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Aktenzeichen  7 O 8052/19

Datum:
20.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2020, 19601
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
PatG § 139 Abs. 1 u. 2, § 140a Abs. 1 u. 3, § 140b Abs. 1 u. 3, § 145
EPÜ Art. 64
BGB § 242, § 259
ZPO § 148

 

Leitsatz

1. Die Vorgaben des in seinem Anwendungsbereich eng zu bemessenden § 145 PatG sind nicht nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, sondern nach prozessrechtlichen Kriterien zu deuten. (Anschluss an BGH GRUR 1989, 187 – Kreiselegge II). (redaktioneller Leitsatz)
2. Dieselbe Handlung liegt vor, wenn sich die Verletzungstatbestände in ihrer durch die Merkmale der Klageanträge konkretisierten Form im Wesentlichen decken. (redaktioneller Leitsatz)
3. Gleichartig sind nur solche Handlungen, die im Vergleich zu der im Erstprozess angegriffenen Verletzungshandlung zusätzliche oder abgewandelte Merkmale aufweisen, bei denen es sich wegen eines engen technischen Zusammenhangs aufdrängt, sie gemeinsam in einer Klage aus mehreren Patenten anzugreifen, damit dem Beklagten mehrere Rechtsstreite darüber erspart bleiben (Anschluss an BGH GRUR 2011, 411 – Raffvorhang).  (redaktioneller Leitsatz)
4. Allein daraus, dass dasselbe Produkt angegriffen wird, folgt nicht zwingend, dass auch dieselbe Ausführungsform betroffen ist. Letzteres ist dann nicht der Fall, wenn sich die Merkmale der Klageanträge unterscheiden.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

A. Die Beklagte wird verurteilt,
I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, gegenüber der Klägerin jeweils zu unterlassen,
elektrische Anschlussklemmen, wobei die elektrische Anschlussklemme einen Kontaktrahmen mit einem Leiterklemmanschluss für einen elektrischen Leiter umfasst und der Leiterklemmanschluss am Kontaktrahmen durch mindestens ein Federelement gebildet wird, dessen freies Ende eine gegen den elektrischen Leiter gerichtete und mit einer Klemmkraft beaufschlagten Klemmkante bildet und der Kontaktrahmen einen Kontaktboden aufweist, wobei der Kontaktboden derart aus der Fläche eines ebenen Metallteils herausgestellt ist, dass der Kontaktboden von dem Kanaleingang, durch den ein elektrischer Leiter in die elektrische Anschlussklemme einführbar ist, in Richtung der Klemmstelle des Leiterklemmanschlusses ansteigend in Richtung eines Leiters, wenn eingesteckt, geneigt ausgeführt ist, wobei die elektrische Anschlussklemme ein Isolierstoffgehäuse aufweist, in dem der Kontaktrahmen mit dem Leiterklemmanschluss angeordnet ist, wobei sich an den Kontaktboden einenends am Kanaleingang ein erster Kontaktbereich und anderenends ein zweiter Kontaktbereich anschließt,
nämlich Leiterplattenklemmen mit der Bezeichnung „Lite-Trap“ und kerngleiche Ausführungsformen,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen,
wobei der erste und der zweite Kontaktbereich eine Ebene bilden und die Gehäuseinnenwand des Isolierstoffgehäuses gegenüberliegend zum geneigt ausgeführten Abschnitt des Kontaktbodens einen schrägen Bereich aufweist, der gegen einen Leiter, wenn eingesteckt, geneigt ausgeführt ist und einen trichterförmigen Leitereinführungsbereich bildet.
II. der Klägerin schriftlich sowie in elektronischer Form darüber Auskunft zu erteilen und in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegen, wie Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen, schriftlich sowie in elektronischer Form darüber Rechnung zu legen, unter Beifügung der Auskunft in elektronischer Form z.B. als Excel-Tabelle (XLS-Datei), in welchem Umfang sie die zu A.I. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Juni 2019 begangen hat und zwar unter Angabe
1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und andere Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, einschließlich der Rechnungsnummern, und den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der Domain, den Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume, und bei direkter Werbung, wie Rundbriefen, die Namen und Anschriften der Empfänger,
5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten sowie des erzielten Gewinns,
wobei
– geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der Auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen und
– es der Beklagten gegebenenfalls vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht-gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch die Einschaltung des Wirtschaftsprüfers entstehenden Kosten trägt und ihn zugleich ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte Angebotsempfänger oder nicht-gewerbliche Abnehmer in der erteilten Rechnungslegung enthalten sind;
III. die vorstehend unter Ziffer A.I. bezeichneten, seit dem 8. Juni 2019 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Erzeugnisse und mit der verbindlichen Zusage aus den Vertriebswegen zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen, oder diese Erzeugnisse endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen, indem die Beklagte diese Erzeugnisse wieder an sich nimmt;
IV. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziffer A.I. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
B. Es wird festgestellt, dass
I. die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die in Ziffer A.I. bezeichneten, in der Zeit vom 26. Mai 2017 bis zum 7. Juni 2019 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
II. die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer A.I. bezeichneten, seit dem 8. Juni 2019 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
C. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
D. Das Urteil ist hinsichtlich der Buchstaben A und C des Tenors wie folgt vorläufig gegen Sicherheitsleistung vollstreckbar:
– A.I, A.III und A.IV.:
einheitlich 350.000 €,
– A.II:
25.000 €,
– C:
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet und das Verfahren mit Blick auf das anhängige Einspruchsverfahren nicht auszusetzen.
