IT- und Medienrecht

Überschreitung der zulässigen Grabesgröße

Aktenzeichen  W 2 K 17.897

Datum:
11.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 129687
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
VwZVG Art. 32 S. 2, Art. 36 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine friedhofssatzungsrechtliche Bestimmung, wonach dann, wenn eine Grabstätte nicht ordnungsgemäß hergerichtet oder gepflegt wird, diese auf schriftliche Aufforderung innerhalb einer jeweils festzusetzenden angemessenen Frist in Ordnung zu bringen ist, ist durch den legitimen Zweck der Durchführung wirtschaftlicher Mäharbeiten im Bereich eines Rasenfeldes gedeckt und beschränkt die Rechte der Friedhofsbenutzer nicht unverhältnismäßig. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Gleichheitssatz erfordert, dass eine Behörde, die sich zum ordnungsrechtlichen Einschreiten gegen rechtswidrige Zustände entscheidet, dabei nicht systemlos oder willkürlich vorgeht; sind ihr mehrere vergleichbarer Verstöße bekannt, darf sie sich nicht darauf beschränken, einen Einzelfall herauszugreifen, während sie andere vergleichbare Verstöße (stillschweigend) hinnimmt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2015 wird in Ziffer 2 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2015 ist hinsichtlich der in Ziffer 2 angedrohten Ersatzvornahme rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist er rechtmäßig.
1.1. Die vom Kläger in Ziffer 1 geforderte Anpassung der Grabbeetgröße an die Vorgaben der Friedhofs- und Bestattungssatzung findet ihre Rechtsgrundlage in § 41 Abs. 1 der Friedhofs- und Bestattungssatzung.
Danach hat der Nutzungsberechtigte, wenn eine Grabstätte nicht ordnungsgemäß hergerichtet oder gepflegt wird, diese auf schriftliche Aufforderung innerhalb einer jeweils festzusetzenden angemessenen Frist in Ordnung zu bringen.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift liegen vor. Die streitgegenständliche Grabstätte ist nicht „ordnungsgemäß hergerichtet“ in vorgenanntem Sinne. Sie verstößt gegen die Gestaltungsvorschriften des maßgeblichen Belegungsplans für den Waldfriedhof Abteilung …, der gestützt auf §§ 28, 39 der Friedhofs- und Bestattungssatzung für das Grabfeld …, in dem die Grabstätte liegt, ein Rasengrabfeld festlegt und die Größe der Pflanzbeete bei Grabstätten mit ein bis zwei Sargstellen auf 60 cm Breite und 120 cm Länge begrenzt.
An der Wirksamkeit dieser satzungsrechtlichen Bestimmung, die durch den legitimen Zweck der Durchführung wirtschaftlicher Mäharbeiten im Bereich des Rasenfeldes gedeckt ist und die Rechte der Friedhofsbenutzer nicht unverhältnismäßig beschränkt, bestehen keine Bedenken. Dass der Grabstein innerhalb der festgelegten Grabfeldabmessungen an der Kopfseite des Grabes anzubringen ist, versteht sich ohne weiteres und bedurfte keiner ausdrücklichen Klarstellung in der Satzung.
Wie Lichtbildaufnahmen beider Parteien von der streitgegenständlichen Grabstätte belegen, befand sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses – und befindet sich auch gegenwärtig noch – außerhalb der satzungsrechtlich festgelegten Grabbeetabmessungen unmittelbar links neben dem Grabstein ein Gehölz, das diesen „einrahmt“. Seinem Wuchsort nach zu urteilen, ist davon auszugehen, dass das Gehölz dort – jedenfalls mit Zustimmung der/des Nutzungsberechtigten – zur Gestaltung der streitgegenständlichen Grabstätte gepflanzt wurde. Durch den vorgenommen Rückschnitt hat der Kläger sich für das Gehölz, auch wenn er es nach eigenen Angaben selber nicht gepflanzt hat und es bereits seit ca. 30 Jahren dort wächst, auch verantwortlich gezeigt. Nach den Gesamtumständen ist es daher als – außerhalb des zulässigen Grabbeetes befindlicher – Bestandteil der Grabstätte anzusehen.
Das Gehölz genießt auch keinen Bestandsschutz. Die zulässige Grabbeetgröße der Grabstätte war bereits durch die Satzung der Beklagten vom 21. Januar 1985 in Verbindung mit dem (damaligen) Belegungsplan … auf die Maße von 60 cm Breite und 120 cm Länge begrenzt.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die in Ziffer 1 des Bescheides getroffene Aufforderung, die Grabbeetgröße den Vorgaben der Friedhofs- und Bestattungssatzung anzupassen, hinreichend bestimmt und beinhaltet auch die Beseitigung des streitigen Gehölzes. Dies geht sowohl aus dem Kontext des vorangegangenen Schreibens der Beklagten vom 29. September 2015 als auch den Gründen des Bescheides hervor, wonach im Rahmen einer Ersatzvornahme alle Pflanzen außerhalb der zulässigen Fläche von 60 cm Breite und 120 cm Länge entfernt und entsorgt würden.
