammer gerichtlich festgestellten verletzenden Zustand der Sache zurückzurufen, ggf. bereits gezahlte Kaufpreise bzw. sonstige Äquivalente zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten und mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen und endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen;
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus Handlungen gemäß Ziff. I. 1. entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtlich entstandene Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von € 1.044,40 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen sowie widerklagend,
1.Das deutsche Design Nr. DE 40…-0001 für nichtig zu erklären;
2.Den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 1044,40 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass es sich bei dem Klagedesign gerade nicht um ein Kombinationsdesign handele. Die drei Abbildungen ließen keinen einheitlichen Schutzgegenstand erkennen. Das Design sei deshalb schon wegen Widersprüchlichkeit der Anmeldung zu löschen.
Dem folgend sei die erfolgte Schutzrechtsverwarnung durch den Kläger unberechtigt gewesen und die Kosten hierfür wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu erstatten.
Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 23.10.2019, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, vollumfänglich stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Sie beantragt,
Unter Abänderung des am 23.10.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts München, Az. 21 O 10580/18, die Klage abzuweisen und der Widerklage stattzugeben.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2020 Bezug genommen. Den Schriftsatz der Beklagten vom 17.12.2020, der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht zur Akte gelangt war, hat die Beklagte im Termin vom 17.12.2020 zurückgezogen.
II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und bis auf den widerklagend geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch begründet. Das Design, auf das der Kläger seine Ansprüche stützt, ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Nr. 1 DesignG nichtig. Da die Beklagte Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit des Designs erhoben hat, kann sie sich auf die fehlende Rechtsgültigkeit des eingetragenen Klagedesigns berufen (§ 52a DesignG).
1. Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 DesignG ist ein eingetragenes Design nichtig, wenn die Erscheinungsform des Erzeugnisses kein Design im Sinne des § 1 Nr. 1 DesignG ist. Gemäß § 1 Nr. 1 DesignG ist ein Design die zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt.
Ein Design ist nichtig, wenn in der Anmeldung nicht die Erscheinungsform „eines“ Erzeugnisses wiedergegeben wird, weil sich dann der Gegenstand des Designschutzes nicht bestimmen lässt (BGH GRUR 2019, 832 Rn. 11 – Sporthelm). Enthält wie im vorliegenden Fall eine Einzelanmeldung eines eingetragenen Designs mehrere Darstellungen des Design ist der Schutzgegenstand durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH GRUR 2012, 1139 Rn. 30 – Weinkaraffe). Die Anmeldung eines Designs ist nicht nur Verfahrenshandlung, sondern auch eine Willenserklärung. Der Anmelder bringt damit sein Begehren zum Ausdruck, für die in der Anmeldung sichtbar wiedergegebene Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon Designschutz zu erlangen. Bei der Ermittlung des Willens des Anmelders im Wege der Auslegung muss auf den Empfängerhorizont der Fachkreise des betreffenden Sektors abgestellt werden. Denn bei der Auslegung muss das Interesse des Verkehrs berücksichtigt werden, klar erkennen zu können, wofür der Anmelder Schutz beansprucht (BGH GRUR 2012, 1139 Rn. 23 – Weinkaraffe). Als Auslegungshilfe kann insbesondere die fakultative Beschreibung (§ 11 Abs. 5 Nr. 1 DesignG) herangezogen werden, die bestimmungsgemäß der Erläuterung der Wiedergabe dient, aber auch die obligatorische Angabe der Erzeugnisse, in die das Design aufgenommen oder bei denen es verwendet werden soll (§ 11 Abs. 3 DesignG), kommt als Auslegungshilfe in Betracht (vgl. BGH GRUR 2019, 832 Rn. 12 – Sporthelm; BGH GRUR 2012, 1139 Rn. 24 – Weinkaraffe).
a) Vorliegend hat der Kläger bei der Anmeldung von der Möglichkeit der Beschreibung der Wiedergabe nach § 11 Abs. 5 Nr. 1 DesignG keinen Gebrauch gemacht. Als Angabe der Erzeugnisse, in die das Design aufgenommen oder bei denen es verwendet werden soll, hat der Kläger „Schneidebretter“ angegeben. Aus der Angabe „Schneidebretter“ kann nicht geschlossen werden, dass die auf der ersten Darstellung des Klagedesigns wiedergegebene Auffangschale nur, wie das auf dem Schneidebrett liegende Gemüse und die in der Auffangschale liegenden Abfälle, Beiwerk darstellen und nicht Teil der wiedergegebenen Erscheinungsform sein sollte. Auch ein Schneidebrett mit einer Auffangschale stellt ein Schneidebrett dar. Das in der 1. Design-Darstellung wiedergegebene Erzeugnis ist ein Schneidebrett mit Auffangschale. In der 2. und 3. Design-Darstellung ist dagegen ein Schneidebrett ohne Auffangschale wiedergegeben.
