IT- und Medienrecht

Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch auf Baueinstellung im Flurbereinigungsverfahren

Aktenzeichen  13 AE 20.2696

Datum:
24.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6086
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5
FlurbG § 36, § 41, § 42 Abs. 1 S. 2
BGB § 906, § 1004

 

Leitsatz

Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch setzt neben einer Beeinträchtigung von Rechten des Bürgers durch einen Realakt der Verwaltung insbesondere die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung voraus. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 15 Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Teilnehmer des mit Anordnungsbeschluss vom 23. April 1998 nach §§ 1, 4, 37 FlurbG angeordneten Flurbereinigungsverfahrens „A. (DE)“. Dieses umfasst unter anderem die im Eigentum des Antragstellers stehenden Flurstücke 405 und 408/2 Gemarkung A., welche insbesondere für eine Hochwasserschutzmaßnahme verwendet werden sollen. In den vom Amt für Ländliche Entwicklung N. (ALE) gemäß § 41 Abs. 3 FlurbG bestandskräftig festgestellten Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan (Plan nach § 41 FlurbG) vom 30. August 2018 ist diese Hochwasserschutzmaßnahme aufgenommen (Maßnahmekennzahl – MKZ – 284 017 Neubau Hochwasserdamm mit Siel; MKZ 284 025 Anlage einer Flutmulde mit Grabenräumung und Beseitigung von Auffüllungen; MKZ 121 100 Fuß- und Pflegeweg auf der Dammkrone).
Am 20. Mai 2014 schlossen der Antragsteller, die Antragsgegnerin und die Gemeinde A. eine schriftliche Vereinbarung ab. In dieser mit „Bauerlaubnis und Tauschvereinbarung“ überschriebenen Vereinbarung heißt es unter anderem: „Als Eigentümer von Flurstück 405 und 408/2 wurde ich über das Bauvorhaben ‚Hochwasserfreilegung A.‘ (…) unterrichtet. Ich trete die von meinem Flurstück Nr. 405 benötigte Teilfläche von 5.293 qm und das Flurstück 408/2 (1.698 qm) ab (in der Kartenbeilage gelb dargestellt) und erhalte dafür das Flurstück 1294 (…). Das voraussichtliche Ausmaß der Grundabtretung wurde mir vor Ort erläutert und mit Pflöcken gekennzeichnet. Ich erlaube der TG bzw. der Gemeinde unwiderruflich, die Baumaßnahmen auf meinem Grundstück auszuführen und hierzu die benötigten Grundstücksflächen in Besitz zu nehmen. Der Besitzübergang der Tauschflächen erfolgt mit der Unterschrift der Vertragsparteien, jedoch frühestens nach Vorliegen der Eintragung des Verfügungsverbotes (…).“ Gemäß einer Niederschrift der Antragsgegnerin zur Unterzeichnung dieser Vereinbarung waren bei dem Ortstermin die Fußpunkte des geplanten Damms mit Pflöcken versehen worden. Auf Drängen des anwesenden Antragsstellers seien die vier ersten Pflöcke jeweils um einen Meter in Richtung Dammkrone versetzt worden, damit der Hofraum beim Anwesen des Antragstellers etwas größer werde. Gemäß Mitteilung des Amtsgerichts Straubing – Grundbuchamt – vom 11. Juni 2014 wurde am 10. Juni 2014 zugunsten der Antragsgegnerin ein Veräußerungs- und Belastungsverbot bezüglich des Flurstücks 408/2 und einer Teilfläche von Flurstück 405 eingetragen.
Im Jahr 2020 kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten, nachdem die Antragsgegnerin den Antragsteller aufgefordert hatte, auf dem abgetretenen Teil des Flurstücks 405 errichtete bauliche Anlagen wieder zu entfernen. Nach Angaben der Antragsgegnerin begann die von ihr beauftragte Firma am 19. Oktober 2020 damit, auf dem abgetretenen Teil des Flurstücks 405 die Rasensoden abzutragen.
