IT- und Medienrecht

Öffentliches Zugänglichmachen von Fotografien einer aktuellen Ausstellung in einer Facebook Gruppe

Aktenzeichen  37 O 17964/17

Datum:
31.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
CR – 2018, 469
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 4, § 15 Abs. 2 Nr. 2, § 19a, § 23 Abs. 2 Nr. 2, § 97 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Eine Ausstellung ist als Sammelwerk iSd § 4 UrhG schutzfähig, wenn in der Auswahl, Anordnung und Einteilung der Ausstellungsstücke sowie der verbindenden Texte die persönliche geistige Schöpfung zum Ausdruck kommt. Bei einer Ausstellung ist eine schöpferische Leistung in der Regel zu bejahen, sofern sie sich nicht auf die Präsentation mehr oder weniger zufällig zusammengetragener Objekte beschränkt.  (Rn. 21)
2. Eine geschlossene Facebook Gruppe kann trotz ihrer beschränkten Mitgliederzahl als Öffentlichkeit iSd § 19a UrhG zu qualifizieren sein, wenn nicht der Kreis der Personen bestimmt abgegrenzt ist und diese entweder untereinander oder durch denjenigen, der das Werk verwertet, persönlich verbunden sind.     (Rn. 33)
3. Eine Urheberrechtsverletzung an einem Sammelwerk ist anzunehmen, wenn das als rechtsverletzend beanstandete Werk diejenigen Strukturen hinsichtlich der Auslese und Anordnung
1. Eine Urheberrechtsverletzung an einem Sammelwerk ist anzunehmen, wenn das als rechtsverletzend beanstandete Werk diejenigen Strukturen hinsichtlich der Auslese und Anordnung des Stoffes enthält, welche die Sammlung von Werken und Beiträgen als eine persönliche geistige Schöpfung iSd § 4 UrhG ausweisen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Besteht die Gefahr, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Personen wegen der Möglichkeit der Betrachtung nahezu aller Exponate im Internet davon absieht, die aktuelle Ausstellung vor Ort im Museum zu besuchen, ist ein Verfügungsgrund gegeben. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – wegen jeder Zuwiderhandlung untersagt, Fotografien der Ausstellung „Mythos Hi.“ öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, wenn dies geschieht wie abgebildet in der mit diesem Urteil festverbundenen Anlage zum Urteil.
2. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag ist zulässig und begründet.
I.
Der Antrag der Verfügungskläger ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Antrag der Verfügungskläger ist darauf gerichtet, der Verfügungsbeklagten die öffentliche Zugänglichmachung von Fotos zu untersagen, die in der Anlage ASt. 15 enthalten sind. Damit ist der Streitgegenstand genau bezeichnet. Ob die schöpferische Leistung der Verfügungskläger auf den im Antrag in Bezug genommenen Fotos erkennbar ist, ist eine Frage der Begründetheit.
II.
Der Antrag der Verfügungskläger hat auch in der Sache Erfolg. Die Verfügungskläger haben den Verfügungsanspruch und den Verfügungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht.
1. Der auf Unterlassen gerichtete Verfügungsanspruch folgt aus §§ 97 Abs. 1 S. 1, 19a, 23 S.1, 4 Abs. 1 UrhG.
a) Bei der Ausstellung „Mythos Hi.“ handelt es sich um ein Sammelwerk i.S.d. § 4 Abs. 1 UrhG.
Von einem Sammelwerk ist gem. § 4 UrhG auszugehen, wenn die Auswahl oder Anordnung der einzelnen Elemente eine persönliche geistige Schöpfung ist. Dabei muss in der Auswahl, Anordnung und Einteilung der Ausstellungsstücke sowie der verbindenden Texte (als Bestandteil der Anordnung) die persönliche geistige Schöpfung zum Ausdruck kommen. Bei einer Ausstellung ist eine schöpferische Leistung in der Regel zu bejahen, sofern sie sich nicht auf die Präsentation mehr oder weniger zufällig zusammengetragener Objekte beschränkt (LG München I ZUM-RD 2003, 492, 499).
Unerheblich für die Einordnung der Ausstellung als Sammelwerk ist dabei, ob einzelne Bestandteile der Ausstellung wie Sachinformationen oder Einzelwerke von Dritten stammen oder bereits zuvor in der Presse oder in den einschlägigen Foren veröffentlicht worden waren. Die Elemente einer Ausstellung können ihrerseits Werke oder Daten und Fakten sein, denen bloße informationelle Bedeutung zukommt (vgl. Wandtke/ Bullinger/ Marquardt UrhG § 4 Rn. 4). Maßgeblich ist allein deren kreative Auswahl und Anordnung.
