IT- und Medienrecht

Rechtmäßige Erhebung des Rundfunkbeitrags für eine Wohnung

Aktenzeichen  W 3 K 16.579

Datum:
6.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV RBStV § 2
VfGHG VfGHG Art. 29 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Der Rundfunkstaatsvertrag begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BayVerfGH BeckRS 2014, 52739). (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Anknüpfung der Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung, unabhängig davon, ob in der Wohnung ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wird oder nicht, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BayVGH BeckRS 2015, 48417). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Streitgegenstand sind die Festsetzungsbescheide vom 1. April 2015 und vom 1. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2016. Zwar hatte der Kläger den Bescheid vom 1. Februar 2016 nicht explizit in seiner Klage benannt. Nachdem aber (auch) dieser Bescheid Gegenstand des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2016 ist und der Widerspruchsbescheid ohne Einschränkung angegriffen wurde, ist die Klage sachdienlich (§ 86 VwGO) entsprechend auszulegen.
Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens von Beteiligten entscheiden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2016 und sieht insoweit von einer Darstellung seiner Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend ist noch auszuführen:
Hinsichtlich des klägerischen Vorbringens, durch die Erhebung eines wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrages werde ihm ein „Zwangskauf“ bzw. ein „Zwangsabonnement einer längst nicht gewünschten Dienstleistung“ auferlegt, wird auf die einschlägige Rechtsprechung hingewiesen, insbesondere auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) vom 15. Mai 2014 – Vf.8-VII-12u. Vf.24-VII-12 – (Entscheidung im Volltext veröffentlicht unter www.bayern.verfassungsgerichtshof.de). Danach handelt es sich bei dem Rundfunkbeitrag nicht um eine Steuer, sondern um eine Vorzugslast, mit der die Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen, abgegolten wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird die Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben grundsätzlich begrenzt durch das Erfordernis eines besonderen sachlichen Rechtfertigungsgrundes, der einerseits eine deutliche Unterscheidung gegenüber der Steuer ermöglicht und andererseits auch im Hinblick auf die zusätzliche Belastung neben den Steuern geeignet ist, der Belastungsgleichheit von Abgabepflichtigen Rechnung zu tragen. Die Rechtfertigung für die im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gewählte Ausgestaltung des Rundfunkbeitrages folgt aus der grundgesetzlichen Finanzierungsgarantie zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Rundfunks einschließlich seiner bedarfsgerechten Finanzierung (vgl. BayVerfGH v. 15.5.2014, Rn. 79 f. des Entscheidungsabdruckes).
Gemäß Art. 29 Abs. 1 des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof (VfGHG) sind Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs für alle anderen Verfassungsorgane sowie für Gerichte und Behörden bindend. Eine weitere Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen klägerischen Vorbringen ist deshalb für das Gericht nicht veranlasst.
Die Verpflichtung zur Zahlung des Rundfunkbeitrages entfällt nicht deshalb, weil der Kläger mit dem Programmangebot (bzw. mit dessen Qualität) nicht einverstanden ist und Zweifel an der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat.
Hierzu führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 7.7.2015 – 7 B 15.846 – juris Rn. 17) aus:
„Die grundrechtlich geschützte Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) gewährleistet die Programmfreiheit (Programmautonomie). Auswahl, Inhalt und Gestaltung des Programms sind danach die Sache des Rundfunks selbst. Der Rundfunk darf bei der Entscheidung über die zur Erfüllung seines Funktionsauftrags als nötig angesehenen Inhalte und Formen des Programms weder den Interessen des Staates noch einer gesellschaftlichen Gruppe oder gar dem Einfluss einer einzelnen Person untergeordnet oder ausgeliefert werden. Der Rundfunk muss vielmehr die Vielfalt der Themen und Meinungen aufnehmen und wiedergeben, die in der Gesellschaft eine Rolle spielen (vgl. z.B. BVerfG, U.v. 22.2.1994 – 1 BvL 30/88 – BverfGE 90, 60). Es ist dem Einzelnen deshalb verwehrt, seine Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrages davon abhängig zu machen, ob ihm das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefällt oder nicht, oder ob er mit dem Bestand und der Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einverstanden ist. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob der Einzelne den Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunk für zu hoch, das Programmangebot für ‚zu kommerziell‘ oder das Programmangebot privatrechtlicher Anbieter für vergleichbar hält oder nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch Einnahmen aus Werbung als zulässig angesehen und ferner betont, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk im dualen System im Wettbewerb mit den privaten Veranstaltern steht und deshalb auch ein dem klassischen Rundfunkauftrag entsprechendes Programm für die gesamte Bevölkerung anbieten darf, das dem Wettbewerb mit den privaten Veranstaltern standhalten kann (vgl. z.B. BVerfG, U.v. 22.2.1994 – 1 BvL 30/88 – BverfGE 90, 60). Der für den Bestand und die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erforderliche Finanzbedarf wird regelmäßig entsprechend den hierzu geltenden gesetzlichen Regelungen überprüft und ermittelt. Dass nach der Einschätzung des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen im Gutachten vom Oktober 2014 zum Thema ‚Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung‘ auch andere Rundfunkmodelle möglich wären und vereinzelt Kritik am Finanzierungssystem des öffentlichen Rundfunks geübt wird, ändert an der Beurteilung der geltenden Rechtslage nichts.“
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18. März 2016 (Az. 6 C 22.15, juris) die Revision gegen diese Entscheidung zurückgewiesen.
Weiterhin wird auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2016 (6 C 6/15 – juris) Bezug genommen, in dem folgende Leitsätze aufgestellt worden sind:
„1. Der Rundfunkbeitrag ist eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Rundfunkrecht fällt.
2. Die vorrangige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den Rundfunkbeitrag trägt der Programmfreiheit des Rundfunks und dem Verfassungsgebot eines die Vielfalt sichernden Programms angemessen Rechnung.
3. Der Rundfunkbeitrag stellt die Gegenleistung für den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit dar. Dieser Vorteil kann Wohnungsinhabern individuell zugerechnet werden, weil Wohnungen nahezu vollständig mit Rundfunkempfangsgeräten ausgestattet sind.
4. Die Ersetzung der gerätebezogenen Rundfunkgebühr durch den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag war wegen des drohenden strukturellen Defizits der Gebührenerhebung zulässig, um die Belastungsgleichheit der Rundfunkteilnehmer zu wahren.
5. Die Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt nicht, Wohnungsinhaber, die bewusst auf eine Rundfunkempfangsmöglichkeit verzichten, von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
6. Die Anknüpfung des Rundfunkbeitrags an die Wohnung benachteiligt die alleinigen Inhaber einer Wohnung nicht gleichheitswidrig gegenüber Personen, die zusammen mit anderen in einer Wohnung leben.“
Darüber hinaus stellt das Bundesverwaltungsgericht in diesem Urteil fest, dass die Festlegung der rundfunkbeitragsfähigen Kosten die Zweckbindung des Rundfunkbeitrages beachtet, dass die Rundfunkbeitragspflicht mit dem Grundrecht der Informationsfreiheit vereinbar ist und dass ihre Einführung nicht der Genehmigung der Kommission der Europäischen Union bedurfte.
Auch dieser Rechtsprechung schließt sich das Gericht an.
Die Klage konnte somit keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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