IT- und Medienrecht

Unwirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots

Aktenzeichen  3 HK O 3431/18

Datum:
19.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 27820
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 138, § 305 Abs. 1
HGB § 74 ff.
GG Art. 12

 

Leitsatz

1 Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bezüglich eines Geschäftsführers sind nur zulässig, wenn sie dem Schutz eines berechtigten Interesses des Unternehmens dienen und nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschweren. Zu berücksichtigen ist dabei, dass ein Geschäftsführer – im Gegensatz zu einem Handlungsgehilfen, für den §§ 74 ff. HGB gelten – leichter in der Lage ist, sowohl in den Kundenkreis des Unternehmens einzubrechen und dessen Geschäftspartner an sich zu binden als auch Bezugsquellen des Unternehmens auszunutzen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein umfassend ausgestaltetes nachvertragliches Wettbewerbsverbot, wonach einem Geschäftsführer untersagt wird, unabhängig von der konkret ausgeübten Funktion „weder in selbständiger noch unselbstständiger Stellung oder in sonstiger Weise“ für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu werden, ist mangels schutzwürdiger Interessen der Gesellschaft unwirksam. (Rn. 22 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Wettbewerbsverbot, welches die zulässigen gegenständlichen Grenzen überschreitet, darf seitens des Gerichts nicht auf das zulässige Maß zurückgeführt werden (ebenso BGH BeckRS 9998, 41061). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 8. Mai 2018 wird bestätigt.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungsklbger 30%, die Verfügungsbeklagte 70%.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 150.000 € festgesetzt.

