IT- und Medienrecht

Öffentliche Zugänglichmachung auf Handelsplattform – Angebot mit Lichtbildverknüpfung

Aktenzeichen  29 U 4077/15

Datum:
10.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-Prax – 2016, 334
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UrhG § 15 Abs. 2 Nr. 1, § 16, § 19a, § 72 Abs. 2, § 97

 

Leitsatz

1. Verkäufer auf der Plattform www.a…de, deren Produktangebote auf der Plattform mit von diesen nicht eingestellten Lichtbildern der Produkte erscheinen, können weder als Täter noch als Teilnehmer oder Störer wegen öffentlicher Zugänglichmachung der Lichtbilder auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. (amtlicher Leitsatz)
2 Als Störer kann nicht angesehen werden, wer keine Möglichkeit hat, auf eine Entfernung von unabhängig von seinem Angebot auf einer Internetplattform eingestellten und aufrufbaren Bildern hinzuwirken. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

21 O 1173/15 2015-10-09 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 09.10.2015 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

II. Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, da der Beklagte die streitgegenständlichen Bilder weder als Täter vervielfältigt oder öffentlich zugänglich gemacht hat noch als Gehilfe oder Störer für eine solche Tat haftet.
1. Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Lichtbilder gemäß § 97 Abs. 1, § 72 Abs. 1, § 15 Abs. 2 Nr. 2, § 19a UrhG gegen den Beklagten zu, denn der Beklagte hat die streitgegenständlichen Bilder nicht öffentlich zugänglich gemacht.
a) Die Vorschrift des § 19a UrhG erfordert, dass Dritten der Zugriff auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk eröffnet wird, das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindet (BGH GRUR 2016, 171, Tz. 13 – Die Realität II; BGH GRUR 2013, 818 Tz. 8 – Die Realität I m. w. N.). Vorliegend haben sich die Lichtbilder nicht in der Zugriffssphäre des Beklagten, sondern in der Zugriffssphäre von A. befunden. Der Beklagte hat die streitgegenständlichen Bilder nicht auf die Website www.a…de eingestellt. Nach dem Vortrag des Beklagten waren bei Schaltung seiner Angebote die Produkte der Klägerin bereits mit einer ASIN versehen und es existierten bereits entsprechende Produktdetailseiten mit den streitgegenständlichen Bildern. Der Beklagte hat weiter vorgetragen und durch die Abbildung auf Seite 3 der Klageerwiderung sowie die Anlagen B 11 bis B 13 belegt, dass bei A. für ein mit einer ASIN versehenes Produkt hinterlegte Bilder auch dann abgerufen werden können, wenn für das Produkt aktuell kein Angebot besteht. Bei Zugrundelegung des Vortrags des Beklagten, ist es daher für die Frage der öffentlichen Zugänglichmachung ohne Belang, dass zum Zeitpunkt der Angebote des Beklagten für die streitgegenständlichen Produkte der Klägerin keine weiteren Angebote vorhanden waren. Die Klägerin hat nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass es der Beklagte war, der darüber entschied, ob die Lichtbilder der Öffentlichkeit zugänglich bleiben (vgl. BGH GRUR 2011, 56, 58 – Session-ID; BGH GRUR 2013, 818 Tz. 9 – Die Realität I; BGH GRUR 2016, 171 Tz. 14 – Die Realität II), so dass der Beklagte den Tatbestand der öffentlichen Zugänglichmachung nicht erfüllt hat.
b) Zu Recht hat das Landgericht auch ausgeführt, dass es nicht darauf ankommt, ob der Beklagte sich die streitgegenständlichen Lichtbilder zu eigen gemacht hat, denn der Tatbestand einer urheberrechtlichen Nutzungshandlung wird allein durch die Vornahme der Nutzungshandlung erfüllt (BGH GRUR 2013, 818 Tz. 9 – Die Realität I), die der Beklagte mangels Einflusses auf die öffentliche Zugänglichmachung nicht vorgenommen hat. Darum ist auch die Berufung der Klägerin auf die Entscheidung des OLG Köln vom 24.04.2015 (GRUR-RR 2015, 387) unbehelflich. Das OLG Köln hatte nicht darüber zu entscheiden, ob der dortige Beklagte eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung vorgenommen hat, sondern hat einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch angenommen, wenn ein Verkäufer sich an ein bereits bestehendes Angebot anhängt und sich die bereits eingepflegten – wettbewerbswidrigen – Angaben zu eigen macht. Dies ist für die urheberrechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ohne Belang.
c) Der Beklagte ist auch nicht Mittäter einer öffentlichen Zugänglichmachung der Lichtbilder. Eine Mittäterschaft setzt ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken Mehrerer zur Herbeiführung eines Erfolges voraus (Palandt-Spraw, BGB, 75. Aufl. § 830 Rz. 2 m. w. N.). A. hat nicht im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Beklagten entschieden, die streitgegenständlichen Bilder der Produktdetailseite für die mit einer ASIN versehenen Produkte der Klägerin beizufügen und sie damit öffentlich zugänglich zu machen. Die Entscheidung, ob und für wie lange die Bilder öffentlich zugänglich gemacht wurden, lag vielmehr allein bei A. und A. hat diese ganz unabhängig von dem Angebot des Beklagten getroffen. Ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken liegt nicht vor.
d) Der Beklagte ist auch nicht Gehilfe einer von A. begangenen rechtswidrigen öffentlichen Zugänglichmachung.
