IT- und Medienrecht

Unterlassungsanspruch

Aktenzeichen  33 O 18393/18

Datum:
26.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 54726
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
RDG § 10 Abs. 1 Nr. 1
VVG § 5 a
UWG § 3 a, § 11 Abs. 1
RDG § 3, § 4, § 5 Abs. 1
BGB § 134, § 138, § 195, § 199 Abs. 5, § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 662, § 675
ZPO § 156,§ 253 Abs. 2 Nr. 2
GWB § 1

 

Leitsatz

Verstöße gegen die Marktverhaltensregelung beeinträchtigen schon im Hinblick auf den Rang der verletzten Verbraucherinteressen die Interessen der Marktteilnehmer spürbar im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG (vgl. BGH GRUR 2003, 886). (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagten zu 1) bis 3) werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere im Falle der Beklagten zu 1) zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen, Rechtsdienstleistungen, die sich nicht auf die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft beschränken, bezüglich bestimmter Lebens- und Rentenversicherungsverträge, nämlich im Zusammenhang mit der Erklärung von Widersprüchen nach § 5 a VVG in der bis 31.12.2007 gültigen Fassung, zu erbringen, nämlich
– solche Verträge daraufhin zu überprüfen, ob ein Widerspruch Aussicht auf Erfolg hat, auch, wenn dies durch Rechtsanwälte, geschieht,
– Empfehlungen für die Situation des Versicherungsnehmers auszusprechen darüber, ob von der Widerspruchsmöglichkeit Gebrauch gemacht werden soll,
– Besprechungen mit Versicherungsnehmern über das weitere Vorgehen durchzuführen,
– Formulare für die Erklärung von Widersprüchen bereitzustellen,
und/oder
– Empfehlungen hinsichtlich der Formulierung von Widersprüchen auszusprechen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin, der Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 3) je 15 % und die Beklagte zu 1) 55 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen die Beklagte zu 1) 80 % und die Klägerin 20 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3) tragen diese jeweils selbst.
IV. Das Urteil ist in Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000,- Euro und in Ziffer III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
I. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (st. Rspr., vgl. nur BGH GRUR 2000, 438 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge).
II. Diesen Anforderungen genügt der Unterlassungsantrag jedenfalls in der zuletzt gestellten Form, denn dieser beschränkt sich nicht (mehr) darauf, die Tatbestandsmerkmale des Gesetzes, auf das er sich stützt, wiederzugeben (vgl. BGH GRUR 2000, 438 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge).
B. Die Klage ist überwiegend begründet.
I. Mit der Erbringung der von der Klägerin im hiesigen Verfahren beanstandeten Dienstleistungen verstößt die Beklagte zu 1) nicht gegen die in Ziffer 1. ihrer Unterlassungserklärung vom 10.04.2015 übernommene Unterlassungsverpflichtung, weshalb die Klage insoweit abzuweisen war.
Im Einzelnen:
1. Mit Ziffer 1. der Unterlassungserklärung vom 10.04.2015 hat sich die Beklagte zu 1) verpflichtet, es zukünftig zu unterlassen, Rechtsdienstleistungen in konkreten fremden Angelegenheiten bei Lebens- und Rentenversicherungen in Form der Erklärung von Widersprüchen nach § 5 a VVG des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (Versicherungsvertragsgesetz – VVG a.F.) zu erbringen, solange weder durch die zuständige Behörde noch durch ein rechtskräftiges Urteil ausdrücklich festgestellt wird, dass die Erlaubnis gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG i.V.m. § 2 Abs. 2 RDG auch die Erklärung von Widersprüchen der oben genannten Art umfasst.
2. Bei der Formulierung des Unterlassungsvertrages sind die Parteien frei, Grenzen ergeben sich nur aus den gesetzlichen Verboten der §§ 134, 138 BGB und § 1 GWB (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, UWG, 37. Auflage, § 12 Rdnr. 1.179). Den Parteien steht es insbesondere frei, das vertragliche Verbot eng auf die konkrete Verletzungsform zu beschränken oder eine weite Formulierung zu wählen, um möglichst das Charakteristische des untersagten Verhaltens schon mit der Unterwerfung zu erfassen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, UWG, 37. Auflage, § 12 Rdnr. 1.181 m.w.N. insbesondere auf BGH GRUR 1997, 931 – Sekundenschnell und BGH GRUR 1992, 61 – Preisvergleichsliste).