Gründe

Die anteilige Verfügung ist zu bestätigen, dass sie der Sach- und Rechtslage entspricht. I. Verfügungsanspruch
1. Prüfungsmaßstab für die Wirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist nach der ständigen und gefestigten Rechtsprechung des BVH grundsätzlich § 138 BVB in Verbindung mit Artikel 2, 12 VV (vergleiche unter anderem BVHZ 91,1; ZIP 2008,1719). Danach sind derartige Verbote nur zulässig, wenn sie dem Schutz eines berechtigten Interesses des Unternehmens dienen und nach Ort, Zeit und Vegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Veschäftsführers nicht unbillig erschweren. Zu berücksichtigen ist dabei, dass ein Veschäftsführer – im Vegensatz zu einem Handlungsgehilfen, für den §§ 74 ff HVB gelten, leichter in der Lage ist, sowohl in den Kundenkreis des Unternehmens einzubrechen und dessen Veschäftspartner an sich zu binden als auch Bezugsquellen des Unternehmens auszunutzen (BVH II ZR 129/83).
Der Umstand ob und gegebenenfalls in welcher Höhe eine Karenzentschädigung versprochen ist, spielt nach der Rechtsprechung des BVH für die Beurteilung des zulässigen Umfangs eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes keine Rolle, da ein solches auch – im Vegensatz zu §§ 74 ff HVB – ohne Karenzentschädigung vereinbart werden kann.
Eine Wettbewerbsverbot, welches die zulässigen gegenständlichen – nicht zeitlichen – Vrenzen überschreitet, darf seitens des Verichts nicht auf das zulässige Maß zurückgeführt werden, da dies den den Verichten eingeräumten Vestaltungsspielraum überschreitet (BVH NJW 1997, 3089). Selbst wenn es sich bei dem streitgegenständlichen Wettbewerbsverbot um Allgemeine Veschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BVB handeln würde – woran das Vericht zweifelt, da weder konkret vorgetragen noch glaubhaft gemacht ist, dass die streitgegenständliche Klausel im Rahmen der Vertragsverhandlungen ausdrücklich in ihrem Kerngehalt zur Disposition gestellt wurde – wäre der Prüfungsmaßstab kein anderer, da im Rahmen der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Ziffer 1 BVB ebenfalls die oben genannten Vrundsätze heranzuziehen wären.
2. Die Kammer ist vorliegend der Ansicht, dass bei einer Abwägung der sich widerstreitenden Interessen das Wettbewerbsverbot zu weit gefasst ist.
Die Parteien haben, soweit hier von Interesse, ein unternehmensbezogenes Tätigkeitsverbot vereinbart, welches umfassend ausgestaltet ist: liegt ein „Konkurrenzunternehmen“ im Sinne der Regelung vor, so ist dem Verfügungskläger untersagt,,weder in selbständiger noch unselbstständiger Stellung oder in sonstiger Weise“ für dieses Unternehmen tätig zu werden, unabhängig von der konkret ausgeübten Funktionen. Die in Klammern genannte,Übernahme einer Organstellung o.ä.“ ist als Beispiel erwähnt, wie sich auch dem Zusatz,o.ä.“ entnehmen lässt.
Das Wettbewerbsverbot umfasst durch seine umfassende Veltung auch Tätigkeiten, die keinen Bezug zu den vom Verfügungskläger bei der Verfügungsbeklagten erlangten Kenntnisse und Verbindungen haben, an deren Schutz die Verfügungsbeklagte ein berechtigtes Interesse hat. Dies gilt insbesondere für Tätigkeiten, die keinen Bezug zu dem bisherigen Tätigkeitsbereich des Verfügungsklägers haben (Vertrieb im weiteren Sinne) wie für Tätigkeiten, die untergeordnet, d.h. mit keiner Leitungsfunktion verbunden sind (so auch OLV Hamm, Urteil vom 14. Juli 2014 – 8 U 131/12; Scholz, Kommentar zum VmbH-Vesetz, 11. Auflage § 43 Rn. 177).
Die Kammer vermag letztlich der Argumentation der Verfügungsbeklagten, jegliche Tätigkeit in einem Konkurrenzunternehmen weise per se einen Bezug zu der Tätigkeit bei der Verfügungsbeklagten auf, nicht zu folgen. Allein der Umstand, dass ein Veschäftsführer nach außen für das gesamte Unternehmen verantwortlich ist, und damit nicht auszuschließen ist, dass er Kenntnisse auch außerhalb seines eigentlichen Tätigkeitsbereichs erworben hat, vermag die Prüfung nicht zu ersetzen, welche erworbenen Kenntnisse und Verbindungen so schützenswert sind, dass diese ein Tätigkeitsverbot begründen können. Je umfassender ein Tätigkeitsverbot ist, desto stärker greift dieses in die Berufsfreiheit des Verfügungsklägers ein. Dies wird vorliegend durch den Umstand verdeutlicht, dass der Verfügungskläger praktisch sein gesamtes Berufsleben in der Optikbranche verbracht hat und das Verbot in der vorliegenden Fassung einem weitgehenden „Berufsverbot“ gleichkäme.
Eine Beschränkung des vereinbarten Wettbewerbsverbots auf Tätigkeiten, deren Verbot zulässigerweise vereinbart werden könnte, wie beispielsweise die Übernahme einer Organstellung, kommt im Hinblick auf die oben dargestellten Vrundsätze nicht in Betracht.
Zum einen ist hier die gegenständliche Reichweite des Wettbewerbsverbotes zu beanstanden und nicht nur dessen zeitlicher Umfang, welcher sich mit zwölf Monaten im zulässigen Rahmen bewegt. Zum anderen kann das unternehmensbezogene Tätigkeitsverbot sprachlich nicht in einen zulässigen und in einen unzulässigen Regelungsteil aufgespalten werden. Die ausdrücklich erwähnte „Übernahme einer Organstellung“ ist nur als Beispiel des Tätigkeitsverbots genannt, welches in jeder „sonstigen Weise“ gilt. Anders wäre dies beispielsweise bei der räumlichen Erstreckung des Wettbewerbsverbots, welche unter Ziffer 10 (2) geregelt ist und ua. eine enumerative Aufzählung der Länder enthält, für die das Wettbewerbsverbot gelten soll, zu beurteilen.
Da das Wettbewerbsverbot folglich unwirksam ist, war dem Verfügungskläger die Tätigkeitsaufnahme bei der zu gestatten. Dieser Vestattung entspricht spiegelbildlich die Verpflichtung der Verfügungsbeklagten, diese Tätigkeit zu dulden.
II. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist dringlich, da im Hinblick auf die ab 1. August 2018 beabsichtigte Tätigkeitsaufnahme dem Verfügungskläger die Durchführung des Hauptverfahrens nicht zugemutet werden kann.
III. Nebenentscheidungen:
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO. Die Kammer beurteilt das Maß des Unterliegens des Verfügungsklägers hinsichtlich der Anträge, die inzwischen rechtskräftig abgewiesen wurden, mit dem sich aus dem Tenor ersichtlichen Verhältnis. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 6 ZPO. Streitwert: § 3 ZPO


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben