IT- und Medienrecht

Verletzung eines Gebrauchsmusters betreffend einen Wärmeflaschensicherheitsverschlusses

Aktenzeichen  21 O 5274/20

Datum:
18.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2020, 54353
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157
AEUV Art. 101
GebrMG § 12a

 

Leitsatz

1. Zur Verletzung eines Gebrauchsmusters betreffend einen Wärmeflaschensicherheitsverschluss. (Rn. 27 – 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur kartellrechtlichen Unbedenklichkeit einer Nichtanwendungsvereinbarung im Vorfeld von Lizenzverhandlungen, wenn die Vereinbarung über den Schutzbereich des Schutzrechts hinausgeht. (Rn. 67 – 82) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall einer Ordnungshaft von bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
die in der nachgehefteten Anlage K 38 enthaltenen Informationen, die der Beklagten unter der mit der Klägerin abgeschlossenen „Geheimhaltungs- und Nichtverwendungsvereinbarung für eine Erfindung“ vom 19.03.2015 überlassen wurden, in den nachfolgend genannten Ländern in dem jeweils genannten Zeitraum wirtschaftlich zu verwerten:
– Mitgliedstaaten des Europäischen Patentübereinkommens, solange das Anmeldeverfahren betreffend die Anmeldung Nr. 15 823 331.2 (Veröffentlichungsnummer EP 3 232 999) anhängig ist oder ein im Rahmen dieses Anmeldeverfahrens erteiltes Patent in Kraft steht,
– Österreich, solange das Patent AT 515912 B1 in Kraft steht,
– China, solange das Anmeldeverfahren betreffend die Anmeldung CN107427384 anhängig ist oder ein im Rahmen dieses Anmeldeverfahrens erteiltes Patent in Kraft steht,
– Japan, solange das Anmeldeverfahren betreffend die Anmeldung JP2018507759 anhängig ist oder ein im Rahmen dieses Anmeldeverfahrens erteiltes Patent in Kraft steht,
– Republik Korea, solange das Anmeldeverfahren betreffend die Anmeldung KR20177017037 anhängig ist oder ein im Rahmen dieses Anmeldeverfahrens erteiltes Patent in Kraft steht,
– USA, solange das Anmeldeverfahren betreffend die Anmeldung US201515537923 anhängig ist oder ein im Rahmen dieses Anmeldeverfahrens erteiltes Patent in Kraft steht,
jeweils insbesondere, wenn dies geschieht, indem die Beklagte den nachfolgend abgebildeten Wärmflaschensicherheitsverschluss herstellt, anbietet oder vertreibt:
 
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin ¾, die Beklagte ¼.
4. Das Urteil ist in Ziff. 1 (Unterlassung) für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung von 100.000,00 €. Hinsichtlich der Kosten ist das Urteil für beide Parteien jeweils gegen Zahlung einer Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Soweit die Klägerin Unterlassungs- und Auskunftsansprüche wegen Verletzung des Klagegebrauchsmusters DE‘660 geltend macht, ist die Klage unbegründet (I.). Der Klägerin steht aber der wegen Verletzung der Nichtverwendungspflicht gemäß § 3 der Geheimhaltungs- und Nichtverwendungsvereinbarung für eine Erfindung vom 19.03.2015 geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, soweit und solange sie Inhaberin in Kraft stehender Patente oder anhängiger Patentanmeldungen ist (II.).
I. Die gemäß Ziff. I., II. und III. der Klage vom 29.04.2020 wegen Verletzung des Klagegebrauchsmusters DE‘660 geltend gemachten Unterlassungs-, Schadensersatz- und Auskunftsansprüche stehen der Klägerin nicht zu. Dabei kann dahinstehen, ob das Gebrauchsmuster mangels Neuheit oder mangels des notwendigen erfinderischen Schritts den Anforderungen an die Schutzfähigkeit gemäß § 1 Abs. 1 GebrMG genügt. Die von der Beklagten vertriebene, angegriffene Ausführungsform verwirklicht nicht sämtliche technischen Merkmale des in der vorliegenden Fassung geltend gemachten und von der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes aufrecht erhaltenen Klagegebrauchsmusters.
1. Das Klagegebrauchsmuster betrifft einen mehrteiligen Sicherheitsverschluss für Wärmflaschen bestehend aus einem Verschlussteil und einem Handbetätigungselement, welches nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip mit dem Verschlussteil koppelbar ist.
a. Dem Klagegebrauchsmuster zufolge sind verschließbare Wärmflaschen als ausgereiftes Massenprodukt aus dem Stand der Technik ebenso wie dazugehörige Wärmflaschenverschlüsse, durch die Sicherheit und Komfort bei der Verwendung einer Wärmflasche erhöht werden sollen, bekannt (DE’660, Abs. [0005]). Insbesondere ist aus dem Dokument EP0960608A2 (D7) ein vorzugswürdig gabelförmig ausgestaltetes Handbetätigungselement bekannt, welches auf das Verschlussteil aufgesetzt wird, den Wärmflaschenverschluss beim Drehen des Öffners in Eingriff nimmt und so über eine verbesserte Hebelwirkung das Öffnen einer Wärmflasche erleichtern kann, nachdem sich das darin befindliche Wasser abgekühlt und infolgedessen ein das Öffnen erschwerender Unterdruck gebildet hat (D7, Abs. [0007]). Als Alternative kann das Handbetätigungsteil auch dahingehend ausgestaltet sein, dass dieses ähnlich einem Schraubenzieher in einen in dem Wärmflaschenverschluss als Kupplungsteil vorhandenen Schlitz eingreift (D7, Abs. [0008]). Bekannt ist demzufolge auch, dass ein Wärmflaschenöffner zweiteilig ausgestaltet werden kann, wobei die beiden Teile über eine Ratscheneinrichtung miteinander in Verbindung stehen, um das Auf- bzw. Zudrehen insbesondere dadurch weiter zu erleichtern, dass die Ratscheneinrichtung zwischen Öffnen und Verschließen umschaltbar ist (D7, Abs. [0009], [0018]).
Dieser im Stand der Technik bekannte Wärmflaschenöffner ist aber insoweit nachteilhaft, als es sich nur um eine zu dem bereits vorhandenen Wärmflaschenverschluss zusätzlich verwendbare Öffnungshilfe handelt. Jedenfalls solange das Wasser nicht abgekühlt ist und sich infolge des Abkühlens ein Unterdruck in der Flasche noch nicht gebildet hat, kann die Flasche mithin über den vorhandenen Verschluss weiterhin leicht geöffnet werden. Damit bleibt es dem Klagegebrauchsmuster nach bei der Gefahr, dass sich insbesondere Kinder und demente Personen bei unkontrolliertem Öffnen gerade in dem Zeitraum, in dem das in der Wärmflasche befindliche Wasser noch heiß und die Flasche mithin leicht öffenbar ist, verbrühen (DE‘660, Abs. [0006]).
b. Ausgehend von diesem Stand der Technik stellt sich das Klagegebrauchsmus ter die Aufgabe, einen verbesserten Wärmflaschenverschluss zu entwickeln, der ein unkontrolliertes Öffnen insbesondere durch Kinder und demente Personen vermeidet und entsprechende Personen folglich vor der Gefahr, sich mit aus der Wärmflasche austretendem, heißem Wasser zu verbrühen, schützt (DE‘660, Abs. [0008]).