A.
Die Klage ist zulässig. Entgegen der Ansicht der Beklagten steht § 145 PatG nicht entgegen.
I. Die Vorgaben des § 145 PatG sind nicht nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu deuten, sondern es ist auf die prozessrechtlichen Kriterien abzustellen und der Anwendungsbereich der Vorschrift ist eng bemessen (BGH GRUR 1989, 187 – Kreiselegge II). Dieselbe Handlung liegt danach vor, wenn sich die Verletzungstatbestände in ihrer durch die Merkmale der Klageanträge konkretisierten Form im Wesentlichen decken. Gleichartige Handlungen sind aufgrund einer an Gesetzeszweck, sachlichen Bedürfnissen und rechtsstaatlichen Erfordernissen orientierten wertenden Beurteilung abzugrenzen (Grabinski/Zülch in: Benkard, PatG, 11. Aufl. 2015, § 145 Rn. 6). Gleichartig sind nur solche weiteren Handlungen, die im Vergleich zu der im Erstprozess angegriffenen Verletzungshandlung zusätzliche oder abgewandelte Merkmale aufweisen, bei denen es sich wegen eines engen technischen Zusammenhangs aufdrängt, sie gemeinsam in einer Klage aus mehreren Patenten anzugreifen, damit dem Beklagten mehrere Rechtsstreite darüber erspart bleiben (bestätigt durch BGH GRUR 2011, 411 – Raffvorhang).
II. Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem hiesigen Verfahrensgegenstand im Verhältnis zu dem im Verfahren vor dem Landgericht Mannheim (Az. 7 O 217/15) nicht um dieselbe oder gleichartige Handlung.
Zwar mag dasselbe Produkt der Beklagten angegriffen sein. Es ist aber nicht dieselbe Ausführungsform betroffen. Denn insoweit unterscheiden sich die Merkmale der Klageanträge. Überdies drängt es sich nicht auf, beide Ausführungsformen in der Mannheimer Klage geltend machen zu müssen. Das hiesige Klagepatent ist zu einem Zeitpunkt erteilt worden, als das zuvor ausgesetzte Verfahren in Mannheim nach Durchführung des Rechtsbestandsverfahrens für das dortige Klagepatent wieder aufgenommen worden ist. Eine Pflicht, das Mannheimer Verfahren um den Gegenstand des hiesigen Klagepatents zu erweitern, ist nach Überzeugung der Kammer unter Abwägung aller Umstände und Interessen des Einzelfalls sachlich und rechtlich nicht geboten. Insbesondere haben die Parteien in München das parallele Verfügungsverfahren geführt.
B.
Die Klage ist begründet.
I. Gegenstand von Patentanspruch 1 des Klagepatents ist eine elektrische Anschlussklemme.
Gattungsgemäße Anschlussklemmen sind dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrung in der Konstruktion von elektrischen Klemmen, im Stand der Technik bekannt gewesen. Das Klagepatent verweist hierzu auf verschiedene Dokumente (Beschreibungsstellen [0002] und [0003]).
1. Gemäß dem Klagepatent habe die Aufgabe darin bestanden, eine elektrische Anschlussklemme für den Anschluss eines elektrischen Leiters bereitzustellen, welche durch eine verbesserte Leiterführung eine sichere Klemmung des elektrischen Leiters gewährleistet und gleichzeitig einen einfachen Aufbau aufweist ([0004]).
