Aktenzeichen 33 O 20488/16
Leitsatz
1 Die vertragsbezogenen Informationspflichten der § 312d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EGBGB stellen Marktverhaltensregelungen im Interesse der Verbraucher dar. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Internetangebot, das zum Liefertermin nur den Hinweis „Der Artikel ist bald verfügbar. Sichern Sie sich jetzt Ihr Exemplar!“ enthält, genügt nicht den Anforderungen von § 312d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB. (Rn. 32 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, auf der Internetseite mit der Adresse https://w… auf der Verbraucher die Möglichkeit haben, Waren zu bestellen, den Termin, bis zu dem die Beklagte die Ware liefern muss, nicht anzugeben und die mögliche Belieferung ausschließlich wie folgt mitzuteilen:
und
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 260,- Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab dem 12.01.2017 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist in Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,-Euro und in Ziffern II. und III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Unterlassungsantrag gemäß Klageantrag Ziffer I. hinreichend bestimmt.
I. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Aus diesem Grund sind insbesondere Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen. Etwas anderes kann dann gelten, wenn entweder bereits der gesetzliche Verbotstatbestand selbst entsprechend eindeutig und konkret gefasst oder der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist, sowie auch dann, wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert (st. Rspr.; vgl. nur BGH GRUR 2011, 433 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung).
II. Diesen Anforderungen genügt der vom Kläger formulierte Unterlassungsantrag, indem er die konkrete Verletzungsform an den Gesetzestext lediglich anlehnend abstrahierend umschreibt und darüber hinaus die beanstandete Angebotsgestaltung konkret in Bezug nimmt. Anders als die Beklagte meint, ist insbesondere der Begriff des „Termins“ auch nicht mehrdeutig und deshalb auch nicht auslegungsbedürftig, und betrifft die Frage, ob auch erlaubtes Verhalten unter das beantragte Verbot fällt, nicht die Bestimmtheit des Unterlassungsantrags, sondern dessen Begründetheit
B. Die Klage ist begründet.
I. Dem Kläger steht der gegen die Beklagte mit Klageantrag Ziffer I. geltend gemachte Unterlassungsanspruch schon aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3 i.V.m. §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 312d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EGBGB zu.
1. Als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG ist der Kläger gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt und aktivlegitimiert
2. Das in Rede stehende Internetangebot der Beklagten ist eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG (vgl. zu diesem Erfordernis Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 35. Auflage, § 3a Rdnr. 1.51).
3. Das vom Kläger beanstandete Verhalten der Beklagten verstößt gegen § 312d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EGBGB.
a) Nach § 312d Abs. 1 S. 1 BGB ist der Unternehmer bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Artikels 246a EGBGB zu informieren. Nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EGBGB, der Art. 6 Abs. 1 lit. g) der RL 2011/83/EU (Verbraucherrechte-RL) umsetzt, ist der Unternehmer nach § 312d Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Verbraucher Informationen u.a. über die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen und den Termin, bis zu dem der Unternehmer die Waren liefern oder die Dienstleistung erbringen muss, zur Verfügung zu stellen.
b) Durch die geforderten Informationen soll der Verbraucher in die Lage versetzt werden, eine informierte und seinen Interessen gerechte Entscheidung im Hinblick auf den Vertragsschluss zu treffen. Die geförderten Angaben zu den Liefer- und Leistungsbedingungen müssen alle diesbezüglichen Informationen enthalten, die die Entscheidung eines durchschnittlichen und vernünftigen Verbrauchers über den Vertragsschluss beeinflussen können. Hierzu zählt insbesondere der (späteste) Liefertermin. Abweichend vom Wortlaut kann der Unternehmer auch einen Lieferzeitraum angeben, wenn er sich nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt festlegen will (BeckOK/Martens, BGB, 43. Edition, Stand: 15.06.2017, Art. 246a § 1 EGBGB Rdnr. 14 mit Verweis auf BeckOK/Martens, BGB, 43. Edition, Stand: 15.06.2017, Art. 246 EGBGB Rdnr. 17. f.; MüKo/Wendehorst, BGB, 7. Auflage, § 312a Rdnr. 25 f.; OLG München, Beschluss vom 08.10.2014, Az.: 29 W 1935/14 = BeckRS 2015, 01971; Bierekoven in MMR 2014, 263).
c) Die vom Kläger beanstandete Angebotsgestaltung der Beklagten, die als Angabe zum Liefertermin einzig den Hinweis „Der Artikel ist bald verfügbar. Sichern Sie sich jetzt Ihr Exemplar!“ enthält, genügt diesen gesetzlichen Anforderungen nicht. Anders als in dem der Entscheidung des OLG München vom 08.10.2014 zugrunde liegenden Sachverhalt kann der Verbraucher den (spätesten) Liefertermin nicht bestimmen, sondern es bleibt völlig offen, ob der – bereits verbindlich bestellte – Artikel in Tagen, Wochen oder Monaten verfügbar sein und von der Beklagten ausgeliefert werden wird. Denn die Angabe „bald“ wird zwar vom maßgeblichen Verkehr – zu dem auch die Mitglieder der erkennenden Kammer als normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher und zumindest potentielle Nachfrager von online angebotener Unterhaltungselektronik gehören – im Sinne von „innerhalb kurzer Zeit“ verstanden; sie ist aber nicht gleichzusetzen mit einem bestimmten oder zumindest bestimmbaren (spätesten) Liefertermin.