Zum einen ist schon fraglich, ob überhaupt eine Haupttat vorliegt, A. somit widerrechtlich eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung begangen hat. Hiergegen spricht, dass die streitgegenständlichen Bilder, wie vom Beklagten durch Vorlage der Anlage B17 belegt, selbst während des Berufungsverfahrens auf www.a…de noch öffentlich zugänglich sind, die Klägerin somit entweder gegenüber A. gar nicht versucht hat, die angeblich rechtswidrige Nutzung der Bilder zu unterbinden oder aber sie mit ihrem Anliegen keinen Erfolg hatte, was dafür spricht, dass A. sehr wohl über entsprechende Nutzungsrechte verfügt.
Fraglich ist weiter, ob überhaupt eine Beihilfehandlung des Beklagten angenommen werden kann. Als Beihilfehandlung reicht jede vorsätzliche Hilfeleistung aus, das heißt objektiv jedes Verhalten, das die tatbestandsmäßige Handlung des Täters fördert, erleichtert oder den Täter in seinem Tatentschluss bestärkt (Palandt-Sprau, a. a. O. Rn. 4 m. w. N.). Da – wie ausgeführt – die öffentliche Zugänglichmachung der Bilder durch A. völlig unabhängig von dem Angebot des Beklagten erfolgte, ist nicht erkennbar, inwieweit der Beklagte die vermeintliche Tat von A. gefördert oder erleichtert haben sollte oder der Beklagte A. in ihrem Tatentschluss bestärkt haben sollte.
Jedenfalls fehlt es am erforderlichen subjektiven Tatbestand. Der Vorsatz des Gehilfen muss sowohl auf seine Beihilfehandlung als auch auf die – vorsätzliche – Haupttat bezogen sein. Abgesehen davon, dass schon zweifelhaft ist, ob A. überhaupt die Lichtbilder widerrechtlich nutzte, kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass eine vorsätzliche Urheberrechtsverletzung vorliegt. Zwar mag man sich bei A. darüber im Klaren sein, dass trotz der entsprechenden vertraglichen Zusicherungen es nicht ausgeschlossen ist, dass Händler im Einzelfall auch Lichtbilder einstellen, an denen sie nicht die erforderlichen urheberrechtlichen Rechte haben. Dies begründet aber keinen, auch keinen bedingten Vorsatz hinsichtlich der Widerrechtlichkeit der Nutzung jedes einzelnen konkreten Bildes. Ebenso wenig kann beim Beklagten, selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass ihm bewusst ist, dass möglicherweise A. nicht hinsichtlich aller eingestellter Lichtbilder wirksam Nutzungsrechte übertragen worden sind, davon ausgegangen werden, dass er hinsichtlich der seine Angebote betreffenden Bilder nicht auf die Wirksamkeit der Rechteübertragung vertraut hat. Für ein auch nur bedingt vorsätzliches Handeln des Beklagten fehlen jegliche Anhaltspunkte.
e) Der Beklagte haftet für die vermeintlichen Rechtsverletzungen auch nicht als Störer. Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH GRUR 2011, 1038 Tz. 20 – Stiftsparfüm). Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden kann, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 26.11.2015, Az. I ZR 3/14, juris, Tz. 20). Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte die Möglichkeit hatte, auf eine Entfernung der Bilder bei A. hinzuwirken. Diese wurden unabhängig von seinem Angebot bei A. eingestellt und sind unabhängig von seinem Angebot auf der Website www.a…de aufrufbar verblieben. Deshalb trafen den Beklagten auch keine Prüfpflichten, da für ihn keine hinreichende Möglichkeit bestand, weitere Rechtsverletzungen in Zukunft zu unterbinden (vgl. OLG München MMR 2014, 694, 695).
2. Es besteht auch kein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Unterlassung der Vervielfältigung der Bilder gemäß § 97 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1 § 16 UrhG. Die Klägerin hat nicht unter Beweis gestellt, dass der Beklagte die streitgegenständlichen Lichtbilder vervielfältigt oder eine solche Vervielfältigung auch nur veranlasst habe. Vervielfältigungen der Lichtbilder befanden sich bei Eingabe der Angebote des Beklagten für die Produkte der Klägerin bereits auf dem Server von A.. Durch die Eingabe der Angebotsdaten wurden diese sodann mit den Bildern verknüpft. Insoweit hat die Klägerin zwar behauptet, dass bei der Zusammenführung der Bilder mit dem Angebot diese auf dem Server von A. nochmals vervielfältigt werden. Beweis durch Sachverständigengutachten hat die Klägerin für diesen von dem Beklagten bestrittenen Sachvortrag aber erst in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 02.03.2016 angeboten. Dieses erst in der Berufungsinstanz erfolgte Beweisangebot ist jedoch gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, so dass die Klägerin mit ihrer Behauptung beweisfällig geblieben ist. Zwar ist es möglich, dass die Verknüpfung mit einer weiteren Vervielfältigung einhergeht, dies scheint jedoch keinesfalls zwingend zu sein. Zieht man in Betracht, dass im Wege des Framings sogar Inhalte fremder Webseiten gezeigt werden können, ohne dass es zu Vervielfältigungen kommt, dürfte dies bei Verknüpfungen von Bildern mit Angaben, die sich auf dem gleichen Server befinden, erst recht möglich sein. Im Übrigen wäre fraglich, inwieweit diese etwaigen von A. vorgenommenen Vervielfältigungen dem Beklagten als Nutzungen zuzurechnen wären.
3. Da der Beklagte keine urheberrechtlich relevanten Verletzungshandlungen begangen hat, bestehen auch keine diesbezüglichen Schadensersatz- und Auskunftsansprüche sowie kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Kosten.
III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.


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