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Patentanspruch 1 in merkmalsmäßiger Gliederung vor:
1. elektrische Anschlussklemme, wobei
1.1 die Anschlussklemme (1) einen Kontaktrahmen (4) mit einem Leiterklemmanschluss für einen elektrischen Leiter (5) umfasst,
1.2 die Anschlussklemme ein Isolierstoffgehäuse (2) aufweist, in dem der Kontaktrahmen (4) mit dem Leiterklemmanschluss angeordnet ist,
1.3 der Leiterklemmanschluss am Kontaktrahmen (4) durch mindestens ein Federelement (9) gebildet wird, dessen freies Ende eine gegen den elektrischen Leiter (5) gerichtete und mit einer Klemmkraft beaufschlagten Klemmkante (10) bildet und
1.4 der Kontaktrahmen (4) einen Kontaktboden (11) aufweist,
1.4.1 wobei der Kontaktboden (11) derart aus der Fläche eines ebenen Metallteils herausgestellt ist, dass der Kontaktboden (11) von dem Kanaleingang (8), durch den ein elektrischer Leiter (5) in die elektrische Anschlussklemme (1) einführbar ist, in Richtung der Klemmstelle des Leiterklemmanschlusses ansteigend in Richtung eines Leiters (5), wenn eingesteckt, geneigt ausgeführt ist und
1.4.2 sich an den Kontaktboden (11) einenends am Kanaleingang (8) ein erster Kontaktbereich (16) und anderenends ein zweiter Kontaktbereich (16) anschließt
dadurch gekennzeichnet, dass
1.4.3 der erste und der zweite Kontaktbereich (16) eine Ebene bilden und
1.5 die Gehäuseinnenwandung (31) des Isolierstoffgehäuses (2) gegenüberliegend zum geneigt ausgeführten Abschnitt des Kontaktbodens (11) einen schrägen Bereich aufweist, der gegen einen Leiter (5), wenn eingesteckt, geneigt ausgeführt ist und einen trichterförmigen Leitereinführungsbereich bildet.
2. Eine erfindungsgemäße elektrische Anschlussklemme ist in Figur 1 des Klagepatents beispielhaft gezeigt.
Die patentgemäße elektrische Anschlussklemme weist ein Isolierstoffgehäuse (2) auf, in dem ein oder – wie im Ausführungsbeispiel gezeigt – zwei metallische Kontaktrahmen (4) aufgenommen sind.
In der Darstellung gemäß Figur 2 des Klagepatents ist das Isolierstoffgehäuse nicht enthalten, so dass der Anschluss eines elektrischen Leiters (5) am Kontaktrahmen (4) erkennbar wird. Hierbei verfügt der Kontaktrahmen (4) über einen – wie z.B. in Figur 2 gezeigten – Leiterklemmanschluss für einen elektrischen Leiter (5).
Gemäß Merkmal 1.3 wird der Leiterklemmanschluss weiter dahingehend konkretisiert, dass der Leiterklemmanschluss am Kontaktrahmen durch mindestens ein Federelement gebildet wird, dessen freies Ende eine gegen den elektrischen Leiter gerichtete und mit einer Klemmkraft beaufschlagte Klemmkante bildet.
Das Federelement kann wie im gezeigten Ausführungsbeispiel als Blattfedernpaar ausgebildet sein. Die Blattfedern sind aus dem Metallteil herausgebogen und deren freie Enden bilden eine gegen den elektrischen Leiter gerichtete und mit einer Klemmkraft beaufschlagte Klemmkante, so dass die zwei gegenüberliegenden Klemmkanten (10) der Blattfedern eine Klemmstelle für den elektrischen Leiter bilden.
3. Nach Merkmal 1.4/1.4.1 weist der Kontaktrahmen einen Kontaktboden auf, der vom Kanaleingang, durch den ein elektrischer Leiter in die elektrische Anschlussklemme einführbar ist, in Richtung der Klemmstelle des Leiterklemmanschlusses ansteigend in Richtung eines Leiters geneigt ausgeführt ist.
Entgegen der Auffassung der Beklagten braucht der geneigte Bereich nicht am Kanaleingang zu beginnen. Der Anspruch gibt insofern lediglich die Richtung vor, in der die Neigung verläuft. Er macht jedoch keine Vorgaben, von wo bis wohin sich der geneigte Bereich erstrecken muss. Käme es hierauf an, wäre ein anderer Wortlaut des Merkmals zu erwarten gewesen (z.B. „vom Kanaleingang bis zur Klemmstelle“). In Übereinstimmung mit der Auslegung des OLG München im Verfügungsverfahren schreibt der Wortlaut dieses Merkmals hingegen nicht vor, wo die erfindungsgemäße Neigung ihren Ausgangspunkt nimmt. Auch der Wortsinn des Merkmals begründet dieses Verständnis nicht. Insofern bleibt – wieder in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht – die von der Beklagten vorgenommene Auslegung hinter dem Wortlaut zurück und erschöpft dessen Offenbarungsgehalt nicht.
Gegenteiliges kann auch nicht dem Teilmerkmal „von dem Kanaleingang“ entnommen werden, weil dieses zusammen mit dem weiteren Anspruchswortlaut „in Richtung“ vom Fachmann zu lesen ist. Das von der Beklagten beanspruchte einschränkende Verständnis vom Anspruchswortlaut des Merkmals 1.4/1.4.1 lässt sich auch nicht der Beschreibung bzw. den Figuren entnehmen. Wenn sich der geneigte Bereich des Kontaktbodens der Beschreibung in [0021] folgend „im Wesentlichen“ im Leitereinführungsbereich befindet – also innerhalb des Bereichs vom Kanaleingang bis zur Klemmstelle -, dann macht eine Vorrichtung von diesem Merkmal auch dann wortsinngemäß Gebrauch, wenn der Kontaktboden in diesem Bereich (nur) abschnittsweise geneigt ist.
