IT- und Medienrecht

Rundfunkbeitrag für eine Wohnung, Verfassungsmäßigkeit des RBStV, Gewissensfreiheit, Programmkritik

Aktenzeichen  M 6 K 21.2111

Datum:
16.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3474
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV § 2 Abs. 1
GG Art. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Befreiung von der bestehenden Beitragspflicht (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Der Kläger unterliegt der Beitragspflicht.
Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist seit 1. Januar 2013 der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
Als Inhaber einer Wohnung hat der Kläger für den hier maßgeblichen Zeitraum Rundfunkbeiträge zu zahlen. Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag in Höhe von 17,50 EUR pro Monat zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt, § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist, § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Im Übrigen sind die Fragen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit, insbesondere der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags inzwischen höchstrichterlich geklärt (BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15; BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a.; BGH, B.v. 26.7.2018 – I ZB 78/17; EuGH, U.v. 13.12.2018 – C. 492/17, zitiert jeweils nach juris). Dies betrifft auch und gerade die Ausgestaltung als Beitrag und die Anknüpfung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung (vgl. BVerfG, U.v.18.7.2018 – 1 BvR 1675/16, juris Rn. 59 ff.). Das Gericht sieht keine Veranlassung hiervon abzuweichen. Unbehelflich ist damit der Einwand des Klägers, dass er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht nutze, da der Gesetzgeber die Beitragspflicht in zulässiger Weise an die reine Empfangsmöglichkeit geknüpft hat (vgl. BVerfG, U.v.18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 – juris Rn 87ff und 81f.).
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rundfunkbeitragsbefreiung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV etwa aus Glaubens- und Gewissensgründen.
Eine Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG ist nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts eine ernste, sittliche, d.h. an den Kriterien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.1960 – 1 BvL 21/60 – juris; U.v. 13.4.1978 – 2 BvF 1/77, 2/77, 4/77, 5/77 – juris; VG des Saarlandes, U.v. 23.12.2015 – 6 K 43/15 – juris Rn. 62). Die Gewissensfreiheit reicht jedoch nur soweit wie der eigene Verantwortungsbereich (BVerfG, B.v. 18.04.1984 – 1 BvL 43/81 – BVerfGE 67, 26, VG des Saarlandes, U.v. 23.12.2015 – 6 K 43/15 – juris Rn. 63 m. w. N.).
Bereits seit geraumer Zeit ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass die Pflicht zur Steuerzahlung den Schutzbereich des Grundrechts auf Gewissensfreiheit nicht berührt, da es aufgrund der strikten Trennung zwischen steuerlicher Staatsfinanzierung und haushaltsrechtlicher Verwendungsentscheidung für den einzelnen Steuerpflichtigen weder rechtserheblich noch ersichtlich sei, für welchen konkreten Verwendungszweck innerhalb der verschiedenen Haushalte seine Zahlungen dienen (vgl. BVerfG, B.v. 26.8.1992 – 2 BvR 478/92 – NJW 1993, 455).
Obgleich es sich hier nicht um eine Steuer im abgabenrechtlichen Sinn handelt, lässt sich diese Rechtsprechung auf den Rundfunkbeitrag übertragen. Auch hier reicht der Schutzbereich der Gewissensfreiheit nur so weit wie der eigene Verantwortungsbereich des Grundrechtsträgers. Entscheidend ist damit nicht, dass die Entscheidung über die Verwendung der Mittel – wie bei der Steuer – gerade einem Bundes- oder Landesparlament überantwortet ist, sondern dass sie dem konkreten Abgabenschuldner entzogen ist. Dies ist auch beim Rundfunkbeitrag der Fall, über dessen Verwendung die jeweilige Landesrundfunkanstalt nach Maßgabe der Bestimmungen des Rundfunkfinanzierungsstaatvertrags und der jeweiligen Errichtungsgesetze der Rundfunkanstalten (für den Beklagten das Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Der Bayerische Rundfunk“ – BayRG) entscheidet und hierfür selbst den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG genießt.
Die Zahlung einer Abgabe wie des Rundfunkbeitrags als solche ist damit nicht mit der Äußerung eines Bekenntnisses verbunden. Der Rundfunkbeitrag dient allgemein der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wobei dieser aufgrund der Programmfreiheit über die Programmgestaltung und damit über die Beitragsverwendung eigenverantwortlich entscheidet. Ähnlich wie bei einer Steuer steht auch hier nicht fest, für welche Programme und Programminhalte der Beitrag des jeweiligen Beitragsschuldners verwendet wird (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 5.2.2019 – OVG 11 N 88.15 -, juris Rn. 20 f.).
Der Beitragsschuldner, der sich auf seine Gewissensfreiheit beruft, muss und kann nicht davon ausgehen, dass sein konkreter Beitrag für Sendungen verwendet wird, deren Inhalt er für rechtswidrig hält oder aus Gewissensgründen ablehnt (OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 16.11.2015 – 7 A 10455/15- juris). Der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG sowie des Art. 9 EMRK wird durch die Beitragserhebung als solche daher nicht tangiert (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.2.2017 – OVG 11 N 91.15 – juris Rn. 127; VG des Saarlandes, U.v. 23.12.2015 – 6 K 43/15 – juris Rn. 70 m. w. N.).
Selbst wenn man entgegen der dargestellten Ansicht von einem Eingriff ausgehen wollte, wäre Art. 4 Abs. 1 GG durch die Verpflichtung zur Zahlung des Rundfunkbeitrags nicht verletzt. Das Grundrecht unterliegt zwar keinem Gesetzesvorbehalt. Nach dem Grundsatz der Einheit der Verfassung können den Freiheiten des Art. 4 GG aber durch andere Bestimmungen des Grundgesetzes Grenzen gezogen werden. Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses findet insbesondere dort ihre Grenzen, wo die Ausübung dieses Grundrechts durch einen Grundrechtsträger auf die kollidierenden Grundrechte anderer trifft. In diesem Sinn stellt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, der die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk gewährleistet, kollidierendes Verfassungsrecht dar. Dieser verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz der Rundfunkfreiheit erstreckt sich auf das Recht der bestehenden Rundfunkanstalten, der ihrem Auftrag entsprechenden Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte Rechnung zu tragen. Folglich ist eine Finanzierung notwendig, die es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ermöglicht, diese ihm zukommende Funktion zu erfüllen. In dieser Sicherstellung der Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen findet sich die Rechtfertigung für die Finanzierung über Rundfunkbeiträge. Das Grundrecht des Klägers aus Art. 4 Abs. 1 GG müsste also im Hinblick auf die große Bedeutung, die der Rundfunkfreiheit und der damit verbundenen Meinungsvielfalt in einem demokratischen Staat zukommt, auch dann zurücktreten, wenn – wie hier nicht – von einem Eingriff auszugehen wäre (vgl. zu alledem OVG Berlin-Bbg, B.v. 5.2.2019 – OVG 11 N 88.15 – juris Rn. 22 sowie OVG RhPf, B.v. 21.12.2018 – 7 A 10740/18 – juris Rn. 10).
Die bloße Beitragsverpflichtung bedeutet damit nach Auffassung des Gerichts angesichts ihrer insgesamt geringen Belastungswirkung insbesondere bereits keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 4 GG auf Seiten des Klägers, und führt schon gar nicht zu einem unverhältnismäßigen und damit verfassungswidrigen Eingriff in die dortigen Grundrechte. Analog gilt dies auch für die vom Kläger vorgebrachte Glaubensfreiheit und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Mithin fehlt es so von vorneherein an der Grundlage für die Annahme eines Härtefalls nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV bei Anführung von Gewissensgründen zur Begründung einer Befreiung in ihrer/seiner Person von der Verpflichtung zur Leistung des wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrags.
Die allgemeine Pflicht zur Abgabenzahlung ohne eine Zweckbindung zugunsten von bestimmten Glaubensgemeinschaften bzw. religiösen/areligiösen Bekenntnissen oder bestimmten weltanschaulichen Positionen berührt regelmäßig schon nicht den Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit (vgl. aus der bisher vorliegenden – einhelligen – oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung etwa OVG Lüneburg, B.v. 25.8.2020 – 4 LA 163/19 – juris, m.w.N.). Der Kläger wird nicht gezwungen, Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu verfolgen, seine Beitragsleistung ist auch nicht gezielt dazu bestimmt, etwa bestimmte Ausprägungen und Kundgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die er ablehnt, zu finanzieren, sondern er wird, wie grundsätzlich alle anderen Wohnungsinhaber auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, in Höhe von 17,98 EUR bzw. 17,50 EUR monatlich zu einer allgemeinen Beitragsleistung zur Finanzierung des Betriebs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks herangezogen, der wiederum selbst über Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Grundrechtschutz genießt.
3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der vom Kläger geäußerten Programmkritik.
Der Kläger äußert erschöpfend, dass in vielen Bereichen gesellschaftliche und politische Gegebenheiten nicht seinen Vorstellungen entsprechen und die Berichterstattung über das jeweilige Thema seiner persönlichen Auffassung nicht folgt bzw. seine Meinung nicht ausreichend vertritt.
Zwar haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, darauf weist der Kläger zurecht hin, bei der Berichterstattung die anerkannten journalistischen Grundsätze, die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung zu berücksichtigen. Geschähe dies in Bezug auf die Berichterstattung zu einem bestimmten Thema nicht, so würde das den Kläger gleichwohl nicht Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht berechtigen. Vielmehr stünden ihm andere Wege offen, um Abhilfe bei den zuständigen Kontrollgremien einzufordern, allen voran die Möglichkeit der Gegendarstellung und Programmbeschwerde nach dem Bayerischen Rundfunkgesetz (Vgl. auch BayVGH, B.v. 30.3.2017 – 7 ZB 17.60 – juris Rn. 8). Eine Zustimmung bzw. Übereinstimmung mit dem Programminhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist jedenfalls für die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags gerade nicht erforderlich (vgl. BayVGH, U.v. 19.6.2015 – 7 BV 14.1707, juris Rn. 35). Ausweislich der Angaben seines Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, hat der Kläger diese Mechanismen weder ausgeschöpft noch überhaupt in Angriff genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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