IT- und Medienrecht

Rundfunkbeitrag für eine Wohnung, Verfassungsmäßigkeit des RBStV, Ausgestaltung als Beitrag, Gegenseitigkeitsprinzip, Aufgabennichterfüllung, strukturelles Versagen

Aktenzeichen  M 6 K 19.6460

Datum:
25.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1754
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV § 2 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2022 entschieden werden, obwohl die Beteiligten nicht erschienen sind. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beteiligten wurden form- und fristgerecht geladen.
Die zulässige Klage ist unbegründet und hat keinen Erfolg.
Der streitgegenständliche Festsetzungsbescheid des Beklagten 2. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids 22. November 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden rechtmäßig Rundfunkbeiträge für eine Wohnung sowie einen Säumniszuschlag festgesetzt. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch. Zur Begründung nimmt das Gericht zunächst Bezug auf die zutreffenden rechtlichen Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 22. November 2019 und macht diese zum Gegenstand der Begründung der vorliegenden Entscheidung (§ 117 Abs. 5 VwGO). Im Hinblick auf das das Vorbringen der Klägerin wird ergänzend ausgeführt:
1. Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist seit 1. Januar 2013 der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
2. Als Inhaberin einer Wohnung hat die Klägerin für den hier maßgeblichen Zeitraum Rundfunkbeiträge zu zahlen. Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag in Höhe von 17,50 EUR pro Monat zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt, § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist, § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Klägerin wird als Inhaberin ihrer Wohnung zum Rundfunkbeitrag herangezogen.
3. Im Übrigen sind die Fragen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit, insbesondere der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags inzwischen höchstrichterlich geklärt (BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15; BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a.; BGH, B.v. 26.7.2018 – I ZB 78/17; EuGH, U.v. 13.12.2018 – C. 492/17, zitiert jeweils nach juris). Dies betrifft auch und gerade die Ausgestaltung als Beitrag und die Anknüpfung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung (vgl. BVerfG, U.v.18.7.2018 – 1 BvR 1675/16, juris Rn. 59 ff.). Das Gericht sieht keine Veranlassung hiervon abzuweichen.
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Erhebung des Rundfunkbeitrages an die potentielle Möglichkeit zu knüpfen, das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot zu nutzen. Der Beitrag dient dabei dem Ausgleich des Vorteils, der in der Möglichkeit der Nutzung des Rundfunkangebots besteht. Es ist zulässig, den Kreis der Vorteilsempfänger im privaten Bereich anhand der Inhaberschaft einer Wohnung zu bestimmen, wobei die Erhebung des Beitrags auch unabhängig von dem Besitz eines Empfangsgerätes erfolgen darf, da nicht erforderlich ist, dass der beitragsrelevante Vorteil auch tatsächlich wahrgenommen wird. Eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag kommt zu dem gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV (Härtefall) auf Antrag dann in Betracht, wenn der Rundfunkempfang objektiv unmöglich ist. Das kann etwa in seltenen Fällen aus technischen Gründen der Fall sein (z.B. dauerhaftes „Funkloch“) oder aber aus Gründen, die in der Person des Beitragspflichtigen liegen. Letzteres ist dann anzunehmen, wenn der Rundfunkempfang für die Person schon von vornherein von keinem denkbaren Nutzen ist (z.B. für taubblinde Menschen, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV). Darüber hinaus reduziert der Staatsvertrag die Beitragspflicht auf Antrag auf 1/3 für diejenigen, die das Angebot nur teilweise nutzen können, insbesondere für Taube oder blinde Menschen (§ 4 Abs. 2 RBStV) (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris Rn. 85, 93, 102; BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15 – juris Rn. 34; BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – juris Rn. 130).
4. Auch die seitens der Klägerin erhobenen weiteren Einwände gegen die Verpflichtung zur Zahlung des Rundfunkbeitrags sind nicht durchgreifend.
Die Heranziehung der Klägerin verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG. Eine gleichheitswidrige Diskriminierung der Klägerin gegenüber Wohngemeinschaften ist nicht ersichtlich.