Außerdem besteht die technische Funktion des geneigten Bereichs darin, im Zusammenspiel mit dem gegenüberliegend geneigten Abschnitt gemäß Merkmal 1.5 einen trichterförmigen Leitereinführungsbereich zu erzeugen, der eine Führung für den einzusteckenden elektrischen Leiter bildet, so dass das abisolierte Ende zielgerichtet der Klemmstelle zugeführt werden kann ([0025]). Hierfür ist entgegen der Beklagten nicht erforderlich, dass der Kontaktboden am Kanaleingang beginnt und bis zur Klemmstelle (durchgehend) ansteigend geneigt ausgeführt ist. Eine sichere funktionsgemäße Führung des Leiters im Leitereinführungsbereich hin zur Klemmstelle erfordert dies nicht. Der erfindungsgemäßen Führungsfunktion steht – in übereinstimmender Auffassung mit dem Oberlandesgericht – nicht entgegen, wenn die Neigung des Kontaktbodens erst mit einem räumlichen Abstand zum Kanaleingang beginnt. Dieses Verständnis wird der Fachmann auch den in Figuren 5a/5b dargestellten Ausführungsbeispielen einer erfindungsgemäßen Vorrichtung entnehmen, bei denen der geneigte Bereich des Kontaktbodens nicht unmittelbar am Kanaleingang beginnt, sondern vorab etwas horizontal verläuft. Darüber hinaus ist in [0024] und [0025] der Beschreibung offenbart, dass nur der „zumindest abschnittsweise trichterförmige“ Leitereinführungsbereich die Führungsfunktion bereitstelle.
Eine konkrete Ausgestaltung dieser Vorgaben stellt das Klagepatent in das Ermessen und Können des Fachmanns. Diesem bleibt es überlassen, den geneigten Abschnitt im Detail so auszubilden, dass die patentgemäße Führungsfunktion (noch) erfüllt werden kann. Insofern kann der Kontaktboden im Anschluss an den Kanaleingang zunächst flach ausgeführt werden, wenn erst im weiteren Verlauf die Neigung in Richtung der Klemmstelle des Leiterklemmanschlusses ansteigt. Erstreckung oder gar einen Neigungswinkel gibt die patentierte Lehre nicht vor.
4. Merkmal 1.5 lehrt den Fachmann, dass die Gehäuseinnenwandung (31) des Isolierstoffgehäuses (2) gegenüberliegend zum geneigt ausgeführten Abschnitt des Kontaktbodens (11) einen schrägen Bereich aufweist, der gegen einen Leiter (5), wenn eingesteckt, geneigt ausgeführt ist und einen trichterförmigen Leitereinführungsbereich bildet. Insofern bleibt es dem Fachmann überlassen, den schrägen Bereich der Gehäuseinnenwandung (Merkmal 1.5) so auszugestalten, dass die Gehäuseinnenwandung des Isolierstoffgehäuses gegenüberliegend zum geneigt ausgeführten Abschnitt des Kontaktbodens einen schrägen Bereich aufweist, der gegen einen Leiter, wenn eingesteckt, geneigt ausgeführt ist und einen trichterförmigen Leitereinführungsbereich bildet.
Entgegen der Ansicht der Beklagten wird hiermit nicht vorgegeben, dass der zu bildende Leitereinführungsbereich ganz oder zu einem erheblichen Teil trichterförmig ausgebildet sein muss. Dies folgt weder aus Figur 5a, die lediglich eine bevorzugte Ausführungsform darstellt. Noch ergibt sich dies aus dem Wortsinn. Denn solange die Führungsfunktion erreicht werden kann, die durch den schrägen Bereich gemäß Merkmal 1.5 sowie den geneigten Abschnitt gemäß Merkmal 1.4.1 erzeugt wird, bleibt die konkrete Ausgestaltung dem Fachmann überlassen. Für die Ausführung der Führungsfunktion reicht es nach der Beschreibung nämlich aus, dass der Leitereinführungsbereich (30) „zumindest abschnittsweise trichterförmig“ ausgebildet ist ([0024]).
Nach diesem Merkmal muss der schräge Bereich zudem gegen einen Leiter geneigt ausgeführt werden, wenn ein solcher eingesteckt ist. Im Zusammenhang mit der zu erzielenden Trichterform bedeutet „gegen“, dass der Leiter durch den schrägen Bereich der Gehäuseinnenwandung in Richtung (also zur) Klemmstelle geführt werden kann, wenn er eingesteckt ist. Ein bestimmter Grad der Neigung des Leiters wird nach der Lehre des Klagepatents nicht gefordert.