Die Reichweite der Unterlassungsverpflichtung ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH GRUR 1997, 931 – Sekundenschnell). Die Auslegung des vertraglichen Unterlassungsanspruchs bestimmt sich nach den allgemeinen für Verträge geltenden Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) und braucht daher nicht den für die Beseitigung der Wiederholungsgefahr zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen zu genügen. Ein unmittelbarer Rückgriff auf die restriktiven Grundsätze, die für die Auslegung eines in gleicher Weise formulierten Unterlassungstitels gelten, kommt nicht in Betracht, weil einem Unterlassungsvertrag der Charakter eines vollstreckbaren Titels fehlt (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, UWG, 37. Auflage, § 12 Rdnr. 1.179 m.w.N. insbesondere auf BGH GRUR 1997, 931 – Sekundenschnell und BGH GRUR 1992, 61 – Preisvergleichsliste).
3. Die am objektiven Empfängerhorizont orientierte Auslegung der von der Beklagten zu 1) abgegebenen Unterlassungserklärung unter Berücksichtigung der dieser Erklärung vorausgegangenen Abmahnung vom 31.03.2015 und des beiderseitigen Parteivortrags sowie des Sinn und Zwecks dieser Unterwerfungserklärung – nämlich der Ausräumung der Wiederholungsgefahr (vgl. BGH GRUR 1997, 931 – Sekundenschnell) – ergibt, dass die Unterwerfungserklärung der Beklagten zu 1) nicht über ihren klaren Wortlaut hinaus auch auf Sachverhalte zu erstrecken ist, die über die Erklärung von Widersprüchen nach § 5 a VVG des Gesetzes über den Versicherungsvertrag in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (Versicherungsvertragsgesetz – VVG a.F.) hinausgehen. Denn Anlass für die damalige Abmahnung war ausweislich des als Anlage K 4 vorgelegten Abmahnschreibens vom 31.03.2015 (nur) die Erklärung eines Widerspruch nach § 5 a VVG a.F. für einen Versicherungsnehmer durch die Beklagte zu 1), und die hieraus folgende Wiederholungsgefahr für weitere gleichartige Verstöße konnte durch die abgegebene Unterlassungserklärung vollständig ausgeräumt werden. Die Erbringung weiterer oder sonstiger (Rechtsberatungs-) Dienstleistungen wie die im Streitfall von der Klägerin beanstandeten Leistungen der Beklagten zu 1) sind daher von deren Unterlassungserklärung nicht umfasst.
II. Der Klägerin steht der gegen die Beklagten zu 1) bis 3) geltend gemachte Unterlassungsanspruch aber aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, §§ 3, 3 a UWG i.V.m. § 3 RDG zu.
1. Die Klägerin und die Beklagte zu 1) sind Mitbewerber. Beide unterstützen u.a. Versicherungsnehmer in deren Versicherungsangelegenheiten, zwischen ihnen besteht mithin ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, was auch die Beklagten zu 1) bis 3) nicht in Abrede stellen.
2. Die von der Beklagten zu 1) angebotenen und erbrachten Dienstleistungen sind geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
3. Mit ihrem Rechtsdienstleistungsangebot verstößt die Beklagte zu 1) gegen die Marktverhaltensregelung des § 3 RDG, sie handelt daher unlauter im Sinne von § 3 a UWG.
Im Einzelnen:
a) Nach § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Rechtsdienstleistung ist gemäß § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert bzw. unabhängig hiervon die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung), § 2 Abs. 2 S. 1 RDG. Nach § 5 Abs. 1 RDG sind auch Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind.
b) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte zu 1) über eine Inkassoerlaubnis gemäß § 10 RDG verfügt.
c) Die von der Beklagten zu 1) erbrachten Rechtsberatungsdienstleistungen sind von der Inkassoerlaubnis des § 10 RDG nicht gedeckt, und es handelt sich hierbei auch nicht um erlaubte Nebenleistungen im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG.