b) Ein im Wege der Einzelanmeldung angemeldetes Design lässt nicht die Erscheinungsform „eines“ Erzeugnisses iSv § 1 Nr. 1 DesignG erkennen und ist deshalb nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 DesignG nichtig, wenn seiner Anmeldung mehrere Darstellungen der Ausführungsform eines Erzeugnisses beigefügt sind, die unterschiedliche Merkmale der Erscheinungsform dieses Erzeugnisses zeigen (BGH GRUR 2019, 832 Rn. 18 – Sporthelm). Wird vom Designinhaber für die abweichenden Merkmale Designschutz beansprucht, ist es nicht zulässig, einen einheitlichen Schutzgegenstand auf Grundlage der Schnittmenge der allen Darstellungen gemeinsamen Merkmale zu ermitteln (vgl. BGH GRUR 2019, 832, 1. Leitsatz – Sporthelm). Es ist vorliegend somit nicht zulässig, aus den verschiedenen Ausführungsformen des dargestellten Schneidebretts, somit aus der Ausführungsform mit Auffangschale und der Ausführungsform ohne Auffangschale, eine Schnittmenge zu bilden und die Designanmeldung auf die Erscheinungsform des Schneidebretts ohne Auffangschale zu reduzieren. Die Anmeldung zeigt nicht die Erscheinungsform „eines“ Erzeugnisses, sondern zweier Erzeugnisse.
c) Entgegen der Auffassung des Klägers kann der Anmeldung des Designs nicht durch Auslegung entnommen werden, dass der Schutz des Designs des Klägers sich nur auf die in der ersten Einzeldarstellung wiedergegebene Kombination von Schneidebrett und Auffangschale bezieht und die zwei Einzeldarstellungen, auf denen das Schneidebrett allein abgebildet ist, lediglich die Gestaltung des Schneidebretts verdeutlichen sollen.
Zwar kann sich durch Auslegung auch ergeben, dass der Schutzgegenstand aus mehreren Gegenständen besteht, die nach der Verkehrsauffassung ein einheitliches Erzeugnis – ein so genanntes Kombinationserzeugnis – bilden. Dies liegt insbesondere dann nahe, wenn die abgebildeten Einzelgegenstände ästhetisch aufeinander abgestimmt sind und miteinander in einem funktionalen Zusammenhang stehen (BGH GRUR 2012, 1139 Rn. 32 – Weinkaraffe).
Ein funktionaler Zusammenhang zwischen dem Schneidebrett und der Auffangschale lässt sich den Darstellungen nur insoweit entnehmen, als die Auffangschale – jedenfalls teilweise – unter dem Schneidebrett platziert werden kann und die Abfälle vom Schneidebrett in die unter diesem befindliche Auffangschale geschoben werden können. Die Einfräsungen sind, wie vom Landgericht zutreffend festgestellt, nicht deutlich erkennbar, so dass nach den Darstellungen offenbleibt, ob die Schale in Schienen des Schneidebretts verläuft.
Inwieweit Schneidebrett und Auffangschale insgesamt ästhetisch aufeinander abgestimmt sind, lässt sich der ersten Einzeldarstellung, und nur auf dieser ist die Auffangschale wiedergegeben, nicht entnehmen. Die erste Einzeldarstellung zeigt die Auffangschale im hervorgezogenen Zustand mit in ihr befindlichen Abfällen. Entgegen der Auffassung des Klägers und des Landgerichts kann der Darstellung gerade nicht entnommen werden, ob die Auffangschale gänzlich unterhalb der Schneideplatte platziert werden kann. Nach der Darstellung bleibt völlig offen, ob die Auffangschale im nicht aufgezogenen Zustand mit der Kante des Schneidebrettes einen Abschluss bildet, ob die Auffangschale nach vorne übersteht oder aber kürzer als das Schneidebrett ist und im zurückgeschobenen Zustand unter der Kante des Schneidebrettes verschwindet. Ob die Auffangschale, wie der Kläger behauptet, sich harmonisch in das Gesamtdesign einfügt (S. 7 der Klageschrift) und ob Schneidebrett und Auffangschale zu einem harmonischen und kompakten Eindruck des Kombinationserzeugnisses führen (vgl. S. 4 der Berufungserwiderung), lässt sich der Darstellung gerade nicht entnehmen. Aus der Einzeldarstellung lässt sich anders als bei der als Anlage B 1 vorgelegten Designanmeldung eines Schneidebretts mit Auffangschale und anders als bei den angegriffenen Verletzungsprodukten der ästhetische Gesamteindruck des aus Schale und Brett zusammengesetzten Erzeugnisses außerhalb der konkret dargestellten Gebrauchssituation nicht erkennen.