Durch diese Ausgestaltung wird – in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht – gewährleistet, dass der Leitereinführungsbereich zumindest trichterförmig ausgebildet ist und der Leiter durch den schrägen Bereich der Gehäuseinnenwand in Richtung (also zur) Klemmstelle geführt werden kann. Diese funktionelle Betrachtungsweise bedeutet indes nicht, auf die Zuordnung des Leiters zur Gehäuseinnenwand in eingestecktem Zustand („gegen einen Leiter, wenn eingesteckt, geneigt ausgeführt“) zu verzichten.
II. Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.
1. Zu Recht streiten die Parteien nicht um die Benutzung der Merkmale 1 bis 1.4, 1.4.2 und 1.4.3. Diese werden von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht.
2. Die angegriffene Ausführungsform macht auch von Merkmal 1.4.1 Gebrauch.
Denn der Kontaktboden ist bei der angegriffenen Ausführungsform in diesem Sinn ansteigend geneigt ausgeführt. Dass die angegriffene Ausführungsform bei diesem Verständnis der Kammer von Merkmal 1.4/1.4.1 keinen Gebrauch macht, wird von der Beklagten (zu Recht) nicht geltend gemacht.
Wird bei der angegriffenen Ausführungsform ein Leiter durch die Leitereinführungsöffnung in die Klemme eingeführt, trifft er auf den ansteigend geneigten Bereich des Kontaktbodens und wird zur Klemmstelle geführt. An der Führung des Leiters ändert sich dadurch nichts, dass sich die Neigung des Kontaktbodens bei den Verletzungsgegenständen nicht bis zur Klemmstelle erstreckt. Der Leiter wird beim Auftreffen auf die Neigung ein Stück nach oben geführt und folgt stetig dieser Richtung. Dieser Anstieg im Kontaktboden, den die Beklagte mit „Stufe“ bezeichnet, erfüllt den Zweck, den Leiter zu führen bzw. führen zu können.
3. Ebenso macht die angegriffene Ausführungsform von Merkmal 1.5 Gebrauch.
Die angegriffene Ausführungsform besitzt einen „schrägen Bereich“ des Isolierstoffgehäuses. Jedenfalls wenn der Leiter, der selbst kein Teil der beanspruchten Vorrichtung ist, horizontal in die Klemme eingeführt wird, ist der schräge Bereich der Gehäuseinnenwandung gegen einen eingesteckten Leiter geneigt.
Entgegen der von der Beklagten vorgelegten Abbildung der angegriffenen Ausführungsform (Anlage HL5) ergibt sich für die Kammer nicht, dass es keinen trichterförmigen Leitereinführungsbereich bei der angegriffenen Ausführungsform gebe. Denn entgegen des Vorbringens der Beklagten ist ein Leiter im eingesteckten Zustand nicht (stets) parallel zum schrägen Bereich der Gehäuseinnenwandung positioniert, sondern ein Einführen des Leiters ist im Bereich von 0° bis 7° möglich. Aus der „Product Specifikation“ (Anlage K11) ergeben sich die Anforderungen an die zu verwendenden Leiter sowie in Bezug auf das Einführen des Leiters. Auf der letzten Seite (10. WIRE INSERTION) wird durch zwei bildliche Darstellungen das Einführen des Leiters in die Anschlussklemme gezeigt. Nach der ersten Darstellung darf der Leiter mit der eingezeichneten Einführungsebene einen Winkel von maximal 5° bis 7° bilden. Dies bedeutet, dass bei der angegriffenen Ausführungsform ein paralleles Einführen des Leiters entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht zugrunde gelegt werden kann, vielmehr ist gemäß der vorstehend wiedergegebenen Darstellung ein Einführen des Leiters im Bereich von 0° bis 7° möglich. Da ein bestimmter Grad der Neigung des Leiters nach der Lehre des Klagepatents nicht gefordert wird, verwirklicht die angegriffene Ausführungsform Merkmal 1.5.
III. Da die übrigen Voraussetzungen einer Patentverletzung zu Recht zwischen den Parteien nicht umstritten sind, stehen der Klägerin die ausgeurteilten Ansprüche zu.
C.
Eine Aussetzung des Verfahrens ist mit Blick auf den von der Beklagten erhobenen Einspruch beim Europäischen Patentamt nach § 148 ZPO nicht veranlasst.