Hierfür schlägt das Klagegebrauchsmuster einen zweiteiligen Wärmflaschensicherheitsverschluss mit den Merkmalen des Hauptanspruchs 1 in der im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren gemäß Hauptantrag 5 aufrecht erhaltenen Fassung vor, die nachfolgend in der von der Klägerin vorgeschlagenen Merkmalsgliederung (Bl. 23/24 sowie Anlage K 10, Seiten 5/6) wiedergegeben werden:
Mehrteiliger Wärmflaschensicherheitsverschluss (1), mindestens umfassend
M1 ein Verschlussteil (4)
M1.1 mit einem Außengewinde (12) zum Eindrehen in ein Innengewinde einer Wärmflasche, und
M1.2 mit einem ersten Kraftübertragungselement (6) zum Übertragen von Momenten zum Einschrauben des Verschlussteils (4) in ein Innengewinde einer Wärmflasche zum wasserdichten Verschließen der Wärmflasche und zum Herausschrauben des Verschlussteils (4) aus einem Innengewinde einer Wärmflasche; und
M2 ein Handbetätigungselement (2) mit einem zweiten Kraftübertragungselement (8) zum Einleiten der zum Einschrauben und Herausschrauben des Verschlussteils (4) in ein Innengewinde einer Wärmflasche erforderlichen Momente in den Verschlussteil (4),
M2.1 wobei der Eindringbereich des Verschlussteils zumindest abschnittsweise weniger breit ausgebildet ist als das in den Eindringbereich eindringende zweite Kraftübertragungselement des Handbetätigungselements, woraus beim Einbringen des zweiten Kraftübertragungselements in den Eindringbereich eine Presspassung bzw. Klemmung erzeugt wird;
M3 wobei das erste Kraftübertragungselement (6) und das zweite Kraftübertragungselement (8) derart korrespondierend ausgebildet sind, dass der Verschlussteil (4) und das Handbetätigungselement (2) unter Bildung einer Wirkverbindung lösbar miteinander koppelbar sind
M4 das erste Kraftübertragungselement (6) als innenliegendes Kraftübertragungselement ausgeführt ist und durch vollständig umgebende Wandungsanteile ausgebildet wird,
M5 wobei das zweite Kraftübertragungselement (8) zum zumindest ab schnittsweisen Eindringen in das innenliegende Kraftübertragungselement ausgebildet ist,
M5.1 wobei das Verschlussteil (4) und das Handbetätigungselement (2) durch das Zusammenwirken des ersten Kraftübertragungselements (6) und des zweiten Kraftübertragungselements (8) in einem gekoppelten Zustand kraftschlüssig gehalten werden,
M6 wobei der Verschlussteil in Umfangsrichtung vollständig umlaufend einen Kragen aufweist, wobei der Kragen als Anstoß zur Begrenzung der maximalen Einschraubtiefe und als Dichtungselement dient,
M7 wobei das Dichtungselement am Kragen ausgebildet ist,
M8 wobei der Kragen das erste Kraftübertragungselement (6) in Umfangsrichtung umschließt,
M9 wobei eine Oberfläche des Kragens den Verschlussteil in Verschlussteillängsrichtung einerseits begrenzt.
c. Zur Beurteilung, ob die angegriffene Ausführungsform die einzelnen Anspruchsmerkmale verwirklicht und damit die anspruchsgemäße technische Lehre verletzt, ist der Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters zu bestimmen. Gemäß § 12a GebrMG wird der Schutzbereich des Gebrauchsmusters durch den Inhalt der Schutzansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Schutzansprüche heranzuziehen sind. Demgemäß sind die Schutzansprüche eines Gebrauchsmusters nach denselben Grundsätzen wie Patentansprüche auszulegen (BGH, GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig; GRUR 2007, 1059, 1062 Rn. 24 – Zerfallszeitmessgerät).
Inhalt der Schutzansprüche bedeutet daher auch bei Gebrauchsmustern nicht Wortlaut, sondern Sinngehalt. Maßgebend ist der Offenbarungsgehalt der Schutzansprüche und ergänzend – im Sinne einer Auslegungshilfe – der Offenbarungsgehalt der Gebrauchsmusterschrift, soweit dieser Niederschlag in den Ansprüchen gefunden hat (vgl. BGH, NJW-RR 2000, 259, 261 – Spannschraube).
Die zur Ermittlung des Offenbarungsgehalts der Schutzansprüche notwendige Auslegung dient dabei dazu, die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters zu erfassen, wie sie aus fachmännischer Sicht – d.h. unter Berücksichtigung des Vorverständnisses, das sich aus dem Fachwissen und Fachkönnen des von der Erfindung angesprochenen Fachmanns ergibt – mit dem Wortlaut des Anspruchs zum Ausdruck gebracht wird. Entscheidend ist damit eine funktionale Auslegung der Schutzansprüche und der darin verwendeten Begriffe, um deren technischen Sinn unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich objektiv aus dem Klagegebrauchsmuster ergeben, zu bestimmen (vgl. BGH, BeckRS 2015, 19864 Rn. 16 – Luftkappensystem).
Maßgeblich sind insoweit der Sinngehalt eines Schutzanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der geschützten Erfindung beitragen. Aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Schutzanspruchs ist abzuleiten, welches technische Problem diese Merkmale für sich und in ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen (vgl. BGH, a.a.O.; GRUR 2012, 1124, 1126, Rn. 27 – Polymerschaum). Die Gebrauchsmusterschrift ist dazu in einem sinnvollen Zusammenhang zu lesen und ihr Gesamtinhalt im Zweifel so zu verstehen, dass sich Widersprüche nicht ergeben (vgl. BGH, BeckRS 2015, 13347, Rn. 22 – Kreuzgestänge; GRUR 2015, 159, 161, Rn. 31 – Zugriffsrechte; GRUR 2011, 701, 703, Rn. 24 – Okklusionsvorrichtung).
Als übergreifenden Gesichtspunkt hat die Auslegung schließlich neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung das gleichgewichtig danebenstehende Gebot der Rechtssicherheit zu beachten (BGH, GRUR 2007, 1059, 1062 Rn. 25 – Zerfallszeitmessgerät).
d. Mit den Merkmalen des Hauptanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters wird im Wesentlichen ein aus zwei Teilen bestehender, nach dem Schlüssel-SchlossPrinzip funktionierender Wärmflaschenverschluss beschrieben, der den Vorteil bietet, dass das Handbetätigungselement nach dem Verschließen entfernt und separat aufbewahrt werden kann, sodass das Verschlussteil – anders als etwa in der Entgegenhaltung D7 – bereits im Ansatz nicht mehr gesondert geöffnet werden kann. Näher erläuterungsbedürftig sind lediglich die zwischen den Parteien streitig diskutierten Merkmale M2.1 und M5.1:
Das Merkmal M2.1 konkretisiert das gemäß Merkmal M1 vorausgesetzte Verschlussteil dahingehend, dass dort ein Eindringbereich vorzusehen ist, der zumindest abschnittsweise weniger breit ausgebildet sein muss, als das in den Eindringbereich eindringende zweite Kraftübertragungselement des Handbetätigungselements, damit so beim Einbringen des zweiten Kraftübertragungselements in den Eindringbereich eine Presspassung bzw. Klemmung erzeugt wird. Der angesprochene Fachmann versteht die anspruchsgemäße Vorgabe der einer Presspassung bzw. Klemmung als funktional einheitliche Zweck-/Wirkungsangabe. Zweck-/Wirkungsangaben beschränken als solche den Schutzgegenstand im Allgemeinen nicht (vgl. BGH, GRUR 2009, 837, 838, Rn. 15 – Bauschalungsstütze; GRUR 2006, 570, 573, Rn. 21 – extracoronales Geschiebe; GRUR 1991, 436, 441 – Befestigungsvorrichtung II). Allerdings muss der durch das Klagegebrauchsmuster geschützte Gegenstand so ausgebildet sein, dass er für den im Anspruch angegebenen Zweck verwendbar ist bzw. die im Anspruch angegebene Funktion erfüllen kann (vgl. etwa BGH, GRUR 2009, 837, 838, Rn. 15 – Bauschalungsstütze; BeckRS 2010, 00634, Rn. 12 – Hundefutterbeutel).
