IT- und Medienrecht

Schutz des Rechts am eigenen Bild bei öffentlichen Personen

Aktenzeichen  9 O 3610/16

Datum:
11.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
AfP – 2016, 368
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
KunstUrhG § 22, § 23
GG Art. 2 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1,  Abs. 2, § 1004

 

Leitsatz

1. Das Bild einer Person ist eines der wichtigsten Elemente der Persönlichkeit, denn es zeigt ihre besonderen Eigenschaften und unterscheidet sie von ihresgleichen (EGMR BeckRS 2014, 17651). Die Verfügung über das eigene Bild steht grundsätzlich nur dem Abgebildeten als Rechtsträger zu. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ohne Einwilligung dürfen Bildnisse von Personen aus dem Bereich der Zeitgeschichte verbreitet werden, sofern nicht ein berechtigtes Interesse der Abgebildeten verletzt wird. (redaktioneller Leitsatz)
3. Dies betrifft Personen, die derart in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten sind, dass der Allgemeinheit ein durch ein echtes Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse an einer bildlichen Darstellung zuzubilligen ist. Im Konfliktfall sind Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung gegen das Recht der Persönlichkeit abzuwägen (EGMR BeckRS 2014, 17651). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

9 O 3610/16 2016-03-04 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 04.03.2016, Az. 9 O 3610/16, wird bestätigt.
2. Die Verfügungsbeklagte trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen, weil der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zulässig und begründet ist. Denn die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung bzw. Verbreitung des streitgegenständlichen Fotos gem. §§ 1004, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. § 22, 23 Abs. 2 KunstUrhG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, weil die ohne ihre Einwilligung erfolgte Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildes ihr Recht am eigenen Bild und damit ihr Persönlichkeitsrecht verletzt und auch die Voraussetzungen für eine einwilligungslose Veröffentlichung nicht vorliegen.
1. Das Recht am eigenen Bild ist eine unter den Sonderschutz des § 22 Satz 1 KunstUrhG gestellte, besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (BGH v. 12.12.1995 – Az. VI ZR 223/94 – Rz. 7; alle Entscheidungen sind, soweit nicht anders gekennzeichnet, zitiert nach juris-Datenbank). Das Bild einer Person ist eines der wichtigsten Elemente der Persönlichkeit, denn es zeigt ihre besonderen Eigenschaften und unterscheidet sie von ihresgleichen (EGMR v. 16.01.2014 – NJW 2014, S. 3291/3292). Aus dem Wesen dieses Rechts folgt, dass die Verfügung über das eigene Bild nur dem Abgebildeten als Rechtsträger zusteht; nur er soll darüber befinden dürfen, ob, wann und wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit im Bild darstellen will (BGH v. 05.12.1995 – Az. VI ZR 332/94 – Rz. 12). Deshalb ist gem. § 22 Satz 1 KunstUrhG grundsätzlich die Einwilligung der betroffenen Person in die Veröffentlichung erforderlich.
Die Erteilung einer Einwilligung ist grundsätzlich von der Partei zu beweisen, die sich darauf beruft. Vorliegend hat die Verfügungsbeklagte den ihr demnach obliegenden Beweis nicht geführt. Unstreitig war die Verfügungsklägerin allgemein mit der Aufnahme und Veröffentlichung von Fotos anlässlich ihres Besuches bei der Verleihung der … einverstanden. Daraus folgt aber noch keine Einwilligung in die Veröffentlichung des hier streitgegenständlichen Fotos. Es ist nämlich bereits nicht ersichtlich, dass der Verfügungsklägerin bewusst war, dass beim Aussteigen aus dem Fahrzeug ihr Kleid so verrutschte, dass darunter ihre nicht blickdichte Unterhose sichtbar wurde. Soweit die Verfügungsbeklagte in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, es habe sich dabei um einen insgesamt bewusst inszenierten Auftritt gehandelt, ist sie für diese bestrittene Behauptung beweisfällig geblieben. Von einer Einwilligung im Sinne von § 22 KunstUrhG ist daher vorliegend nicht auszugehen.
2. Vorliegend war die Einwilligung der Verfügungsklägerin auch nicht gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 KunstUrhG entbehrlich.
2.1 Bildnisse von Personen aus dem Bereich der Zeitgeschichte dürfen darüber hinaus gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 KunstUrhG auch ohne Einwilligung verbreitet werden, sofern nicht ein berechtigtes Interesse der Abgebildeten verletzt wird, § 23 Abs. 2 KunstUrhG. Diese Regelung stellt eine Ausnahmebestimmung zu § 22 KunstUrhG dar und erfasst einerseits (in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG) Personen, die derart in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten sind, dass der Allgemeinheit ein durch ein echtes Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse an einer bildlichen Darstellung zuzubilligen ist (BGH v. 12.12.1995 – Az. VI ZR 223/94 – Rz. 9) und andererseits (in § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG) Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben. § 23 Abs. 1 KunstUrhG ist insoweit Ausdruck der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Pressefreiheit und des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Rechts auf freie Meinungsäußerung. Diese ziehen dem ebenfalls verfassungsrechtlich – nämlich durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG – gewährleisteten Recht der Persönlichkeit Schranken, so dass im Konfliktfall beide Rechtspositionen gegeneinander abzuwägen sind (EGMR v. 16.01.2014 – NJW 2014, S. 3291/3292; BVerfG v. 14.02.1973 – Az. 1 BvR 112/65 – Rz. 28; BGH v. 15.11.1994 – Az. VI ZR 56/94 – Rz. 64).