I. Die Einleitung eines Einspruchsverfahrens oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellen als solches keinen Grund dar, das Verfahren auszusetzen. Anderenfalls würde man dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beimessen, die ihm nach dem Gesetz gerade fremd ist (BGH GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug). Bei der gebotenen Interessenabwägung hat grundsätzlich das Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung des ihm erteilten Patents Vorrang (siehe Cepl in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 2018, § 148 ZPO Rn. 106 mwN). Denn das Patent bietet nur eine beschränkte Schutzdauer. Für die Dauer der Aussetzung ist das Schutzrecht mit Blick auf den Unterlassungsantrag, der einen wesentlichen Teil des Schutzrechts darstellt, noch zusätzlich praktisch aufgehoben. Daher kommt eine Aussetzung grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Vernichtung des Klagepatents mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Cepl in: Cepl/Voß, a.a.O., § 148 ZPO Rn. 107 m.w.N.).
II. Das Verfahren ist nach diesen Maßstäben nicht auszusetzen.
Die von der Beklagten im Rahmen ihres Aussetzungsantrags geltend gemachten Nichtigkeitsargumente greifen nach Ansicht der Kammer nicht durch. So wurde der Gegenstand des Klagepatents nicht unzulässig erweitert und ist patentfähig. Der Gegenstand des Klagepatents wird insbesondere durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
1. Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Gegenstand des Klagepatentanspruchs 1 durch eine Kombination der deutschen Offenlegungsschrift … mit der … unter Beachtung der … nahegelegt ist.
a) Die Druckschrift … offenbart eine Klemme mit einem Isolierstoffgehäuse, in dem zumindest eine Klemmstelle für einen elektrischen Leiter vorhanden ist, die sich an einer metallenen, den Leiter elektrisch kontaktierenden Kastenfeder (5) befindet. Die erfindungsgemäße Klemme besteht im Wesentlichen aus drei Elementen: dem Isolierstoffgehäuse, einem darin schwenkbar gelagerten Drücker (6) und der Kastenfeder (5). Die Erfindung bezieht sich dabei besonders auf eine vorteilhafte Ausgestaltung einer solchen Feder. Die Kastenfedern, mit der die eingeführten Leiter kontaktieren, haben gemäß der Beschreibung in [0015] aus dem Gehäuse herausführende Kontaktfahnen (Bezugszeichen 22), über die die weitere Kontaktierung der gesamten Klemmeinheit stattfindet. Ein Ausführungsbeispiel ergibt sich aus den Figuren 2 bis 4 (farbige Hervorhebungen durch die Kammer).
Ferner wird in [0017] offenbart, dass die Klemmkante (17) des Federschenkels (13) beidseits über den Wandabschnitt (16) vorsteht. Dieser Abschnitt hat eine geringere Breite als der Federschenkel (13) an seiner Klemmkante (17). Beim Betätigen des als einarmige Wippe schwenkbar ausgestalteten Drückers (6) kann die Bewegung über die zwei Stege (19) an den Aussparungen (18) vorbeigeführt werden. Die Stege (19) sitzen – wie in Figur 3 dargestellt – auf der Klemmkante (17). Diese lässt sich nur so weit niederdrücken, bis die Stege (19) auf den Anschlagkanten (21) aufsitzen. Die Stege erstrecken sich von der Leiterein- und Durchführöffnung (7) bis zur Klemmstelle (11), wodurch Anschlagflächen oder -kanten (32) an den Stegen gebildet werden, die einen Absatz im Leitereinführungsbereich formieren. Hierdurch kann die Einführungstiefe des abisolierten Leiters (9) begrenzt werden, der somit mit dem zwischen der Leiterisolation und der Leiterader (10) gebildeten Absatz an den Anschlagflächen (32) anschlagen kann.
b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Klagepatents wird durch diese Entgegenhaltung nicht offenbart.
Insbesondere wird ein trichterförmiger Leitereinführungsbereich im Sinne von Merkmal 1.5 des Klagepatents nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Diese Entgegenhaltung beschäftigt sich nicht mit der (sicheren) Führung des Leiters (zur Klemmstelle) und erwähnt dieses Thema auch nicht. Vielmehr betrifft sie eine vorteilhafte Anordnung des Drückers auf dem Gehäuse. Erfindungsgemäß soll der Drücker getrennt von dem Bereich liegen, wo der Leiter in das Gehäuse eingeführt wird (vgl. [0003]). Allein die Anschlagfunktion des isolierten Leiters an die Anschlagkanten (32) der Stege (19) und die damit erzielte Begrenzung der Einführungstiefe des abisolierten Leiters erwähnt die Entgegenhaltung in [0017]. Zwar wird in Figur 3 durchaus eine Verengung des Leiterdurchführungsbereichs gezeigt. Die Schrift schweigt aber zur klagepatentgemäßen Funktion dieser Verengung mit Blick auf die Leiterführung. Diese Funktion wird weder ausdrücklich beschrieben, noch liest sie nach Ansicht der Kammer der Fachmann im Gesamtzusammenhang der Schrift mit. Er muss die vorteilhaften Wirkungen einer solchen Form vielmehr beim Betrachten der Figuren mitdenken. Dieses Mitdenken einer nicht beschriebenen Funktion ist ein Mehr gegenüber dem Mitlesen und genügt jedenfalls in diesem konkreten Einzelfall nach Ansicht der Kammer nicht für eine hinreichende Offenbarung.
c) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Klagepatents wird durch die … in Verbindung mit der … nicht nahegelegt.