Der mit der gemäß Merkmal M2.1 beabsichtigte Zweck, eine Presspassung bzw. Klemmung zwischen Verschlussteil und Handbetätigungselement zu erzeugen, ergibt sich aus Merkmal M5.1, demzufolge das Zusammenwirken von Verschlussteil und Handbetätigungsteil dazu dient, dass diese in einem gekoppelten Zustand kraftschlüssig gehalten werden.
Mit Blick auf die dem Klagegebrauchsmuster zu Grunde liegende Aufgabe, ein sicheres Öffnen einer mit heißem Wasser gefüllten Wärmflasche zu ermöglichen, versteht der Fachmann das Merkmal folglich dahingehend, dass das Verschlussteil nach dem Aufschrauben mit Hilfe des Handbetätigungsteils hinreichend fest mit diesem verbunden ist, um mit dem Handbetätigungsteil zugleich auch das Verschlussteil anheben zu können, ohne dabei das Verschlussteil mit den Fingern aus der Wärmflaschenöffnung herausangeln und die Gefahr des Sich-Verbrühens in Kauf nehmen zu müssen.
2. Dieses Merkmalsverständnis zu Grunde gelegt, verletzt die von der Beklagten angebotene angegriffene Ausführungsform Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters in der Fassung des im Rahmen des Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens aufrecht erhaltenen Hauptantrages 5 im Ergebnis nicht.
Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich zwar um einen mehrteiligen Wärmflaschensicherheitsverschluss, der in anspruchsgemäßer Weise vorsieht, dass das Handbetätigungsteil zum Ein- und Herausschrauben des Verschlussteils verwendet werden kann. Da das als gesondertes Bauteil vorgesehene Handbetätigungsteil nach dem Verschließen auch entfernt und getrennt aufbewahrt werden kann, wird auch der wesentliche erfindungsgemäße Nutzen, ein unkontrolliertes Öffnen der Wärmflasche und dadurch bedingtes Verbrühen mit dem darin befindlichen heißen Wasser zu vermeiden, von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht.
Gleichwohl liegt eine Verletzung nicht vor, da beim Einbringen des Handbetätigungsteils weder eine anspruchsgemäße Presspassung oder Klemmung erzeugt wird (M2.1) noch das Handbetätigungselement im gekoppelten Zustand kraftschlüssig gehalten wird (M5.1).
Bei dem angegriffenen Wärmflaschensicherheitsverschluss sitzt das Handbetätigungselement lose auf dem Verschlussteil auf. Ein anspruchsgemäßer Kraftschluss zwischen Verschluss- und Handbetätigungsteil, der es ermöglicht, das Verschlussteil zugleich mit dem Anheben des Handbetätigungsteils aus einer Wärmflasche zu entnehmen, erfolgt damit in keiner Weise. Dies wird insbesondere durch die von der Beklagten als Anlage B 2 vorgelegten Lichtbilder bestätigt, die anschaulich belegen, dass das Handbetätigungsteil des angegriffenen Wärmflaschenverschlusses zwar zum Auf- und Zuschrauben des Verschlussteils verwendet werden kann, letztlich aber derart lose auf dem Verschlussteil aufsitzt, dass es schon bei einer leichten Schleuderbewegung herunterfällt und damit gerade nicht kraftschlüssig gehalten wird.
Entgegen der Klägerin ergibt sich auch daraus nichts anderes, dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform unter Verwendung der Bezeichnung „Sicherheitsverschluss“ vermarktet hat. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass ein Verbrühungsschutz bei der Ausführungsform der Beklagten insoweit nicht gegeben ist, als das Verschlussteil nach dem Aufschrauben mit der Hand herausgenommen werden muss. Dies führt indes lediglich dazu, dass es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um eine nachteiligere Variante eines mehrteiligen Sicherheitsverschlusses handelt, nicht aber, dass der von dem Klagegebrauchsmuster vorausgesetzte Kraftschluss und der damit bezwecke, weitergehende Verbrühungsschutz verwirklicht wird.
II. Soweit die Klägerin einen vertraglichen Unterlassungsanspruch geltend macht, ist die Klage jedoch im Wesentlichen begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein vertraglicher Unterlassungsanspruch aus § 3 der Geheimhaltungs- und Nichtverwendungsvereinbarung vom 19.03.2015 zu, die angegriffene Ausführungsform wirtschaftlich in den Mitgliedstaaten des Europäischen Patentübereinkommens, China, Japan, der Republik Korea und den USA zu verwerten, insbesondere den streitgegenständlichen Wärmflaschenverschluss in den vorbezeichneten Ländern herzustellen, anzubieten oder zu vertreiben. Die Auslegung der genannten Vertragsklausel ergibt, dass die vereinbarte Unterlassungspflicht in räumlicher und zeitlicher Hinsicht dahingehend beschränkt ist, dass diese nur soweit und solange besteht, wie die Klägerin Inhaberin in Kraft stehender Patente oder Gebrauchsmuster oder entsprechend anhängiger Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldungen ist (Ziff. 1.). Gegen diese Pflicht hat die Beklagte mit dem Vertrieb des angegriffenen Wärmflaschenverschlusses verstoßen (Ziff. 2.). Die zwischen den Parteien erfolgte vertragliche Vereinbarung ist auch nicht aus kartellrechtlichen oder sonstigen Gründen unwirksam (Ziff. 3.). Zudem liegt die für einen Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr vor (Ziff. 4.). Der Klägerin ist es schließlich nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwehrt, sich gegenüber der Beklagten auf die vertraglich vereinbarte Unterlassungspflicht zu berufen (Ziff. 5.).
