IT- und Medienrecht

Urheberrechtliche Gerätevergütung: Darlegungs- und Beweislast der Partei eines Gesamtvertrags bei begehrter Erhöhung der Vergütungssätze nach Vertragsbeendigung; Angemessenheit der in einem Gesamtvertrag vorgenommenen Festsetzung einer Verzinsungspflicht für Vergütungsansprüche aus zurückliegenden Abrechnungsperioden; Festsetzung einer den Antrag einer Partei übersteigenden Zinshöhe – Gesamtvertrag USB-Sticks und Speicherkarten

Aktenzeichen  I ZR 45/20

Datum:
1.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:010421UIZR45.20.0
Normen:
§ 308 Abs 1 S 1 ZPO
§ 54 Abs 1 UrhG
§ 54b Abs 1 UrhG
§ 35 VGG
§ 129 Abs 2 S 1 VGG
§ 130 Abs 1 S 1 VGG
Spruchkörper:
1. Zivilsenat

Leitsatz

Gesamtvertrag USB-Sticks und Speicherkarten
1. Die Partei eines Gesamtvertrags, die nach Vertragsbeendigung eine Erhöhung der Vergütungssätze begehrt, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Änderung der Sachlage eingetreten ist, die eine solche Abänderung rechtfertigt (Festhaltung an BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – I ZR 189/11, GRUR 2013, 1037 Rn. 41 = WRP 2013, 1357 – Weitergeltung als Tarif, m.w.N.).
2. Die in einem Gesamtvertrag vorgenommene Festsetzung einer Verzinsungspflicht für Vergütungsansprüche aus zurückliegenden Abrechnungsperioden ist grundsätzlich angemessen, weil aufgrund der Verfahrensdauer die Zeiträume, für die Vergütungen nachzuentrichten sind, im Falle der gerichtlichen Festsetzung regelmäßig länger sind als im Falle der vertraglichen Vereinbarung eines Gesamtvertrags (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. November 2015 – I ZR 151/13, GRUR 2016, 792 Rn. 116 = WRP 2016, 1123 – Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik).
3. Bei der gerichtlichen Festsetzung eines Gesamtvertrags verstößt die Festsetzung einer den Antrag einer Partei übersteigenden Zinshöhe gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. November 2015 – I ZR 151/13, GRUR 2016, 792 Rn. 97 = WRP 2016, 1123 – Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik).