Selbst wenn der Fachmann die … zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen nehmen sollte und er unter Heranziehung der … und der … diesen Gegenstand in Richtung des Gegenstands des Klagepatents fortentwickeln könnte („could“), mangelt es nach Überzeugung der Kammer an einer Veranlassung hierfür („would“).
Denn für die zahlreichen erforderlichen Änderungen fehlt es an einer Anregung. Der Fachmann müsste zunächst die Kontaktfahnen (22) in die Horizontale biegen und hierfür die Wulst (23) beseitigen. Ferner müsste er die Kontaktierung sowie den beschriebenen Aufbau von Drücker und Gehäuse ändern.
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Klagepatents ist nicht unzulässig erweitert.
a) Eine unzulässige Erweiterung ist nach Art. 123 Abs. 1 EPÜ gegeben, wenn der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
b) Die Beklagten meinen, eine unzulässige Erweiterung liege vor, weil die Klägerin den in der Stammanmeldung ursprünglich offenbarten trichterförmigen Leitereinführungsbereich, der umfangsseitig geschlossen ist, so nicht mehr beansprucht, sondern bei der nun beanspruchten klagepatentgemäßen Merkmalskombination die Blattfedern und das Erfordernis des umfangsseitig Geschlossen-Seins aufgegeben habe.
aa) Merkmal 1.5 des Klagepatents lehrt den Fachmann, dass die Gehäuseinnenwandung (31) des Isolierstoffgehäuses (2) gegenüberliegend zum geneigt ausgeführten Abschnitt des Kontaktbodens (11) einen schrägen Bereich aufweist, der gegen einen Leiter (5), wenn eingesteckt, geneigt ausgeführt ist und einen trichterförmigen Leitereinführungsbereich bildet.
bb) Dieses Merkmal ist nach Auffassung der Kammer bereits in der Stammanmeldung als zur Erfindung gehörig offenbart. Dies ergibt sich aus dem gesamten Offenbarungsgehalt der Stammanmeldung.
Entgegen der Ansicht der Beklagten legt die Kammer die ursprüngliche Offenbarung in der europäischen Stammanmeldung … so aus, dass hiernach ein trichterförmiger Leitereinführungsbereich nicht zwingend durch folgende Elemente gebildet werden muss: der aus der Ebene herausgestellte Kontaktboden und die Gehäuseinnenwandung mit dem schrägen Bereich sowie die beiden Kontaktfedern. So wird in [0021] der trichterförmige Leitereinführungsbereich dahingehend definiert, dass er aus dem Isolierstoffgehäuse (2) und dem Kontaktrahmen (4) zusammengesetzt ist bzw. von diesen gebildet und hierbei eine einfache und wirkungsvolle Leiterführung erzielt wird. Dies steht im Einklang mit der Beschreibungsstelle [0019], wonach der trichterförmige Leitereinführungsbereich aus dem Kontaktrahmen (4) und dem Isolierstoffgehäuse (2) zusammengesetzt ist.
Zum Kontaktrahmen (4) ist (was wohl auch zwischen den Parteien unstreitig ist) der Kontaktboden (11) zu zählen. Nach der Beschreibung kann der Kontaktrahmen zudem die Blattfedern umfassen. Dies ergibt sich aus der Formulierung „Kontaktrahmen 4 mit seinen Blattfedern“ in [0019]. Insofern folgt aus [0020], dass der Leitereinführungsbereich umfangsseitig nahezu vollständig geschlossen ist und die einzelnen Drähte eines mehrdrähtigen Leiters nicht ausweichen können und sicher von der Klemmkante (10) klemmend gehalten werden.
cc) Zur Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts ist die Klägerin jedoch nicht gezwungen gewesen, alle diese von der Beklagten genannten Elemente für die Definition des trichterförmigen Leitereinführungsbereichs in die klagepatentgemäße Kombination der Merkmale in den Anspruch aufzunehmen. Sie durfte nach Ansicht der Kammer insofern die Blattfedern weglassen und brauchte das Merkmal des umfangsseitigen Geschlossen-Seins nicht in den Anspruch zu erheben.