Das Vorgehen der Beklagten verstößt auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Der Gleichheitssatz erfordert, dass eine Behörde, die sich zum ordnungsrechtlichen Einschreiten gegen rechtswidrige Zustände entscheidet, dabei nicht systemlos oder willkürlich vorgeht. Sind ihr mehrere vergleichbarer Verstöße bekannt, darf sie sich nicht darauf beschränken, einen Einzelfall herauszugreifen, während sie andere vergleichbare Verstöße (stillschweigend) hinnimmt. Die Behörde ist vielmehr gehalten, sich bei ihrem Vorgehen an einem auf sachlichen Erwägungen beruhenden Konzept zu orientieren. Dabei ist ihr jedoch zuzugestehen, dass sie nicht alles lückenlos kontrollieren und in allen Fällen gleichzeitig einschreiten kann.
Nach diesen Maßgaben erweist sich das Vorgehen der Beklagten nicht als willkürlich. Wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 19. September 2017 dargelegt hat, ist sie seit Beginn des Jahres 2015 in 481 Fällen gegen Satzungsverstöße auf dem Waldfriedhof eingeschritten. Etliche Verstöße wurden, wie auch aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Lichtbildern ersichtlich ist, zwischenzeitlich behoben. Dass zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses sowie auch gegenwärtig dennoch zahlreiche – vom Kläger dokumentierte – seitens der Beklagten noch nicht (erfolgreich) abgestellte Gestaltungsverstöße auf dem Waldfriedhof vorzufinden sind, macht das behördliche Vorgehen nicht willkürlich. Dass die Abstellung sämtlicher Satzungsverstöße auf dem Waldfriedhof angesichts der Vielzahl an dort befindlichen Gräbern sowie des fortwährenden Pflanzenwuchses, mit dem zum Teil stetig neue Grabbeetüberschreitungen einhergehen, erhebliche Zeit erfordert, liegt auf der Hand. Entscheidend ist, dass die Beklagte die übrigen Verstöße nicht hinnimmt, sondern – wie die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat – grundsätzlich alle weiteren bereits vorhandenen sowie künftigen Satzungsverstöße aufgreift. Ein konzeptgerechtes Vorgehen ist damit gegeben.
Schließlich hat die Beklagte ihre Befugnis, eine Beseitigung des streitigen Gehölzes zu verlangen, auch nicht aufgrund des langen Zeitablaufs seit dessen Pflanzung verwirkt. Hierfür bedürfte es einen von der Beklagten geschaffenen Vertrauenstatbestand, nicht gegen das Gehölz vorzugehen, wofür nichts ersichtlich ist.
Nach alledem erweist sich die Ziffer 1 des Bescheides als rechtmäßig.
1.2. Die in Ziffer 2 des Bescheides angedrohte Ersatzvornahme ist dagegen rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Androhung der Beseitigung des Gehölzes durch die Beklagte lässt sich nicht auf die von der Beklagten als Rechtsgrundlage herangezogene Vorschrift in § 41 Abs. 1 Satz der Friedhofs- und Bestattungssatzung stützen. Danach können Grabstätten auf Kosten des Verfügungsberechtigten abgeräumt, eingeebnet und eingesät werden, wenn dieser die Aufforderung, seine Grabstätte gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 in Ordnung zu bringen, nicht befolgt. Die Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut mithin auf die zwangsweise Auflösung einer Grabstätte gerichtet und bietet keine Rechtsgrundlage für die Anpassung von Grabstätten an die satzungsrechtlichen Vorgaben (wie hier die Verkleinerung der Grabbeetgröße) im Wege der Ersatzvornahme durch die Beklagte.
Die Androhung der Ersatzvornahme ist auch nicht durch Art. 36 Abs. 1 VwZVG gedeckt. Nach Art. 32 Satz 2 VwZVG ist eine Ersatzvornahme nur zulässig, wenn ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt. Hierfür bestehen vorliegend indes keine Anhaltspunkte.
Somit war der streitgegenständliche Bescheid in Ziffer 2 aufzuheben und die Klage im Übrigen abzuweisen.
1.3. Die in Ziffer 3 des Bescheides getroffene Kostenregelung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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