IT- und Medienrecht

Streit um Unterlassungsansprüche wegen Arbeitskampfmaßnahmen

Aktenzeichen  31 Ga 181/17

Datum:
5.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 165227
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 935 , § 940
BGB § 823 Abs. 1, § 1004

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird es untersagt, alle Tarifbeschäftigten und Auszubildenden am H. A-Klinikum D-Stadt und an der H. A-Klinik I-Stadt zu Streiks vom Mittwoch, 06. Dezember 2017, 6:00 Uhr bis Freitag, 08. Dezember 2017, 22:00 Uhr aufzurufen und/oder Streiks im genannten Zeitraum durchzuführen.
2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungspflicht ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Vorsitzenden ihres Bundesvorstandes, angedroht.
3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Streitwert wird auf 250.000,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.
Der Streikaufruf vom 04.12.2017 ist rechtswidrig, weil die Beklagte hiermit auch das Arbeitskampfziel verfolgt, ein Ausfall- und Konsequenzenmanagement zu etablieren. Durch diese Streikforderung verletzt die Beklagte die Friedenspflicht aus §§ 9 ff., § 27 MTV Nr. 2. Zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Klägerin ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlich.
1. Eine einstweilige Verfügung nach §§ 935 ff. ZPO kann auch zur Untersagung eines rechtswidrigen Streiks erlassen werden. Sie ist nicht verfassungsrechtlich ausgeschlossen, denn Art. 9 Abs. 3 GG mit seiner Gewährleistung der Arbeitskampffreiheit schützt nur den rechtmäßigen Arbeitskampf, während eine einstweilige Verfügung nur zur Verhinderung eines rechtswidrigen Arbeitskampfes ergehen kann.
Sowohl der Erlass als auch die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung schafft in der Regel, jedenfalls für das aktuelle Arbeitskampfgeschehen, irreversible Verhältnisse. Auch wenn es sich deshalb für die Zeit ihrer Geltung in der Regel um eine sog. Leistungsverfügung (§ 940 ZPO) handelt, bedeutet dies nicht, dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Auch die Verfügungsklägerin hat Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, zumal auch für diese, sollte sie einem rechtswidrigen Streik ausgesetzt sein, irreversible Folgen eintreten, obwohl der Arbeitskampf gar nicht hätte durchgeführt werden dürfen. Der Verweis auf etwaige Schadensersatzansprüche kann den Rechtsschutz gegen die Verletzungshandlung selbst nicht ersetzen.
Für die Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung, also das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs und die Notwendigkeit einer gerichtlichen Streikuntersagung oder Streikbeschränkung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (Verfügungsgrund), gilt folgendes:
Eine Streikmaßnahme kann im einstweiligen Verfügungsverfahren untersagt werden, wenn sie rechtswidrig und dies glaubhaft gemacht ist. Die beantragte Untersagungsverfügung muss zum Schutz des Rechts an eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) und zur Abwendung drohender wesentlicher Nachteile geboten und erforderlich sein. Zur Prüfung, ob eine auf Unterlassung eines Arbeitskampfes gerichtete einstweilige Verfügung im Sinne des § 940 ZPO zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist, hat eine Interessenabwägung stattzufinden, in die sämtliche in Betracht kommenden materiellrechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Erwägungen sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen für beide Seiten einzubeziehen sind. Nicht erforderlich ist hierbei eine offensichtliche Rechtswidrigkeit (vgl. zum Ganzen nur LAG München v. 28.08.2007 – 5 Sa 735/07).
2. Der Verfügungsanspruch der Klägerin aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB ist gegeben.
Die Klägerin ist durch den Streikaufruf vom 04.12.2017 und die hierdurch ausgelösten und drohenden Streikmaßnahmen in ihrem nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt.
Der Arbeitskampf als Instrument zur Sicherung der Tarifautonomie ist verfassungsrechtlich durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet. Das Recht der Koalitionen zum Arbeitskampf schützt allerdings nur den rechtmäßigen Arbeitskampf. Insbesondere ist ein Arbeitskampf nur dann gerechtfertigt, wenn das hiermit verfolgte Regelungsziel seinerseits rechtmäßig ist.
Der Arbeitskampf der Beklagten gemäß Streikaufruf vom 04.12.2017 ist rechtswidrig, denn die angekündigten Streikmaßnahmen verletzen jedenfalls die Friedenspflicht aus dem MTV Nr. 2.
Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass den streitgegenständlichen Streikmaßnahmen hinreichend bestimmte Streikforderungen zugrunde liegen, insbesondere das geforderte Ausfall- und Konsequenzenmanagement durch das diesbezüglich in den Tarifverhandlungen vorgelegte Papier der Beklagten hinreichend konkretisiert worden ist, steht den angekündigten Arbeitskampfmaßnahmen die Wahrung der Friedenspflicht entgegen. Die Beklagte verstößt mit ihrer Tarifforderung eines Ausfall- und Konsequenzenmanagements gegen ihre relative Friedenspflicht aus dem unstreitig ungekündigten MTV Nr. 2. a) Bei der Ausgestaltung des Arbeitskampfrechts sind die Grenzen zu beachten, welche die Tarifvertragsparteien für etwaige Arbeitskämpfe selbst gezogen haben. Wesentliche Beschränkungen ihrer Arbeitskampffreiheit begründen die Tarifvertragsparteien regelmäßig selbst durch den Abschluss von Tarifverträgen und die sich daraus ergebende Friedenspflicht (BAG v. 19.06.2007 – 1 AZR 396/06).
Die mit einem Tarifvertrag verbundene Friedenspflicht schützt einen Arbeitgeber davor, im Wege eines Streiks auf den Abschluss eines Tarifvertrags über dieselbe Regelungsmaterie in Anspruch genommen zu werden. Sie muss nicht besonders vereinbart werden, sondern ist dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung immanent. Sofern die Tarifvertragsparteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben, wirkt sie nicht absolut, sondern relativ und bezieht sich nur auf die tarifvertraglich geregelten Gegenstände (BAG 18.02.2003 – 1 AZR 142/02). Ihre sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelungen zu ermitteln. Soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt haben, ist davon auszugehen, dass sie diesen Bereich der Friedenspflicht unterwerfen und für die Laufzeit des Tarifvertrags die kampfweise Durchsetzung weiterer Regelungen unterbinden wollen, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (vgl. Sächsisches Landesarbeitsgericht v. 02.11.2007 – 7 SaGa 19/07 m.w.N.).
Die Verletzung der Friedenspflicht und die Verfolgung rechtswidriger Ziele hat die Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks zur Folge (BAG v. 26.07.2016 – 1 AZR 160/14).
b) Von vorstehenden Grundsätzen ausgehend, verfolgt die Beklagte mit ihrer Tarifforderung eines Ausfall- und Konsequenzenmanagements Ziele, mit denen sie gegen die Friedenspflicht aus dem ungekündigten MTV Nr. 2 verstößt.
Ausweislich des von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Papiers zum Ausfall- und Konsequenzenmanagement geht es dabei um die Schaffung von Regelungen zur Entlastung der Mitarbeiter bei Vorliegen einer Gefährdungssituation, vornehmlich bei Überlastung. Nach § 5 des Papiers ist eine Beseitigung der Überlastung insbesondere durch Prüfung einer möglichen Unterstützung aus anderen Stationen/Bereichen oder aus einem Springerpool oder durch Priorisierung der Aufgaben anhand der bestehenden Arbeitssituation vorzunehmen.
Diese beabsichtigten Regelungen kollidieren mit den umfassenden und in sich geschlossenen Regelungen der §§ 9 ff., § 27 MTV Nr. 2, die ebenfalls den Zweck verfolgen, eine Überlastung der Mitarbeiter durch übermäßige Arbeitszeiten zu verhindern. Auch die im MTV Nr. 2 vereinbarten Arbeitszeitregelungen dienen dabei dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. So heißt es z.B. unter § 9 Nr. 1 Abs. 4 MTV Nr. 2 ausdrücklich, dass sicherzustellen ist, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird. Insoweit ist auch ein innerer sachlicher Zusammenhang gegeben.
3. Ein Verfügungsgrund ist gegeben, denn eine zeitnahe gerichtliche Anordnung ist zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Klägerin notwendig. Dies gilt insbesondere insofern, als bislang keine Notdienstvereinbarung abgeschlossen wurde.
4. Es war auch das Ordnungsgeld bzw. ersatzweise Zwangshaft gem. § 890 ZPO anzudrohen.
II.
Die Beklagte hat die Kosten dieses Verfahrens zu tragen, da sie unterlegen ist (§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO).
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gem. § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO.
III.
Die Antragsgegnerin kann gegen diese Entscheidung Berufung zum Landesarbeitsgericht München nach der beiliegenden Rechtsmittelbelehrungeinlegen. Der Antragstellerin steht mangels Beschwer kein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung zu.


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