Denn aufgrund der gebotenen funktionalen Betrachtung des Gegenstands der Stammanmeldung bedarf es erfindungsgemäß nicht (zwingend) der Aufnahme der Blattfedern für die Leiterführung an dieser Stelle in den Anspruch. Offenbarte Funktion der Federn ist, eine Klemmwirkung für den eingesteckten Leiter zu erzielen. Dies spiegelt Merkmal 1.3 des Gegenstands des Klagepatents gemäß Anspruch 1 wider und insofern sind die „Blattfedern“ entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht weggelassen worden. Dass die Federn aufgrund ihrer Anordnung und Materialeigenschaft an der Leiterführung mitwirken, erkennt der Fachmann ohne Weiteres. Insofern wird die Verengung des Leitereinführungsbereichs bereits durch ihre Funktion vorgegeben. Das ist aber nach Ansicht der Kammer nicht der entscheidende erfinderische Beitrag in der Stammanmeldung. Dieser besteht vielmehr darin, dass (neben dieser beschriebenen Mitwirkung der Blattfedern zudem) das Isolierstoffgehäuse und der Kontaktboden des Kontaktrahmens die Leiterführung in erheblichem Umfang übernehmen und insofern erst den trichterförmigen Leitereinführungsbereich bilden.
Unabhängig davon gibt [0020] auch nicht zwingend vor, dass ein nahezu geschlossener Trichter für eindrähtige Leiter erforderlich sein sollte.
c) Die Beklagten meinen zudem, eine unzulässige Erweiterung liege vor, weil die Stammanmeldung keine Lösung mit nur einem Federelement offenbare.
aa) Merkmal 1.3 lehrt den Fachmann insofern, dass der Leiterklemmanschluss am Kontaktrahmen (4) durch mindestens ein Federelement (9) gebildet wird, dessen freies Ende eine gegen den elektrischen Leiter (5) gerichtete und mit einer Klemmkraft beaufschlagten Klemmkante (10) bildet.
bb) Dieses Merkmal ist nach Auffassung der Kammer ursprungsoffenbart.
In der Beschreibung der Stammanmeldung sind mehrere Stellen enthalten, aus denen sich ergibt, mindestens ein Federelement genüge ([0001], [0004], [0009] und [0012]). Zudem lehrt dies bereits Anspruch 1 der Stammanmeldung.
cc) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Kammer davon überzeugt, dass sich die Klägerin auf diese Beschreibungsstellen stützen darf.
Die von der Beklagten im Haupttermin vorgelegte Entscheidung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts vom 5. Juli 2011 (Az. T 2118/08) steht dem (insbesondere aufgrund des Inhalts in Ziffer 2.3.2) nicht entgegen. Selbstverständlich ist eine freie und künstliche Kombination von Merkmalen verschiedener Ausführungsformen in aller Regel nicht ursprungsoffenbart. Im Streitfall geht es aber darum, ob sich die Patentinhaberin auf den allgemeinen Teil der Beschreibung stützen darf. Insofern passt nach Ansicht der Kammer die von der Beklagten vorgelegte Entscheidung nicht hinreichend zur hier relevanten Fragestellung.
Überdies weiß der Fachmann, dass er den Leiter zwischen zwei Federelementen einklemmen kann, um die erforderliche Klemmwirkung zu erzielen, oder er verwendet insofern nur ein Federelement und kombiniert es mit einem nicht federnden, sondern insofern unbeweglichen Element. Hierdurch kann dieselbe Wirkung erreicht werden, was dem Fachmann bekannt ist.
d) Die übrigen von der Beklagten geltend gemachten unzulässigen Erweiterungen bewirken nach Überzeugung der Kammer gleichfalls keine Nichtigkeit des Klagepatents.
3. Die weiteren Nichtigkeitsargumente der Beklagten begründen nach Auffassung der Kammer ebenfalls keine Aussetzung des Verfahrens.
D.
I. Gegenüber dem Klageantrag hat die Kammer den Tenor hinsichtlich Ziffer A.II. umformuliert und für die Zwecke der Klarstellung ein „z.B.“ aufgenommen.
Nach Ansicht der Kammer ändert dies nicht den Streitgegenstand. Betroffen ist eine bloße Umformulierung. Auch ist damit keine Teilklageabweisung verbunden, weil die Kammer den Antrag der Klägerin so versteht, dass sie die Auskunft und Rechnungslegung zusätzlich zur herkömmlichen Form auch in elektronischer Form begehrt. Eine Möglichkeit hierfür ist die Vorlage einer Excel-Tabelle (XLS-Datei). Die Kammer versteht das Begehren der Klägerin ferner so, dass die Vorlage in elektronischer Form ebenso mittels eines vergleichbaren Dateiformats erfüllt werden kann. Dies stellt der umformulierte Tenor lediglich klar.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Kosten des Rechtsstreits waren vollumfänglich der Beklagten aufzuerlegen.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 2 und 3 ZPO. Sie gliedert sich wie erkannt. Die Sicherheitsleistung ist dabei an dem Streitwert zu orientieren. Der Feststellungsantrag ist nicht vorläufig vollstreckbar. Die Entscheidung über die Kosten ist nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.


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