In Anbetracht dieser Grundsätze ist die Kammer von der Schutzfähigkeit der Ausstellung „Mythos Hi.“ überzeugt. Die Ausstellung ist keine zufällige Ansammlung zusammengetragener Objekte. Sie stellt ebenso wenig die einzig mögliche (chronologische) Aufbereitung des Falles Hi. dar. Vielmehr erhält die Ausstellung bereits dadurch eine besondere Individualität, dass der Ausstellungsbesucher in die Rolle eines zur damaligen Zeit ermittelnden Polizisten versetzt wird. Dies geschieht durch ein geschicktes Zusammenspiel von Sachinformationen über die politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten außerhalb des Falles sowie über die damaligen Ermittlungsmethoden, einschließlich der Kriminaltelepathie, von zeitgenössischen Exponaten wie einem Obduktionsbesteck von 1900 und Anschauungsmaterial zum Fall selbst wie Fotos, Skizzen und Modellen sowie Listen mit erfolgten und auch unterbliebenen Ermittlungsmaßnahmen. Die Ausstellung enthält zudem originelle Präsentationsansätze wie eine Brettertür, durch deren Zwischenräume der Besucher einen Blick auf den nachempfundenen Tatort werfen kann, oder die Aufsteller in Form eines Polizisten (z.B. ASt 21-1). Aus der Verwendung von Schattenrissen als stilistischem Element sowohl bei der Darstellung der Opfer auf den Schautafeln (z.B. ASt. 21-3, 21-4) als auch bei den Aufstellern in Form der Silhouette eines Polizisten sowie angesichts der auch im Übrigen übereinstimmenden grafischen Gestaltung der Texttafeln (ASt.20-1 bis -5) entsteht ein einheitliches, einprägsames ästhetisches Gesamtbild, welches auf die gestalterische Leistung der Verfügungskläger zurückgeht.
Zu dieser Überzeugung gelangt die Kammer aufgrund der Darlegungen der Verfügungskläger unter Heranziehung des vorgelegten Ausstellungskonzepts (ASt. 19) sowie der vorgelegten Fotos (Anlage 19, 21, 22). Hieraus geht sowohl die Auswahl der Exponate, Inhalt und Gestaltung der begleitenden Texte, die inhaltliche Aufteilung auf verschiedene Räume und die ästhetische Komponente in mehr als ausreichendem Maße hervor, so dass die Kammer sich ein Bild von den kreativen Besonderheiten der Ausstellung machen konnte. Auch ist durch die eidesstattliche Versicherung der Verfügungskläger (ASt. 5) zur Überzeugung der Kammer glaubhaft gemacht, dass diese Besonderheiten auf die Verfügungskläger zurückgehen, auch soweit die Verfügungsbeklagte dies hinsichtlich der Texte bestritten hat.
b) Die Verfügungskläger sind auch aktivlegitimiert. Soweit die Verfügungsbeklagte behauptet, Dritte wie etwa eine Person namens „Chuck“ seien an der Konzeption der Ausstellung beteiligt gewesen, verbleibt ungeachtet der Richtigkeit und Substanz dieser Aussage bei den Verfügungsklägern zumindest ein Miturheberrecht.
c) Die Verfügungsbeklagte hat das Recht der Verfügungskläger auf öffentliche Zugänglichmachung ihres Werks aus §§ 15 Abs. 2 Nr. 2, 19a UrhG verletzt, indem sie einhundertneunzehn Fotografien von der Ausstellung in der Gruppe „Hi.“ auf Facebook gepostet hat.
1) Das Posten der Fotografien in der Gruppe „Hi.“ auf Facebook stellt eine öffentliche Zugänglichmachung einer – fotografischen – Umgestaltung (§ 23 UrhG) der Ausstellung i.S.d. § 19a UrhG dar. Dabei ist die Facebook Gruppe trotz ihrer beschränkten Mitgliederzahl als Öffentlichkeit zu qualifizieren.
Der Begriff der Öffentlichkeit ergibt sich aus § 15 Abs. 3 UrhG. Maßgeblich ist danach, ob die Zugänglichmachung für eine Mehrzahl der Mitglieder der Öffentlichkeit bestimmt ist. Von einer Mehrzahl ist bei einer Gruppenstärke von ca. 390 Mitgliedern ohne weiteres auszugehen. Aber auch das Kriterium der Öffentlichkeit ist erfüllt. Zwar ist auch eine Personenmehrzahl nicht öffentlich, wenn der Kreis der Personen bestimmt abgegrenzt ist und diese entweder untereinander oder durch denjenigen, der das Werk verwertet, persönlich verbunden sind (Wandtke/Bullinger/Heerma UrhG § 15 Rn. 23-27). Dies kann bei einer geschlossenen Facebook Gruppe, bei welcher der Administrator über die Aufnahme entscheidet, der Fall sein. Voraussetzung wäre allerdings, dass ein enger gegenseitiger Kontakt zwischen den Gruppenmitgliedern besteht (Wandtke/Bullinger/Heerma UrhG § 15 Rn. 23-27). Davon ist nach der glaubhaften Darlegung der Verfügungskläger bei der Gruppe „Hi.“ nicht auszugehen, denn der Zugang zur Gruppe wird von der Antragsgegnerin auch ihr gänzlich unbekannten Personen freigegeben, wobei sie allenfalls nach dem konkreten Interesse des Beitretenden fragt. Dies ergibt sich aus den Erfahrungen des Prozessbevollmächtigten der Verfügungskläger (ASt 23) und der Verfügungsklägerin zu1) (ASt 18). Von einem engen gegenseitigen Kontakt, der auch angesichts der Gruppenstärke ausgeschlossen erscheint, ist daher nicht auszugehen. Das Posten der Fotografien in der Gruppe reicht daher als öffentliche Zugänglichmachung aus.
2) Mit der öffentlichen Zugänglichmachung greift die Verfügungsbeklagte in das ausschließliche Recht der Verfügungskläger an ihrem Sammelwerk ein. Der Schutz des Sammelwerks hat seinen Grund in der eigenschöpferischen Auswahl oder Anordnung der Elemente (§ 4 I UrhG). Eine Urheberrechtsverletzung an einem Sammelwerk ist anzunehmen, wenn das als rechtsverletzend beanstandete Werk diejenigen Strukturen hinsichtlich der Auslese und Anordnung des Stoffes enthält, welche die Sammlung von Werken und Beiträgen als eine persönliche geistige Schöpfung i. S. des § 4 UrhG ausweisen (BGH GRUR-RR 2012, 325). Der Verfügungsbeklagten mag es also möglicherweise nicht gänzlich verwehrt sein, einzelne Fotografien von ihrem Ausstellungsbesuch innerhalb der Facebookgruppe zu teilen. Wenn jedoch die Kombination der übernommenen Beiträge besondere Strukturen in deren Auslese und Anordnung aufweist und das Gewebe der persönlichen geistigen Schöpfung des Sammelwerkes erkennen lässt, kann eine Beeinträchtigung des Urheberrechts an einem Sammelwerk i. S. des § 4 UrhG angenommen werden (BGH GRUR 2013, 1213, 1219).
So liegt der Fall hier. Bereits nach den eigenen Worten der Verfügungsbeklagten decken die Fotografien „so ziemlich alle Exponate“ der Ausstellung ab. Die Auswahl der Exponate geht folglich nahezu vollständig aus den Fotografien hervor. Aber auch ihre Anordnung lassen die Fotografien erkennen. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten nicht maßgeblich darauf an, ob die Reihenfolge der Fotos die genaue Reihenfolge der Exponate in der Ausstellung abbildet, zumal die Verfügungsbeklagte selbst vorträgt, die Ausstellung folge keiner festen Reihenfolge. Denn zur Anordnung gehört zum einen nicht nur die Aufteilung auf die verschiedenen Räume, obgleich auch diese aus einzelnen Fotos der Verfügungsbeklagten, die einen Blick in den Raum erlauben, durchaus hervorgeht. Vielmehr gehört hierzu auch die thematische und inhaltliche Aufteilung und Anordnung des Stoffes auf die verschiedenen Schautafeln. Zum anderen wird eine Ausstellung maßgeblich auch durch die Präsentationsart und –weise geprägt (vgl. auch LG München I ZUM-RD 2003, 492, 499). Das Wesen der vorliegenden Ausstellung liegt maßgeblich in der Perspektive der Darstellung (ermittelnder Polizist) und der hieraus folgenden Schwerpunktsetzung bei der Auswahl von Inhalt und Darstellung und zeitgenössischem Anschauungsmaterial sowie der einheitlichen grafischen Gestaltung. All dies geben auch die von der Verfügungsbeklagten veröffentlichten Fotos, die fast die Gesamtheit der Ausstellung abbilden, wieder.
d) Ob die Ausstellung auch als Werk der bildenden Kunst schutzfähig ist oder einzelne Bestandteile der Ausstellung urheberrechtlichen Schutz genießen, kann dahinstehen, da jedenfalls eine Verletzung des Rechts auf öffentliche Zugänglichmachung des Sammelwerks zu bejahen ist.
2. Die Verfügungskläger haben auch den Verfügungsgrund gem. §§ 935, 940 ZPO glaubhaft gemacht. Es besteht die Gefahr, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Personen wegen der Möglichkeit der Betrachtung nahezu aller Exponate im Internet davon absieht, die Ausstellung der Verfügungskläger zu besuchen, die aktuell im bayerischen Armeemuseum zu sehen ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Fotos mittlerweile von Facebook aus dem Netz genommen worden sind. Die Verfügungsbeklagte hat keine Unterlassungserklärung abgegeben, sondern beharrt ausdrücklich auf ihrem Recht, die Fotos immer und überall zugänglich zu machen. Folglich besteht die Gefahr der erneuten Veröffentlichung mit den beschriebenen Konsequenzen für die Verfügungskläger. Der Hinweis der Verfügungsbeklagten, sie wolle lediglich um ihr Recht kämpfen, die Fotos zugänglich zu machen, beseitigt diese Gefahr nicht, sondern bestätigt vielmehr, dass die erforderliche Dringlichkeit gegeben ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.


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