Vorliegend ist die Verfügungsklägerin als Fernsehmoderatorin eine Person des öffentlichen Lebens und damit eine Person aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG. Sie hat auch an einer öffentlichen Veranstaltung, nämlich der Verleihung der „Goldenen Kamera“ teilgenommen, so dass insoweit grundsätzlich auch die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG gegeben sind.
2.2 Gleichwohl ist damit nicht jede Bildveröffentlichung auch ohne Einwilligung zulässig, sondern § 23 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 KunstUrhG werden ihrerseits wiederum durch § 23 Abs. 2 KunstUrhG eingeschränkt. Danach ist die Veröffentlichung von Fotoaufnahmen auch bei Personen der Zeitgeschichte unzulässig, wenn dadurch ein berechtigtes Interesse der abgebildeten Person verletzt wird. Denn auch eine Person der Zeitgeschichte ist im Hinblick auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht völlig schutzlos gestellt, sondern vielmehr ist eine Abwägung der wiederstreitenden, grundrechtlich geschützten Interessen – hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild, dort die Presse- und Meinungsfreiheit – im Einzelfall erforderlich.
Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dazu ausgeführt hat, „muss der entscheidende Umstand bei dem Ausgleich, der zwischen dem Schutz des Privatlebens und der Freiheit der Meinungsäußerung herzustellen ist, der Beitrag sein, den die veröffentlichten Fotoaufnahmen und Artikel zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse leisten“ (EGMR v. 24.06.2004 – NJW 2004, S. 2647/2651). Daneben sind auch der Bekanntheitsgrad der betroffenen Person und der Gegenstand der Veröffentlichung, das vorangegangenen Verhalten der betroffenen Person, und ferner wie die Bilder aufgenommen worden sind und welchen Inhalt, Form und Folgen der Bericht hat, in die Abwägung einzustellen (EGMR v. 16.01.2014 – NJW 2014, S. 3291/3292).
2.3 Für den vorliegenden Fall muss die Abwägung dieser Positionen zu einem Überwiegen des berechtigten Interesses der Verfügungsklägerin an einer Nicht-Veröffentlichung des streitgegenständlichen Fotos führen.
2.3.1 Für die Verfügungsbeklagte streitet dabei, dass es sich um eine Aufnahme von einer öffentlichen Veranstaltung handelte und die Verfügungsklägerin auch grundsätzlich mit Fotos davon einverstanden erklärt hat. Grundsätzlich muss eine Person Veröffentlichungen aus ihrer Öffentlichkeitssphäre dann auch hinnehmen, selbst wenn die Aufnahmen für sie unvorteilhaft sind bzw. sie bei einem Missgeschick zeigen. Denn insofern darf die Öffentlichkeit – die Leserschaft – nicht nur über die Versuche medialer Inszenierung der betroffenen Person, sondern auch über deren Fehlschläge informiert werden und es besteht auch ein entsprechendes Interesse daran. Das gilt umso mehr, wenn die betroffene Person – wie hier die Verfügungsklägerin – sich regelmäßig selbst durch Fotos in vielfältiger Weise präsentiert, u. a. durch Fotos in Badebekleidung, vom Urlaub und anderen Veranstaltungen.
2.3.2 Für die Verfügungsklägerin streitet demgegenüber, dass zwar das Foto in der Öffentlichkeitssphäre entstanden ist, allerdings sie in ihrer Intimsphäre berührt. Durch das Verrutschen des Kleides wird nämlich ihr körperlicher Intimbereich sichtbar, und dies durch die nicht blickdichte Unterhose hindurch. Dies ist eine Situation, die von der Betroffenen, aber auch von vielen Lesern als unangenehm bzw. peinlich empfunden werden kann und wird. Die Verfügungsklägerin wird dadurch in ihrem Intimbereich mit nicht blickdichter Kleidung einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Insoweit weicht dieses streitgegenständliche Foto auch deutlich von anderen, von der Verfügungsbeklagten angeführten Aufnahmen der Verfügungsklägerin ab, die diese selbst veröffentlicht hat. All diesen Aufnahmen ist es nämlich gemein, dass die Verfügungsklägerin gerade nicht ihren Intimbereich freigibt, sondern – bei aller Freizügigkeit in der Kleiderwahl – auf eine ausreichend die Sicht verdeckende Unterbekleidung achtete.
2.3.3 Bei Abwägung dieser Interessen ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem berichteten Geschehen um ein vergleichsweise belangloses Ereignis handelte, welches auch durch eine Wortberichterstattung adäquat darstellbar gewesen wäre. Selbst wenn man die Notwendigkeit einer Bilddokumentation annehmen wollte, so hätte die Möglichkeit bestanden, gerade den dem Blick freigegebenen Intimbereich drucktechnisch etwa durch einen Stern, einen Balken oder andere geeignete Verdeckungen zu schützen. Dies ist jedoch nicht geschehen und gerade die Größe des Bildes – die anderen Fotos von dem gleichen Ereignis sind unvergleichbar kleiner abgedruckt – rückt zudem das Missgeschick der Verfügungsklägerin geradezu in den Mittelpunkt des Blickes der Leser. Das aber ist eher der Befriedigung voyeuristischer Bedürfnisse als dem Erfordernis einer adäquaten Berichterstattung geschuldet. In einem solchen Fall müssen die Interessen der Verfügungsbeklagten hinter dem Recht der Verfügungsklägerin zurücktreten.
2.3.4 Damit stellt sich die Veröffentlichung des Fotos als gem. § 23 Abs. 2 KunstUrhG unzulässig dar; sie verletzt die Verfügungsklägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
3. Aufgrund all dessen erachtet die Kammer die einstweilige Verfügung auch nach dem Widerspruch der Verfügungsbeklagten als begründet. Sie war daher zu bestätigen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.


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