Aktenzeichen 10 O 4413/17
Leitsatz
1. Die Tatsache, dass sich bei einem Wohnmobil die Aufbautür nur mit übermäßiger Krafteinwirkung öffen lässt, stelle einen erheblichen Mangel dar (Rn. 14). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Setzung einer Frist zur Nacherfüllung ist nach § 439 Abs. 1 BGB entbehrlich, wenn der mangelhafte Zustand auf zwei Nachbesserungen beruht (Rn. 15). (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach dem Rücktritt von einem Kaufvertrag über ein Wohnmobil muss der Käufer Nutzungsersatz für die gefahrenen Kilometer, der Verkäufer Ersatz der Nutzung des Kaufpreises als Kapital leisten (Rn. 19 – 21). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 55.075,00 Euro zu bezahlen Zug um Zug gegen die Rückgabe des Wohnmobils Knaus Typ Car 250/2 Var. R11 Version 11C77DMMFC, Fahrzeugidentifikationsnummer …43.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 57.200,00 Euro festgesetzt, ab dem 06.12.2018 auf 55.075,00 Euro.
Gründe
Die zulässige Klage erweist sich, soweit sie noch zur Entscheidung stand, als vollumfänglich begründet.
Das streitgegenständliche Wohnmobil war zur Überzeugung der Einzelrichterin mit einem Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB behaftet. Dies hat auch die beklagte Partei nach Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen G. nicht mehr in Zweifel gezogen; im Übrigen ergibt sich dies zur Überzeugung der Einzelrichterin aus den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen G. in dessen schriftlichen Gutachten vom 06. August 2018. Der Sachverständige hat dort ausgeführt, die Aufbautüre des streitgegenständlichen Wohnmobils lasse sich nur mit übermäßiger Krafteinwirkung öffnen. Zudem dringe bei regelmäßig zu erwartender Belastung mit Niederschlagswasser Wasser in das Wohnmobil ein. Die Ausführungen des Sachverständigen, die von keiner der Parteien angegriffen Worden sind, waren von Sachkunde getragen und deshalb überzeugend. Die Beklagte hat bereits nicht gerügt, die Pflichtverletzung sei unerheblich im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB. Dies ist auch fernliegend. Für die Benutzbarkeit des Wohnmobils ist es von erheblicher Bedeutung, dass die Passagiere ein- und aussteigen können. Zudem werden Wohnmobile verstärkt in der warmen Jahreszeit genutzt, so dass es nach den nicht angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen regelmäßig dazu kommen wird, dass eine Öffnung der Türe auch mit höchster Krafteinwirkuhg nicht bewerkstelligt werden kann. Schließlich stellt auch das Eindringen von Niederschlagswasser in das Innere des Wohnmobils einen erheblichen Mangel dar.
Die Setzung einer Frist zur Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB war vorliegend entbehrlich. Der jetzige Zustand des Wohnmobils, insbesondere der Türe, beruht auf den insoweit durch die Beklagte im Februar 2016 und im November 2016 durchgeführten Nachbesserungen. So wurde im Februar 2016 die Aufbautüre justiert und im November 2016 insoweit ein neuer Türrahmengummi eingebaut. Mithin gilt die Nachbesserung gemäß § 440 Satz 1 BGB als fehlgeschlagen, da auch nach dem zweiten Nachbesserungsversuch kein mangelfreier Zustand hergestellt werden konnte.
Der Kläger war deshalb gemäß §§ 433, 434 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 437 Nr. 2, 440, 323 Abs. 1 BGB zum Rücktritt von dem Kaufvertrag über das streitgegenständliche Wohnmobil berechtigt.
Es sind daher gemäß § 346 BGB die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Der Kläger kann daher zunächst die Rückerstattung des Kaufpreises verlangen. Dem steht, neben dem Anspruch der Beklagten auf Rückgabe des Wohnmobils, der Nutzungsersatzanspruch der Beklagten entgegen.
Insoweit schuldet der Kläger der Beklagten gemäß § 346 Abs. 1, Abs. 2 BGB Ersatz der durch den Gebrauch des Wohnmobils gezogenen Nutzungen.
Der zu leistende Nutzungsersatz ist hierbei linear anhand der durch den Kläger mit dem Wohnmobil zurückgelegten Kilometer, der Gesamtfahrleistung und des Kaufpreises zu berechnen. Hierbei ist der Kaufpreis mit der Zahl der gefahrenen Kilometer, die 45.800 beträgt, zu multiplizieren und sodann durch die Gesamtfahrleistung in Höhe von 250.000 Kilometer, zu teilen (vgl. Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 78. Auflage 2019, Rdnr. 10 zu § 346 BGB mit weiteren Nachweisen). Die beklagte Partei hat die Angabe des Klägers zur Gesamtfahrleistung ebenso wenig bestritten wie die in den Terminen zur mündlichen Verhandlung gemachten Angaben zum Kilometerstand. Aus diesem Grund hält das Gericht die nunmehrige Angabe des Klägers, die den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung betrifft und der beklagten Partei aus diesem Grund nicht mehr zur Stellungnahme zugeleitet werden konnte, für glaubhaft, da die nunmehr angabegmäß insgesamt gefahrenen Kilometer etwas über die aus den Terminsprotokollen ersichtlichen Kilometerleistungen hinausgehen.
Mithin hat der Kläger insoweit einen Nutzungsersatz in Höhe von 10.479,04 Euro zu leisten.
Der Kläger hat gegen die Beklagte demgegenüber aus § 346 Abs. 1, Abs. 2 BGB Anspruch auf Ersatz der Nutzung des Kaufpreises als Kapital. Insoweit sind jährlich 2.403,00 Euro anzusetzen. Dies ergibt sich aus einem Zinssatz ersparter Sollzinsen irr Höhe von 5 %. Diesen hat die beklagte Partei nicht bestritten. Für den zwischen der Zahlung des Kaufpreises und dem auch insoweit maßgeblichen Schluss der mündlichen Verhandlung vergangenen Zeitraum von 3,75 Jahren ergibt sich hieraus ein Betrag von 9.011,25 Euro. Der Kläger hat dadurch, dass er für die Begründung des zuletzt gestellten Antrages beide Beträge saldiert hat, mit diesem Anspruch aufgerechnet, so dass noch ein Betrag von 1.467,79 Euro vom Kaufpreis abzuziehen ist.
Soweit die beklagte Partei eingewandt hat der Kläger habe mit dem Fahrzeug einen schweren, mittlerweile reparierten Ünfallschaden verursacht, hat sie mit dem sich hieraus möglicherweise ergebenden Wertersatzanspruch nicht aufgerechnet, so dass dieser im hiesigen Verfahren nicht zu berücksichtigen ist.
Hieraus ergibt sich, dass der durch den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 06.12.2018 zuletzt gestellte Anspruch vollumfänglich begründet ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Da der Kläger, den ursprünglichen Klageantrag zugrunde gelegt, nur geringfügig zu viel verlangt hat und durch die Zuvielforderung keine höheren Kosten verursacht hat, hat das Gericht der Beklagten die Kosten vollumfänglich auferlegt.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 2 ZPO. Für die Bemessung der Sicherheit ist die Gegenleistung im Rahmen der Zug-um-Zug-Verurteilung nicht zu berücksichtigen.