(1) Die von der Beklagten zu 1) selbst zugestandenen Beratungsleistungen erschöpfen sich nicht in der Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen. Denn (bloße) Inkassodienstleistungen werden dadurch charakterisiert, dass eine dem Grunde nach bereits bestehende Forderung beigetrieben wird (vgl. BVerfG NJW 2002, 1190: Rückzahlungsanspruch aus nichtigem Darlehensvertrag; BVerfG NJW-RR 2004, 1570: Beitreibung einer bestehenden Forderung im Mahnverfahren; BVerfG NJW 2002, 3531: Informationsbeschaffung zur Durchsetzung eines bestehenden Restitutionsanspruchs; noch anhängig BGH VIII ZR 285/18 – Mietright: bestehende Rückzahlungsansprüche wegen nach Mietpreisbremse überzahlter Miete); (nur) in diesem Rahmen gesteht die Rechtsprechung dem Inkassounternehmen auch zu, Rechtsberatung zu leisten, weil Inkassounternehmer nicht nur die Aufgabe schlichter Mahn- und Beitreibungstätigkeit, also einer kaufmännischen Hilfstätigkeit, die nicht als Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten anzusehen wäre, haben, sondern sie die Verantwortung für die wirkungsvolle Durchsetzung fremder Rechte oder Vermögensinteressen übernehmen. Beim Forderungseinzug in allen seinen Formen ist daher auch Rechtsberatung zu leisten. Setzt das Inkassounternehmen die von ihm verlangte, überprüfte und für genügend befundene Sachkunde bei der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen ein, so ist nicht erkennbar, dass damit eine Gefahr für den Rechtsuchenden oder den Rechtsverkehr verbunden sein könnte (so etwa BVerfG NJW 2002, 1190 und BVerfG NJW-RR 2004, 1570).
Im Streitfall aber existiert noch keine einzuziehende Forderung, sondern eine solche wird vielmehr erst dadurch generiert, dass die Beklagte zu 1) die Versicherungsnehmer bei der Ausübung ihres Gestaltungsrechts in Form des Widerspruchs rechtlich berät. Diese rechtliche Beratung erfordert eine umfassende Prüfung und Abwägung der durch den Widerspruch für den Versicherungsnehmer entstehenden positiven wie negativen Folgen und kann daher von einem reinen Inkassodienstleister nicht erbracht werden. Denn dieser hat zwar profunde Kenntnisse in den ersten drei Büchern des BGB (Allgemeiner Teil, Recht der Schuldverhältnisse, Sachenrecht), handels- und gesellschaftsrechtliche Kenntnisse, Grundkenntnisse auf dem Gebiet des Wertpapierrechts sowie Kenntnisse im Mahnverfahren, im Vollstreckungsrecht, im Konkursvergleichs- und Insolvenzrecht sowie im Kostenrecht nachzuweisen (vgl. BVerfG NJW 2002, 1190), nicht aber die vorliegend erforderlichen Spezialkenntnisse in versicherungsrechtlichen Fragen. Der Umfang der Rechtsberatung, die die Beklagte zu 1) im hier zu entscheidenden Fall erbringt, geht daher deutlich über dasjenige hinaus, was ein Inkassodienstleister sachkundig zu leisten vermag. Die von der Beklagten zu 1) erbrachten Dienstleistungen sind daher nicht von der Inkassoerlaubnis des § 10 RDG gedeckt und sind auch keine erlaubten Nebenleistungen im Sinne des § 5 Abs. 1 RDG.
(2) Die von der Inkassoerlaubnis der Beklagten zu 1) nicht umfassten Rechtsberatungsleistungen können von dieser auch nicht dadurch erlaubterweise angeboten werden, dass sie – deren Vortrag als zutreffend unterstellt – die konkrete rechtliche Beratung durch externe Rechtsanwälte erbringen lässt. Denn eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, die ohne entsprechende Erlaubnis erbracht wird, ist nicht deswegen gerechtfertigt, weil sich der Handelnde dabei der Hilfe eines – sei es angestellten oder externen – Rechtsanwalts bedient (vgl. BeckOK/Hirtz, RDG, 11. Edition, Stand: 01.10.2019, § 5 Rdnr. 61 ff. mit Verweis auf u.a. BGH NJW 2009, 3242 – Finanz-Sanierung), ohne dass – wie im Streitfall – das Pflichtengefüge klar und transparent ist. Denn nur wenn der Rechtsanwalt die anwaltstypischen Verpflichtungen gegenüber dem Kunden übernimmt und auch ihm gegenüber grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, und es keine Interessenkollision zu den Interessen des zahlenden Hauptleistungsanbieters geben kann, ist die vom Rechtsanwalt auf Veranlassung des Hauptleistungsanbieters geleistete Rechtsberatung auch dann unproblematisch, wenn sie in dieser Form im Leistungspaket des Anbieters enthalten ist (vgl. BeckOK/Hirtz, RDG, 11. Edition, Stand: 01.10.2019, § 5 Rdnr. 70). Daran fehlt es vorliegend, vielmehr liegt der Interessenkonflikt auf der Hand: Die Interessen der Beklagten zu 1) als zahlender Hauptleistungsanbieterin, die unstreitig ein Erfolgshonorar von den Versicherungsnehmern erhält, und die deshalb ein vitales Interesse an der Ausübung von Widersprüchen durch die Versicherungsnehmer hat, kollidieren jedenfalls immer dann mit den Interessen der Versicherungsnehmer, wenn die negativen Folgen eines Widerspruchs für die Versicherungsnehmer überwiegen.
d) Diesem Ergebnis steht das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit der Beklagten zu 1) bis 3) aus Art. 12 GG nicht entgegen. Denn die gebotene Abwägung zwischen den öffentlichen Belangen, die den Erlaubnisvorbehalt des RDG rechtfertigen, und der Berufsfreiheit der Beklagten zu 1) bis 3) führt dazu, dass die grundrechtlich geschützten Interessen der Beklagten zu 1) bis 3) an der freien Ausübung ihres Berufes hinter dem überragenden öffentlichen Interesse an der Qualität der Rechtsdienstleistungen, der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, der Gewährleistung einer leistungsfähigen Anwaltschaft und dem Verbraucherschutz (vgl. dazu auch BVerfG NJW 2002, 3531 und Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 37. Auflage, § 3 a Rdnr. 1.118) zurückzustehen haben.
4. Beim Erlaubniszwang des § 3 RDG handelt es sich schließlich auch um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3 a UWG (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 37. Auflage, § 3 a Rdnr. 1.118). Verstöße gegen diese Marktverhaltensregelung beeinträchtigen schon im Hinblick auf den Rang der verletzten Verbraucherinteressen die Interessen der Marktteilnehmer spürbar im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 37. Auflage, § 3 a Rdnr. 1.118 mit Verweis auf BGH GRUR 2003, 886 – Erbenermittler).
5. Für das unlautere Verhalten der Beklagten zu 1) haben die Beklagten zu 2) und 3) als deren Geschäftsführer einzustehen, denn das Geschäftsmodell der von ihnen vertretenen Gesellschaft ist auf Verstöße gegen das RDG angelegt (vgl. BGH GRUR 2014, 883 – Geschäftsführerhaftung).
6. Durch die erfolgte Verletzungshandlung ist die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben. Eine die Wiederholungsgefahr ausräumende strafbewehrte Unterlassungserklärung haben die Beklagten zu 1) bis 3) nicht abgegeben.
7. Der lauterkeitsrechtliche Unterlassungsanspruch ist auch noch nicht verjährt, denn die Beklagten zu 1) bis 3) haben nicht bestritten, dass jedenfalls zwischen dem Eingang des als Anlage K 3 vorgelegten Widerspruchs des Versicherungsnehmers G… und der Einreichung der Klage bei Gericht am 20.12.2018 weniger als sechs Monate vergangen sind (§ 11 Abs. 1 UWG). Die Zustellung der Klageschrift erfolgte am 11. bzw. 14.01.2019 und damit demnächst im Sinne des § 167 ZPO, die Verjährung war mithin gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
III. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) auf Zahlung dreier Vertragsstrafen à 3.000,- Euro besteht hingegen nicht, weil die Beklagte zu 1) nicht gegen ihre Unterlassungserklärung vom 10.04.2015 verstoßen (siehe dazu oben B.I.) und sie folglich keine Vertragsstrafen verwirkt hat; die Klage war daher insoweit abzuweisen.
C. Soweit der nachgereichte Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 29.10.2019 anderes als bloße Rechtsausführungen (nämlich insbesondere die Ausführungen zum Prüfungsaufwand) enthält, war er gemäß § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 132 Rdnr. 4), eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO hinsichtlich des neuen Vortrags war nicht geboten (vgl. auch BGH NJW 2000, 142 f. und Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 156 Rdnr. 4 und 5). Entsprechendes gilt für den nachgereichten Schriftsatz des Klägervertreters vom 18.11.2019.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 2, 269 ZPO. Soweit die Klage hinsichtlich des gegen die Beklagte zu 1) geltend gemachten vertraglichen Unterlassungsanspruchs abzuweisen war (siehe oben B.I.), blieb dies ohne Kostenfolge, weil der vertragliche und der gesetzliche Unterlassungsanspruch nach Auffassung der Klägerin vorliegend einen Streitgegenstand bilden sollten (vgl. BGH GRUR 2013, 397 – Peek & Cloppenburg III, Tz. 13).
E. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.


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