d) Dass § 312d Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EGBGB nur auf im Zeitpunkt der Bestellung verfügbare Artikel anzuwenden sein soll, lässt sich dem klaren und einschränkungslosen Wortlaut der genannten Vorschriften nicht entnehmen und ergibt sich auch nicht aus dem Zusammenspiel von § 312j Abs. 1 BGB einerseits und § 312d BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EGBGB andererseits. Denn selbst wenn § 312j Abs. 1 BGB nicht nur Fälle geographischer Einschränkungen, Mindest- oder Höchstbestellmengen oder begrenzter Warenvorräte, sondern auch der gänzlich fehlenden Verfügbarkeit umfassen sollte (vgl. dazu BeckOK/Maume, BGB, 43. Edition, Stand: 15.06.2017, § 312j Rdnr. 5 sowie MüKo/Wendehorst, BGB, 7. Auflage, § 312j Rdnr. 7, jeweils m.w.N.), entbindet dies den Unternehmer nicht, in Fällen vorübergehend fehlender Verfügbarkeit seinen weiteren Informationspflichten nach § 312d Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EGBGB nachzukommen und einen gegebenenfalls großzügig hinausgeschobenen (spätesten) Liefertermin anzugeben. Anderenfalls würde man das Risiko der Lieferverzögerung in Fällen (nur vorübergehend) fehlender Warenverfügbarkeit alleine dem (u.U. sogar vorleistungspflichtigen, jedenfalls aber bereits vertraglich gebundenen) Verbraucher aufbürden, ohne diesem die Möglichkeit der Geltendmachung etwaiger Verzugsfolgen zu belassen, was mit dem von der Verbraucherrechte-RL intendierten Ziel der Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus (siehe etwa Erwägungsgründe Nr. 3, 4, 5, und 65) unvereinbar sein würde. Anders als die Beklagte geltend macht, ist die streitgegenständliche Gestaltung gerade nicht „in besonderem Maße verbraucherfreundlich“, weil nämlich der Verbraucher vertraglich gebunden wird, ohne über vertragswesentliche Informationen zu verfügen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass sich der Verbraucher unter bestimmten Voraussetzungen durch Ausübung seines gesetzlichen Widerrufsrechts vom Vertrag lösen kann; dies setzt allerdings ein erneutes Tätigwerden des Verbrauchers voraus. Ein solches Tätigwerden wird aber bei verbreiteten alternativen Gestaltungen, wie etwa bei unverbindlichen Reservierungen, gerade nicht erforderlich. Aus Verbrauchersicht erfüllen derlei Gestaltungen aber den gleichen Zweck, nämlich umgehende Information und Bezugsmöglichkeit bei Verfügbarwerden der gewünschten Ware, ohne freilich von vornherein eine vertragliche Bindung faktisch zu manifestieren.
Bei den vertragsbezogenen Informationspflichten der § 312d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EGBGB handelt es sich um Marktverhaltensregelungen im Interesse der Verbraucher (vgl. Köhler/Bornkamm/Köb/er, UWG, 35. Auflage, § 3a Rdnr. 1.311 und 1.315).
5. Die Zuwiderhandlung der Beklagten gegen die Marktverhaltensregelungen der § 312d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EGBGB ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen und ist damit unlauter im Sinne des § 3a UWG (vgl. zum Erfordernis der Spürbarkeit Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 35. Auflage, § 3a Rdnr. 1.94). Der Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung indiziert im Regelfall die Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung der Marktteilnehmer, an die sich die Handlung richtet (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 35. Auflage, § 3a Rdnr. 1.112). Umstände, die diese tatsächliche Vermutung erschüttern, hat die Beklagte nicht vorzutragen vermocht; dass das beanstandete Verhalten der Beklagten den Durchschnittsverbraucher davon abhalten kann, die Vor- und Nachteile einer geschäftlichen Entscheidung zu erkennen, abzuwägen und eine „effektive Wahl“ zu treffen, weil er nämlich von der sofortigen und verbindlichen Bestellmöglichkeit bei der Beklagten Gebrauch macht ohne deren Angebot im Hinblick auf den Liefertermin mit Drittangeboten vergleichen zu können, liegt vielmehr auf der Hand (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 35. Auflage, § 3a Rdnr. 1.103).
6. Durch die erfolgte Verletzungshandlung streitet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (vgl. Köhler/Bornkamm/ßom/camm, UWG, 35. Auflage, § 8 Rdnr. 1.43 f.). Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Beklagte nicht abgegeben.
7. Der Unterlassungsantrag ist auch nicht zu weit gefasst, denn dieser ist auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkt und es ist nicht notwendig, in einen Unterlassungstenor sämtliche denkbaren Varianten eines hiervon nicht erfassten, weil rechtlich zulässigen Verhaltens wie beispielsweise die in Art. 246a § 3 EGBGB aufgeführten Ausnahmen aufzunehmen. Rechtlich zulässige Verhaltensweisen sind vom Verbot naturgemäß nicht erfasst.
Die weiter von der Beklagten geäußerten Bedenken bezüglich der Formulierung „den Termin, bis zu dem die Beklagte die Ware liefern muss, nicht anzugeben“ teilt die Kammer ebenfalls nicht, denn der Antrag lautet gerade „den Termin, bis zu dem die Beklagte die Ware liefern muss“ und nicht „den Termin, an dem die Beklagte die Ware liefern muss“, d.h. die Angabe eines Lieferzeitraums, der es dem Verbraucher – wie etwa in dem der Entscheidung des OLG München vom 08.10.2014 zugrunde liegenden Sachverhalt ermöglicht, den spätesten Liefertermin zu bestimmen, würde gerade nicht unter das Verbot fallen.
II. Dem Kläger steht gegen die Beklagte schließlich auch ein Anspruch auf Erstattung der Kosten seiner berechtigten und begründeten (siehe hierzu unter B.I.) Abmahnung in Höhe der geltend gemachten Pauschale von 260,- Euro, die die Beklagte zu Recht nicht beanstandet hat, aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu.
III. Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1, 291 BGB begründet.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.