Am 20. Oktober 2020 hat sich der Antragsteller an das Verwaltungsgericht Regensburg mit dem Begehren gewandt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Baueinstellung auf seinem Flurstück 405 zu verpflichten. Mit Beschluss vom 9. November 2020 hat sich das Verwaltungsgericht für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof – Flurbereinigungsgericht – verwiesen. Zur Begründung seines Antrags hat der Antragsteller unter anderem wie folgt vorgetragen: Er sei alleiniger Eigentümer des Flurstücks 405. Dennoch habe die Antragsgegnerin auf seinem Grundstück Baggerarbeiten getätigt. Abgesprochene Abstände würden nicht eingehalten. Ein von ihm ausgesprochenes Hausverbot habe die Antragsgegnerin nicht beachtet. Die vereinbarte Bauplanung werde ignoriert. Bei dem Vertrag von 2014 habe es einen anderen Plan gegeben als jetzt. Der angeblich vom 12. Mai 2014 stammende Lageplan sei bei den Gesprächsverhandlungen nicht dabei gewesen und damit nicht Teil des Vertrages. Durch die jetzigen Baggerarbeiten zeige sich sehr stark, dass sein Grundstück in nicht unerheblichem Maße genutzt werde. Auf seinem Grundstück würden ohne seine Erlaubnis Baggerarbeiten ausgeführt.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, die Baumaßnahmen auf Flurstück 405 einzustellen und der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie führt in ihrer Antragserwiderung aus, hinsichtlich der für die Baumaßnahme benötigten Teilfläche des im Eigentum des Antragstellers stehenden Flurstücks 405 sei auf dem Verhandlungsweg eine einvernehmliche Regelung erzielt worden. Am 20. Mai 2014 sei eine Vereinbarung unterzeichnet worden. Die benötigte Fläche sei mit Pflöcken abgesteckt und dem Antragsteller vor Unterzeichnung der Vereinbarung vorgewiesen worden. Dabei sei der geplante Böschungsfuß des Dammbauwerks noch kurzfristig um einen Meter zu Gunsten des Antragstellers verschoben worden. Im Grundbuch sei ein Verfügungsverbot eingetragen worden. Der Antrag sei abzulehnen, da die Antragsgegnerin für die beanspruchte Teilfläche des Flurstücks 405 verfügungsberechtigt sei. Die Bauarbeiten hätten bereits begonnen und sollten mit Beginn des Frühjahrs fortgesetzt werden. Der Schutz vor Überflutungen solle schnellstmöglich wirksam werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig.
Dem steht insbesondere § 123 Abs. 5 VwGO nicht entgegen, wonach die Anwendung des § 123 VwGO in den Fällen der §§ 80 und 80a VwGO ausgeschlossen ist. Vorliegend wird die Antragsgegnerin nicht aufgrund einer für sofort vollziehbar erklärten vorläufigen Anordnung nach § 36 FlurbG tätig, gegen die Widerspruch einzulegen und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu stellen wäre. Vielmehr führt die Antragsgegnerin die verfahrensgegenständliche Baumaßnahme aufgrund der Vereinbarung vom 20. Mai 2014 und der darin vom Antragsteller erteilten Bauerlaubnis durch. Für die vom Antragsteller begehrte Baueinstellung ist in der Hauptsache eine allgemeine Leistungsklage statthaft und damit im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ein Antrag nach § 123 VwGO.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, wenn der zu sichernde oder zu regelnde Anspruch des Antragstellers nach den Vorschriften des materiellen Rechts (sog. Anordnungsanspruch) und die durch § 123 Abs. 1 VwGO normierten Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (im Wesentlichen die Dringlichkeit, sog. Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Vorliegend hat der Antragsteller nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur gebotenen und angesichts der Dringlichkeit wegen der laufenden Baumaßnahmen auch nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage einen Anordnungsanspruch, der zur Einstellung der streitigen Baumaßnahmen führen könnte, nicht glaubhaft gemacht.
Als Anspruchsgrundlage für die begehrte Baueinstellung käme grundsätzlich der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch in Betracht. Dessen Herleitung aus den Grundrechten, dem Rechtsstaatsprinzip oder einer analogen Anwendung der §§ 906, 1004 BGB ist zwar umstritten, seine Voraussetzungen sind in der Rechtsprechung jedoch ungeachtet dieser umstrittenen Herleitung geklärt. Er setzt neben einer Beeinträchtigung von Rechten des Bürgers durch einen Realakt der Verwaltung insbesondere die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung voraus (vgl. BayVGH, B.v. 26.6.2018 – 8 CE 18.1059 – juris Rn. 21; B.v. 25.11.2010 – 8 ZB 10.192 – juris Rn. 5 m.w.N.; zur insoweit vergleichbaren Folgenbeseitigung siehe BayVGH, U.v. 11.7.2016 – 13 A 15.1495 – juris).