Durch den pauschalen Wohnungsbeitrag werden alleinwohnende Personen gegenüber Gemeinschaften, die eine gemeinsame Wohnung innehaben und für diese gesamtschuldnerisch haften, zwar benachteiligt. Allerdings ist dieser Verteilungsmaßstab zulässig (vgl. bereits BVerwG, Urt. vom 18. 3. 2016 - 6 C 6/15, Rn. 43, juris), weil mit der Pauschalierung Ermittlungen in der Privatsphäre möglichst vermieden, der Verwaltungsvollzug in einem Massenverfahren erleichtert und gegen Umgehungsmöglichkeiten oder Missbrauch abgesichert wird (BayVerfGH, Entsch. vom 15. 5. 2014 – Vf. 8-VII-12, Rn. 116, juris).
Die Entlastung von Mehrpersonenwohnungen ist damit von ausreichenden Sachgründen getragen und verfassungsrechtlich hinnehmbar. Dabei haben die Gesetzgeber einen weiten Einschätzungsspielraum. Sie stützen die wohnungsbezogene Erhebung des Rundfunkbeitrags ausgehend von diesem Spielraum hier darauf, dass der private Haushalt in der Vielfalt der modernen Lebensformen häufig Gemeinschaften abbildet, die auf ein Zusammenleben angelegt sind, und dass die an dieser Gemeinschaft Beteiligten typischerweise das Rundfunkangebot in der gemeinsamen Wohnung nutzen (vgl. Landtag von Baden-Württemberg, Drucksache 15/197, S. 37). An diese gesellschaftliche Wirklichkeit darf der Gesetzgeber anknüpfen. Die Gemeinschaften unterfallen darüber hinaus vielfach dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Die Ungleichbehandlung kann auch deshalb hingenommen werden, da die ungleiche Belastung das Maß nicht übersteigt, welches das Bundesverfassungsgericht in vergleichbaren Fällen angelegt hat (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris Rn. 103 ff.).
5. Weiter führt auch die Behauptung der Klägerin, der Beklagte gehe – insbesondere hinsichtlich der Sportberichterstattung zu den Olympischen Spielen in London – verschwenderisch mit den Beiträgen um, nicht zum Erfolg. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens ist nicht zu prüfen und zu entscheiden, ob dies zutrifft. Solches lässt die Rundfunkbeitragspflicht selbst unberührt. Es ist zunächst Aufgabe der hierzu berufenen Gremien, insbesondere der Programmkommission und der Rundfunkräte, über die Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu wachen und erforderlichenfalls entsprechend Einfluss zu nehmen. Sollten die hierzu berufenen Gremien ihren Kontrollpflichten nicht oder nur ungenügend nachkommen, stehen entsprechende rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung (s. etwa Beschwerde nach Art. 19 Bayerisches Rundfunkgesetz – BayRG), insbesondere steht der Weg zu den Verfassungsgerichten offen (s. z.B. BVerfG, U.v. 25.03.2014 – 1 BvF 1/11 – 1 BvF 4/11 – DVBl 2014, 649/655; BVerfG, U.v. 11.09.2007 – 1 BvR 2270/05 – 1 BvR 809/06 – 1 BvR 830/06 – DVBl 2007, 1292/1294).
6. Weiter rügt die Klägerin eine aus Ihrer Sicht einseitige Berichterstattung hinsichtlich der kriegerischen Zustände in Syrien und sieht darin eine Nichterfüllung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrages. Zwar haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, darauf weist die Klägerin zurecht hin, bei der Berichterstattung die anerkannten journalistischen Grundsätze, die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung zu berücksichtigen. Geschähe dies in Bezug auf die Berichterstattung zu einem bestimmten Thema nicht, so würde das die Klägerin gleichwohl nicht zur Verweigerung der Zahlung von Rundfunkbeiträgen berechtigen. Vielmehr stünden ihr andere Wege offen, um Abhilfe bei den zuständigen Kontrollgremien einzufordern, allen voran die Möglichkeit der Gegendarstellung und Programmbeschwerde nach dem Bayerischen Rundfunkgesetz (Vgl. auch BayVGH, B.v. 30.3.2017 – 7 ZB 17.60 – juris Rn. 8). Eine Zustimmung bzw. Übereinstimmung mit dem Programminhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist jedenfalls für die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags gerade nicht erforderlich (vgl. BayVGH, U.v. 19.6.2015 – 7 BV 14.1707, juris Rn. 35). Anhaltspunkte für ein strukturelles Versagen des Rundfunks sind weder näher vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
7. Auch die Festsetzung des Säumniszuschlags ist rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung – vom 5. Dezember 2016, in Kraft getreten am 1. Januar 2017 (StAnz Nr. 51-52/2016) i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig. Der Säumniszuschlag wurde zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Mit dem Bescheid wurde nur ein Säumniszuschlag festgesetzt (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Rundfunkbeitragssatzung).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.


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