Dritte und insbesondere Mitbewerber müssen nach dem Grundsatz der Registerklarheit aus Gründen der Rechtssicherheit aus der Darstellung oder den Darstellungen des Designs im Register unmittelbar und eindeutig ersehen können, wofür der Anmelder Schutz beansprucht (BGH GRUR 2019, 832 Rn. 19 – Sporthelm). Diesen Anforderungen wird die Designanmeldung des Klägers mit der Darstellung unterschiedlicher Ausführungsformen eines Erzeugnisses nicht gerecht. Da den Darstellungen nicht zu entnehmen ist, inwieweit die nur in der ersten Abbildung vorhandene Auffangschale und das Schneidebrett ästhetisch aufeinander abgestimmt sind und zudem ein funktionaler Zusammenhang dahingehend, dass die Auffangschale in Schienen verläuft, nicht deutlich erkennbar ist, ist für Dritte und Mitbewerber nicht unmittelbar und eindeutig erkennbar, dass Schutz für ein aus Schneidebrett und Auffangschale zusammengesetztes Kombinationserzeugnis beansprucht werden soll und nicht (auch) für das Schneidebrett als solches ohne Auffangschale, dessen ästhetischer Gesamteindruck aus den weiteren Darstellungen ohne weiteres erkennbar ist und das in der zweiten und dritten Einzeldarstellung allein abgebildet ist.
Da das Design gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 DesignG nichtig ist, war die Widerklage begründet und bestehen die seitens der Klägerin geltend gemachten Unterlassungs- und Folgeansprüche mangels bestehenden Schutzrechts nicht.
2. Hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten ist die Berufung der Beklagten dagegen unbegründet. Zwar handelt es sich bei den Abmahnungen des Klägers vom 11.02.2016 und 26.06.2018 um unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen. Schadensersatzansprüche wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Beklagten bestehen aber nicht, da es am Verschulden des Klägers fehlt. Ein Gläubiger, der vom Schuldner zu Unrecht eine Leistung verlangt, handelt grundsätzlich nicht schon dann fahrlässig, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung unberechtigt ist. Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass dem Gläubiger die Durchsetzung seiner Rechte unzumutbar erschwert würde, wenn man von ihm verlangte, die nur in einem Rechtsstreit sicher zu klärende Berechtigung einer geltend gemachten Forderung schon im Vorfeld oder außerhalb eines Rechtsstreits vorauszusehen. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entspricht der Gläubiger daher regelmäßig schon dann, wenn er sorgfältig prüft, ob der eigene Rechtsstandpunkt plausibel ist. Dies gilt auch dann, wenn die zu beurteilende Rechtslage unklar ist (BGH NJW 2011, 1063 Rn. 31). Ein Schutzrechtsinhaber setzt sich deshalb im Falle einer unberechtigten Verwarnung nicht dem Vorwurf schuldhaften Handelns aus, wenn er sich seine Überzeugung durch gewissenhafte Prüfung gebildet oder wenn er sich bei seinem Vorgehen von vernünftigen und billigen Überlegungen hat leiten lassen (BGH GRUR 2018, 840 Rn. 88 – Ballerinaschuh m.w.N).
Art und Umfang der Sorgfaltspflichten eines Verwarners werden maßgeblich dadurch bestimmt, inwieweit er auf den Bestand und die Tragfähigkeit seines Schutzrechts vertrauen darf. Handelt es sich um ein geprüftes Schutzrecht – etwa eine Marke – kann vom Inhaber bei einer Verwarnung keine bessere Beurteilung der Rechtslage verlangt werden, als sie der Eintragungsbehörde möglich war. Anders ist dies bei ungeprüften Schutzrechten. Bei Verwarnungen aus in ihrer Schutzfähigkeit ungeprüften Gebrauchsmustern und Urheberrechten wird von dem Verwarner ein höheres Maß an Nachprüfung verlangt als bei einem Vorgehen aus geprüften Schutzrechten (BGH GRUR 2018, 840 Rn. 89 – Ballerinaschuh m.w.N). Bei Anmeldung eines deutschen Designs wird zwar die Neuheit und Eigenart des Designs vom Deutschen Patent- und Markenamt vor der Eintragung nicht geprüft, es ist jedoch vor der Eintragung gemäß § 18 DesignG vom DPMA zu prüfen, ob der Gegenstand der Anmeldung ein Design iSv § 1 Nr. 1 DesingG darstellt. Hinsichtlich der Frage, ob die angemeldete Erscheinungsform des Erzeugnisses ein Design iSv § 1 Nr. 1 DesignG darstellt, konnte vom Kläger somit keine bessere Beurteilung der Rechtslage verlangte werden als vom DPMA. Der Kläger durfte somit auf die Tragfähigkeit des Klagemusters vertrauen.
III. Zu den Nebenentscheidungen:
1. Die Entscheidungen über die Kosten beruhen auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor.


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