1. Der tenorierte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus der zwischen den Par teien abgeschlossenen Geheimhaltungs- und Nichtverwendungsvereinbarung vom 19.03.2015. Gemäß deren § 3 hat sich die Beklagte dazu verpflichtet, die auf Basis der Geheimhaltungs- und Nichtverwendungsvereinbarung erlangten Kenntnisse, Unterlagen und Materialien nur zu Zwecken der Entscheidungsfindung über eine Lizenznahme, eine Geschäftsanbahnung hinsichtlich des Bezugs der erfindungsgemäßen Produkte von der Klägerin oder eines Technologiekaufs und insbesondere nicht dazu zu verwenden, die von der Klägerin erhaltenen Informationen kommerziell zu verwenden. Dabei soll dem Willen beider Vertragsparteien zu Folge die Nichtverwendungsverpflichtung nur dann rechtlich wirksam sein, „sofern a.) die Patentanmeldung Bestand hat oder b.) das Patent rechtswirksam erteilt wird und anhängig ist“. Entgegen der Beklagten ist damit die vertragliche Nichtverwendungs- bzw. Unterlassungspflicht nicht unter den Vorbehalt der Schutzfähigkeit der Erfindung der Klägerin gestellt worden. Die Auslegung der streitgegenständlichen Vertragsklausel ergibt vielmehr, dass die Beklagte verpflichtet ist, die wie in Anlage K 38 (inhaltlich identisch mit Anlage B 3) zusammengefasste Erfindung der Klägerin während des Laufs anhängiger Patentanmeldeverfahren nicht wirtschaftlich zu verwerten:
a. Ausgehend vom Wortlaut der vereinbarten vertraglichen Regelung ist gemäß den für die Vertragsauslegung maßgeblichen Bestimmungen der §§ 133, 157 BGB entscheidend, wie ein objektiver Dritter die Erklärungen bei vernünftiger Beurteilung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte hätte verstehen können und müssen. Zu berücksichtigen sind der mit der Absprache verfolgte Zweck, die Interessenlage und das Gesamtverhalten der Parteien, ihre rechtlichen Beziehungen zueinander und zu Dritten sowie sämtliche Nebenumstände einschließlich der Vorgeschichte der getroffenen Vereinbarung, wobei nur solche Umstände Berücksichtigung finden dürfen, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt waren oder für ihn erkennbar waren (vgl. Wendtland in Hau/Poseck, BeckOK BGB, 56. Edition, Stand: 01.11.2020, § 133 BGB, Rn. 23, 25; Busche in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, § 133 BGB, Rn. 28 sowie § 157 BGB, Rn. 3; BGH, GRUR 2011, 946, 947, Rn. 18; BGH, NZBau 2011, 158, 160). Treu und Glauben gebieten dabei, Verträge so auszulegen, dass Widersprüche vermieden werden. Dem wird etwa eine Vertragsauslegung nicht gerecht, die einer erfüllungsbereiten Seite das Festhalten am Vertrag verwehren und der anderen Seite eine Abkehr vom Vertrag ermöglichen würde (Busche in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, § 157 BGB, Rn. 6). Zudem gilt es, Vertragsbestimmungen so zu verstehen, dass diese sich nicht als einseitige Interessendurchsetzung darstellen, sondern eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der jeweiligen Gegenseite ermöglichen. Insoweit ist eine umfassende Abwägung der Parteiinteressen erforderlich (Busche, a.a.O., Rn. 7). Insbesondere ist bei der Auslegung eines Vertrags zu berücksichtigen, in welchem Umfang die Parteien nach ihrer Interessenlage im Abschlusszeitpunkt jeweils das wirtschaftliche Risiko späterer Entwicklungen tragen sollten (BGH, NJW-RR 2003, 1053, 1054).
b. Dem Wortlaut nach haben die Parteien eine Nichtverwendungspflicht in Bezug auf die in einer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht offengelegten Patentanmeldung enthaltenen Informationen betreffend einen Wärmflaschensicherheitsverschluss vereinbart. Ausdrücklich wurde zudem vereinbart, dass die Nichtverwendungsverpflichtung nur „rechtlich wirksam“ ist, „sofern (…) die Patentanmeldung Bestand hat oder (…) das Patent rechtswirksam erteilt wird und anhängig ist“. Dass eine Patentanmeldung „Bestand“ hat, ist zwar kein rechtlich gebräuchlicher Terminus; eine Patentanmeldung existiert allerdings im Rechtssinne, bis ein Patent erteilt ist (siehe insofern auch den Wortlaut der Regelung „…oder das Patent rechtswirksam erteilt…“) oder die Anmeldung zurückgenommen bzw. rechtskräftig zurückgewiesen wird. Eben dies soll mit dem genannten Vertragstext hier zum Ausdruck gebracht werden: Dass die Parteien zumindest für die Dauer der Existenz der Anmeldung eine Regelung treffen wollten.
Hierfür spricht aber auch der Sinn und Zweck der Vereinbarung, insbesondere die Interessenlage der Parteien. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin mehrere Patente angemeldet hat. Unstreitig ist ebenfalls, dass die Klägerin die diesbezüglichen Anmeldeunterlagen der Beklagten in Auszügen übergab (Anlage K 38 / B 3). Es war daher insbesondere das Ziel der Parteien, in Bezug auf diese Unterlagen eine Regelung betreffend sämtliche von der Klägerin angemeldeten Patente und Gebrauchsmuster zu vereinbaren. Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass die Nichtverwendungspflicht ausdrücklich auf die gesamte Patentfamilie der Klägerin bezogen wurde.
Der Klägerin kam es daher im Wesentlichen darauf an, dass die Erfindung gegenüber der Beklagten trotz Herausgabe entsprechender Informationen auch schon während eines anhängigen Patentanmeldeverfahrens weiter geschützt ist. Deshalb wurde eine Regelung für den Fall entsprechend anhängiger Patentanmeldungen getroffen; diese Regelung soll gelten, solange die entsprechenden Anmeldungen anhängig sind bzw. im Anschluss ein Patent erteilt wird.
c. Dagegen steht die vereinbarte Nichtverwendungspflicht nicht unter dem Vorbe halt der Schutzfähigkeit der ihr in Auszügen gemäß Anlage K 38 mitgeteilten Patentanmeldung. Gleichwohl gilt die entsprechende Unterlassungspflicht in räumlichzeitlicher Hinsicht nicht uneingeschränkt. Insbesondere kann der streitgegenständlichen Vertragsklausel keine weltweite Unterlassungspflicht entnommen werden. Die Kammer legt die der Beklagten obliegende Unterlassungspflicht nach eingehender Prüfung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens dahingehend aus, dass diese ihrer Reichweite nach nur soweit und solange gilt, wie die Klägerin Inhaberin in Kraft stehender Patente oder anhängiger Patentanmeldungen ist. Eine entsprechende Auslegung ist nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Interessenlage geboten:
aa. Der Sinn und Zweck des zwischen den Streitparteien abgeschlossenen Vertrages liegt darin, informierte Gespräche über eine mögliche kommerzielle Zusammenarbeit betreffend den von der Klägerin entwickelten Wärmflaschenverschluss zu führen und zugleich die Klägerin davor zu schützen, dass die Beklagte als marktstarker Anbieter im Bereich von Wärmflaschen die Erfindung der Klägerin im eigenen Interesse ausnutzen kann.
Ausweislich der Präambel des Vertrages vom 19.03.2015 und der zwischen den Parteien geführten vorvertraglichen Korrespondenz sollte die Beklagte zu einem Zeitpunkt Einblick in die noch nicht offengelegte Patentanmeldung erhalten, zu dem Dritte nicht in der Lage und nicht berechtigt sind, eine Patentanmeldung einzusehen. Damit sollte der Beklagten die Gelegenheit eröffnet werden, eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Klägerin frühzeitig zu prüfen.