Verfahrensgang

vorgehend OLG München, 6. Februar 2020, Az: 6 Sch 22/18 WG

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 6. Februar 2020 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als in § 10 Abs. 8 Satz 1 des Gesamtvertrags die Höhe der vom Vergütungsschuldner zu zahlenden Zinsen festgesetzt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger ist eine Vereinigung, deren Mitglieder USB-Sticks oder Speicherkarten herstellen oder in die Bundesrepublik Deutschland einführen.
2
Die Beklagte zu 1, die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ), ist ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, die urheberrechtliche Vergütungsansprüche nach § 54 UrhG für die Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken geltend machen können. Nach § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten zu 1 vom 29. November 2011 nimmt die Beklagte zu 1 die ihr übertragenen Rechte im eigenen Namen wahr. Die Beklagten zu 2 und 3 sind Verwertungsgesellschaften, die ebenfalls zur Geltendmachung von Vergütungsansprüchen nach § 54 Abs. 1 UrhG berechtigt sind.
3
Zwischen den Parteien bestand ein Gesamtvertrag vom 18. Dezember 2009/24. März 2010 zur Regelung der Vergütungspflicht von USB-Sticks und Speicherkarten gemäß den §§ 54 ff. UrhG für die Zeit ab dem 1. Januar 2010, in dem eine Vergütung von jeweils 0,10 € pro Stück (ohne Umsatzsteuer) sowie ein Gesamtvertragsnachlass von 20% vorgesehen war. Der Gesamtvertrag wurde von den Beklagten mit Wirkung zum 31. Dezember 2011 ordentlich gekündigt. Im Anschluss hieran vereinbarten die Parteien eine Verlängerung des Gesamtvertrags bis zum 30. Juni 2012.
4
Die Parteien streiten nunmehr um die Festsetzung eines Gesamtvertrags betreffend die Vergütung für die Herstellung und den Import von USB-Sticks und Speicherkarten rückwirkend für die Zeit ab dem 1. Juli 2012.
5
In dem von den Parteien geführten, im Jahr 2012 eingeleiteten Schiedsstellenverfahren hat die Schiedsstelle bei dem Deutschen Patent- und Markenamt am 17. Mai 2018 einen Einigungsvorschlag unterbreitet, der für die Zeit ab dem 1. Juli 2012 eine Gerätevergütung pro Stück (ohne Umsatzsteuer) für Speicherkarten und USB-Sticks mit einer Speicherkapazität bis einschließlich 4 GB von 0,15 € sowie für Speicherkarten und USB-Sticks mit einer Speicherkapazität von mehr als 4 GB von 0,35 € vorsieht, wobei den am Gesamtvertrag beteiligten Herstellern und Importeuren ein Gesamtvertragsnachlass von 20% gewährt wird. Gegen diesen Einigungsvorschlag haben der Kläger am 21. Juni 2018 und die Beklagten am 15. Juni 2018 Widerspruch eingelegt.
6
Am 16. Mai 2012 veröffentlichten die Beklagten einen Tarif für USB-Sticks und Speicherkarten für die Zeit ab dem 1. Juli 2012, der eine Vergütung für USB-Sticks und Speicherkarten mit einer Speicherkapazität kleiner oder gleich 4 GB von 0,91 € sowie für USB-Sticks und Speicherkarten mit einer Speicherkapazität von mehr als 4 GB von 1,95 € vorsah.
7
Im Februar 2018 schlossen die Parteien einen “Gesamtvertrag zur Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht gemäß §§ 54 ff. UrhG für CD- und DVD-Rohlinge für die Zeit ab dem 1. Januar 2008” (Gesamtvertrag CD- und DVD-Rohlinge) ab.
8
Am 24. Mai 2019 schlossen die Beklagten mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) und dem Gesamtverband der Werbeartikelwirtschaft e.V. (GWW) jeweils inhaltsgleiche Gesamtverträge für USB-Sticks und Speicherkarten für den Zeitraum ab 1. Juli 2012.
9
Der Kläger hat die Festsetzung eines Gesamtvertrags für USB-Sticks und Speicherkarten für den Zeitraum ab 1. Juli 2012 beantragt, der eine Vergütungspflicht in Höhe von 0,10 € je Stück und einen darauf zu gewährenden Gesamtvertragsnachlass von 20% vorsieht. Eine Verzinsung sieht der vom Kläger beantragte Gesamtvertrag nur für den Fall des Verzugs nach Maßgabe der §§ 247, 288 BGB ab dem 10. Tag des Verzugs vor.
10
Die Beklagten sind dem Antrag des Klägers mit einem Gegenantrag entgegengetreten, der auf die Festsetzung eines Gesamtvertrags gerichtet ist, der sich inhaltlich an den von den Beklagten am 24. Mai 2019 mit den Verbänden Bitkom und GWW abgeschlossenen Gesamtvertrag anlehnt. Im Vertragsentwurf der Beklagten heißt es in § 10 Abs. 8:
Die für die jeweiligen Kalenderjahre bestehende Vergütungsschuld, wie sie sich auf Grundlage der nach Absatz 1 zu erteilenden Auskünfte ergibt, ist in den jeweiligen Folgejahren mit den in diesen geltenden durchschnittlichen Zinssätzen zu verzinsen, die von der Deutschen Bundesbank für die Anlage von allen Termingeldern von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften für das jeweilige Jahr veröffentlicht werden.
11
Das Oberlandesgericht hat einen Gesamtvertrag zur Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht nach § 54 Abs. 1 UrhG von USB-Sticks und Speicherkarten für die Zeit ab dem 1. Juli 2012 festgesetzt, der folgende Regelung zur Vergütungshöhe vorsieht:
§ 3 Vergütung
(1) Für die Vertragsprodukte werden folgende Vergütungen gemäß § 54 Abs. 1 pro Stück vereinbart:
Produkt
Vergütung1.7.2012 bis 31.12.2019(in €)
Vergütungab 1.1.2020(in €)
USB-Sticks mit einer Speicherkapazität kleiner oder gleich 8 GB
0,14   
0,30   
USB-Sticks mit einer Speicherkapazität größer 8 GB
0,30   
0,30   
Speicherkarten mit einer Speicherkapazität kleiner oder gleich 8 GB
0,14   
0,30   
Speicherkarten mit einer Speicherkapazität größer 8 GB
0,30   
0,30   
(2) Auf die Vergütungssätze gemäß Absatz 1 gewähren die Verwertungsgesellschaften den Gesamtvertragsmitgliedern einen Nachlass von 20%, so dass sich für die Gesamtvertragsmitglieder folgende Vergütungen gemäß § 54 Abs. 1 UrhG pro Stück ergeben:
Produkt
Vergütung1.7.2012 bis 31.12.2019(in €)
Vergütungab 1.1.2020(in €)
USB-Sticks mit einer Speicherkapazität kleiner oder gleich 8 GB
0,112 
0,24   
USB-Sticks mit einer Speicherkapazität größer 8 GB
0,24   
0,24   
Speicherkarten mit einer Speicherkapazität kleiner oder gleich 8 GB
0,112 
0,24   
Speicherkarten mit einer Speicherkapazität größer 8 GB
0,24   
0,24   
(3) Auf die Vergütungen nach den Absätzen 1 und 2 fällt nach der geltenden gesetzlichen Regelung keine Umsatzsteuer an.
(…)
12
Der vom Oberlandesgericht festgesetzte Gesamtvertrag sieht zur Verzinsung in § 10 Abs. 8 folgende Regelung vor:
Die für die jeweiligen Kalenderjahre bestehende Vergütungsschuld, wie sie sich auf Grundlage der nach Absatz 1 zu erteilenden Auskünfte ergibt, ist in den jeweiligen Folgejahren gemäß §§ 247, 288 Abs. 2 BGB zu verzinsen. Der Zeitraum, für den diese Zinsen berechnet werden, beginnt für die jeweilige Vergütungsforderung je Kalenderjahr jeweils mit dem 1. März des folgenden Kalenderjahres und endet mit dem Tag der Gutschrift der Vergütungsschuld auf dem Konto der ZPÜ, spätestens jedoch mit Fälligkeit der Rechnung gemäß Absatz 3. Die Zinsberechnung erfolgt nach Eingang der Zahlung. Die Zinsen werden für die jeweiligen Kalenderjahre gesondert berechnet.
13
Zum vom Oberlandesgericht festgesetzten Vertrag gehören ferner Anlage 1 (Muster-Beitrittserklärung), Anlage 2 (Muster-Kündigung), Anlage 3 (Regelung zum Entfallen der Vergütungspflicht für Business-Vertragsprodukte), Anlage 4 (Muster-Pflichtenübernahme) und Anlage 5 (Muster-Auskunftserteilung).
14
Der Kläger verfolgt mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, seinen Antrag auf Vertragsfestsetzung weiter.


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