IT- und Medienrecht

Rundfunkbeitragspflicht bei längerem Aufenthalt im Ausland

Aktenzeichen  RO 3 K 17.1491

Datum:
16.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14198
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV § 2, § 7
GG Art. 3

 

Leitsatz

Allein durch einen Auslandsaufenthalt wird die Vermutung des § 2 Abs. 2 RBStV, wonach jede Person als Inhaber einer Wohnung vermutet wird, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist, nicht widerlegt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Gerichtsbescheid ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört, § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Eine Zustimmung der Beteiligten ist dabei nicht erforderlich.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags findet sich im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV –, der durch Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags vom 17. Mai 2011 nach Art. 72 Abs. 2 BV in bayerisches Landesrecht umgesetzt wurde.
Gemäß § 2 Abs. 1 RBStV ist seit 1. Januar 2013 im privaten Bereich grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 15. Mai 2014 (Vf.8-VII-12; Vf.24-VII-12 – juris) für die Gerichte verbindlich (Art. 29 Abs. 1 VfGHG) die Vereinbarkeit von § 2 Abs. 1 RBStV mit der bayerischen Verfassung festgelegt. Der Rundfunkbeitrag nach § 2 Abs. 1 RBStV steht zur Überzeugung des Gerichts aber auch mit dem Grundgesetz im Einklang. Dies wird auch bestätigt durch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2016 – 6 C 6.15 u.a. (für Bayern vgl. insbesondere U.v. 18.3.2016 – 6 C 22.15 – juris).
Die angefochtenen Bescheide sind formell und materiell rechtmäßig. Insbesondere liegen die Voraussetzungen für eine Beitragspflicht des Klägers nach § 2 Abs. 1 RBStV vor. Unstreitig ist der Kläger im die Bescheide betreffenden streitgegenständlichen Zeitraum für die Wohnung „…, W* …“ als Wohnungsinhaber gemeldet. Hinsichtlich des Zeitraums November 2014 bis März 2015 wurden Rundfunkbeiträge nicht erhoben (vgl. Bescheid v. 1.4.2016, der diesen Zeitraum gerade nicht umfasst, sowie Schreiben des Beklagten v. 19.6.2015).
Der Kläger ist auch verpflichtet, Rundfunkbeiträge in dem Zeitraum zu entrichten, in dem er sich nicht in der Wohnung aufhält, sondern sich im Ausland befindet.
Allein durch einen Auslandsaufenthalt wird die Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV, wonach jede Person als Inhaber der Wohnung vermutet wird, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist, nicht widerlegt. Unstreitig war der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum (vgl. den Zeitraum, den die Bescheide vom 1.4. und 3.6.2016 erfassen) unter der genannten Adresse gemeldet. Allein die längere Ortsabwesenheit des Klägers im Ausland hindert die Einordnung als Inhaber der Wohnung nicht, sofern der Kläger wie vorliegend die Wohnung nicht ausdrücklich aufgegeben hat, was sich melderechtlich nachvollziehen ließe.
Der Kläger hatte trotz des Auslandsaufenthalts jederzeit die Möglichkeit, die Wohnung zu Wohnzwecken zu betreten und zu nutzen. Er hätte hierfür lediglich aus dem Ausland zurückkehren müssen, was allein seiner persönlichen Disposition unterlag. Denn er hätte jederzeit seinen Auslandsaufenthalt abbrechen, ggf. einen entsprechenden Rückflug buchen und in seine Wohnung zurückkehren können.
Die Erhebung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich nach § 2 Abs. 1 RBStV knüpft an die Möglichkeit an, innerhalb der Wohnung Rundfunk zu empfangen. Der Gesetzgeber hat mit Innehabung einer Wohnung insoweit ein sachgerechtes Kriterium gewählt, da in der weit überwiegenden Zahl der Fälle in der Wohnung die Möglichkeit zum Rundfunkempfang besteht. Der Gesetzgeber durfte insoweit eine typisierende Betrachtung vornehmen. Er geht zu Recht davon aus, dass mit dem Innehaben einer Wohnung typischerweise die Möglichkeit zum Empfang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verbunden ist. In dieser typisierenden Betrachtung liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber durfte die Erhebung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung knüpfen, obwohl in sehr wenigen Fällen auch solche Wohnungen erfasst werden, in denen, wie beim Kläger seinen Angaben zufolge, während eines Auslandsaufenthalts kein Rundfunkgerät in der Wohnung vorhanden ist oder genutzt wird. Bei der Regelung von Abgaben ist der Gesetzgeber nämlich zur Vereinfachung befugt. Er darf grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Er darf keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (BVerfG, B.v. 21.6.2006 – NJW 2006, 2757). Voraussetzung ist lediglich, dass die mit der Typisierung verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, dass sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfG, B.v. 4.4.2001 – DVBl 2001, 1204). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Feststellung der Voraussetzungen der Beitragspflicht ist durch die Neuregelung vereinfacht, da die häufig problematische Nachprüfung, ob jemand ein empfangstaugliches Gerät bereit hält, entfällt. Da die Kosten für die Produktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unabhängig davon anfallen, ob die Rundfunkteilnehmer das Angebot zeitweise mehr oder zeitweise weniger oder zeitweise nicht nutzen, der Rundfunkbeitrag aber nur ein Finanzierungsinstrument für den verfassungsrechtlich gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten öffentlich-rechtlichen Rundfunk darstellt, ist es nicht zu beanstanden, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag keine Abmeldemöglichkeit für längerfristige Abwesenheitszeiten in der Wohnung vorsieht. Der Gesetzgeber des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags war auch nicht verpflichtet, Langzeiturlauber unter den Rundfunkteilnehmern im Vergleich zu Rundfunkteilnehmern, die lieber häufigere Kurzurlaube machen, zu privilegieren (vgl. auch VG Bremen, U.v. 20.12.2013 – 2 K 570/13 – juris). Davon abgesehen, entfällt auch auf diese Weise eine – anhand unterschiedlichster Nachweise oder aufgrund tatsächlicher Nachschau aufwändige – Prüfung, ob der jeweilige Beitragspflichtige sich tatsächlich nicht in seiner Wohnung aufhält und ob er bei längerer angegebener Abwesenheit nicht doch zwischenzeitlich zurückgekehrt ist.
Ist der Rundfunkempfang in einer Wohnung objektiv unmöglich oder unterbleibt er aus anderen geräteunabhängigen Gründen nachweislich tatsächlich, bliebe zur Sicherstellung eines materiellen Beweischarakters, gleichsam als regulatives Ventil, ggf. die Befreiungsmöglichkeit von § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV wegen eines besonderen Härtefalls. Diese Möglichkeit stellt in gänzlich atyischen Fällen das funktionale Äquivalent der verschiedentlich aus verfassungsrechtlichen Gründen für geboten erachteten Widerlegbarkeitsoption dar (vgl. OVG NRW, B.v. 20.9.2016 – 2 A 1005/15 – juris).
Nach alldem war der Kläger in den von den Bescheiden vom 1. April und 3. Juni 2016 erfassten Zeiträumen rundfunkbeitragspflichtig. Zum einen war er unstreitig Inhaber der Wohnung unter der Anschrift „…, W* …“ und somit Beitragsschuldner im Sinne von § 2 Abs. 1 RBStV. Zum anderen lag für diesen Zeitraum eine Befreiung von der Beitragspflicht nach § 4 RBStV nicht vor. Da der Kläger die Rundfunkbeiträge nicht rechtzeitig im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 2 RBStV leistete, nämlich in der Mitte des jeweiligen Dreimonatszeitraums, konnten diese durch den Beklagten nach § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV mittels Bescheid festgesetzt werden. Die Höhe des Rundfunkbeitrags entspricht der für den jeweils streitgegenständlichen Zeitraum anzuwendenden Bestimmungen von § 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (bis 1.4.2015 monatlich 17,98 €, ab 1.4.2015 monatlich 17,50 €).
Der mit streitgegenständlichen Bescheiden jeweils erhobene Säumniszuschlag von 8 € findet seine Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung. Danach entsteht der Säumniszuschlag in Höhe von 1% der rückständigen Beitragsschuld, mindestens in Höhe von 8 €, wenn der geschuldete Rundfunkbeitrag nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet wird. Fällig ist der Rundfunkbeitrag nach § 7 Abs. 3 Satz 2 RBStV in der Mitte des Dreimonatszeitraums. Da der Kläger die fälligen Rundfunkbeiträge nicht rechtzeitig im Sinne der Norm bezahlt hat, konnte ein Säumniszuschlag von 8 € festgesetzt werden. Ein Beitragsbescheid hätte zuvor nicht erlassen werden müssen. Die Rundfunkbeitragsschuld wird nicht erst durch Erlass des Beitragsbescheids nach § 10 Abs. 5 RBStV fällig, sondern gemäß der Regelung von § 7 Abs. 3 RBStV kraft Gesetzes in der Mitte des jeweiligen Dreimonatszeitraums.
Die angefochtenen Bescheide und auch der Widerspruchsbescheid sind daher rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in eigenen Rechten.
Nach alldem ist die Klage mit der Kostenfolge von § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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