Zugleich sollte mittels der in den Vertrag aufgenommenen Nichtverwendungspflicht die Klägerin während des Laufs anhängiger Patentanmeldeverfahren vor einer wirtschaftlichen Verwertung ihrer Erfindung durch die Beklagte geschützt werden. Den Parteien war bei Abschluss des Vertrages beiderseits bewusst, dass es sich bei der Beklagten um den insbesondere in Deutschland führenden Anbieter von Wärmflaschen handelt. Die Beklagte selbst weist darauf hin, in Deutschland einen Marktanteil von 75% bis 80% zu haben (Bl. 96 d. Akte). Dies zeigt aber nicht nur die aus Sicht der Klägerin bestehende wirtschaftliche Attraktivität einer möglichen Kooperation mit der Beklagten, sondern belegt zugleich das besondere Schutzbedürfnis der Klägerin für den Fall der Offenlegung einer zum gegebenen Zeitpunkt noch vertraulichen Patentanmeldung. Denn sobald die Beklagte als Marktführer ein der Erfindung der Klägerin entsprechendes Produkt auf den Markt bringt, besteht auf Grund des erheblichen Marktanteils der Beklagten die Gefahr einer umgehend eintretenden Marktsättigung in deren Folge es der Klägerin als neuem Marktteilnehmer bereits im Ansatz schlechthin unmöglich sein könnte, Vertriebskanäle und Absatzmöglichkeiten für das von ihr entwickelte Produkt zu erschließen. Dieses im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für beide Parteien erkennbare Risiko einer drohenden Marktverschließung zum Nachteil der Klägerin zeigt, dass eine strenge Absicherung des Offenlegungsrisikos beabsichtigt war und der Interessenlage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses entsprach.
Über das Interesse der Beklagten an einer frühzeitigen Prüfung einer möglichen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Klägerin und das angesichts der Marktmacht der Beklagten bestehende Interesse der Klägerin, eine wirtschaftliche Verwertung ihrer Erfindung durch die Beklagte während des Laufs der Patentanmeldeverfahren zu vermeiden, hinaus war beiden Parteien bewusst, dass der Wert der Erfindung der Klägerin wesentlich davon abhängt, ob ein Patent erteilt wird oder nicht. Hierauf hatte der gesetzliche Vertreter der Klägerin in einer an die Beklagte adressierte E-Mail vom 30.04.2015 selbst nochmals ausdrücklich hingewiesen (Anlage K 21). Die Beklagte hatte zudem mit E-Mail vom 19.03.2015, 09:00 Uhr, ausdrücklich die Aufnahme einer Klausel gewünscht, der zufolge die Nichtverwendungspflicht nur dann besteht, „sofern die Patentanmeldung auch Bestand hat und das Patent rechtlich wirksam dauerhaft erteilt wird“ (Anlage K 19). Im Einvernehmen beider Parteien wurde daraufhin vereinbart, dass die Nichtverwendungspflicht nur dann rechtlich wirksam ist, sofern „a.) die Patentanmeldung Bestand hat oder b.) das Patent rechtswirksam erteilt wird und anhängig ist“ (Anlagen K 19 und K 2). Ob und in welchem Umfang ein Patent erteilt wird, war den Parteien bei Vertragsschluss indes gerade nicht bekannt.
bb. Vor dem Hintergrund dieser Interessenslage widerspräche eine Auslegung der streitgegenständlichen Vertragsklausel dem Sinn und Zweck des Vertrages, die es der Beklagten ermöglichte, nach Prüfung der Unterlagen den Kerngedanken der ihr offenbarten Erfindung kommerziell mit dem Argument umzusetzen, dass Gegenstand der Patentanmeldung eine aus dem Stand der Technik bereits bekannte technische Lösung sei. Vielmehr entspricht es angesichts der bestehenden und beiden Parteien bewussten Unsicherheit möglicher Patenterteilungen insbesondere mit Blick auf die starke Marktstellung der Beklagten dem Parteiwillen, dass ein wirtschaftliches Stillhalteabkommen geschlossen werden und die Beklagte ihre Markstellung gerade nicht zur kommerziellen Nutzung der ihr offenbarten Erfindung nutzen dürfen sollte, bis feststeht, ob eine Patentanmeldung in ein in Kraft stehendes Patent mündet.
Dass eine Unsicherheit betreffend die Erteilung der von der Klägerin angemeldeten Patente tatsächlich besteht, wird bereits daraus ersichtlich, dass etwa in Deutschland Gebrauchsmusterschutz in einer eingeschränkten Merkmalskombination bestätigt wurde, während in Österreich unter der Nummer AT 515912 B1 am 15.01.2016 ein Patent erteilt wurde, dessen Hauptanspruch im Wesentlichen identisch ist mit den von der Klägerin der Beklagten zur Verfügung gestellten technischen Informationen gemäß Anlagen K 38 / B 3. Solange daher die den Informationen gemäß Anlagen K 38 / B 3 entsprechenden Patentanmeldungen anhängig sind, muss sich die Beklagte an der vereinbarten Nichtverwendungspflicht festhalten lassen.
Allerdings würde eine Auslegung, welche eine der Beklagten obliegende weltweite und zeitlich unbegrenzte Unterlassungspflicht zur Folge hätte, die Interessen der Klägerin einseitig gewichten. Die von der Beklagten ausdrücklich geforderte Koppelung der Unterlassungspflicht an die Anhängigkeit von Patentanmeldeverfahren bzw. – im Erteilungsfalle – bestehenden Patentschutzes und die zugleich beiden Parteien bewusste Bedeutung eventuellen Patentschutzes zeigen, dass nur eine Vertragsauslegung hinreichend ausgewogen ist, der zufolge die Unterlassungspflicht der Beklagten davon abhängig ist, dass tatsächlich die den Anlass der Regelung begründende, mit einer anhängigen Patentanmeldung verbundene Unsicherheit hinsichtlich der Schutzfähigkeit der streitgegenständlichen Erfindung der Klägerin gegeben ist. Daher kommt eine Unterlassungspflicht der Beklagten nur hinsichtlich der Länder in Betracht, für welche die Klägerin ihre Erfindung eines mehrteiligen Wärmflaschenverschlusses als Patent angemeldet hat. Wird ein Patent schlussendlich nicht erteilt oder wird eine Anmeldung zurückgenommen bzw. entfällt der Schutz für ein ggf. bereits erteiltes Patent, kann zudem eine vertragliche Unterlassungspflicht dem Parteiwillen nach gleichfalls nicht mehr in Betracht kommen. Folglich gilt die vertragliche Unterlassungspflicht im relevanten Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2020 in den Mitgliedstaaten des Europäischen Patentübereinkommens (einschließlich Deutschland und Österreich) sowie in China, Japan, in der Republik Korea und in den USA.
2. Mit der Herstellung, dem Anbieten und dem Vertrieb des angegriffenen Wärm flaschensicherheitsverschlusses verwendet die Beklagte die ihr auf Grundlage der Geheimhaltungs- und Nichtverwendungsvereinbarung vom 19.03.2015 übersandten Informationen (Anlagen K 38 / B 3) und verletzt folglich die ihr durch § 3 des Vertrages auferlegte Verpflichtung.
a. Anlagen K 38 / B 3 offenbaren einen mehrteiligen Wärmflaschensicherheitsver schluss entsprechend folgender Merkmalskombination:
 
Damit wird entsprechend dem Klagegebrauchsmuster DE‘660 ein nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip funktionierender Wärmflaschenverschluss offenbart. Entgegen dem Klagegebrauchsmuster DE‘660 ist indes nicht erforderlich, dass zwischen Verschlussteil und Handbetätigungsteil eine Klemmwirkung erzeugt wird, um so das Verschlussteil zugleich mit dem Anheben des Handbetätigungsteil aus der Wärmflaschenöffnung herausnehmen zu können. Stattdessen wird den technischen Informationen gemäß Anlagen K 38 / B 3 lediglich verlangt, dass Handbetätigungsteil und Verschlussteil unter Bildung einer Wirkverbindung lösbar miteinander koppelbar sind. Eine Wirkverbindung ergibt sich aber bereits daraus, dass das Handbetätigungsteil der angegriffenen Ausführungsform formschlüssig in das Verschlussteil eingefügt und damit gekoppelt werden kann. Über den zwischen Handbetätigungs- und Verschlussteil gebildeten Formschluss kann dann das auf das Handbetätigungsteil ausgeübte Drehmoment auf das Verschlussteil übertragen und so die Wärmflasche auf- und zugeschraubt werden. Die Lösbarkeit der entsprechenden Wirkverbindung ist zudem unstreitig und ergibt sich aus den von der Beklagten selbst vorgelegten Lichtbildern gemäß Anlage B 2, die zeigen, dass sich das Handbetätigungsteil bereits auf eine leichte Schleuderbewegung hin aus dem Verschlussteil löst.