Vorliegend hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass die Baumaßnahmen der Antragsgegnerin auf seinem Flurstück 405 rechtswidrig sind (hinsichtlich des Flurstücks 408/2 hat der Antragsteller in vorliegendem Verfahren von vornherein keine Einwände geltend gemacht):
Nach § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG können Anlagen schon vor der Ausführung des Flurbereinigungsplanes gebaut werden, soweit der Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan für sie festgestellt ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die erforderliche Planfeststellung ist mit bestandskräftigem Beschluss des ALE vom 30. August 2018 erfolgt. Der Plan nach § 41 FlurbG sieht unter anderem auch Hochwasserschutzmaßnahmen vor, für die unter anderem das Flurstück 405 des Antragstellers benötigt wird (MKZ 284 017 Neubau Hochwasserdamm mit Siel; MKZ 284 025 Anlage einer Flutmulde mit Grabenräumung und Beseitigung von Auffüllungen; MKZ 121 100 Fuß- und Pflegeweg auf der Dammkrone).
Für die Inanspruchnahme der Teilflächen des Flurstücks 405 bedurfte es auch keiner Anordnung nach § 36 FlurbG. Vielmehr hatte der Antragsteller der Antragsgegnerin durch die Vereinbarung vom 20. Mai 2014 insoweit eine Bauerlaubnis erteilt. Er hat ausdrücklich erklärt, dass er der Antragsgegnerin unwiderruflich erlaube, die Baumaßnahmen auf seinem Grundstück auszuführen und hierzu die benötigten Grundstücksflächen in Besitz zu nehmen. Die für den vereinbarten Besitzübergang erforderliche Eintragung eines Veräußerungs- und Belastungsverbots in das Grundbuch ist am 10. Juni 2014 erfolgt (siehe die Mitteilung des Amtsgerichts Straubing – Grundbuchamt – vom 11.6.2014). Hieran muss sich der Antragsteller festhalten lassen. Die Antragsgegnerin benötigt über die bereits erteilte Bauerlaubnis hinaus keine weitere Erlaubnis des Antragstellers, um die Baumaßnahmen durchführen zu können. Angesichts der Bauerlaubnis und des Besitzübergangs geht auch das vom Antragsteller ausgesprochene Hausverbot ins Leere.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Bauarbeiten der Antragsgegnerin über die von der Vereinbarung umfasste Teilfläche des Flurstücks 405 hinausgingen. Aus der Vereinbarung nebst Kartenbeilage ist klar ersichtlich, dass die gelb markierte Fläche südöstlich des Wohngebäudes insgesamt von der Bauerlaubnis umfasst sein soll. Dies geht nicht über die gemäß Plan nach § 41 FlurbG für die Hochwasserschutzmaßnahme benötigte Fläche hinaus. Soweit der Antragsteller unsubstantiiert behauptet, bei dem Vertrag von 2014 habe es einen anderen Plan gegeben, bzw., der Plan sei bei den Gesprächsverhandlungen nicht dabei gewesen und damit nicht Teil des Vertrages, fehlt es an der hierfür erforderlichen Glaubhaftmachung gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, zumal die von ihm unterzeichnete Vereinbarung ausdrücklich auf eine Kartenbeilage Bezug nimmt. Es wird auch nicht dargelegt, welcher „andere Plan“ dem Vertrag zugrunde liegen sollte. Im Übrigen war die von der Bauerlaubnis betroffene Teilfläche gemäß dem Wortlaut der Vereinbarung und der Niederschrift zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung dem Antragsteller erläutert worden und auch mit Pflöcken abgesteckt, so dass für den Antragsteller auch ohne Plan erkennbar war, welche Teilfläche von der Vereinbarung umfasst war. Soweit der Antragsteller schließlich wiederum unsubstantiiert behauptet, abgesprochene Abstände würden nicht eingehalten, die vereinbarte Bauplanung werde ignoriert, fehlt es wiederum an der erforderlichen Glaubhaftmachung.
Ist mithin schon kein Anspruch auf Einstellung der streitigen Baumaßnahmen glaubhaft gemacht, kann auch kein Anspruch auf Androhung eines Ordnungsgelds bestehen.
Nach alledem war der Antrag abzulehnen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 147 Abs. 1 FlurbG, § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 13.2.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 147 Abs. 1 FlurbG, § 152 Abs. 1 VwGO).


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