b. Der Einwand der Beklagten, den von ihr angebotenen Wärmflaschensicher heitsverschluss nicht auf Grundlage von der Klägerin erhaltener Informationen entwickelt und hergestellt zu haben, überzeugt nicht. Dagegen spricht insbesondere, dass die Beklagte in einer langjährigen und mit Blick auf ihre im Bereich von Wärmflaschen in Deutschland bestehende Marktführerschaft erfolgreiche Unternehmensgeschichte bislang keine mehrteiligen Sicherheitsverschlüsse entwickelt und angeboten hat, sondern einen entsprechenden Verschluss erst nach Aufnahme des geschäftlichen Kontakts durch die Klägerin und Erhalt der Informationen von der Klägerin in ihr Produktsortiment aufnahm. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte unabhängig von der Klägerin einen mehrteiligen Sicherheitsverschluss entwickelt hat, sind nicht dargetan. Vielmehr versucht sich die Beklagte allein auf das Argument zu stützen, dass die von der Klägerin erhaltenen Informationen angeblich bereits aus dem Stand der Technik bekannt gewesen seien. Auf die Frage der patentrechtlichen Schutzfähigkeit kommt es aber dem geschlossenen Vertrag nach nicht an. Vielmehr sollte das Risiko der patentrechtlichen Schutzfähigkeit ausgeschlossen werden und das entsprechende Risiko während des Laufs anhängiger Patentanmeldeverfahren von der Beklagten getragen werden.
c. Eine Verletzung der Nichtverwendungspflicht scheidet auch nicht deshalb aus, weil es sich – nach Offenlegung der Anmeldung – nicht mehr um der Geheimhaltungspflicht unterfallende Informationen handelte. Die Vereinbarung der Parteien regelt – wie gezeigt – klar, dass die Nichtverwendungspflicht während des gesamten Laufs der anhängigen Patentanmeldungen und weiter im Falle einer späteren Patenterteilung gelten soll – und zwar unabhängig von der Offenlegung der Patentanmeldung; dass die Nichtverwendungspflicht im Falle der Offenlegung einer Patentanmeldung endet, lässt sich der Vereinbarung gerade nicht entnehmen. Eine dahingehende Auslegung stünde vielmehr im direkten Widerspruch zu dem – wie dargelegten – Sinn und Zweck des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages, die während laufender Patentanmeldeverfahren bestehende Unsicherheit hinsichtlich des ggf. zu gewährenden Patentschutzes dahingehend aufzulösen, dass eine kommerzielle Nutzung der von der Klägerin der Beklagten mitgeteilten Informationen zu unterbleiben hat.
3. Der zwischen den Parteien am 19.03.2015 abgeschlossene Vertrag steht in Kraft. Die von der Beklagten geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe greifen nicht durch:
a. Ein Unwirksamkeitsgrund ergibt sich insbesondere nicht gemäß §§ 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB daraus, dass die Klägerin der Beklagten nur allgemein bekannte Information als vermeintlich geheimhaltungsbedürftige Inhalte mitgeteilt hat. Die Voraussetzung einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sind ersichtlich nicht erfüllt. Zum einen ist die gemäß § 124 Abs. 1 BGB maßgebliche Jahresfrist seit Entdecken der vermeintlichen Täuschung bereits verstrichen. Die Beklagte hat sich mit dem Argument der angeblich fehlenden Schutzfähigkeit der streitgegenständlichen Erfindung bereits in dem vor der Kammer geführten und mit Urteil vom 05.12.2018 entschiedenen einstweiligen Verfügungsverfahren verteidigt, ohne einen entsprechenden Einwand geltend zu machen.
Überdies ist keinerlei Anhaltspunkt vorgetragen oder ersichtlich, wonach die Klägerin arglistig handelte. Im Gegenteil ist nach der Überzeugung der Kammer davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Erfindung in redlicher Absicht entwickelt und zu vermarkten versucht hat. Dafür spricht jedenfalls, dass die Klägerin den entsprechenden Sicherheitsverschluss und dessen ästhetisches Konzept nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag selbst entwickelt hat und den entsprechenden Wärmflaschenverschluss nebst dazu passenden Wärmflaschen – wie ihr gesetzlicher Vertreter in der mündlichen Verhandlung anhand eines Produktmusters gezeigt hat – unter der Bezeichnung „YY“ vermarktet.
b. Darüber hinaus ergibt sich ein Unwirksamkeitsgrund auch nicht aus §§ 1 Abs. 1
GWB, 134 GWB, Art. 101 Abs. 2 AEUV. Der Einwand der Beklagten, dass die Klägerin ihrem Kartellrechtseinwand nicht entgegengetreten sei, geht fehl. Die Klägerin hat sich die Ausführungen aus dem Schriftsatz vom 02.05.2019 im Parallelverfahren vor dem Landgericht München I, Az. 4 HK O 2324/19 (Anlage K 40), ausdrücklich zu Eigen gemacht und damit in das vorliegende Verfahren eingeführt (Bl. 145 d. Akte).
Im Ergebnis stellt die vertraglich vereinbarte Nichtverwendungspflicht keine nach kartellrechtlichen Grundsätzen verbotene Wettbewerbsbeschränkung dar. Gemäß § 1 GWB, Art. 101 Abs. 1 AEUV, ist eine zwischen Unternehmen erfolgte Vereinbarungen verboten, wenn diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder tatsächlich eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bewirkt. Die streitgegenständliche Nichtverwendungsverpflichtung bezweckt weder eine Wettbewerbsbeschränkung (aa.) noch bewirkt diese eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung (bb.).
aa. Entgegen der Beklagten stellt die Nichtverwendungspflicht keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von § 1 Abs. 1 GWB, Art. 101 Abs. 1 AEUV, dar.
(1) Eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung liegt vor, wenn die betreffende Vereinbarung in eine Kategorie von Vereinbarungen fällt, deren schädlicher Charakter angesichts gesicherter Erfahrung allgemein anerkannt und leicht nachweisbar ist (Lübbig in Wiedemann, Kartellrecht, 4. Auflage 2020, § 8, Rn. 26 m. w. N.). Dem EuGH zu Folge ist der Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung eng auszulegen (EuGH, EuZW 2014, 901, 904 – Groupement des cartes bancaires). Daher muss bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung zwischen Unternehmen eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt, um als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung aufgefasst zu werden, auf den Inhalt ihrer Bestimmungen und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abgestellt werden. Im Rahmen dieses Zusammenhangs sind auch die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und die Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte zu berücksichtigen (EuGH, a. a. O., S. 903, Rn. 53).
(2) Ihrem wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang nach dient die vorliegende Vereinbarung dazu, informierte Gespräche über eine mögliche kommerzielle Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und der Beklagten betreffend den von der Klägerin entwickelten Wärmflaschenverschluss zu führen und zugleich die Klägerin davor zu schützen, dass die Beklagte als marktstarker Anbieter im Bereich von Wärmflaschen die Erfindung der Klägerin im eigenen Interesse ausnutzen kann. Mit der hier vereinbarten Nichtverwendungspflicht verfolgen die Parteien daher den kartellrechtsneutralen Zweck, eine ausgewogene und risikogerechte Verwertung der Erfindung der Klägerin zu ermöglichen. In der Sache ging es daher um eine potentielle Erweiterung und gerade nicht um eine Beschränkung des Produktportfolios der Beklagten.
Dagegen behauptet die Beklagte ohne nähere, substantiierte Darlegung, dass es sich bei der streitgegenständlichen Nichtverwendungspflicht um ein bezwecktes Wettbewerbsverbot handelt, durch welches der Angebotsmarkt für Wärmflaschen mit Sicherheitsverschluss negativ beeinträchtigt werde. Anhaltspunkte dafür, dass ein wie von der Beklagten behaupteter eigenständiger Markt für Wärmflaschen mit Sicherheitsverschlüssen besteht, sind indes nicht näher vorgetragen und in der Sache auch nicht ersichtlich. Der Beklagten ist es auf Grundlage der vereinbarten Nichtverwendungspflicht lediglich in den wie dargelegten räumlichzeitlichen Grenzen untersagt, eine weiterentwickelte Form eines Wärmflaschenverschlusses entsprechend den technischen Merkmalen der Erfindung der Klägerin nachzubauen. Dagegen bleibt es der Beklagten unbenommen, weltweit Wärmflaschen mit entsprechenden Wärmflaschenverschlüssen als solchen herzustellen und zu vertreiben. Damit erfolgt aber keine Einschränkung des Produkt-, sondern lediglich des Nachahmungswettbewerbs in Bezug auf eine spezifische Ausführungsform eines Wärmflaschenverschlusses, der als solches dem seitens der Nachfrager bestehenden Bedarf dient, Wärmflaschen möglichst sicher zu verschließen und ein Austreten heißen Wassers während der Anwendung zu verhindern.
Ein entsprechender Bedarf nach einem dichten, das Austreten heißen Wassers verhindernden Verschluss besteht überdies auch bei herkömmlichen Wärmflaschenverschlüssen. Entsprechend hinreichend dichte Verschlüsse sind – wie dem Gericht aus eigener Anschauung bekannt ist – zudem im Stand der Technik vorhanden. Selbst mit Blick auf den spezifischen Bedarf nach hinreichend sicheren, dichten Verschlüssen stellt das von der Klägerin entwickelte Produkt daher nur eine Weiterentwicklung und Verbesserung dar, ohne dadurch einen bedarfsspezifischen, gesonderten Markt für mehrteilige Wärmflaschensicherheitsverschlüsse zu begründen. Jedenfalls fehlt es an näherem Vortrag der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten dazu, dass mit dem von der Klägerin entwickelten Wärmflaschenverschluss ein völlig eigenständiger Bedarf auf Seiten der Verbraucher befriedigt wird und eine Substitution durch herkömmliche Wärmflaschenverschlüsse nicht in Betracht kommt. Im Gegenteil hat die Beklagte selbst der Klägerin im April 2015 mitgeteilt, dass sie die Erfindung der Klägerin lediglich als Nischenprodukt ansieht, das allenfalls im Bereich Kinder Absatz finden kann (Anlage K 21). Zu dieser Einschätzung setzt sich die Klägerin aber in Widerspruch, wenn sie eine dieses Produkt betreffende Nichtverwendungspflicht nun als umfassendes Wettbewerbsverbot interpretieren will.
bb. Darüber hinaus bewirkt die streitgegenständliche Nichtverwendungspflicht auch keine spürbare Wettbewerbsbeschränkung. Eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung wird nur dann bewirkt, wenn infolge der fraglichen Vereinbarung tatsächlich oder potentiell wettbewerbswidrige Wirkungen zu erwarten sind. Dazu müssen entsprechende Vereinbarungen den gegenwärtigen oder potenziellen Wettbewerb in einem solchen Ausmaß beeinträchtigen können, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit spürbare negative Auswirkungen auf Preise, Produktionsmengen, Innovationen oder Vielfalt bzw. Qualität von Waren und Dienstleistungen erwartet werden können (Europäische Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag, ABl. C 101/97 vom 27.04.2004, Rn. 24).
Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten annimmt, dass mit der Nichtverwendungspflicht die Produktvielfalt zum Nachteil der Verbraucher eingeschränkt wird, kann eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung im Ergebnis nicht angenommen werden. Entgegen der Beklagten kann eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung insbesondere nicht allein deswegen angenommen werden, weil sie einen Marktanteil von 75% bis 80% hat. Die Europäische Kommission hat insoweit ausdrücklich betont, dass im Falle einer von zwei Unternehmen getroffenen Vereinbarung ein hoher gemeinsamer Marktanteil dann regelmäßig nicht als Anzeichen für eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung am Markt zu werten ist, wenn eine von den zwei Parteien – wie vorliegend die Klägerin – einen unbedeutenden Marktanteil hält und nicht über bedeutende Ressourcen verfügt (Europäische Kommission, Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 AEUV auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl. C 11/1 vom 14.01.2011, Rn. 44).
Ungeachtet dessen kommen von der streitgegenständlichen vertraglichen Unterlassungspflicht bewirkte negative Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen bereits im Ansatz nicht in Betracht, sodass auch das entsprechende Beweisangebot der Beklagten durch Erholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 91 d. Akte) dahinstehen kann. Negative Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen können hier bereits aus dem Grund nicht angenommen werden, weil die Parteien mit dem Vertrag vom 19.03.2015 einen dahingehend kartellrechtsneutralen Zweck verfolgt haben, als es den Parteien – wie bereits ausgeführt – darum ging, informierte Gespräche über eine mögliche Erweiterung des Produktportfolios der Beklagten betreffend den von der Klägerin entwickelten Wärmflaschensicherheitsverschluss zu ermöglichen und die Klägerin zugleich zur Vermeidung möglicher Marktverschließungseffekte vor einer kommerziellen Ausnutzung ihrer Erfindung während laufender Patentanmeldeverfahren durch die marktstarke Beklagte zu schützen.
Darüber hinaus bestätigt auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zur kartellrechtlichen Zulässigkeit prozessbeendender Vergleichsverträge die Wirksamkeit der hier vereinbarten Nichtverwendungspflicht. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass kartellrechtlich nur der rechtmäßige Wettbewerb geschützt ist. Rechtswidrige Verhaltensweisen können entsprechend dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung daher ohne weiteres vertraglich ausgeschlossen werden (Lübbig in Wiedemann, Kartellrecht, 4. Auflage 2020, § 8, Rn. 18). Dem BGH zu Folge gilt dies des Weiteren auch dann, wenn die Parteien einen Vergleich schließen, um dadurch eine bestehende Ungewissheit über die Zulässigkeit eines bestimmten Verhaltens zu beseitigen. Nach dem BGH ist ein gemäß § 1 GWB zulässiger Vergleich möglich, wenn „ein ernsthafter, objektiv begründeter Anlass zu der Annahme besteht, der begünstigte Vertragspartner habe einen Anspruch auf Unterlassung der durch den Vergleich untersagten Handlung, sodass bei Durchführung eines Rechtsstreits ernstlich mit dem Ergebnis zu rechnen wäre, dass dem Wettbewerber das umstrittene Vorgehen untersagt werde“ (BGH, GRUR 2005, 845, 847 – Abgasreinigungsvorrichtung). Ähnlich dieser Konstellation ging es den Parteien hier darum, eine hinsichtlich der Frage der patentrechtlichen Schutzfähigkeit der Erfindung der Klägerin bestehende Unsicherheit auszuschließen und der Beklagten die Nutzung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geheimer Informationen zu ermöglichen. Ein sachlich gerechtfertigtes Interesse für die Vereinbarung einer mit der Geheimhaltungspflicht verbundenen Nichtverwendungspflicht für die Dauer anhängiger Patentanmeldeverfahren war vorliegend nicht nur mit Blick auf die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht offengelegte Patentanmeldung, sondern – wie dargelegt – insbesondere mit Blick auf die bestehende Marktmacht der Beklagten gegeben. Zugleich bestand ein hinreichender Anlass zur Annahme, dass Patentschutz gewährt wird. Ob und unter welchen Voraussetzungen dabei bereits die Einreichung einer Patentanmeldung für sich genommen die hinreichend ernstliche Erwartung zu gewährenden Patentschutzes zu begründen vermag, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Dass jedenfalls hinsichtlich der Patentanmeldungen der Klägerin hinreichend ernstlich mit der Gewährung patentrechtlichen Schutzes zu rechnen war, zeigt sich ungeachtet der von der Beklagten gemäß Anlage B 5 vorgelegten vorläufigen negativen Einschätzung des Europäischen Patentamtes vom 25.05.2020 daran, dass für die Erfindung der Klägerin in Österreich ein Patent eingetragen und in Deutschland in zumindest eingeschränkter Fassung Gebrauchsmusterschutz gewährt wurde. Vielmehr belegt die insoweit unterschiedliche Beurteilung durch die verschiedenen, mit der streitgegenständlichen Erfindung befassten Bestandsbehörden gerade die in der Sache objektiv begründete Unsicherheit, die die Parteien mit dem Vertrag vom 19.03.2015 für die Dauer der Anmeldeverfahren im Sinne eines wirtschaftlichen Stillhalteabkommens zum Schutz der Klägerin regeln wollten.
In räumlichzeitlicher Hinsicht überschreitet die vertraglich vereinbarte Nichtverwendungspflicht schließlich nicht die durch deren Zweck objektiv gebotenen Grenzen. Denn die Parteien haben – wie ausgeführt – die Nichtverwendungspflicht gerade nur soweit und solange vereinbart, wie die Klägerin Inhaberin in Kraft stehender Patente oder anhängiger Patentanmeldungen ist.
c. Der Vertrag ist überdies nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam. Anhalts punkte für eine entsprechend vorausgesetzte Sittenwidrigkeit sind nicht ersichtlich.
Soweit die Beklagte auf eine unverhältnismäßige Einschränkung ihrer grundrechtlich gemäß Art. 12 GG verbürgten Berufsausübungsfreiheit abstellt, können sich aus § 138 Abs. 1 BGB keine den insoweit spezielleren kartellrechtlichen Vorgaben widersprechenden Wertungen ergeben. Ohnehin ist eine Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit bereits dem Grunde nach nicht erkennbar, da es der Beklagten unbenommen bleibt, Wärmflaschen mit dazu gehörigen Verschlüssen herzustellen und zu vertreiben.
Überdies hält sich die Vereinbarung – wie dargelegt – im Rahmen der durch den vertraglich verfolgten Zweck objektiv gebotenen räumlichzeitlichen Grenzen.
4. Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Die Beklagte hat keine Unterlassungserklärung abgegeben und sieht sich weiterhin nicht zur Unterlassung verpflichtet.
5. Die vertraglich vereinbarte Nichtverwendungspflicht ist schließlich auch durchsetzbar. Der Einwand der Beklagten, wonach die Geltendmachung eines entsprechenden Unterlassungsanspruchs dem Gebot von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB widerspreche, verfängt nicht.
Entgegen der Beklagten verfolgte die Klägerin mit dem Abschluss des Vertrages vom 19.03.2015 keinen unlauteren Zweck zum Schutz rein formaler Rechtspositionen. Ganz im Gegenteil erfolgte der Abschluss des Vertrages wie bereits ausgeführt, um die Klägerin gegenüber der Beklagten als in Deutschland marktführender Anbieterin von Wärmflaschen vor einer möglichen Ausnutzung ihr frühzeitig mitgeteilter, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geheimer Informationen zu schützen.
Auch unter dem Gesichtspunkt des von der Beklagten behaupteten Versuchs der Klägerin, bekannten Stand der Technik zu monopolisieren, vermag die Kammer einen Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben nicht zu erkennen. Dem steht bereits die in Österreich erfolgte Patenterteilung entgegen, deren Schutzanspruch im Kern mit den gemäß Anlage K 38 der Beklagten mitgeteilten Informationen übereinstimmt.
III. 1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Soweit wie tenoriert zu entscheiden war, folgt die Kostenentscheidung aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Klägerin hatte mit ihrem Unterlassungsantrag nur teilweise Erfolg, da betreffend die geltend gemachte Verletzung der vertraglich vereinbarten Nichtverwendungspflicht eine räumliche und zeitliche Einschränkung entsprechend den derzeit anhängigen Patentanmeldeverfahren vorzunehmen war. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der von den anhängigen Patentanmeldungen erfassten Länder bewertet die Kammer das Teilunterliegen der Klägerin indes mit lediglich einem Zehntel. Mit Blick auf das vollständige Unterliegen der Klägerin betreffend die von ihr geltend gemachte Gebrauchsmusterverletzung ergibt sich hinsichtlich des Urteilsausspruchs eine aus Sicht der Kammer angemessene Kostenquote von 50%.
Soweit die Klägerin die Anträge gemäß Ziff. IV. und V. ihrer Klageschrift vom 29.04.2020 mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat, ergibt sich die Pflicht zur Kostentragung der Klägerin aus § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Hinsichtlich der Widerklage auf Vernichtung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nr. 002751750-0007 sind die Kosten gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO vollständig von der Klägerin zu tragen. Gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden. Das Klagegeschmacksmuster ist zum 08.08.2020 erloschen. Die Klägerin konnte die geltend gemachten Unterlassungs- und Auskunftsansprüche daher bereits nicht auf ein im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gültiges Geschmacksmuster stützen.
Bei der folglich insgesamt vorzunehmen Kostenquotelung hat die Kammer die auf zwei Schutzrechte und einen vertraglichen Anspruch gestützten Streitkomplexe dem Grunde nach gleich bewertet. Allerdings war zu berücksichtigen, dass die Klägerin über Unterlassungsansprüche hinaus auch Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht hat. Daher war im Ergebnis der Beklagten lediglich eine Kostenquote von einem Viertel aufzuerlegen.
2. Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 Satz 1 ZPO (betreffend Tenor zu 1.), 709 Satz 2 ZPO (betreffend Tenor zu 3.).
Für die Bemessung der Höhe der von der Klägerin hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs gemäß Ziff. 1 des Urteilstenors zu leistenden Sicherheit schätzt die Kammer im Rahmen der nach §§ 709 Satz 1, 108 Abs. 1 ZPO gebotenen Ermessensausübung den relevanten, potentiellen Vollstreckungsschaden insoweit unwidersprochenen Angaben der Klägerin folgend auf einen Betrag in Höhe von 100.000,00 €.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben